EvilQuest REVIEW
Das am 1. April 2012 veröffentlichte EvilQuest ist bereits das zweite Spiel des US-Amerikanischen Indie-Entwicklerstudios Chaossoft Games. Wie schon bei der Erstentwicklung „Chaos Shift“ (ein Shmup) wurde auch EvilQuest zunächst als preisgünstiges 1 $ Downloadspielchen für die Xbox 360 entwickelt. Anders als Chaos Shift, wurde EvilQuest jedoch zwei Jahre später auch als PC-Download-Version veröffentlicht um einen größeren Käuferkreis zu erschließen. Mit 1,99 € ist das Action-RPG im NES-Stil dabei eines der wenigen Indie-Games, die einen absolut fairen Preis bieten – da können sich andere Entwickler gerne mal ein paar Scheiben von abschneiden! Die wirklich interessante Frage lautet jedoch, ob das Spiel überhaupt was taugt und der Retro-Action-Rollenspieler in der Rolle des Bösewichts auf seine Kosten kommt oder nicht. Es wird Zeit dies im folgenden Review herauszufinden.
Eine klassische Handlung aus der Sicht des Bösewichts
Ironischerweise beginnt die Handlung als absolut vorhersehbarer 08/15 Mittelalter-Fantasy Einheitsbrei: In einer x-beliebigen Fantasywelt taucht plötzlich ein mörderischer Psychopath auf, der sich eine finstere Rüstung überstreift, eine extra scharfe Streitaxt schnappt und mordend und brandschatzend durch die Länder streift um ein Dorf nach dem anderen zu schleifen. Recht bald hat der Übeltäter, Galvis sein Name, eine schlagkräftige Streitmacht um sich geschart, mit deren Hilfe er sich mit dem Imperium von Camelia, unter der Führung des noblen König Jerric, anlegt. Durch Verrat aus eigenen Reihen scheitert der Schlachtplan gegen Jerrics Truppen und Galvis‘ Armee wird aufgerieben. Galvis selbst wird überwältigt und abgeführt.
In den meisten anderen Fantasy-RPG’s wäre die Geschichte nun zu ende, in EvilQuest fängt sie jetzt aber erst richtig an, denn König Jerric begeht den schweren Fehler Galvis‘ Leben zu verschonen und diesen stattdessen im Kerker versauern zu lassen. Zehn lange Jahre schmachtet Galvis im Verlies, lediglich die Geschichten des alten Diebes in der benachbarten Zelle bringen etwas Abwechslung in den tristen Häftlings-Alltag. Dieser behauptet, dass die Legende um die „Chaos Axe,“ der Wahrheit entspricht. Diese vom mächtigen Erzdämonen Tasrael geschmiedete Axt soll nicht nur die Macht haben den Zugang zur „Astral Plane“ (Astralebene) zu öffnen, sondern auch den dort residierenden Gott zu töten. Nach seinem Sieg über Tasrael, verfrachtete Gott diese mächtige Waffe in die Welt der Sterblichen, wo er sie mithilfe von vier magischen Siegeln bannte. Der alte Dieb behauptet, er hätte eines der vier Siegel in der alten Pyramide in der südlichen Wüstenregion gesichtet und berichtet Galvis von seinem Fund in der Hoffnung, dieser möge die Macht der Axt dazu nutzen die Menschheit zu vernichten – ein Plan den Galvis nur zu gerne in die Tat umsetzen würde. Durch clevere Vorbereitung und eine glückliche Fügung gelingt Galvis schlussendlich die Flucht und begibt sich auf seine bitterböse Quest um die Chaos Axe zu bergen, Gott zu töten um dessen Macht zu erschließen und schlussendlich die gesamte Welt und somit die verhasste Menschheit auszurotten.
Wer sich jetzt über das Spielziel wundert, hätte sich eigentlich schon beim Spieltitel denken können, dass man hier keinen Helden spielt. Das Konzept die Rolle des Oberschurken zu übernehmen ist zwar keinesfalls neu, aber die Art und Weise wie dieses in EvilQuest umgesetzt wird, wirkt durchaus erfrischend. Hier wird die Rolle des Bösewichts nämlich knallhart durchgezogen. Galvis ist ein bitterböser Mistkerl der nur Hass, Größenwahn, Mordlust und Rachegelüste zu seinen Gefühlsregungen zählt. Wer glaubt Galvis hätte auch seine guten Seiten irrt genauso sehr wie derjenige, der meint die Handlung würde durch humoristische Elemente aufgelockert werden. Nein, In EvilQuest steht man hundertprozentig auf der Seite des Bösen und die Handlung nimmt sich dabei absolut ernst. Dies wird freilich nicht jedem gefallen, aber man kann nicht leugnen, dass Chaossoft damit eine Linie durchzieht, die sich die meisten anderen Entwickler nicht wirklich trauen zu beschreiten.
Wo die Handlung jedoch ironischerweise scheitert, ist gerade bei dem Hauptcharakter Galvis selbst. Man befand es nämlich nicht für nötig den Spieler nahe zu bringen warum der Kerl so abgrundtief böse ist, wo er eigentlich herkommt und was er alles in der Vergangenheit erlebt hat, was bei ihm diesen enormen Hass auf seine Mitmenschen auslöste. Dementsprechend bleibt Galvis dem Spieler stets fremd, was keineswegs dadurch gerechtfertigt werden kann, dass man einen Bösewicht spielt der die Welt vernichten will.
Manchmal sind die Vorgehensweisen des Protagonisten auch nicht immer nachzuvollziehen. So werden die Dörfer in der Spielwelt neuerdings verschont, mit der Begründung dass er nun cleverer vorgehen müsse um erfolgreich zu sein. Auf der anderen Seite murkst er dann aber doch immer wieder friedliche NPC’s ab, die ihm zu dumm kommen oder die ihn anwidern. Dann wiederum nimmt er einen Auftrag von einem NPC an, damit dieser ihm einen wichtigen Schlüsselgegenstand rausrückt – gerade hier hätte es mehr Sinn ergeben, wenn Galvis einfach die Streitaxt gezückt hätte statt den Laufburschen zu spielen. Am besten wäre es natürlich gewesen, man hätte Galvis‘ Vorgehensweise hier und da selbst bestimmen können, so dass man aus dem künftigen Weltenzerstörer doch nur einen üblen Tyrannen formen könnte, aber diese Möglichkeiten erlaubt das Spiel leider nicht. Eine vergeudete Chance. Nichtsdestotrotz verbreitet EvilQuest einen gewissen Reiz dabei eine klassische Mittelalter-Fantasy-Handlung aus der Sicht des Bösewichts zu erleben.
Auf den Spuren von Crystalis
Wer schon einmal das NES Action-RPG Crystalis gespielt hat, findet sich in EvilQuest sofort zurecht, denn das Spiel borgt sich sowohl in grafischer als auch spielerischer Hinsicht sehr viel vom alten NES-Klassiker aus.
Ihr steuert Galvis aus der Vogelperspektive und bekämpft die Gegner in Echtzeit mit Nahkampfwaffen, Zaubersprüchen oder dem Charge Angriff. Für Letzteren einfach stehen bleiben, den Angriffsbutton gedrückt halten um den Schuss für eine bis drei Kraftstufen aufzuladen und dann loslassen um den Schuss abzufeuern. Damit ist man bereits bestens gerüstet um sich der zahlreichen aber auch recht stupiden Gegner zu erwehren. Im Notfall darf man sich auch Heilitems reinpfeifen, die aber recht bald von den Heilzaubern ersetzt werden dürften. Da Galvis über einen selbst-regenerierenden Magiebalken verfügt, kann man Heil- und Angriffszauber auch relativ inflationär einsetzen.
Durch beseitigte Gegner verdient man sich natürlich Erfahrungspunkte für Level-Ups. Pro Level-Up verdient man dann jeweils 2-5 Skillpunkte, die man in die vier selbsterklärenden Bereiche Strenght (verbessert Angriffskraft), Toughness (erhöht Verteidigungswerte), Vitality (mehr Lebenspunkte) und Intelligence (mehr Manaenergie und stärkere Zauber) investieren darf. Pro Level-Up darf man eine Eigenschaft aber nur um zwei Punkte verbessern, womit wohl eine gewisse Ausgewogenheit gewährleistet werden soll.
Getötete Feinde droppen darüber hinaus Geldeinheiten, Items und Nahrung. Letztere regeneriert Lebensenergie und Ersteres kann man bei den Händlern in den Siedlungen verpulvern um sich neue Ausrüstung und Zauber zu leisten. Wer in der Spielwelt die Augen offen hält, findet freilich auch einige Schatztruhen, damit man nicht vollends auf Händler und Hinterlassenschaften angewiesen ist.
Durch die Oberwelt gaukelt das Spiel zwar eine relativ offene Welt vor, tatsächlich ist das Spiel aber sehr linear, da man an manchen Orten nur dann ernsthaft vorankommt, wenn man gewisse Schlüsselgegenstände oder Ausrüstung besitzt, die natürlich nur in einem bestimmten Dungeon erhältlich sind. Um zu erfahren wo es als nächstes hingehen soll, empfiehlt es sich mit den NPC’s der Dörfer und Städte zu tratschen, deren Hinweise auch im Questjournal festgehalten werden.
Die Dungeons bieten einen angemessenen Umfang, werden dank der zuschaltbaren Minimap aber niemals unübersichtlich. Kleinere Rätseleinlagen sind zwar in minimalen Spurenelementen vorhanden, aber es ist offensichtlich, dass sich EvilQuest primär auf den Kampf konzentriert. Dies sorgt leider auch für penetrantes Gegner-Respawning, welches stellenweise schon mal nervig werden kann. Dafür bietet das Spiel aber immerhin sehr viele unterhaltsame Bosskämpfe, die zwar nicht unbedingt schwer zu bewältigen sind, wenn man sich den Angriffsmustern der Bosse anpasst, aber dafür sehr nett inszeniert wurden und hübsche Sprite-Grafiken offenbaren.
Apropos Schwierigkeitsgrad: EvilQuest bietet die Wahl aus den drei gängigen Graden Easy, Normal und Hard. Meiner Meinung nach war das Spiel aber selbst auf „Hard“ eine eher einfache Angelegenheit, die niemanden ernsthaft ins Schwitzen bringen sollte – erst recht nicht Retro-Rollenspieler der NES-Ära, welche schließlich die Hauptzielgruppe für das Spiel darstellen.
Ernsthaft zu kritisieren habe ich höchstens, dass das Spiel keinen Controller-Support bietet. Die Tastatur- und Maussteuerung funktioniert zwar einwandfrei und kann sogar frei konfiguriert werden, doch kann man von einem Spiel, welches auf den Retro-Konsolen-Bonus setzt schon erwarten, dass Pad-Steuerung zur Verfügung steht.
Dennoch bietet EvilQuest viel Spielspaß für sein Geld. Je nachdem auf welchem Schwierigkeitsgrad man zockt und ob man sich die Mühe macht den Level-Cap von Stufe 35 zu erreichen oder nicht, dürfte man 5-7 Stunden mit dem Spiel beschäftigt sein. Für 1,99 € kann man da nicht meckern.
Grafik, Sound und weiteres
Wenig überraschend orientiert sich EvilQuest an alten Retro-RPG’s der NES-Ära. Optische Ähnlichkeiten sind vor allem mit dem 1990 erschienenen Crystalis auszumachen. Manche mögen jetzt kritisieren, dass EvilQuest nur kopieren würde, aber spätestens beim Artdesign bietet das Spiel dann doch seinen eigenen Flair. Die Pixelzeichnungen des Intros und Outros sowie die Boss-Sprites wirken zwar sehr amateurhaft und erwecken irgendwie den Eindruck, als ob hier ein Kind Hand angelegt hätte, verbreiten aber auch ihren eigenen speziellen Charme und sind unverkennbar. Ich mag das Artdesign jedenfalls recht gerne und die Grafik an sich verbreitet die typische Retro-Faszination, wenn man feststellt, dass man jeden Pixel einzeln erkennen und zählen kann.
Leider bietet das Programm nur die beiden Auflösungsstufen 640×360 und 1280×720. Es gibt zwar die Option das Spiel im Fullscreen-Modus laufen zu lassen, doch sieht es dann auch entsprechend verwaschen und mies aus, zumal der Bildausschnitt in diesem Modus noch nicht mal zentriert wird.
Überraschend hohe Qualität wird beim Soundtrack geboten. Die Tracks passen perfekt zum Spiel und bieten neben gepflegter Retro-RPG-Stimmung auch so einige Ohrwürmer! Hier kann man sich echt nicht beschweren, tolle Leistung! Man könnte vielleicht kritisieren, dass es keine Sprachausgabe gibt, aber die wäre meiner Meinung nach in einem Spiel mit solch einem Retro-Stil ohnehin eher unpassend.
Erfreulich ist weiterhin, dass das Spiel sehr sauber programmiert wurde. Die einzigen Fehler die mir aufgefallen sind, waren einige unerreichbare Gold- bzw. Itemdrops, beseitigter Gegner und ein kleiner Grafikbug, der den Bildflacker-Grafikeffekt aufrechterhielt, wenn man in kurzer Abfolge zwei verschiedene Heilzauber anwendet. Dieser Bug verschwindet aber wieder, wenn man die Levelkarte verlässt und ist daher nur eine kleine Unannehmlichkeit. Da EvilQuest bei den meisten Spielern recht gut ankommt, wurde auch schon längst die Fortsetzung angekündigt, die hoffentlich bald das Licht der Welt erblickt, aber mehr als zwei Trailer gibt es von dem Spiel noch nicht zu sehen.