Super Mario Land 2: 6 Golden Coins REVIEW
Das hierzulande am 28. Januar 1993 veröffentlichte Jump ’n‘ Run Super Mario Land 2: 6 Golden Coins (kurz: SML2) ist viel mehr als nur die obligatorische Fortsetzung eines gelungenen und kommerziell erfolgreichen Spiels. Das zweite Abenteuer rund um den Prinzessin-rettenden, Klempner gehört nämlich zu den besten und auch wichtigsten Game Boy-Titeln, die es gibt!
Sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht hatte Nintendo mit diesem Modul bewiesen, dass auch Game Boy-Spiele durchaus mit den großen Konsolen-Brüdern NES und SNES mithalten können. SML 2 orientiert sich nämlich relativ stark am Super Nintendo-Meisterwerk „Super Mario World,“ anstatt wieder kleinere Super Mario Bros.-Brötchen zu backen wie der eigene Vorgänger „Super Mario Land.“
Nach der Veröffentlichung von SML 2 musste sich jedes darauf folgende Game Boy-Spiel Kritikpunkte gefallen lassen, warum denn z.B. nur 5-6 Level mit einer Gesamtspieldauer von 30 Minuten geboten werden, oder warum die Grafik so grobpixelig gestaltet wurde, oder warum keine Speicherbatterie angeboten wird usw. SML 2 hatte die Messlatte eben urplötzlich ganz weit nach oben gedrückt. Was genau dieser Hüpfspielklassiker jedoch im Detail zu bieten hat, soll folgendes Review klären.
Kein Glück in der Liebe, aber dafür ne eigene Insel mit protzigem Schloss
Man möchte nicht meinen, dass ein Klempner, der hauptsächlich in Latzhose unterwegs ist seine eigene Insel samt Schloss auffahren kann. Sieht so aus, als ob da eine gewisse Prinzessin ein schlechtes Gewissen hat, und ihre königliche Schatzkammer locker macht, da sie ihren Retter immer wieder in die Friendzone abschiebt. Aber wie dem auch sei: Teil 2 ist eine direkte Fortsetzung des ersten Mario Lands. Nachdem Mario Sarasaland und Prinzessin Daisy vor dem Zugriff des fiesen Aliens Tatanga gerettet hatte, beschloss er in sein Schloss heimzukehren, um den wohlverdienten Erholungsurlaub anzutreten. Dummerweise wurde das Schloss in der Zwischenzeit vom blöden Kindheitsrivalen Wario besetzt, welcher die Sache mit Tatanga angeleiert hatte, um Mario abzulenken. Wario versiegelte den Eingang zum Schloss mit sechs magischen Goldmünzen und verteilte sie an seine Kumpane (sogar Tatanga ist wieder mit dabei). Darüber hinaus hat er die Einwohner und Kreaturen der Insel unter seinen magischen Hypnosezauber gebracht, weswegen sie Mario nun feindlich gesonnen sind.
Mario bleibt nichts anderes übrig, als die sechs Münzen aus Warios Spießgesellen herauszuprügeln, um Zugriff zum eigenen Schloss zu erhalten und Neidhammel Wario zu zeigen, wer der wahre Boss der Insel ist!
Wie in fast jeden Hüpfspiel, so gilt auch hier die Rahmenhandlung nur als Mittel zum Zweck, um die Hüpferei zu rechtfertigen. Aber immerhin war man hier so geistesgegenwärtig eine Verbindung zum Vorgänger aufzubauen (Tatanga), sowie abermals einen brandneuen Oberschurken zu präsentieren (Wario). Und gerade Letzterer hat es dann sogar geschafft zum primären Nintendo-Charakter aufzusteigen, welcher seitdem eigene Spiele und konstante Gastauftritte für sich verbuchen konnte. Tatsächlich ist Wario mein Favorit unter den Nintendo-Charakteren (Bowsette und Booette zählen ja nicht), von daher hat die „Story“ von 6 Golden Coins schon einen gewissen nostalgischen Wert für mich. Schließlich ist sie die Geburtsstunde von Wario.
Das Open-World-Spiel unter den Jump ’n‘ Runs
Gleich zu Spielbeginn protzt SML 2 mit drei Speicherplätzen, welche stilgerecht in Form von Rohren dargestellt werden. Das mag heutzutage niemanden mehr beeindrucken, aber damals war die Speicherbatterie in GB-Modulen noch ein Novum. Wer sich die Mühe gemacht hat, das Handbuch zu studieren, der dürfte zu diesem Zeitpunkt auch wissen, dass ihm eine Schwierigkeitsgrad-Anwahl zur Verfügung steht. Wer im Speicherröhren-Screen nämlich auf die Select-Taste drückt, kann zwischen dem normalen Grad und dem „Easy Mode“ auswählen – ist etwas, was nicht jeder weiß, da man den Hinweis hierzu halt wirklich nur im Handbuch vorfindet. Wirklich notwendig ist der Easy Mode aber ohnehin höchstens im allerletzten der insgesamt 32 Level, da der Schwierigkeitsgrad von SML 2 recht moderat ausfällt. Das ändert sich allerdings, wenn man Marios bzw. Warios Schloss stürmt. Die alte Kartoffelnase hat den Prunkbau nämlich regelrecht mit Fallen vollgestopft und leistet obendrein auch im Kampf heftige Gegenwehr.
Dieser unerwartet sprunghafte Anstieg im Schwierigkeitsgrad war schon immer ein gewisser Makel an SML 2, obwohl man den finalen Level freilich auch als sehr spannende Herausforderung wahrnehmen kann. Sollte das Schloss dennoch zu viel für euch sein, könnt ihr das Modul jederzeit resetten, um das große Finale im Easy Mode zu bewältigen. Ja, richtig gelesen, man muss sich nicht auf einen Schwierigkeitsgrad festlegen, sondern kann im Speicherröhren-Screen nach eigenem Gusto entscheiden. Ich erinnere gerne noch mal daran, dass solche Dinge zur damaligen Zeit keine Selbstverständlichkeit waren!
Nachdem man den Einstiegslevel gewonnen hat, findet man sich auf der Oberweltkarte der Insel wieder. Der Clou in SML 2 ist, dass man sich die Reihenfolge, in derer man die Unterregionen (werden „Zone“ genannt) der Insel angeht selber auswählen darf. Heutzutage würde man diese Spielstruktur wohl als „Open World“ bezeichnen.^^ Ziel jeder Zone ist es, bis zum dortigen Bossgegner vorzudringen und eben diesen zu bezwingen, damit man an eine der sechs Münzen herankommt. Sind alle Münzen eingesackt, öffnet sich das Schloss. Man muss übrigens nicht jeden der 32 Level knacken, um das Spiel zu beenden. Viele Level sind optional, da man unter Umständen auch variable Routen in einer Zone nehmen darf, oder der entsprechende Level sowieso nur ein reiner Bonus ist. Derlei Zusatzlevel kann man auch nur dann spielen, wenn man die versteckten Levelausgänge entdeckt (Mario World lässt schön grüßen).
Die Levels sind angenehm abwechslungsreich. Viele Level haben spezielle Gimmicks. Neben den typischen Wasser/Schwimm-Levels, muss man sich auch mal durch schleimiges Baumharz durchhangeln, in einer Seifenblase fliegen, der Schwerelosigkeit im Raumanzug trotzen oder sich mit nervigen Autoscrolling auseinandersetzen. Die Steuerung arbeitet dabei aber immer hervorragend und vermittelt dennoch ein glaubhaftes Gefühl der jeweiligen Situation. Hierdurch wird der Spielspaß immer auf einem hohen Niveau gehalten. Abgesehen von Gegnern, Fallen und Hindernissen, kämpft man auch gegen ein relativ großzügiges Zeitlimit. Am Ende eines regulären Levels findet man immer eine Glocke kurz vorm Ausgang. Gelingt es diese durch Berührung zu läuten, darf man an einer von zwei verschiedenen Bonusrunden teilnehmen, um sich ein Power-Up oder Extraleben hinzuzuverdienen. Eine Glocke in der Mitte eines Levels fungiert hingegen als Checkpoint. Und wo sie schon mal erwähnt wurden, hier die obligatorische Auflistung der Power-Ups und Sammelgegenstände:
- Superpilz: Verwandelt Mario in Super Mario. Seine Körpergröße verdoppelt sich, was bedeutet, dass er Steinblöcke mit einem Kopfstoß oder dem Drehsprung zerstören darf. Ein feindlicher Treffer schrumpft den Klempner jedoch in seine kleine Form zurück. PS: Super Mario ist zu groß, um durch schmale Lücken zu laufen.
- Feuerblume: Zusätzlich zu den Eigenschaften von Super Mario, kann der Bursche mit der Feuerblume auch noch Feuerbälle abfeuern, die als Alternativwaffe zum klassischen „Sprung auf den Kopf“ fungieren. Außerdem gibt es spezifische Feuerblöcke, die nur mit Feuerbällen zerstört werden können.
- Karotte: Mario bekommt Hasenohren, mit deren Hilfe er in gewissen Maßen durch die Luft flattern kann. Beim flattern verliert er mit der Zeit an Höhe, also Vorsicht. Tipp: Je intensiver das Buttonmashing auf die Flugtaste ausfällt, desto geringer der Höhenverlust. Hierdurch kann man selbst große Strecken in der Luft zurücklegen. Nachteil: Der Drehsprung ist mit den Hasenohren nicht möglich.
- Superstern: Kurzfristige Unverwundbarkeit. Wer es schafft in diesem Zustand 5 Gegner zu beseitigen, bekommt obendrein ein Extraleben als Belohnung. Tipp: Nachdem man 100 Gegner erledigt hat (wird durch einen Zähler in der unteren Leiste angezeigt), regnet zur Belohnung ein Superstern vom Himmel.
- Herz: Ein Extraleben. Gibt es in normaler und 3er Ausführung.
- Münzen: Werden nummerisch gesammelt (maximal 999 Stück). Sie dienen als Zahlungsmittel für die Glücksspiel-Grotte, welche man auf der Weltkarte vorfindet. Dort kann man die Goldmünzen an Glücksspielautomaten verpulvern, um sich Extraleben hinzuzuverdienen.
Grafik, Sound und Weiteres
Eine große Stärke von SML 2 ist die tolle Grafik, welche sich stark am Super Nintendo-Ableger „Super Mario World“ orientiert. Sie zeigte, wozu der kleine Game Boy in grafischer Hinsicht im Stande war. Die Sprites sind angenehm groß, detailliert und auch liebevoll animiert. Ein Problem was sich hieraus ergibt, ist jedoch, dass spürbares Lagging auftritt, wenn zu viel auf dem kleinen Game Boy-Screen los ist. So 100 %ig im Griff hatte Nintendo die eigene Hardware also noch nicht.
Versöhnlich stimmen hingegen die ungewöhnlich phantasievollen und abwechslungsreichen Locations auf Marios Insel. Hier reicht die Palette von einem versunkenen U-Boot, über eine riesige mechanische Mario-Statue bis hin zum Weltall, für den sich Mario einen Raumanzug überstreift. Da war den Entwicklern das altbewährte Mushroom-Kingdom eindeutig zu langweilig und haben entsprechende Kreativität walten lassen. Das Spiel profitiert deutlich von dieser Einstellung.
Der Soundtrack wirkt hingegen etwas traditioneller und fängt den gewohnt verspielten und schrägen Flair von Super Mario gekonnt ein. Aber auch hier lässt sich durchaus ein eigener Stil heraushören. Ehrensache, dass es hier auch einige echte Ohrwürmer gibt, wie zum Beispiel „Star Maze,“ einer der Tracks aus den Weltraum-Stages. Auch die Soundeffekte tragen viel zum Mario-Flair bei. Ob man nun springt, Münzen sammelt oder mit den Hasenohren durch die Luft flattert. Diese Sachen werden akustisch wunderbar untermauert, was auch seinen Beitrag zum Spielspaß leistet.
Abschließend möchte ich noch kurz erwähnen, dass es einen Romhack für SML 2 gibt, welcher das Spiel nicht nur gekonnt einfärbt, sondern auch noch das Lagging entfernt, die Herzen gegen Grüne Pilze austauscht und sogar Luigi als optionalen spielbaren Charakter einfügt. Leider konnte ich den Hack nicht selber ausprobieren, da die ips.-Datei nicht von meinem Retron 5 erkannt wird. Dennoch ist mir der Hack allemal eine Erwähnung wert.
Pro & Kontra
- hervorragende Spielbarkeit
- sehr gute Grafik, die sich an Super Mario World orientiert
- schöner Soundtrack
- 32 Level
- drei Speicherplätze
- zwei Schwierigkeitsgrade
- Warios Geburtsstunde
- Lagging, wenn zu viele Animationen im Bildschirmscreen zu sehen sind
- Der letzte Level ist deutlich(!) schwieriger als der Rest vom Spiel