White Day: A Labyrinth Named School REVIEW
Valentinstag? Klar, den kennt jedes Kind. Aber den eigentlich nur in Japan und Südkorea begangenen White Day kennen wohl nur die wenigsten Menschen außerhalb Südostasiens. Am White Day, so will es die neumodische Tradition, entgegnen am Valentinstag beschenkte Jungs die ihnen zugebrachte Aufmerksamkeit ihrerseits mit einem Präsent. Auch Lee Hee-Min will seiner Angebeteten eine Schachtel Pralinen überreichen und ihr so seine Gefühle gestehen. Daher schleicht er sich – warum auch immer – inmitten der Nacht vor dem White Day in die Schule, um das Geschenk für den nächsten Tag im Spind von So-yeong zu hinterlegen. Eine, wie sich schnell herausstellt, reichlich dumme Idee…
Schule des Grauens
Denn in der Yeondu High School liegt so einiges in argen. Nicht nur patrouilliert ein offensichtlich durchgeknallter Hausmeister Nachts die Gänge und vermöbelt umherstreunende Schüler mit seinem Baseballschläger. Zu allem Übel wird das Schulgebäude auch von rachsüchtigen Geistern und anderen übernatürlichen Kräften heimgesucht. Ein denkbar schlechter Ausgangspunkt für Lee Hee-Min und seinem unschuldigen Anliegen.
In den folgenden rund 5-6 Stunden Spielzeit gilt es den Mysterien der Schule auf den Grund zu gehen und So-yeong Han, die sich ebenfalls in der Yeondu High aufhält, zu finden. Um alle Geheimnisse zu lüften, alle Rätsel tatsächlich lösen zu können und alle Enden (sechs verschiedene von diesen gibt es) zu sehen, müsst ihr White Day: A Labyrinth Named School entsprechend mehrmals angehen. Dieser Wiederspielwert ist auch tatsächlich vorhanden, denn der frisch für PlayStation 4 und PC veröffentlichte Titel fasziniert mit seinem unverbrauchten Setting, seinen Geheimnissen und den vielen kleinen Nebenschauplätzen und – handlungen ungemein.
Letztere entspinnen sich vor allem durch Dokumente und andere Schriftstücke, die ihr in dem mehrstufig aufgebauten Schulgebäude findet und die euch nach und nach vertrauter mit der langen Geschichte des Ortes und den vergangenen Geschehnissen machen. Die in verschiedene Abschnitte aufgeteilte Yeondu High ist übrigens frei erkundbar, allerdings bleiben euch zu Beginn viele Türen und Geheimnisse noch verschlossen. Die entsprechenden Schlüssel erhaltet ihr oftmals durch das Lösen von Rätseln, wobei es auch eine große Anzahl an rein optionalen Kopfnüssen gibt. Diese sind erstaunlich organisch in die Spielwelt integriert und weitaus logischer aufgebaut, als beispielsweise die Rätsel in einem Resident Evil.
Ich. Hasse. Dich.
Spielerisch lässt sich das Remake des gleichnamigen Kultklassikers von 2001 am ehesten mit Sonys Forbidden Siren oder Outlast vergleichen. Prägnanteste Parallele: unser Protagonist kann sich nicht zur Wehr setzen. Stattdessen muss Lee Hee-Min die Beine in die Hand nehmen, sobald er vom Hausmeister entdeckt wird, und sich in den dunklen Räumen oder der Toilette verstecken und hoffen, dass der Baseballschwingende Irre weiterzieht. Ein schöner Kniff, da die sowieso schon bedrohliche Situation so noch angespannter wirkt.
Das große Problem: die K.I. des allgegenwärtigen Verfolgers ist furchtbar. So furchtbar, das ich regelmäßig und entnervt den Controller beiseite legen musste und Spiel sowie Entwickler verfluchte. Wie schwer der Spagat zwischen einer stets bedrohlich wirkenden, aber dennoch fair agierenden K.I. ist, zeigten in der Vergangenheit ja schon ähnlich aufgebaute Spiele und auch Entwickler ROI Games scheitert leider an der richtigen Balance.
Immer wieder gab es Situationen, in denen ich mich außerhalb des Sichtfeldes des Hausmeisters befunden habe und dieser mich trotzdem erhascht hat, immer wieder ist er plötzlich an Orten aufgetaucht, an denen er ohne Teleportationsfähigkeit noch gar nicht hätte sein können. Stellenweise ist der übermächtige Feind so frustrierend, das er White Day: A Labyrinth Named School (gefühlt) unspielbar macht.
Faszinierender Trip in die koreanische Folklore
Dennoch bin ich stets zur Yeondu High zurückgekehrt. Warum? Weil das Spiel an anderen Stellen vieles richtig macht und einen faszinierenden Trip in die koreanische Folklore und Geisterwelt gewährt. Stets habe ich die vielen, teils seitenlangen Dokumente mit großem Interesse gelesen und mich weiter in die düstere Geschichte der Schule ziehen lassen. Diese eigentlich sehr altbackene Art der Narration funktioniert im vorliegenden Fall erstaunlich gut und ist nicht zuletzt auch ein willkommener Moment der Ruhe. Denn abseits des Lesens von Schriftstücken und des Pausemenüs versetzt euch White Day: A Labyrinth Named School in eine Lage der stetigen Ungewissheit.
Denn nicht nur der Hausmeister lauert als ständige Gefahr, auch Geister erscheinen immer wieder wie aus dem Nichts und lassen euer Herz in die Hose springen. Wenn ich böse sein wollte, so würde ich die Jumpscares als billige Effekthascherei abtun, im Kontext von Handlung und Setting funktionieren sie aber selbst nach mehreren Wiederholungen noch erstaunlich gut. Vielleicht auch deshalb, weil das Spiel eben mehr als hinterhältige Schockmomente kann. Die Entwickler treffen den Kern dessen, was guten (Survival-)Horror ausmacht, außerdem ziemlich gut und erzeugen eine Stimmung der ständigen Unsicherheit.
Fantastisches Sounddesign, verstörende Musik und eine saubere Portierung
Vor allem die akustische Stimmungserzeugung ist phänomenal. Egal ob es der Klang vom Regen ist, der peitschend gegen die alten Fenster der Schule donnert, ob es das Knarzen von Schritten aus der Entfernung ist, oder der heulende Wind, der durch die Dielen säuselt – das Sounddesign ist grandios und etabliert eine ebensolche Gruselstimmung. Dazu kommt noch die für westliche Ohren eigenwillige, stellenweise geradezu verstörende Musik. Ich kann es euch übrigens nur ans Herz legen White Day: A Labyrinth Named School mit koreanischer Sprachausgabe und deutschen Untertiteln zu spielen. Zwar gibt es eine englische Lokalisation, diese ist aufgrund des sehr speziellen Settings in meinen Augen aber unpassend und verwässert die Stimmung.
Einige Abstriche müsst ihr hingegen bei der Grafik machen. Die PlayStation 4 und PC Version basiert auf dem 2015 für iOS und Android veröffentlichten Remake, was man dem Spiel durchaus. Doch auch wenn die Animationen und die Mimik der Figuren etwas altbacken wirken und die statischen Umgebungen gerade gegen Ende etwas mehr visuelle Abwechslung vertragen hätten, so bleibt unterm Streich ein dennoch ansehnliches Spiel. In der mir vorliegenden PlayStation 4 Version lief der Titel übrigens mit sauberer Framerate und ohne erkennbare Bugs.