Kult: Heretic Kingdoms REVIEW
Als großer Freund unbekannter Geheimtipps, war der PC für mich schon lange vor dem Indie-Boom eine wundervolle Fundgrube von Titeln abseits einseitiger Kommerzproduktionen. Und so bin ich seinerzeit auf meiner Suche nach interessanten Titeln auch auf das Erstlingswerk des slowakischen Entwicklerstudios „3D People“ gestoßen.
Die Rede ist natürlich von Kult: Heretic Kingdoms, einem Ende 2004 veröffentlichtem isometrischen Action-RPG, welches ursprünglich nur als weiterer Hack ’n Slay-Aufguss bzw. „Diablo-Klon“ konzipiert wurde, im Verlauf seiner Entwicklung dann aber doch komplexere Züge annahm. Letztendlich hatte das Spiel dann mehr mit einem richtigen Iso-RPG wie „Divine Divinity“ oder „Icewind Dale“ gemeinsam, als mit einer hirnverbrannten Loot-Metzelei. Wie sich die Inquisition der Häretischen Königreiche jedoch im Vergleich zu eben genannten Hochkarätern schlägt, könnt ihr im folgendem Review nachlesen.
Religion ist Tod. Und Tod der Religion
So lautet das Motto der atheistischen Inquisition, die es sich zur Aufgabe gemacht hat jeglichen Funken von Glauben, Göttern und Religion in den Häretischen Königreichen auszulöschen.
Alles begann als der Held Arlor aus unbekannten Gründen Gott niederstreckte. Eine Tat die weitreichende Konsequenzen für die Häretischen Königreiche, wie das Land bald darauf heißen sollte, nach sich ziehen würden. Arlor selbst starb parallel zu seinem göttlichen Opfer und sein Schwert wandelte sich zum übermächtigen „Gottesschlächter“, eine teuflische Waffe die über verheerende Kräfte verfügt. Ferner entstand durch das Ableben der Beiden das „Macula“, eine feine Narbe im Gesicht der Gezeichneten. Die Träger des Maculas verfügen über angeborene magische Kräfte, von denen man glaubt sie seien die Überbleibsel des getöteten Gottes.
Im laufe der folgenden Jahrhunderte forderte der Gottesschlächter – wenn auch nur indirekt – unzählige Opfer. Insbesondere grausame Tyrannen fühlten sich von der mächtigen Klinge wie magisch angezogen und missbrauchten das heilige Artefakt dazu sich zu göttlichen Herrschern emporzuschwingen, die ihre Ansprüche mit Brachialgewalt durchsetzten.
Der letzte Besitzer Gottesschlächters war ein Nachfahre Arlors persönlich, ein Psychopath namens Taryn der sich selbst zum Theokraten ernannte und seinen eigenen perversen Kult gründete – Menschenopfer inklusive versteht sich. Es sollte also nicht verwundern, dass angesichts solcher Irrer ein entsprechender Gegenpol in Form einer atheistischen Inquisition gegründet wurde.
Das Spiel beginnt einige Jahre nach Taryns Niedergang. Wir übernehmen die Rolle der Inquisitor-Azubine Alita die von Erzinquisitor Fürst Valkarin persönlich damit beauftragt wird, den verhassten Gottesschlächter aufzuspüren und zu zerstören, um somit der Religion einen weiteren Tiefschlag zu versetzen. Als Trägerin des Maculas und Nachfahre Arlors scheint die ruppige Schönheit wie geschaffen für solch eine heikle Mission, doch wird Alita ihren Auftrag wirklich erfüllen und das Schwert vernichten oder seinen unheilvollen Mächten nachgeben und zur neuen Theokratin mutieren?
Unverbraucht und ungewöhnlich sind die Schlagworte um die Handlung von Kult zu umschreiben. Nicht nur, dass die Grundidee der atheistischen Inquisition ziemlich interessant und clever ist, gelang es „3D People“ auch noch die unzähligen Stolpersteine zu umgehen, die solch ein Story-Hintergrund mit sich führt. Wer Angst davor hat, dass man in Kult mit einer Anti-Religions-Kampagne konfrontiert oder mit Schwarz-Weiß-Denkschablonen bombardiert wird, kann ich beruhigen. Starre Muster wie Gut und Böse sind in Kult: Heretic Kingdoms nicht ohne weiteres auszumachen. Die durch die Hintergrundgeschichte glorifizierte Inquisition bringt genauso schlimme Fanatiker hervor wie die Religion, während der Glaube für einige Menschen einfach zu einem glücklichen Leben dazugehört – und sei es nur ein oller Keiler der von einer Bande Dorftrottel angehimmelt wird. Wer Kult in der Hoffnung spielt die Lösung für den immerwährenden Zwist zwischen Religion und Atheismus zu finden, der bekommt vom Spiel die perfekte Antwort geliefert, nämlich keine.
Die hohe Qualität der Geschichte entspringt auch den angenehm glaubwürdigen Charakteren. Mal abgesehen vom Theokraten gibt es keinen Charakter im Spiel der durch und durch Bösartig oder Gutherzig ist. Sie alle befinden sich in der Grauzone menschlicher Emotionen, Hoffnungen und Gelüste. So entpuppt sich der hasserfüllte Inquisitor-Fanatiker Evander als geselliger Saufkumpan, während die freundlich-charismatische Cassandra insgeheim nach der Macht des Gottesschlächters zu gelüsten scheint.
Und auch unsere Alita ist durch ihre unglückliche Kindheit und daraus resultierende Schroffheit alles andere als die typische Heldin aus dem 08/15-RPG-Bilderbuch. Es macht einen großen Reiz aus, die einzelnen Motive und Hintergründe dieser Persönlichkeiten aufzudröseln und nebenbei die Geschichtsschreibung und Politik der Häretischen Königreiche kennen zu lernen – der Storywriter hat ganze Arbeit geleistet! Fast bedauert man es, dass solch ein unverbrauchter Handlungsrahmen in einem Low-Budget-Iso-RPG mit entsprechend eingeschränkten Möglichkeiten verbraten wird …
US-Schulnoten, ein spaßiges Skillsystem und Dimensionswechsel per Knopfdruck
Wer’s noch nicht gemerkt hat: In Kult muss man mit einer vorgefertigten Spielfigur vorlieb nehmen – die Namensvorgabe lautet Alita. Aber immerhin darf man aus einer kleinen Palette von Frisuren und Outfits seine bevorzugte Wahl treffen. Ferner soll man Alitas Startattribute und -zauber festlegen.
Die vier Attribute (Nahkampf, Fernkampf, Magie und Geschick) werden via US-Schulnotensystem verbessert. Man beginnt bei Note F (eine 6) und kann sich auf A (1) oder gar S-Niveau (1+ mit Sternchen) hocharbeiten. Dies geschieht indem man 100 sogenannter Attributspunkte in ein Attribut investiert, damit dieses um eine Viertelnote gesteigert wird. Attributspunkte bekommt man für das obligatorische Aufleveln oder Absorbieren von Hexagrammfeldern. Zum Abschluss gilt es noch einen der fünf Schwierigkeitsgrade auszuwählen und los gehts!
Der Spielablauf gestaltet sich nach dem gewohnten Schema: Wir erhalten durch Kommunikation mit NPC’s diverse Haupt- und Nebenquests, verhauen beim Versuch diese zu lösen böse Buben bzw. Kreaturen per Point & Click, sammeln nebenbei Erfahrung für Level-Ups und erbeuten quasi im vorbeigehen neue Ausrüstung und Schekel (die hiesige Geldeinheit).
Die gewohnt einfache Steuerung ermöglicht dabei einen unkomplizierten Spielablauf und beschränkt sich auf den Gebrauch der Maus und einiger weniger Tasten des Keyboards. Das Mikromanagement-System wurde nahezu 1 zu 1 aus Baldur’s Gate übernommen, was jetzt aber keinesfalls als negative Kritik gewertet werden soll (auch weil mir dieses System schon immer gut gefallen hat). Unglücklicherweise wird der erfahrene BG-Spieler jedoch einige andere wichtige Features aus diesem Spiel vermissen, wie etwa eine Pausen-Funktion zur stressfreien Bewältigung der Kämpfe, eine Levelkarte für die Übersicht (die zuschaltbare Minimap bringts nicht) oder Fog of War zur zusätzlichen Orientierungshilfe.
Als Entschädigung für derartige Mängel bietet der Titel allerdings einige wirklich interessante Spielelemente: Zunächst wäre da das Zaubersystem anzusprechen, dessen Name allerdings etwas irritiert, da es sich hierbei ja eigentlich um ein überraschend ausgereiftes Skillsystem handelt, bei dem die eigentlichen Zauber nur einen Teilbereich einnehmen.
Jedes Ausrüstungsstück in Kult verfügt über einen „eingebauten“ Zauber/Skill, den man nun durch korrekten Einsatz des jeweiligen Items freischalten kann (im Klartext bedeutet dies, dass man den Gegenstand tragen und Kämpfe unter bestimmten Konditionen austragen muss). Erlernte Zauber/Skills können anschließend ausgerüstet werden, wenn Alita ein Nickerchen einlegt. Anfangs stehen vier Slots für die insgesamt 110 Zauber/Skills zu Verfügung. Für jeweils vier Level-Ups kommen dann immer zwei weitere Slots hinzu.
Die Palette an ausrüstbaren Fähigkeiten wird also immer größer und bietet den Spieler somit einigen Raum zum taktieren. Allerdings sollte man beachten, dass ein Skill bzw. Zauber nur dann greift, wenn man die richtigen Voraussetzungen erfüllt. Eine Fähigkeit für den Fernkampf wirkt logischerweise nur dann, wenn man mit einem Bogen ausgerüstet ist – nur um mal ein simples Beispiel zu nennen.
Dann hätten wir noch die „Traumwelt“, eine magische Parallelwelt, welche jederzeit betreten werden kann. Dort hausen Geister und Traumbestien, die entweder neue Quests anbieten oder als zusätzliches Schwertfutter herhalten sollen.
Beseitigte Traumbestien droppen zwar keine Items und Schekel, dafür aber sogenannte Essenzen, durch die die Freilegung der oben besprochenen Skills und Zauber beschleunigt werden kann. Ferner liegen hier auch die Hexagrammfelder, zum Verdienst zusätzlicher Attributspunkte, verborgen. Ein regelmäßiger Besuch der Traumwelt kann sich also durchaus lohnen, vor allem da man sie prima zur Flucht vor Gegnern aus der Realwelt zweckentfremden kann. Soweit wäre alles relevante erläutert, zum Abschluss will ich aber noch ein wenig über einige Schwachpunkte meckern. So biss ich anfangs einige Male unverhofft ins Gras, während mir im späteren Spielverlauf kaum noch ein Feind etwas entgegenzusetzen hatte.
Ab einem gewissen Zeitpunkt konnten mir die Gegner nur noch durch kritische Treffer gefährlich werden, aber selbst dagegen gibt es einen entsprechenden Skill, der die Criticals der Gegner komplett abblockt! Das Ende vom Lied war, dass meine Alita nahezu unbesiegbar wurde und selbst die finalen Bossgegner absolut chancenlos blieben. Einerseits ist es eine coole Sache, dass man sich unbesiegbar skillen kann, aber andererseits geht dadurch jeglicher Anspruch verloren.
Meine anfänglichen Startschwierigkeiten liegen hingegen im originellen aber unausgereiften Heilungssystem begründet. Man verfügt neben den gewöhnlichen Trefferpunkten auch noch über Blutpunkte, die die Grenze der TPs festlegen. Für jeden Einsatz des unbegrenzt nutzbaren Heilitems werden die TP komplett regeneriert, während die maximale Anzahl der Blutpunkte reduziert wird. Auf Dauer kommt man also nicht um ein Schläfchen herum, um die Blutpunkte zurück aufs Maximum zu bringen, da man ansonsten zu wenige Gesamt-TP zur Verfügung hat. Das mag jetzt alles unheimlich interessant klingen, gestaltet sich in der Praxis aber relativ unbequem und Einsteiger-unfreundlich. Andererseits ist es interessant zu erleben, dass stupides Dauer-Einwerfen gehamsterter Heiltränke in einem Action-RPG mal nicht möglich ist.
Wirklich schade finde ich jedoch, dass Kult trotz der Traumwelt etwas an Umfang vermissen lässt. Die ca. 20 Gebiete dürften von erfahrenen Spielern schnell abgegrast werden und die verschiedenen Endings werden allesamt im Finale entschieden, wodurch der Wiederspielwert auf die fünf Schwierigkeitsgrade reduziert wird.
Immerhin gibt es ein kleines Ranking-System nach Abschluss des Titels, in dem man sein Verhalten innerhalb des Spieles und seine Gesamtleistung begutachten kann. Ein vollwertiger Ersatz für einen vernünftigen Epilog á la Fallout ist das aber auch nicht.
Ich könnte jetzt noch einige weitere Detailmängel aufzählen, möchte dies aber unterlassen, da Kult somit schlechter dastehen würde als es ist. Es bereitet nämlich viel Freude die Levelkarten nach Quests, Schätzen und Gegnern abzugrasen, Alita mittels motivierender Level-Up-, Skill- und Ausrüstungssysteme aufzupowern und dabei die gelungene Handlung weiterzuverfolgen. Freunde des gepflegten isometrischen Rollenspiels tätigen beim Erwerb von Kult sicherlich keinen Fehlkauf.
Von daher wünsche ich euch viel Spaß beim Kampf gegen die Religion! Tod der Religion! – oder doch nicht?
Grafik, Sound und Präsentation
Die isometrischen Renderbild-Maps sind recht schön gezeichnet und sehen selbst in Nahaufnahme – man kann mittels Mausrad rein- und rauszoomen – noch genießbar aus. Einige Animationen wie im Wind wiegendes Laub oder züngelnde Flammen, lassen die Karten zudem etwas lebendiger erscheinen. Soweit ist in grafischer Hinsicht also alles im grünen Bereich, leider hapert es aber an der Technik, denn sobald wir mit Alita durch die Maps laufen fällt ein recht unangenehmer Effekt auf. Die Maps scrollen äußerst unflüssig und drücken somit stark auf die grafische Qualität der hübsch gezeichneten Karten.
Die Locations von Kult: Heretic Kingdoms wirken angenehm bodenständig aber dennoch abwechslungsreich und fantasievoll, hier hat man eine wirklich gute Mischung gefunden. Die Spielfiguren werden in 3D-Grafik gehalten und sind soweit recht ordentlich modelliert und animiert. Zaubereffekte und dergleichen reißen niemanden vom Hocker, sind aber auch ganz nett anzuschauen. Zwischensequenzen werden als handgezeichnete Standbilder abgespult, in denen ein Sprecher die dargestellten Ereignisse erläutert. Anfangs wirken diese Sequenzen wie ein billiger Low-Budget-Kompromiss, entfalten dann aber doch ihren eigenen Reiz. Die Auflösung beträgt standardgemäß 1024×768 Bildpunkte. Man kann in der Steam-Version jedoch auch zwei höhere Auflösungsstufen anwählen, was jedoch grafische und zum Teil auch Gameplay-technische Bugs nach sich zieht. Die Steam-Version bietet leider keine Fullscreen-Option, funktioniert ansonsten jedoch reibungslos.
Zum Sound habe ich nicht sonderlich viel zu sagen. Der OST ist soweit recht ordentlich gelungen, er passt jedenfalls gut zu den Szenarien und stört nicht beim spielen. Dummerweise bietet er jedoch nichts was einem im Gedächtnis verweilen möchte. Dies ist sicherlich kein Beinbruch, aber ein richtig guter Soundtrack sollte schon etwas mehr bieten. Sprachausgabe gibts nur in den Standbild-Sequenzen, in denen ein gut belegter Sprecher die Handlung weitererzählt, abgesehen davon muss man die Texte einfach selber lesen und sich die Stimmen der Charaktere in seiner eigenen Fantasie ausmalen … Nun ja, wie gesagt: Ich habe an dieser Stelle nicht sonderlich viel zu sagen, sorry.
Man merkt von Beginn an, dass für Kult keine großen Gelder zur Verfügung standen. So fällt einem gleich zu Beginn auf, dass der Mauscursor das gewöhnliche Windows-Standarddesign aufweist. Normalerweise gestalten die Programmierer solcher Spiele ihre eigenen – zum Spiel passenden – Cursor-Designs. Weiter geht’s mit Schrifttexten in Kult: Heretic Kingdoms, die mir eine zu große Ähnlichkeit mit „Times New Roman“ aufweisen – für die Atmosphäre alles andere als förderlich!
Wirklich ärgerlich sind jedoch die Ladezeiten, die für meinen Geschmack einige Sekunden zu lang ausgefallen sind – nicht angebracht für solch ein grafisch altmodisches Spiel! Des Weiteren haben wir dann noch die oben angesprochenen Scrolling-Probleme, eine eigentlich fehlende Sprachausgabe und … Na ja, ich will jetzt nicht weitermeckern, da sonst ein Eindruck entsteht, den das Spiel eigentlich nicht verdient hat.
An und für sich ist Kult: Heretic Kingdoms nämlich ein gutes Spiel mit einer interessanten und glaubwürdig erzählten Story und spaßigem Gameplay. Wer sich also nicht zu sehr an den oben aufgezählten Treppchen stört, bekommt ein sauberes Spiel geboten – den Patches sei dank!
Pro & Kontra
- unverbrauchte Story
- glaubwürdige Charaktere
- schön gezeichnete Maps
- interessante Gameplay-Aspekte (Skillsystem, Traumwelt …)
- bescheidene Präsentation (Schriftart, Cursordesign, Standbilder-Zwischensequenzen …)
- technisch Schwachbrüstig (Ladezeiten, unsauberes Scrolling)
- unausgereift wirkender Schwierigkeitsgrad
- fehlende Features (keine Pausen Funktion, kein Fog of War …)