OlliOlli World REVIEW
Mit seiner herrlich bunten Farbpalette, der poppigen Comic-Ästhetik und den an Adventure Time erinnernden Figurenmodellen mutet OlliOlli World wie ein bezauberndes Feel-Good-Game an, allerdings hat es der dritte Teil der von Roll7 entwickelten Reihe faustdick hinter den Skateboard-Rollen. Denn hinter dem Antlitz verbirgt sich ein waschechtes Skillgame, welches mich in den letzten Tagen einige mal frustriert und entrüstet hat (was natürlich nicht meinem eigenen Unvermögen geschuldet war, ähem…). Dennoch konnte ich in den vergangenen Tagen kaum den Controller weglegen und musste auch in meinen freien Minuten an Ollies, Grind und Kickflips nachdenken.
Noch einmal! Und noch einmal! Und noch…
OlliOlli World ist ein echter Zeitfresser und bietet gleichzeitig das ideale Pacing für diese Art von Spiel. Man steigt aufs virtuelle Skateboard, grindet über Rails, nimmt Anlauf um weite Absprünge zu meistern, landet auf den vorderen Rollen um die Kombo am Laufen zu halten und zweckentfremdet Wände um an diesen entlangzufahren. All dies geschieht in wenigen Sekunden, die Spielgeschwindigkeit ist ziemlich hoch, der sich nach und nach steigernde Anspruch an die eigene Leistung aber auch. Ist eine Landung nicht perfekt geworden oder nehme nicht genug Fahrt auf, bin ich ganz schnell dabei gewesen den Run per Knopfdruck von vorne zu starten. Das geht zum Glück zügig und tut dem Spielfluss keinen Abbruch. Insofern ist sich Entwickler Roll7 und der Reihe treu geblieben: OlliOlli World bietet wunderbar spaßige Arcade-Action und fordert stets noch eine Runde, noch einen Level, noch einen Highscore von mir ein.
Gleichzeitig gehen die Entwickler einen großen Schritt auf Neueinsteiger zu, indem man selbst nach nicht gut ausgeführten Landungen quasi nicht mehr fällt und darüber hinaus gut erklärende, aber nicht zu aufdringliche Tutorials in den Ablauf einflechten. Hier lernt man die Basics wie Sprünge und Grinds, später auch fortgeschrittene Techniken wie Grabs und Wallrides kennen. Die Steuerung an sich ist simpel: mit dem linken Analogstick führt man Tricks aus, der rechte Stick ist hingegen für Grabs belegt, während man durch Drücken bzw. Halten der X-Taste Schwung aufnimmt. Die Grundlagen sind einfach, die Ausführung der einfachen Tricks zunächst. Das Kombinieren von Air-Tricks, Grinds und Manuals hingegen ist schon kniffliger. Sofern man möglichst spektakuläre (und viele Punkte bringende) Aktionen ausführen möchte, braucht man ähnliche ähnlich flinke Fingerfertigkeiten wie in Fighting-Games.
Wenn die Endorphine tanzen
Gerade wenn man sich den direkten Vergleich mit anderen Spielerinnen und Spieler im asynchronen Multiplayer-Modus stellt und in die höheren Stufen des Story-Modus vordringt, zeigt sich der hohe Anspruch von OlliOlli World. Gleichzeitig tut das Gefühl des stetigen Lernens und Besserwerdens unfassbar gut und unterfüttert die Lernkurve mit ausreichend ausgeschütteten Glücksgefühlen. Habe ich in den ersten Spielstunden noch Highscores von 200.00 für unmöglich gehalten, so lege ich mittlerweile (je nach Strecke) das doppelte und mehr hin. Je aufwendiger die Strecken sind, desto mehr Punkte sind natürlich möglich, spätestens ab der vierten von fünf Arealen im Rahmen der Kampagne sind Punkte jenseits der 1. Millionen nicht nur möglich, sondern auch notwendig, zumindest wenn man die Rekorde der KI schlagen will.
Die Highscores müssen übrigens nicht geschlagen werden, da ein Level als abgeschlossen gilt, sobald man die Ziellinie erreicht hat. Aber natürlich weckt ein Spiel wie OlliOlli World (zumindest in mir) den Wettkämpfer, egal ob ich gegen virtuelle oder menschliche Gegner antrete. Mir gefallen übrigens beide Modi sehr, sehr gut. Der Onlinemodus ist eigentlich sehr rudimentär, aber für diese Art Spiel dann doch perfekt. Man tritt nie direkt gegen andere an, sondern wird in kleine Gruppen mit bis zu zehn Personen eingeteilt. Hier versucht man unabhängig voneinander Highscores aufzustellen, am Ende des Tages wird ausgewertet und man steigt Ränge auf (oder eben nicht). Auch kann man sich direkt mit Freunden auf Konsole und PC messen, indem man private Lobbys erstellt und dort möglichst hohe Punktzahlen erreicht.
Chemiesuppe, aber Hauptsache chillige Beats
Der Singleplayer wurde komplett neu aufgezogen und ist nun wesentlich prominenter als in den Vorgängern. Ich liebe den verspielten und mitunter verdrehten Look ja sehr, kann mit der Erzählung um Skategötter aber nicht viel anfangen und empfinde das ständige Gerede vor und nach Beendigung einer Strecke als anstrengend (glücklicherweise kann man Dialoge überspringen). Die gesamte Aufmachung der Kampagne ist dennoch herrlich und wahnwitzig verspielt. Wie kann man das nicht lieben?
Insgesamt gibt es fünf große Areale, die man über eine Oberwelt bereist. Die Level des ersten Gebietes erinnern an den Vanice Beach in Los Angeles, weiter geht es in ein Waldareal, gefolgt von einer Wüste. Mit Ausnahme des vierten Gebietes (Industrie und viel chemisch Müll) haben die Entwickler ziemlich ins Schwarze getroffen und ein wunderschönes Spieluniversum geschaffen. Und was wäre ein Skaterspiel ohne schönen Indie-Soundtrack? Den gibt es natürlich auch und verbreitet eine ebenso gute Laune wie der gesamte Rest des Spiels.
Auch in Hinblick auf Belohnungen machen die Entwickler vieles richtig. Schließt man vorgegebene Missionen in einem Level ab und bricht die Highscores der KI, so schaltet man neue kosmetische Gegenstände frei. Hier orientiert man sich nicht nur an bekannten Marken, sondern lässt auch viel Raum für Irrsinn (vom Bierhelm bis zum Bienenoverall ist alles dabei). Und natürlich möchte man gerade online mit den freigespielten Goodies protzen und die eigene Spielfigur stets aufs Neue einkleiden. Schön auch, wie inklusiv man hier in Hinblick auf Identität und kulturelle Hintergründe ist.
Pro & Kontra
- forderndes aber stets motivierendes Gameplay
- griffige wie filigrane Steuerung
- audiovisuelle Gestaltung
- jede Menge freischaltbare Cosmetics
- manche Sprünge lassen sich schwer abschätzen