Wolfenstein: Youngblood REVIEW

Mit The New Order und The New Colossus hat das schwedische Studio MachineGames die Wolfenstein-Reihe nicht nur phänomenal reanimiert, sondern auch auf bemerkenswerte Weise modernisiert. Trotz einer hervorragenden Mischung aus traditionellen und frischen Einflüssen, war beiden Spielen der große wirtschaftliche Erfolg aber nicht vergönnt, ein abschließender dritter Teil ist aktuell eher fraglich. Mit Wolfenstein: Youngblood zieht man jetzt offenbar die Konsequenzen und modelt das Fundament der Vorgänger um. Statt einer geradlinigen Kampagne mit narrativem Schwerpunkt, gibt es nun eine geöffnete Spielwelt mit Koop-Anbindung, täglichen und wöchentlichen Missionen sowie Mikrotransaktionen. Also genau das Gegenteil von allem, was die Serie seit dem Reboot ausmacht.

Vatersuche in Neu-Paris

Wolfenstein: Youngblood spielt rund 20 Jahre nach den Ereignissen von The New Colossus. B.J. Blazkowicz und seine Frau Anya sind mittlerweile im Ruhestand und versuchen ihr Leben gemeinsam mit den Zwillingstöchtern Jess und Soph im befreiten Amerika zu bewerkstelligen, doch die Vergangenheit der Nazijäger prägt die Erziehung der jungen Blazkowicz´ Töchter stark. Als B.J. eines Tages verschwindet und sich offenbar im Stillen ins nach wie vor von den Deutschen besetzte Neu-Paris aufgemacht hat, fackeln Soph und Jess gar nicht lange und folgen ihrem Vater nach. Dort angekommen, treffen die Zwillinge schnell auf den örtlichen Widerstand, der einen großen Angriff auf die Besatzer plant und die Hilfe der Blazkowicz´ Sprösslinge einfordert. Im Gegenzug hilft man bei der Suche nach Vater B.J.

Mit den narrativ sehr intensiven Vorgängern hat Wolfenstein: Youngblood nicht mehr allzu viel gemein. Abseits vom Intro und Outro und einigen Cutscenes, wird die Story vorzugsweise in Ingame-Gesprächen zwischen Soph und Jess voran getrieben. Eine tiefgehende Charakterisierung findet aber kaum statt, die Nebenfiguren bleiben nicht mehr, als Stichwort- und Auftraggeber ohne Persönlichkeit und auch die eigentliche Suche nach dem verschwundenen B.J. geht im Laufe der Handlung irgendwie unter. Das ist vor allem deshalb bedauerlich, weil im Spin-Off nach wie vor die erzählerischen Stärken durchscheinen. Man erschafft auch mit Neu-Paris ein formal interessantes Setting und baut mit sammelbaren Zeitungsausschnitten, Kassetten und anderen Gegenständen ein stimmungsvolles Szenario.

Stadt der Langeweile

Leider ist die Spielwelt selbst ziemlich karg. Das man sich eines bequemen Storykniffs bedient, um zu erklären, warum große Teile der Bevölkerung evakuiert und in Neu-Paris nur Nazis und Widerständler anzutreffen sind, kann ich ja noch schlucken. Warum man aber aus dieser so geschichtsträchtigen und mit bekannten Wahrzeichen vollgestopften Stadt nur langweilige Straßengassen, Unterwasserkanäle und Nazi-Bunker rausholt, nicht. Immerhin sind die deutlich offener gestalteten Areale schön verwinkelt und gehen sowohl in die Höhe als auch in die Tiefe, sodass es mehr, als nur einen Weg gibt, den man gehen kann. Und auch die Brüder genannten Türme der Besatzer machen in visueller Hinsicht einiges her. Überhaupt verstehen es die Entwickler nach wie vor hervorragend ihre alternative Geschichtsversion kulturell und mit vielen Details und Humor zu untermauern.

Bei den Missionen macht man hingegen, was man in jedem anderen Wolfenstein auch macht: Nazis töten. Neue Missionen nimmt man in den Katakomben von Paris an. Vielmehr gibt es in diesem als Hub dienenden Areal aber nicht zu tun. In den Vorgängern konnte man zumindest noch ein bisschen über die anderen Figuren erfahren, in Youngblood haben die Widerstandskämpfer aber nicht viel zu sagen. Nervig auch, dass man nach einem erledigten Auftrag in der Regel ins Hub zurückkehren muss, um Geld und Erfahrungspunkte zu erhalten und die Aufgabe final abzuschließen. Zusätzlich den Haupt- und Nebenmissionen gibt es auch tägliche und wöchentliche Herausforderungen, in denen man zusätzliche Vergütung sammeln kann. Neben Silbermünzen, die man nicht nur für das Abschließen von Quests, sondern auch durch das Erledigen von Gegnern erhält und sowieso im Überfluss in der Spielwelt findet, gibt es mit Goldbarren noch eine Premium-Währung, die man mit Echtgeld kaufen muss. Aktuell lassen sich davon einige Skins für Waffen (einige kann man auch durch Silbermünzen freischalten) und neue Outfits für die Schwestern erwerben, wobei ich nicht so ganz verstehe, warum ich mir ein Outfit für meine Figur kaufen sollte, welche ich ja nie sehe, sondern nur mein Spielpartner.

Vier Waffen tragende Hände für ein Halleluja und jede Menge toter Nazis

Viele Designentscheidungen, wie die weitläufigeren Level und die zurückgeschraubte Narration, lassen sich mit der spielerischen Ausrichtung von Wolfenstein: Youngblood erklären. Anstelle eines reinen Singleplayer-Shooters, tritt hier nämlich eine optionale Zwei-Spieler-Koop-Funktion. In diesem Falle übernimmt jeder Spieler eine der beiden Schwestern. Man kann sich zwar wie gehabt auch alleine durch Neu-Paris ballern und die andere Schwester von der sich ganz passabel verhaltenden KI steuern lassen. Der eigentliche Mehrwert liegt hier aber tatsächlich im gemeinsamen Spielen mit einem Freund, wahlweise kann man sich auch via Matchmaking einen fremden Mitspieler zuweisen lassen. Aber Vorsicht: nur der Host übernimmt den Fortschritt in der Kampagne. Wer sich zu einer fremden Partie gesellt, übernimmt hingegen nur gesammelte Erfahrungspunkte, Level etc. Sich selbst in ein fremdes Spiel einzuklinken würde ich ohnehin erst nach dem Beenden der Story empfehlen, da ihr nie wisst, welchen Fortschritt der Host hat und man sich so etwa spätere Gebiete oder Story relevante Inhalte vorwegnehmen kann.

Egal ob mit einem Bekannten, jemand Fremdes oder der KI, man sollte sehr auf das eigene und das Leben des Partners aufpassen. Soph und Jess teilen sich nämlich drei Leben. Diese kann man an entsprechenden Kisten sammeln und auffüllen. Sind die Herzen verbraucht, wird man an den Anfang einer Mission geworfen. Gerade bei den mitunter langen Hauptmissionen ist das ziemlich nervig. Stirbt man etwa beim Boss, so muss man den ganzen zuvor zurückgelegten Weg wieder auf sich nehmen. Immerhin bleiben während der Mission gesammelte Erfahrung und Upgrades erhalten.

Bekanntes und neues

Das bekannte und dank sich agil steuernder Spielfiguren und griffiger Steuerung nach wie vor befriedigende Shooter-Fundament wird zusätzlich mit einem Level-System unterfüttert. Mit jeder neuen Stufe erhält man nicht nur mehr Waffenschaden, sondern kann auch verdiente Erfahrungspunkte in neue Fähigkeiten eintauschen. Diese ermöglichen es etwa, dass man mehr Lebensenergie erhält oder sich für kurze Zeit unsichtbar machen kann. Leider unterscheiden sich die Fähigkeitenbäume von Soph und Jess nicht, insofern ist die Wahl der Spielfigur eigentlich vollkommen irrelevant.

Die Gegner hingegen haben einen sichtbaren Energiebalken erhalten. Auch den Status ihrer Rüstung und sogar, mit welcher Waffe man am meisten gegen die unterschiedlich gepanzerten und bewaffneten Nazis ausrichten kann, wird visualisiert. Vielmehr hat sich hier im Grunde auch nicht getan, außer, dass die schwer gepanzerten Gegner (gefühlt!) deutlich mehr aushalten, als zuvor. Wenn man sich teilweise zwei oder drei solcher Kugelschwämme gegenübersieht, während gleichzeitig leichte Infanterie aus allen Seiten und Kanonen ballert, ist das mitunter nicht nur ziemlich chaotisch, sondern auch ermüdend. Ein Lob muss ich derweil aber den Bosskämpfen aussprechen. Diese sind in ihrer Anzahl zwar überschaubar, sind aber angenehm unterschiedlich gestaltet und auch nett inszeniert.

Die Bösen beim Namen nennen

Wolfenstein: Youngblood ist das erste Spiel der Reihe, welches in Deutschland auch in einer den internationalen Fassungen gleichen Version erscheint. Sprich: man kann nun auch ganz offiziell eine Version mit verfassungsfeindlichen Symbolen kaufen, sofern man denn einen Händler findet, der die Version auch führt. Denn wie zu erwarten war, sträuben sich vor allem Verkäufer im stationären Handel die unzensierte Version in ihre Regale zu stellen. Alternativ zur internationalen Fassung, in welcher es übrigens auch nur die englische Sprachausgabe gibt, hat Publisher Bethesda für den deutschen Markt wieder eine angepasste Version angefertigt. Für diese wurden wie gehabt Hakenkreuze und SS-Runen durch fiktive Symbole ausgetauscht, auch gibt es nur eine Sprachausgabe, in der alle Figuren (egal ob sie Amerikaner, Franzosen oder Deutsche sind) deutsch sprechen. Immerhin werden Nazis aber auch in der deutschen Version jetzt Nazis genannt. Ein Kompromiss, der aber auch zeigt, dass selbst nach der Neuausrichtung der Prüfungsgremien hinsichtlich der Darstellung von verfassungsfeindlichen Symbolen Videospiele nach wie vor nicht auf der gleichen Stufe, wie andere Medien- und Kunstformen stehen.

 

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Pro
  • launige Koop-Action
  • gelungenes Worldbuilding
  • griffiges Gunplay

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Kontra
  • belanglose Handlung und Figuren
  • langweilige Spielwelt
  • sich wiederholende Missionsstruktur

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Pro & Kontra

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Pro
  • launige Koop-Action
  • gelungenes Worldbuilding
  • griffiges Gunplay

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Kontra
  • belanglose Handlung und Figuren
  • langweilige Spielwelt
  • sich wiederholende Missionsstruktur

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Spiel Bewertung
Singleplayer
67
70
73
Multiplayer

FAZIT

Rief man noch auf den The Game Awards 2017 vollmundig die Rettung der reinen Einzelspieler unter dem Motto „SavePlayer1“ aus, ist davon nicht mehr viel zu spüren. Bethesda zieht mehr und mehr die Konsequenzen aus dem ausbleibenden Erfolg der vergangenen Jahre und das wirkt sich merklich auf das Spieldesign aktueller Produktionen aus. Schon Rage 2 zeigte vor einigen Wochen den trügerischen Pfad, auf den man sich begibt. Ein eigentlich sehr gutes Fundament wurde mit einer seelenlosen Spielwelt, unzähligen belanglosen Fleiß- und Sammelaufgaben und einer Story zum Vergessen zugeschmissen, sodass einem Spiel und Entwickler eigentlich nur leidtun konnten. Von Fallout 76 will ich jetzt erst gar nicht anfangen. Und auch Wolfenstein: Youngblood leidet unter der neuen Ausrichtung, wenn auch am Ende nicht so katastrophal, wie die beiden anderen Spiele. Das wie gehabt griffige Gunplay, das in seinen Details toll ausgearbeitete Worldbuilding und das erneut kreativ umgesetzte Setting lassen die Stärken des Serien-Reboots durchscheinen, doch die langweilige Handlung, die uninteressanten Figuren, die sterile Spielwelt und der Overkill an belanglosen Missionen stehen dem Spaß immer wieder im Weg. Alleine wäre mir wohl schnell jegliche Lust an diesem trivialen Spin-Off vergangen, wäre da nicht der Koop und ein guter Freund, mit dem ich große Teile von Wolfenstein: Youngblood zusammen gespielt habe und eine gute Zeit hatte. In Erinnerung wird mir aber wohl kaum etwas bleiben, immerhin etabliert das Ende aber einen spannenden Ansatz, für ein Wolfenstein 3.

- Von  Adrian

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