Giana Sisters 2D REVIEW
1985 hat das Genre der Jump ’n‘ Runs einen wahren Quantensprung der Evolution hingelegt. In diesem Jahr veröffentlichte Nintendo nämlich den berühmten Evergreen „Super Mario Bros.“ für ihre NES-Konsole. Das Spiel schlug ein wie eine Bombe und konnte viele Fans für sich gewinnen. Auch die Leitung des deutschen Entwicklerstudios und Publishers Rainbow Arts gehörte zu den Fans von Super Mario Bros. Da in Europa damals noch der Heimcomputer dominierte, erkannte Rainbow Arts eine Lücke und beauftragte einen Entwickler namens Time Warp Productions damit einen Klon von SMB für Systeme wie C64 oder Amiga zu kreieren. Time Warp bestand übrigens aus mittlerweile populären Leuten wie Manfred Trenz, Chris Hülsbeck oder Armin Gessert.
Das Ergebnis dieser Auftragsarbeit nennt sich „The Great Giana Sisters“ und erfreute sich Anno 1987 hoher Beliebtheit. Nur Nintendo war wenig begeistert vom Heimcomputer-Klon ihres Kassenschlagers und drohte rechtliche Schritte an, was Rainbow Arts dazu trieb das Spiel zurückzuziehen. Dank der aktiven Raubkopier-Szene blieb der Heimcomputer-Platformer jedoch dauerhaft erhalten und wurde weiterhin rauf und runtergespielt. Die Giana Sisters-Serie war aber erst einmal tot. Der geplante zweite Giana-Teil wurde z.B. in ein Spiel namens „Hard ’n Heavy“ umgebastelt.
Ca. 22 Jahre sollte es dauern, ehe die Serie zurück ins Leben gerufen wurde. Dies geschah ironischerweise auf dem Nintendo DS. Auf dieser Gerätschaft wurde am 03. April 2009 Giana Sisters DS veröffentlicht. Mehr als 6,5 Jahre später bekam das Game eine Neuauflage für PC-Steam spendiert, welche den Namen Giana Sisters 2D trägt. Diese Neuauflage erfolgte wohl als Reaktion auf den Überraschungserfolg von Giana Sisters: Twisted Dreams von 2012. Aber bevor das Ganze hier noch weiter ausartet, sollte ich endlich anfangen über das eigentliche Spiel zu reden. Ein Spiel, welches bei weitem nicht so interessant ist, wie es sein komplexer Hintergrund vermuten lässt.
Wo ist die Schwester?
Die Story ist nicht weiter erwähnenswert. Die kleine Giana spielt in ihrem Bett und genießt ihre Edelsteinsammlung, welche sie in einer Schatztruhe aufbewahrt. Doch plötzlich bekommt die Schatztruhe ein dämonisches Eigenleben und verduftet samt Inhalt in eine andere Dimension. Giana springt natürlich umgehend hinterher, um ihre Klunker zurückzuerobern und findet sich in einem Reich aus schwebenden Inseln wieder.
Tjoa, und mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen. Natürlich dient die Handlung in einem Platformer in erster Linie als Mittel zum Zweck, und zumindest bietet Giana Sisters 2D ein logisches, wenn auch lahmes Ende. Was mich jedoch echt ärgert, ist, dass es hier gar keine „Sisters“ gibt. Es gibt nur Giana, welche mittels Power-Up in eine stärkere Punk-Version ihrer selbst morpht, mehr nicht. So funktioniert Geschwisterschaft nicht, liebe Entwickler. Es ist ja auch nicht so, als ob Bruce Banner und der Hulk Brüder wären. Aber egal, ich denke wahrscheinlich wieder nur viel zu stark über eine belanglose Handlung eines x-beliebigen Platformers nach. Auf jeden Fall solltet ihr hier keinen Zwei-Spieler-Modus erwarten.
Sind die Brüder wirklich Geschichte?
Man merkt Giana Sisters 2D stark an, dass es auf dem Grundgerüst eines SMB.-Klons basiert. Ihr manövriert Giana rennend und springend vom Levelstart zum Levelausgang und müsst dabei Bodenlücken, Stachelfallen usw. umgehen, sowie Gegner beseitigen oder eben diesen ausweichen. Hierbei sitzt euch ein Zeitlimit im Nacken, welches jedoch relativ großzügig bemessen ist, und nur sehr selten ein Problem darstellen wird. Auch an der Steuerung gibt es nichts zu bemängeln. Man ist nicht auf die Tastatur angewiesen, Controller-Support wird bereitgestellt. Letzterer hat bei mir größtenteils reibungslos funktioniert. Außerdem bietet das Spiel eine Tastenkonfiguration.
Es werden 80 neue Level beworben, und diese Angabe entspricht auch der Wahrheit. Das Spiel ist in acht Inselwelten unterteilt. Jede Insel bietet 10 Level. Den 10. Level einer Welt dürft ihr jedoch nur spielen, wenn ihr alle roten Edelsteine in den übrigen Levels gefunden habt. Darüber hinaus gibt es noch zwei Geheimlevel, sowie eine zusätzliche neunte Insel mit zwei zusätzlichen Levels. Und falls auch das noch nicht ausreicht, bietet das Spiel auch noch Remakes der 32 Level des Ursprungsspiels „The Great Giana Sisters.“ Wie gesagt, handelt es sich hier jedoch lediglich um Remakes. Erwartet also bitte keine orginalgetreue Heimcomputer-Umsetzung.
Auf jeden Fall bietet Giana Sisters 2D einen großen Umfang. Wer alles vom Spiel sehen will, kann durchaus 8-9 Stunden mit diesem Spiel verbringen.
Ab der zweiten Insel erwartet euch im 9. Level einer Welt obendrein ein Bosskampf in Form eines fetten Drachen. Dieser funktioniert immer gleich, der Drache führt später aber aggressivere Feuerball-Angriffe aus, und hat immer mehr Hitpoints zur Verfügung. Trotzdem lässt sich der Drache auch in späteren Kämpfen relativ leicht bezwingen, da man im Kampfareal immer zwei Blöcke mit dem Flummi-Upgrade vorfindet.
Der Flummi in Giana Sisters 2D ist quasi eine Kombination aus Superpilz und Feuerblume der Mario-Vorbilder. Die Blondine Giana verwandelt sich mittels Flummi in ein rothaariges Punk-Girl. In dieser Form kann sie unbgrenzt Feuerbälle schmeißen, welche im niedrigen Bogen zu Boden schweben und somit eine gute Reichweite haben. Außerdem kann Punk-Giana Steinblöcke zerbröseln, um somit eventuell neue Routen zu öffnen. Obendrein verliert man bei einem Treffer nicht sofort ein Leben, sondern wird in die reguläre blonde Giana zurückverwandelt.
Neben dem Flummi gibt es noch den Kaugummi und die Cola-Flasche. Anders als der Flummi, welchen ihr aus Schatzblöcken erhaltet, bekommt ihr diese beiden Objekte aus entsprechenden Automaten, welche auch einen unbegrenzten Vorrat beinhalten. Mit dem Kaugummi aktiviert ihr eine Blase um Giana herum, die es ermöglicht den Level fliegend zu erkunden. Jedoch erfordert die Auftrieb- bzw. Abtrieb-Mechanik der Blase ein gewisses Feingefühl. Die möglichst perfekte Beherrschung der Seifenblase wird in einigen der späteren Stages auch bitter benötigt, da diese Präzisionsflüge durch schmale Lücken erfordern. Mit der Cola-Flasche könnt ihr hingegen für mehrere Sekunden einen drehbaren Wasserstrahl abfeuern. Dieser ist stark genug Steinblöcke zu zerbröseln und somit neue Wege freizulegen.
Für zusätzliche Extraleben müsst ihr die blauen Edelsteine einsammeln, welche die Münzen aus Mario ersetzen. Ein Kleiner schreibt euch einen Edelsteinpunkt hinzu, während ein Großer 10 Punkte hinzuaddiert. Sind 100 Edelsteinpunkte erreicht, werden diese in ein Extraleben umgewandelt. Dies ist übrigens die einzige Möglichkeit Extraleben zu kassieren. Da das Spiel jedoch sehr großzügig bei der Verteilung der Edelsteine ist, sollte man immer einen guten Vorrat an Extraleben zur Verfügung haben. Der Schwierigkeitsgrad von Giana Sisters 2D ist ja auch über weite Strecken eher niedrig angesetzt. Einige fiese Sprungpassagen in schmalen Gängen, oder große Lücken erfordern jedoch entsprechende Präzision. Darüber hinaus sind ein paar der späteren Level recht knifflig aufgebaut. Da das Spiel jedoch Checkpoints in Form von Blumentöpfen anbietet, und die Level i.d.R. recht kurz gehalten sind, lässt sich das Spiel ganz gut in den Griff bekommen.
Der Fehlerteufel nennt sich Kasaa Solution
Dummerweise mangelt es dem Spiel an einem Alleinstellungsmerkmal, sowie einem ausgeklügelten Leveldesign. Auch Aha-Momente oder Abwechslungsreichtum solltet ihr hier nicht erwarten. Mittelmaß scheint die Devise der Entwickler von Spellbound Entertainment gelautet zu haben. In der Steam-Version kommt obendrein auch noch der Fehlerteufel in Form des zuständigen Portierungs-Entwicklers Kasaa Solution hinzu. Giana Sisters 2D leidet unter einer Reihe teils wirklich bizarrer Bugs, die zwar wiederholt von den Steam-Nutzern im Forum gemeldet wurden, jedoch nie gepatcht wurden. Laut des Publishers, hat Kasaa Solution nie auf dessen Patch-Anfragen reagiert, und der zahlende Kunde ist mal wieder der Verlierer.
Am schlimmsten ist wohl der Level-Skip-Bug. Erreicht ihr eine neue Insel, wirft euch das Spiel entgegen der Angabe in den zweiten Level der jeweiligen Insel. Ist dieser geschafft, werdet ihr euch dann natürlich wundern, warum ihr dann denselben Level erneut spielen sollt. Das lässt sich natürlich korrigieren, indem man übers Pause-Menü zur Weltkarte zurückkehrt und die jeweiligen Level einfach manuell anwählt, aber das muss man halt erst mal wissen.
Ein weiterer Bug ist auch der kaputte Highscore-Zähler. Startet ihr das Spiel zum ersten mal, habt ihr gleich mal über eine Billion Punkte auf dem Konto, obwohl ihr noch gar nichts gemacht habt. Ist ja eigentlich ein irrelevanter Bug, jedoch ist der Highscore an ein Online-Leaderboard gekoppelt. Und gerade bei solch einem Feature darf ein derartiger Bug einfach nicht auftreten.
Nervig ist auch der kaputte Levelzähler, innerhalb der Remakes der 32 Klassik-Levels. Dieser resettet immer wieder auf 1, wenn ihr fünf oder sechs Level geschafft hat. Hier muss man schon selber mitzählen, wenn man wissen möchte wie weit man ist. Wenigsten darf man jeden Klassik-Level manuell im Startmenü anwählen.
Ein weiterer Bug sind seltene Aussetzer in der Steuerung. Da passiert es auch mal, dass Giana nach links läuft, obwohl man nach rechts lenkt.
Es gibt noch weitere Bugs, wie einige Brunnen-Röhren, die nicht vernünftig funktionieren, oder die Möglichkeit durch eine falsche Bewegung auf der achten Inselkarte eben diese zu verbuggen. Doch ich denke ihr habt begriffen, dass Kasaa Solution mit Giana Sisters 2D äußerst schludrig umgegangen ist und obendrein keinen Willen gezeigt hat, die Fehler zu beheben. Hierdurch wird ein ohnehin schon mäßiges Spiel weiter abgewertet.
Grafik und Sound
Grafisch erwartet euch eine Enttäuschung. Pixelkunst dürft ihr hier nicht erwarten, egal ob Charaktersprites, Weltkarte, Levelarchitektur oder Hintergrundgrafiken, alles in Giana Sisters 2D lässt sich prima mit einem billigen, kleinen Amateur-Flashgame von Newgrounds und Co. vergleichen. Auch die kurzen Intro- bzw. Outro-Sequenzen wirken wie Flashanimationen. Die Ortschaften wirken generisch und uninspiriert, grafische Highlights sind nicht existent. Und als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, so gibt es auch noch kleinere Grafikschlampereien, wie Pixelbrocken einiger Assets, die in der Luft schweben, weil der Grafiker wohl zu faul war saubere Arbeit zu verrichten. Ein weiteres Pfui gibt es dafür, dass die Klassik-Level nicht im originalen C64 oder Amiga-Look daherkommen, sondern ebenfalls die grässlichen Flash-Style-Assets des Hauptspiels verwenden – eine verpasste Chance. Immerhin ist die Farbpalette des Spiels relativ gefällig.
Zumindest beim Soundtrack macht Giana Sisters 2D eine gute Figur. Viele Stücke sind Remixes des Hülsbeck-OST des damaligen Heimcomputer-Originals. Giana Sisters 2D bietet aber auch neue Stücke, des zuständigen Komponisten Fabian Del Priore. Der Soundtrack ist charmant, gefällig und sorgt für eine entspannte Hüpfspiel-Stimmung. Dem angepeilten Heimcomputer-Flair wird definitiv zu Ehre gereicht. Zu schade, dass der OST für so ein madiges Spiel verschwendet wurde.
Die Soundeffekte sind ganz Ok, aber nichts besonderes. Eine Sprachausgabe gibt es nicht.
Pro & Kontra
- großer Umfang
- recht gute Spielbarkeit
- Zusatzlevel motivieren dazu die Level ausgiebig nach roten Edelsteinen zu erkunden
- beinhaltet einige derbe, bizarre Bugs (immerhin sinds keine Gamebreaker)
- völlig uninspiriertes Platformer-Gameplay ohne eigene Akzente oder Besonderheiten
- die Handlung ist selbst für einen Platformer schwach, und wo ist die Schwester?
- einige spätere Level und Seifenblasen-Abschnitte sind etwas zu frustig