Yakuza: Like A Dragon REVIEW

Seit dem 2004 auf der Playstation 2 veröffentlichten Erstling war die Formel der Yakuza-Spiele fest vorgegeben. Im spielerischen Mittelpunkt der spielbaren Crime-Dramas standen stets wuchtige Kämpfe in Echtzeit sowie simple und über die Jahre in Maßen erweiterte Rollenspielsysteme. Mit dem nun erscheinenden siebten Hauptteil vollzieht das Gameplay jedoch eine krasse Kehrtwende und wandelt sich zum Rollenspiel inklusive rundenbasierten Kämpfen und einem Job-System. Ein schier irres Wagnis, welches Publisher Sega und Entwickler Ryu ga Gotoku Studio nach rund zwei Jahrzehnten mit der Franchise eingehen. Und eines, welches sich auszahlt.

Ein bisschen Persona, ein bisschen Dragon Quest, ein bisschen Yakuza


Entsprechend will ich mich eben dieser großen und einschneidenden Neuerung als erstes widmen. Kurzfazit: der neue Ansatz ist frisch, spaßig und ein stimmiger Mittelweg mit der ein oder anderen Ungereimtheit. Das betrifft vor allem die Komplexität des Systems und den Schwierigkeitsgrad sowie einige technische Macken.

Langfassung: Die Entwickler haben sich für ein klassisches Rundensystem entschieden, in welchem man stets in einer Gruppe mit bis zu vier Kämpfern unterwegs ist, denen man über ein Menü abwechselnd Befehle (Angriffe, das Einsetzen von Gegenständen, Blocken etc.) erteilt. Ist man mit den eigenen Zügen durch, sind die Gegner an der Reihe, die ebenfalls in Gruppen von meist vier bis fünf Gegnern angreifen. Eng mit den Fähigkeiten der Spielfiguren verbunden sind deren Jobs. Diesen Ansatz kennt man von einigen anderen Rollenspielen aus Japan, Ryu ga Gotoku Studio nimmt es hier aber ganz genau und schickt den neuen Protagonisten Ichiban Kasuga und Anhang in ein Arbeitsamt, wo man zwischen Koch, SWAT-Polizist, Domina, Leibwächter, Breakdancer und anderen Jobs/Klassen wählen kann. Schon alleine an den verfügbaren Möglichkeiten zeigt sich bereits, dass Yakuza: Like a Dragon nichts an den durchgeknallten Allüren der Vorgänger einspart, ganz im Gegenteil.

Entfesselter Irrsinn


Denn im Kampf drehen die Entwickler erst richtig auf und lassen Tauben auf meine Gegner hetzen, ich kann ihnen den Hintern mit einer Peitsche versohlen, sie mit flotten Breakdance-Moves von den Beinen hauen oder mit einem krachenden Schild in die Meute rennen und so mächtigen Flächenschaden anrichten. Darüber hinaus schaltet man in den hohen Jobrängen (das Spiel splittet Figuren- und Jobprogression auf) noch mächtige Spezialaktionen frei, die sich auch in andere Klassen mitnehmen lassen.

Vollkommen den Vogel schießen die sogenannten Poundmates ab, die man sich in Kämpfen herbeirufen kann. Diese muss man allerdings bezahlen und gerade die richtig guten Söldner kosten gerne auch mal mehrere Hunderttausend Yen. Unter anderem kann man einen Hummer namens Nancy oder einen Sumoringer auf die Gegner los lassen. Es gibt aber auch Poundmates, welche gegen Bezahlung Lebens- und Magiepunkte erneuern oder diverse Statuseffekte hervorrufen.

Nicht zuletzt durch die dynamische Inszenierung der Kämpfe sind die Auseinandersetzungen auch nach mehreren Dutzend Stunden noch ziemlich unterhaltsam, zumal man durchaus dazu angehalten wird, die unterschiedlichen Jobs nach und nach auszuprobieren und dadurch stets eine neue Motivation erhält. Lediglich die Kämpfe gegen Gruppen, welche die Straßen Yokohamas unsicher machen und zum Angriff blasen, sobald sie Ichiban und seine Gruppe entdecken, werden mit der Zeit lästig. Zwar kann man ihnen einigermaßen aus dem Weg gehen, dennoch kommt es viel zu häufig vor, dass man sich mit Gegnern abmühen muss, die einen wesentlich geringeren Level haben, als man selbst und daher auch kaum Erfahrungspunkte und Geld droppen.

Kinderkrankheiten


So spaßig das Kampfsystem auch ist, so wenig Komplexität besitzt es. In der Theorie sind Gegner zwar für bestimmte Arten von Angriffen empfänglich oder können diese gut abwehren. Ich musste mich aber erstaunlich selten wirklich bemühen und meine Strategie genaustens überlegen. Selbst die Bosskämpfe und hoch leveligen Gegner in der Kampfarena und den speziellen Dungeons stellen selten eine wirkliche Herausforderung dar. Hinzu kommt, dass man den ersten Spieldurchlauf auch nur auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad angehen kann, was für Spieler/innen wie mich, die mit dem Genre vertraut sind, zu Unterforderung führt.

Darüber hinaus wirken die Kämpfe mitunter etwas albern. Man merkt stark, dass die Engine ursprünglich mal für Echtzeitkämpfe gebaut wurde, in denen man sich aktiv selbst bewegt. Entsprechend hat die Kamera jetzt immer wieder Probleme dem Geschehen zu folgen. Das führt dazu, dass die Kamera gerne mal in der Wand hängen bleibt oder einfach nicht schnell genug hinterherkommt, was insbesondere dann ärgerlich werden kann, wenn man angegriffen wird und aufgrund des eingeschränkten Sichtfelds nicht vernünftig blocken kann. Die Wirkung eines Blocks aber auch die Stärke von Angriffen kann man nämlich durch kleine Quick-Time-Eingaben verstärken. Auch bleiben die Figuren gerne mal an Zäunen, Mülleimern und anderen Hindernissen hängen, was zwar keinen Einfluss auf das Spielgeschehen hat, aber unfreiwillig komisch wirkt.

Ein neuer Drache erhebt sich


Aber nicht nur spielerisch beschreitet Yakuza: Like a Dragon neue Pfade. Nachdem die Geschichte des bisherigen Protagonisten Kazuma Kiryu in Yakuza 6 auserzählt wurde, tritt mit Ichiban Kasuga eine neue Hauptfigur auf den Plan. Dessen Schicksal gleicht sich auf den ersten Blick sehr mit dem seines Vorgängers. Wie auch Kazuma ist Ichiban für mehrere Jahre für ein Verbrechen ins Gefängnis gegangen, welches er nie begangen hat – und das freiwillig. Ichiban wollte damit seinem Boss und Vorbild Masumi Arakawa einen Gefallen tun und erhoffte sich gleichzeitig einen Aufstieg in den Rängen des Yakuza-Clans.

Als Ichiban nach über achtzehn Jahren entlassen wird, kommt aber alles anders als gedacht. Nicht nur die Außenwelt, auch die Unterwelt hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Der Tojo-Clan, der einst Tokyo unter seine Fittiche hatte, existiert nicht mehr. Stattdessen hat die aus Osaka stammende Omo-Allianz mittlerweile das Zepter in der Hauptstadt Japans übernommen und die Arakawa-Familie als Vasallen installiert. Ein Umstand, den Ichiban zunächst nicht glauben kann, schließlich galt die Omi-Allianz stets als Feind, den es zu bekämpfen galt. Als auch noch ausgerechnet Patriarch Arakawa das Feuer auf Ichiban eröffnet, muss dieser untertauchen, was ihn schließlich nach Yokohama führt. In der Hafenstand trifft er alsbald auf neue Verbündete und Aufgaben. Dabei scheinen auch die sich zuspitzenden Ereignisse in Yokohama mit dem Aufstieg der Omi-Allianz und der Arakawa-Familie in Tokyo zusammenzuhängen…

Stadt der blauen Lichter


Der überwiegende Teil von Yakuza: Like a Dragon spielt in Yokohama, wobei sich die Entwickler mit dem fiktiven Stadtteil Ijincho erneut auf ein zwar offenes, aber überschaubares Gebiet beschränken. Das Areal mit seinem schillernden Stadtkern, dem Hafen samt Flaniermeile, dem heruntergekommenen Obdachlosenviertel und seinen „Little China“ und „Little Korea“ ist dem real existierenden Bezirk Isezakicho nachempfunden. Doch irgendwie wirkt das virtuell nachgebaute Yokohama nicht mehr so pulsierend wie einst Kamurocho (Tokyo) und Sotenbori (Osaka, Teil 2) und hat auch nicht den Charme von Onomichi (Hiroshima, Teil 6) oder Sapporo (Teil 5). Gerade in den Tagesstunden kommt kaum Stimmung auf, sobald es dunkel wird und die Stadt im Neonlicht erstrahlt, aus den Gullydeckeln Dampf aufsteigt, das Partyvolk die Straßen bevölkert und man am Horizont das ikonische Riesenrad der Stadt erblickt, schwächt sich der erste,ernüchterte Eindruck zwar etwas ab. Dennoch gehört Ijincho für mich zu den bisherigen Schlusslichtern was das Setting innerhalb der Reihe angeht.

Zu tun gibt es dennoch einiges in Yokohama. Mit Darts, Golf, Baseball, Arcade-Hallen (in denen man Sega-Klassiker wie OutRun, Virtua Fighter 2 und 5 und Space Harrier spielen kann) und Karaoke kehren viele bekannte und beliebte Minispiele zurück. Zusätzlich gibt es noch eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten, sich die Zeit abseits der Hauptstory zu vertreiben. So kann man in einer Abendschule an Multiple-Choice Tests teilnehmen und durch das erfolgreiche Bestehen dieser diverse Statuswerte von Ichiban anheben. Dragon Kart ist eine herrlich abgedrehte Variante von Mario Kart und in einem kleinen Nischenkino versucht man bei der Sichtung von „Klassikern“ nicht einzuschlafen, was in Form eines zwar simplen, aber launigen Quick-Time-Event-Minispiels geschieht. Oder man setzt sich auf den Managerstuhl einer örtlichen Reiscracker-Manufaktur und bringt das Geschäft aus den roten Zahlen heraus. Ein bisschen Kleingeld und Items erspielt man sich hingegen, indem man die Straßen der Stadt von weggeworfenen Dosen befreit. Und auf freien Grünflächen und in Kübeln kann man auch noch den grünen Daumen wirken lassen und Blumen und Gemüse anbauen.

Geschichten, die das Leben schreibt


Ein absolutes Highlight sind erneut die Subplots, in denen man mal herzzerreißende, mal skurrile und mal vollkommen bizarre Geschichten erlebt. Spielmechanisch reißt man sich hier selten ein Bein aus, dafür ist das Writing stellenweise erstklassig (das gilt sowohl für die Dialoge, als auch die Situationskomik) und viele Nebenhandlungen sind diesmal auch wesentlich länger, als in den Vorgängerspielen, ohne dabei gestreckt zu wirken.

Inszenatorisch sind sowohl die Nebenstorys als auch die Ereignisse innerhalb des Plots ein ziemliches Kuddelmuddel, in welchen man mal filmreife Cutscenes, sehr häufig vertonte In-Engine-Seqeuenzen und leider immer wieder auch nicht synchronisierte Textboxen inklusive unbeholfener Figurenanimationen serviert bekommt. Wie immer sind die japanischen Sprecher exzellent und namhaft besetzt und auch bei der ersten englischen Sprachfassung eines Hauptteils seit dem ersten Spiel für die PlayStation 2 setzt Sega auf professionelle und durchaus bekannte Sprecher. Eine Premiere, wenn man das Spin-Off Judgement mal außer Acht lässt, sind die deutschen Untertitel, die in meiner Testphase aber noch recht fehleranfällig waren und allgemein die Spitzfindigkeit der englischen Lokalisation vermissen lassen. Dennoch untermauert Yakuza: Like a Dragon mit der aufwendigen Lokalisation endgültig wie wichtig das Franchise für Sega mittlerweile auch im westlichen Markt ist.

 

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Pro
  • Neuausrichtung mit Rundenkampfsystem funktioniert und ist spaßig
  • motivierendes Jobsystem
  • Ichiban Kasuga und die anderen neuen Figuren sind grandios
  • viele bekannte und neue Minispiele
  • spannendes Politik-Crime-Drama

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Kontra
  • Kamera macht in den Kämpfen immer wieder Probleme
  • für einigermaßen geübten Rollenspieler sind die Kämpfe selten anspruchsvoll
  • deutsche Texte fehleranfällig

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Pro & Kontra

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Pro
  • Neuausrichtung mit Rundenkampfsystem funktioniert und ist spaßig
  • motivierendes Jobsystem
  • Ichiban Kasuga und die anderen neuen Figuren sind grandios
  • viele bekannte und neue Minispiele
  • spannendes Politik-Crime-Drama

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Kontra
  • Kamera macht in den Kämpfen immer wieder Probleme
  • für einigermaßen geübten Rollenspieler sind die Kämpfe selten anspruchsvoll
  • deutsche Texte fehleranfällig

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Spiel Bewertung
Singleplayer
84
84
Gut
-
Multiplayer

FAZIT

Yakuza: Like a Dragon ist eine gelungene Fortsetzung und gleichzeitig auch ein gelungener Neustart für die Reihe. Das große Wagnis, welches Sega und Ryu ga Gotoku Studio eingegangen sind, hat sich ausbezahlt. Zwar krankt das Rundensystem noch an einigen Kinderkrankheiten, insbesondere was die Kamera und Komplexität der Kämpfe angeht. Dennoch sind die Kämpfe spaßig und dank der reichhaltigen Palette an unterschiedlichen Angriffen und Fähigkeiten, die mit den verschiedenen Jobs einhergehen, hoch motivierend. Und Ichiban Kasuga ist ein mehr als würdiger Nachfolger für Kazuma Kiryu – und das will wirklich etwas heißen! Es ist den Entwicklern hoch anzurechnen, dass sie sich nicht einfach auf das verlassen, was die Vorgänger über beinahe zwei Jahrzehnte aufgebaut und etabliert haben, sondern das Universum mit einem eigenständigen Anstrich fortführen. Insbesondere der sehr würdevolle Umgang mit den Vorgängern macht es noch leichter, den Staffelstab an die neue Generation zu mögen. Und auch abseits des neuen Kampfsystems und der neuen Besetzung ist Yakuza: Like a Dragon ein ziemlich gutes Spiel. Insbesondere im ersten und letzten Drittel bietet die Geschichte hervorragende Szenen, bei denen man mal herzlich lacht, mal die Tränen zurückhalten muss und mal einfach nur in dem spannenden Politik-Crime-Drama versinkt. Überhaupt ist es beachtlich, wie sehr die Story erneut auf aktuelle Tendenzen in der japanischen Politik und Gesellschaft eingeht und diese kritisch kommentiert. Für ein japanischen Mainstreamprodukt ist das alles andere als gewöhnlich. Von mir aus können Sega und Ryu ga Gotoku Studio das Franchise gerne auf diese Weise fortführen.

- Von  Adrian

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