Why Am I Dead At Sea REVIEW
Sind Geister die besseren Detektive? Die clevere Spielidee als Geist seinen eigenen Mörder zu jagen ist nicht mehr ganz so taufrisch im Bereich der Video- und Computerspiele. Capcom hat das Konzept bereits Mitte 2010 mit dem DS-Titel „Ghost Trick: Phantom Detective“ umgesetzt und vier Jahre später nutzte Airtight Games die Idee für ihr Tripple A Adventure „Murdered: Soul Suspect.“ Aber auch im Independent-Bereich treiben Geister-Detektive ihr Unwesen. Bereits seit Mitte November 2012 schwirrt der erste Teil der „Why Am I Dead“-Serie auf Seiten wie Newgrounds und Kongregate herum. Zwei Jahre danach erhielt das kostenlose Spielchen sogar ein ebenso kostenfreies Remake mit dem Untertitel „Rebirth.“ Bislang letzter Streich des verantwortlichen Indie-Entwicklers Patrick McGrath (Peltast Software) ist jedoch die kommerzielle Fortsetzung Why Am I Dead At Sea, welche das Spielerlebnis aus dem zwielichtigen Hotel heraus auf eine heruntergekommene Fähre verlegt, und natürlich eine neue Reihe menschlicher Schicksale und Abgründe anzubieten hat. Ob die Kommerzialisierung mit einem Standardpreis von 4,99 Euro jedoch gerechtfertigt ist oder nicht, möchte ich euch in folgendem Review aufzeigen.
Ein Geist jagt seinen Mörder und entdeckt menschliche Abgründe
Schüsse fallen, irgendjemand wurde kaltblütig ermordet. Dieser jemand ist unsere Spielfigur, welche jedoch inzwischen durch das telepathisch begabte Wunderkind Paulo als Geist wiedererweckt wurde, um sich auf die Suche nach dem Übeltäter zu begeben. Scheitert der Geist bei dieser Aufgabe, droht den Passagieren der Fähre SS Douce Amere großes Unheil. Zumindest dann, wenn man Paulos dunkler Vorahnung glauben schenken mag. Aber hey, wenn der frühreife Bengel schon in der Lage ist Geister zu erwecken und mit diesen zu kommunizieren, dann wird er schon wissen wovon er redet. Also macht sich unser unter Amnesie leidender Geist auf den Weg, um den Mörder auf der heruntergekommenen Fähre auffliegen zu lassen, bevor Schlimmeres geschieht. Und wenn nebenbei die eigene Identität aufgedeckt wird, ist das auch nicht verkehrt.
Trotz der kitschig-klischeehaften Prämisse und der kunterbunten Grafik, die sofort an den JRPG-Klassiker Earthbound erinnert, entpuppt sich das Spiel recht bald als überraschend düster. Die Themen die hier behandelt werden sind sehr erwachsen und beschäftigen sich mit Dingen wie Depressionen, Vertrauensmissbrauch und schlimmen menschlichen Abgründen. Präziser möchte ich an dieser Stelle nicht werden, da ich ansonsten zu viel spoilern würde. Aber nochmal mein klarer Hinweis, dass man sich von der kinderfreundlichen Präsentation nicht irreführen lassen sollte, denn die Handlung und die Charaktere richten sich eindeutig an erwachsene Spieler! Diese bekommen aber ein packendes Mystery-Krimi-Drama geboten, welches dank der abwechslungsreichen Charaktere und den schockierenden Wendungen zum Schluss einige Zeit im Gedächtnis verweilen dürfte. Besonders schön finde ich, dass sich die übernatürlichen Elemente nie in den Vordergrund zwängen, sondern lediglich als Ausgangsbasis für die Handlung und das Spielkonzept dienen. Wer böse Poltergeister, Dämonen und ähnlichen Quark befürchtet, braucht sich also keine Sorgen zu machen. Hier geht es um die Menschen, nicht die Geister.
Man kann nie wissen, ob man nicht gerade Wirt für einen Geist ist
Die grundlegende Steuerungsmechanik ähnelt der eines typischen JRPG. Man steuert seine Spielfigur aus der Vogelperspektive durch die Umgebung (inklusive diagonaler Laufrichtungen) und nutzt die Aktionstaste um mit anderen Charakteren zu reden oder Umgebungsobjekte zu untersuchen. Die Tastatursteuerung arbeitet dabei nach gewohnt simplen Standards diverser Retro-JRPGs. Leider ist die Tastenbelegung für die insgesamt drei benötigten Aktionstasten nicht ideal belegt. Das ist aber nicht so schlimm, da das Spiel eine Tastenkonfiguration anbietet. Dafür lässt das Game wiederum jeglichen Maus- und Controller-Support vermissen – ärgerlich. Noch störender ist jedoch die Problematik, dass einige Spielfiguren immer wieder an Umgebungsobjekten hängenbleiben, was ich bis dato noch in keinem Spiel dieser Machart erlebt habe. Etwas mehr Sorgfalt bei der Programmierung wäre hier wünschenswert gewesen.
Kernelement des Spiels ist es Gespräche zu führen, um auf diese Weise Informationen zusammenzukratzen, die bei der Ermittlung helfen. Zu diesem Zweck kann der Geist auf Tastendruck in die Körper der unterschiedlichen Crewmitglieder und Passagiere an Bord schlüpfen. Der Geist kann jedoch nur in jene Personen hineinschlüpfen, deren Persönlichkeit er bereit einigermaßen durchschaut hat. Aufgrund dessen ist es zu Beginn des Spiels nur möglich Besitz von einer Katze zu ergreifen, da Tiere ja nicht über eine große Persönlichkeit verfügen. Hat man letztendlich einen menschlichen Wirt etwas besser kennengelernt, darf man auch von den Zweibeinern Besitz ergreifen und direkt steuern, um endlich die notwendigen Gespräche führen zu können. Die Fragen die der Wirt dabei stellt, sind jedoch an dessen Persönlichkeit gebunden, weil der Geist zunächst nur einen begrenzten Einfluss aus ihn ausübt. Es ist jedoch möglich das vollständige Wesen eines Wirts zu ergründen. Gelingt dies darf man die volle Kontrolle übernehmen und der Geist kann endlich seine eigenen Fragen stellen. Leider ist die vollständige Übernahme unnötig kompliziert, weil man hierfür in das Zimmer des betreffenden Charakters eintreten muss und die entsprechende Übernahme mit gedrückt gehaltener Taste aufladen muss. Hierzu muss man den Wirt freilich verlassen. Die Zeitspanne in der man nun die vollständige Übernahme auflädt, kann sich der Wirt aber wieder verkrümeln. Das ist einfach nur nervig und unnötig umständlich gehandhabt! Das hätte man angenehmer umsetzen sollen.
Aber im Grunde genommen ist das auch schon so ziemlich der gesamte Spielablauf. Die Rätsel basieren auf Dialogtriggern, durch die man sich nach und nach durchwuseln muss. Hierzu muss man freilich von jedem Charakter Besitz ergreifen und mit möglichst allen anderen Charakteren reden. Netterweise ergrauen Dialogoptionen, die man bereits abgeklappert hat, was die Sache deutlich erleichtert. Charaktere die noch offene Dialogvarianten aufweisen, werden obendrein mit einer Sprechblase markiert. Abseits von alledem bietet jeder Charakter übrigens auch seine individuelle „Spezialfähigkeit.“ Die Diebin kann etwa in die Taschen anderer Leute hineingucken, während die Paranoide durch Schlüssellöcher spionieren darf. Der Geist kann in die konfusen Gedanken der Leute eintauchen und der DJ kann … nun ja, die Kopfhörer aufsetzen um sich seine Lieblingsmucke reinzupfeifen. Also ja, nicht jede Fähigkeit ist nützlich oder gar notwendig, um das Spiel durchspielen zu können. Aber sie stellen eine tolle Spielerei dar, und zeigen, wie viel Detailverliebtheit und Kreativität hier hineingeflossen sind.
Richtige Rätselaufgaben, wie man sie aus Point & Click-Adventures kennt, sucht man allerdings vergebens. Hier und da muss man vielleicht einen Schlüssel einsacken, um anderswo eine Tür zu öffnen, aber das war es auch schon. Ein Inventar oder komplizierte Puzzle-Apparaturen sind jedenfalls non existent. Die Dialoge und damit einhergehend die Charaktere und Handlung sind ganz klar das Herzstück des Spiels. Ein Spiel, welches trotz seiner mickrigen Spielwelt gute 6 Stunden beschäftigen dürfte, was doch wesentlich mehr ist, als ich erwartet habe. Auch die vier unterschiedlichen Endings sind eine gute Motivationsquelle (die meisten kann man in einem Spieldurchlauf freispielen).
Grafik und Sound
Grafisch appelliert Why Am I Dead At Sea an die Herzen der Earthbound-Fans. Es wird jedenfalls auf den ersten Blick klar, woher der Entwickler seine Inspiration für die Grafik bezog. Glücklicherweise bleibt es bei der Inspiration, denn sämtliche Grafiken sind Eigenkreationen. Darüber hinaus handelt es sich hierbei nicht um ein RPG-Maker-Spiel. Das erkennt man auch daran, dass zehn verschiedene Auflösungsstufen geboten werden, welche ausgehend von 640×360 bis hin zu 1920×1080 Bildpunkten rangieren. Man kann darüber streiten, ob der lustig-bunte Grafikstil zu den harten Thematiken des Spiels passt oder nicht, aber immerhin verbreitet er viel Charme. Interessanterweise wirkt das Szenario der Fähre innerhalb der ca. sechs Spielstunden bei weitem nicht so eintönig, wie man denken mag. Abwechslungsreichtum sollte man jedoch auch nicht erwarten, obwohl sich das Spiel einige interessante Dinge einfallen lässt, um den visuellen Aspekt spannend zu halten (z.B. ein Tag- und Nachtwechsel an Deck oder die wirren Gedankenwelten der Charaktere).
Besonders gelungen ist jedoch der tolle Soundtrack von Bill Kiley, welcher die variierenden Situationen und die Gemütslagen der Charaktere hervorragend widerspiegelt. Egal ob fetzige Gute Laune-Tracks, mysteriöse Klänge oder melancholisch-traurige Melodien: Die Ohrwurmgarantie ist stets gegeben. Besonders cool ist es, dass jede Spielfigur ihr eigenes Musikthema offenbart. Hierdurch wird der Wechsel des Wirtskörpers besonders stark hervorgehoben und das Grundkonzept des Spiels sogar akustisch untermauert. Einfach genial!