Rise of the Tomb Raider REVIEW
Die einen enttäuscht, weil sie sich noch eine Weile gedulden müssen, die anderen genießen es schon jetzt in vollen Zügen, oder spielen zumindest mit den Gedanken es sich zuzulegen – von welchem Spiel ich gerade schreibe? Rise of the Tomb Raider, dem neusten Abenteuer um die Archäologin Lara Croft. Angetrieben vom Vermächtnis ihres Vaters, der viel zu früh diese Welt voller unbekannter Kulturen und Schätze verließ, bricht sie nach Sibirien auf, um die Quelle der Unsterblichkeit zu finden. Dabei orientiert sich Rise of the Tomb Raider an dem Reboot aus dem Jahre 2013, in dem nicht nur die Heldin selbst, sondern auch das Spielprinzip angepasst wurde und demnach alles ein wenig authentischer gegenüber den Vorgängerspielen wirkt.
Durch Berg und Tal
Mit einer kurzen Eingewöhnungsphase, die bei Spielern der Assassin’s Creed Reihe höchstwahrscheinlich noch kürzer ausfallen wird, kämpft ihr euch dank vielseitiger akrobatischer Tricks durch verschiedene Landstriche, die nicht nur mit Schnee überzogen sind, sondern nicht selten auch einen zugewucherten Wald ins Geschehen einfließen lassen. Ebenso sind auch Ruinen, sowie Höhlen begehbar, und zeigen den Ideenreichtum der Entwickler. Und schon hier entfaltet Rise of the Tomb Raider sein volles Potenzial, denn nahezu alles lässt sich erreichen, was in eurem Blickfeld liegt. Ihr hangelt euch an Mauern hoch, erklimmt Gletscher, klettert auf Bäume oder bewegt euch mittels Seilzug von einem Abschnitt in den Nächsten.
Leider sind die größten Gefahren für Lara nicht etwa mögliche Knochenbrüche, sondern die schwer bewaffneten Truppen von Trinity, die dasselbe Ziel wie Lara verfolgen und die Quelle der Unsterblichkeit suchen, dessen Existenz nicht einmal bewiesen ist. Dementsprechend muss sich Lara dieser behaupten und sich einiger Waffen bedienen, die anfänglich nur einen Bogen bereitstellen. Hinzu gesellt sich aber der glückliche Umstand, dass sie mit dieser Fernwaffe auch Wild erjagen kann, an dessen Fleisch sie ihre Kräfte wieder auffüllt, sowie weiteren nützlichen Fundus einsackt, der später noch seine Verwendung findet. Der Bogen ist aber auch eine Waffe gegen anderes Getier, wie etwa Wölfe oder Bären. Da jedoch die Pfeile nicht immer ausreichen werden, ist die Deckung oder die Flucht ebenso Bestandteil von Rise of the Tomb Raider.
Um immer die Gegenwehr zu sichern, ist neben der eigentlichen Bewaffnung, auch die Menge an Munition nicht unerheblich, die so manchen Exitus ersparen kann. Dabei verfügt Lara erneut über die Gabe, Pfeile blitzschnell zu basteln und damit den Köcher wieder zu befüllen. Aber auch Patronen für die Pistolen, das Maschinengewehr, sowie für eine eindrucksvolle Pumpgun sind überall verteilt und richten je nach eingestelltem Schwierigkeitsgrad mehr oder weniger Schaden beim Gegner an. Natürlich kann auch wieder ein wenig taktisch agiert und mithilfe eines Molotowcocktails Ansammlungen von Gegnern aus dem Weg geräumt werden. Letztlich eignen sich leere Flaschen aber auch gut als Ablenkungsmanöver, mit welchem Lara auf Wunsch sogar einen Hinterhalt zaubern kann.
Gemeinsam statt einsam
In früheren Abenteuern war Lara eher eine Art Übermensch, die mit zwei Waffen in der Hand und mehreren Saltos nacheinander alles aus dem Weg räumte, was nicht sogleich die Flucht ergriff. Seit dem Reboot ist jedoch alles anders, denn die menschliche Seite rückt mehr in den Vordergrund und macht sie auch weit aus verletzlicher. Grund dessen ist Lara aber auch inzwischen empfänglicher für Hilfe und so bekommt sie noch zu Beginn Jonah an die Seite gestellt, der sie wie ein Bruder behütet. Im Verlaufe der Geschichte lernt sie aber noch weitere Charaktere kennen, die ihr hilfreich zur Seite stehen und ihr den Rücken bei so mancher unfairen Schlacht freihalten.
Doch nichts ist wertvoller als der eigene Spürsinn, der ihr per Tastendruck sogar das nächste Ziel hervorhebt, das nicht selten nur mit vielen Kletterpatin und gutem Timing erreicht werden kann. Im Verlaufe des Spieles werden die Variationen noch ausgebaut und der Anspruch einen Ort zu erreichen steigt enorm an. Doch trotz einiger Fehlversuche, schafft es Rise of the Tomb Raider dem Spieler nie den Ehrgeiz zu rauben, immer weiter vordringen zu wollen. Dies wird zudem durch die gute und vor allem faire Positionierung der Kamera unterstützt, die immer recht hilfreich auf die neue Etappe umschwenkt.
Rise of the Tomb Raider verzichtet, wie schon seine Vorgänger, nicht auf verschiedene Rätseleinlagen oder Nebenaufgaben. Bei diesen ist es beispielsweise erforderlich, Gefangene zu befreien oder Wölfe in einer Höhle unschädlich zu machen. Wer sich aber lieber auf die Hauptstory konzentrieren möchte, muss nicht befürchten, wichtige Handlungsstränge zu verpassen. Uninteressant ist die Erfüllung angenommener Aufgaben dennoch nicht, da es als Dank wertvolle Utensilien gibt, die die Reise zur Quelle enorm erleichtern können.
Lara goes RPG
Mit der Erfüllung unzähliger und abwechslungsreicher Missionen, gewinnt die junge und tapfere Archäologin auch an Erfahrung hinzu, die euch als Erfahrungspunkte gut geschrieben werden. Ist eine gewisse Anzahl erreicht, könnt ihr euch neue Fähigkeiten aneignen, wie Konterangriffe im Nahkampf oder eine verbesserte Abwehr bei gegnerischen Treffern. Ebenso lassen sich die mitgeführten Waffen upgraden, was zu einer Verbesserung im verursachten Schaden oder der Stabilität beiträgt. Einen kleinen Nachteil hat jedoch das mögliche Aufwerten, denn erst an einer Feuerstelle ist es euch erlaubt, in das zuständige Menü zu wechseln, um die gewünschten Attribute anzupassen.
Die vorgegebenen und freischaltbaren Skills laden indes auch dazu ein, immer mehr Aufgaben anzunehmen und Gegner auszuschalten, statt sich an ihnen vorbeizuschleichen. Das heißt aber nicht, dass ihr den aggressiven Weg gehen müsst, denn die gesamte Spielwelt ist so auf Lara abgestimmt, dass ihre neuen Spielzeuge immer schnell eine Anwendung finden und so Passagen plötzlich zugänglich machen, die vorab noch unerreichbar schienen. So kann man auch Konfrontationen umgehen und zum nächsten automatischen Speicherpunkt vordringen, ohne großartig Munition verschwendet zu haben.
In Rise of the Tomb Raider kommt aber auch der Sammeltrieb wieder ordentlich in Fahrt, denn überall sind wertvolle Artefakte und Gegenstände verteilt, die viel über die fremde Kultur preisgeben und dazu einladen, wirklich jeden Winkel der offenen Spielwelt zu erkunden. Mithilfe der Schnellreise, die ebenso an der Feuerstelle aktiviert werden kann, dürft ihr auch zu längst bereisten Orten zurückkehren und dort jedwede Objekte, die zumeist in Kisten versteckt sind, einsacken.
Technik
Da wir uns die Xbox One Version genauer angeschaut haben, spielt auch die Optik keine unwesentliche Rolle. Und ohne gleich auszuschweifen sei gesagt, dass die offene Spielwelt ein wahrer Genuss für das Auge ist, welches mit vielen kleinen und liebevoll umgesetzten Details hervor sticht. Ob Laras Fußspuren im Schnee, oder ein Wasserfall, der das reflektierende Licht zu einem Regenbogen wandelt – an viele verschiedenen Facetten wurde gedacht, die perfekt ins Spiel eingeflossen sind. Da gestaltet es sich auch als besonders angenehm, dass keine überflüssigen Anzeigen das Bild stören und nur ein immer stärker werdender Blutrand auf Laras nahenden Exitus hinweist. Gestochen scharf, wie schon das Gameplay, sind auch die tollen Cutscenes, die wirklich alles aus der Story herausholen und nicht selten für Überraschungsmomente sorgen, die fast schon kinoreif sind.
Der Sound ist ebenso spannend, melancholisch, bedrückend und genau so, wie es die aktuelle Spielszenerie fordert. Röchelnde Tiere und das tiefe Atmen der Protagonisten geben dem jeweiligen Moment den nötigen Tiefgang, der aus Rise of the Tomb Raider ein wirklich beeindruckendes Spiel macht. Die Sprachausgabe ist abermals auf Deutsch gehalten, muss diesmal aber ohne Nora Tschirner als Lara Croft auskommen. Stattdessen nimmt sich Maria Koschny der Vertonung an und leiht der heldenhaften und selbstlosen Archäologin ihre Stimme.
Die Steuerung wird mit den immer neuen Spielzeugen und Passagen teilweise recht fordernd. Ein schnelles Reaktionsvermögen ist unabdingbar, um bis zum Abspann des Spieles zu gelangen. Das Ganze wird noch mit ein paar Quick-Time-Events angereichert, die aber relativ einfach in ihrer Umsetzung sind. Und auch das Wechseln der Waffe geht mithilfe des Steuerkreuzes binnen Sekunden von Hand und erspart so manches Nachladen, was hingegen ein paar Sekunden beansprucht.