Whispers of a Machine REVIEW

Nachdem die beiden schwedischen Indie-Entwicklerstudios Clifftop Games und Faravid Interactive bereits erste Erfahrungen mit ihren Point & Click-Adventures „Kathy Rain“ und „The Samaritan Paradox“ sammeln konnten, beschlossen sie ihre Kräfte zu bündeln und ein komplexeres Adventure zu schöpfen. Das Ergebnis nennt sich Whispers of a Machine und steht seit dem 17. April 2019 für den PC und Mobile-Gerätschaften zum Verkauf. Was das Spiel taugt erfahrt ihr im folgendem Review.

Künstliche Intelligenz und ihre Folgen

Whispers of a Machine versetzt uns in eine Post-Postapokalyptische Zukunftsvision der Erde. Irgendwann in der Vergangenheit wurde Künstliche Intelligenz zum vollwertigen Bestandteil der Menschheit. Es war soweit gekommen, dass eine Durchschnittsfamilie ohne K.I.-Support nicht mehr vernünftig überleben konnte. Doch dieser Status Quo währte nicht ewig. Es kam zu Konflikten zwischen K.I.-Befürwortern und -Gegnern. Nach einem katastrophalen Ereignis, welches nur als „Kollaps“ bezeichnet wird, ging der Sieg jedoch an die K.I.-Gegner. Das Spiel verrät leider nicht, wie genau sich der Kollaps äußerte oder in welchem Jahr er stattfand, jedoch war er derart gravierend, dass er eine neue Zeitrechnung einläutete und Künstliche Intelligenz seitdem als verbotene Technologie eingestuft wird. Im allgemeinen wurde der technische Entwicklungsstand, sowie der allgemeine Wohlstand der Menschheit durch den Kollaps spürbar zurückgeworfen.

Das Spiel findet im Jahr 82 nach dem Kollaps statt und versetzt uns in die Rolle von Vera Englund. Diese ist Sonderermittlerin für Gewaltverbrechen und wurde vom Zentralbüro in die Hinterwäldlerstadt Nordsund geschickt, um dort den Mord an der Technik-Museumsbetreiberin Maja Strand aufzuklären. In Nordsund angekommen wird Vera sogleich zu einem zweiten Mordfall hinzugezogen, denn kurz vor ihrer Ankunft wurde der Arbeiter Karl Oscarsson auf die gleiche Weise ermordet wie Maja. Da liegt die Vermutung nahe, dass ein Zusammenhang besteht. Die Morde gewinnen an Brisanz, als Vera ein Glaubensbuch einer Pro-K.I.-Sekte in den Besitztümern von Maja Strand entdeckt. Was steckt also wirklich hinter den Morden?

Darüber hinaus hat Vera aber auch mit den Nebenwirkungen ihrer Nanoflüssigkeit „Das Blau“ zu kämpfen. Sonderermittler bekommen nämlich besagte Flüssigkeit injiziert, damit sie Zugriff auf Superkräfte wie visuelle Sonderfunktionen für die Augen, temporäre Muskel-Boosts und dergleichen erhalten. Nun entwickelt das Blau in Veras Körper jedoch ein beunruhigendes Eigenleben. Es nimmt die holografische Form ihres verstorbenen Geliebten Alex an, und versucht Vera seelischen Komfort zu spenden. Doch kann Vera dieser Entität wirklich vertrauen? Schließlich ist das Blau und dessen (Neben)wirkungen noch nicht vollständig erforscht.

Die Handlung von Whispers of a Machine ist also topaktuell, schließlich befindet sich K.I. inzwischen auch im realen Leben auf dem aufsteigenden Ast. Darüber hinaus profitiert das Spiel von einer kreativen Herangehensweise an das Genre der Postapokalypse. Den Leuten in dieser Welt geht es keinesfalls so schlecht, dass sie als Banditen durch die Gegend streifen müssten, aber man merkt deutlich, dass die Menschheit in den letzten Jahrzehnten lernen musste wieder mit kleineren Brötchen zu backen und auf eigenen Beinen ohne K.I-Support zu stehen. Dies spiegelt sich auch im Personenkreis wieder, mit dem man es in Nordsund zu tun bekommt. Trotz des ganzen Technikschrotts aus einer besseren(?) Zeit sind die Einwohner sehr bodenständig und ländlich. Dementsprechend gestaltet sich das Örtchen samt Einwohner als recht sympathisch und anachronistisch.

Positiv zu erwähnen ist auch das Feature Veras Persönlichkeit mitzubestimmen. Ob sich unsere Ermittlerin Mitfühlend, analytisch oder arrogant verhält, liegt in der Entscheidungsgewalt des Spielers, und hat dann auch gewisse Auswirkungen auf die Handlung und das Gameplay. Und das ist auch eine gute Überleitung zum nächsten Testsegment.

Alternative Lösungswege und coole Nano-Superfähigkeiten


Whispers of a Machine hat den Anspruch mehr zu bieten als andere Point & Click-Adventures. Im Kern verwendet das Spiel aber natürlich die bewährten Formeln. Man steuert die Protagonistin durch die Bilder, untersucht Umgebungsobjekte bzw. Hotspots, sammelt Gegenstände ein, die in einer Inventarleiste am unteren Bildschirmrand gelistet werden, kombiniert besagte Gegenstände gegebenenfalls miteinander, nutzt diese Gegenstände um diverse Problemstellungen zu lösen (hierfür besagten Gegenstand von der Leiste auf den jeweiligen Hotspot bzw. NPC ziehen) und quatscht mit NPCs um die Handlung voranzutreiben. All dies kann man bequem mit dem Mauscursor und der linken Maustaste handhaben. Die rechte Maustaste wird hier gar nicht erst genutzt. Ehrensache, dass hier die Standard-Features in Form einer Hotspotanzeige und Doppelklick zum Abkürzen durch Ein- und Ausgänge angeboten werden.

Soweit so gewohnt, doch Whispers of a Machine hat mehr zu bieten als die meisten anderen Adventures. So gibt es hier und da Aufgaben die man auf verschiedene Weise lösen kann. Schieße ich die Aggressorin kampfunfähig, oder schaff ich es sie zu beschwatzen? Vielleicht gibt es ja auch einen Weg sie zu überrumpeln? Welche Entscheidungen soll ich zum Finale treffen? Schließlich haben sie Einfluss aufs Ende. Und da das Spiel mit rigorosen Autosaves arbeitet, haben die Entscheidungen auch ein gewisses Gewicht, da man eben keine separaten Spielstände anlegen kann. Man bekommt zwar drei Saveslots, aber diese dienen lediglich für separate Spieldurchläufe.

Whispers of a Machine ist also durchaus auf mehrere Spieldurchläufe ausgelegt. Vor allem Achievement-Jäger müssen das Game vier mal durchzocken, wenn sie alle Trophäen einsacken wollen. Der erste Spieldurchlauf sollte im Durchschnitt ca. 7-8 Stunden Spielzeit beanspruchen.

Der spannendste Aspekt sind jedoch Veras Superkräfte, welche sich aus der Nanoflüssigkeit speisen. Bereits zu Spielbeginn stehen ihr drei dieser Fähigkeiten zur Verfügung. Mit dem „Forensik-Scanner“ kann sie DNA-Spuren und Vergleichbares scannen und für spätere Abgleichungen speichern. Mit dem „Biometrie-Analysator“ kann sie den Herzschlag eines Gesprächspartners im Blick behalten, was es leicht macht etwaige Lügen aufzudecken. Und mit dem „Muskel-Boost“ kann sie für kurze Zeit ihre Muskelkraft verstärken. Und dies sind nur die ersten drei Start-Fähigkeiten. Insgesamt bietet das Spiel 10 verschiedene Nano-Fähigkeiten, von denen man aber nur sechs in einem Spieldurchlauf erlangen kann. Die ersten drei, sowie die letzte Fähigkeit sind vorgegeben. Die vierte und fünfte Fähigkeit ist jedoch an Veras Gesinnung gekoppelt.

In Gesprächen bekommt Vera oftmals drei Antwortoptionen, welche Einfluss auf ihren Charakter haben. Hierdurch kann man Vera zu einem „einfühlsamen,“ „selbstbewussten“ oder „analytischen“ Menschen formen, was im späteren Spielverlauf mit dazu passenden Nano-Fähigkeiten, sowie minimalen Abweichungen in der Story quittiert wird. Das klingt jetzt alles sehr cool, und ist es ja auch. Allerdings sollte man hier keine Komplexitätswunder erwarten. Die späteren Nano-Fähigkeiten kommen nur selten zum Einsatz und die Motivation für einen weiteren Spieldurchlauf ist bei weitem nicht so groß, wie man jetzt vermuten könnte.

Etwas nervig ist, dass man bei den Antwortoptionen selbst mutmaßen muss, welchen Persönlichkeitstyp man wiederspiegelt. In den meisten Fällen ist zwar leicht zu erkennen, ob man einfühlsam, analytisch oder selbstbewusst antwortet, dennoch wäre hier eine klare Farbkodierung wünschenswert gewesen, zumal das Spiel diese drei Verhaltensweise ja auch tatsächlich farbkodiert. Nur eben nicht in der Antwortauswahl.

Das eigentliche Problem im Gameplay-Bereich ist jedoch der Schwierigkeitsgrad, welcher manchmal über die Stränge schlägt. Es ist manchmal echt trickreich herauszufinden, was man überhaupt tun soll, um im Spiel voranzukommen. Und dann gibt es halt auch einige Puzzle deren Lösungshinweise zu schwer zu deuten sind. Besonders hart ist die Endphase des ersten Ingame-Tags (das Spiel ist in vier Tage untergliedert). Dort soll man zuerst einen Türcode knacken, danach ein Computerpasswort herausfinden und dann noch mit einer Apparatur hantieren. All diese drei Rätsel waren recht knifflig und frustig. Bei meinem ersten Versuch bin ich daran verzweifelt und habe das Spiel dann aufgegeben. Bei meinem zweiten Anlauf, zwei Jahre später, habe ich diese Spielpassage aber geknackt und konnte das Spiel dann ironischerweise sogar ohne Lösung gewinnen. Dennoch habe ich meinen ersten, gescheiterten Anlauf nicht vergessen. Es hätte dem Spiel sicherlich gut getan, wenn man einige der Rätsel weniger frustig gestaltet hätte. Whispers of a Machine ist ein wirklich gutes Point & Click-Adventure, aber ich würde es nur erfahrenen Adventure-Spielern empfehlen.

Grafik und Sound


In grafischer Hinsicht ist das Spiel ein wenig eigenwillig. Die Hintergrundbilder wirken handgezeichnet, sind jedoch relativ grob und statisch geraten. Sie erwecken den Eindruck, als ob sie mit Filzstiften gezeichnet wurden, was mir optisch jetzt nicht so gut gefällt. Die triste Farbpalette dient natürlich dazu das Post-Postapokalyptische Cyberpunk-Setting zu untermauern, sorgt aber halt auch nicht dafür, dass die Grafik attraktiver wirkt.

Die Charaktermodelle sind in Pixelsprites gehalten. Diese wirken jedoch etwas zu unsauber auf mich und leiden unter relativ hölzernen Animationen. Positiv sind jedoch die animierten Konterfei-Artworks, welche bei Mono- und Dialogen eingeblendet werden. Unterm Strich kann mich Whispers of a Machine in grafischer Hinsicht jedoch nicht abholen. Die klassische Pixelgrafik, welche in „Kathy Rain“ Verwendung fand hatte mir da z.B. wesentlich besser gefallen, als Whispers kruder Filzstift-Stil mit unsauberen Charaktersprites.

Der Soundtrack stammt vom schwedischen Komponisten Jacob Lincke und gefällt mir schon besser als die grafische Darstellung. Die Stücke wirken unaufdringlich und erzeugen eine gelassene, melancholische Stimmung, die ganz gut zum Setting passt. Jedoch sollte man keinen hohen Erinnerungswert beim OST erwarten. Obwohl ich das Spiel zwei mal durchgespielt habe, ist mir da nichts in Erinnerung geblieben, weswegen ich noch mal bei Youtube reinhören musste, um einen konkreten Eindruck zu formen. Wesentlich prägnanter ist da die professionelle englische Sprachausgabe. Diese ist nicht nur durchgängig, sondern trumpft auch mit passenden, angenehmen Stimmen von Synchronsprechern auf, welche ihre Aufgabe ernst nehmen. Genauso hochwertig ist die deutsche Textübersetzung, an der ich nichts auszusetzen habe.

Pro & Kontra

thumbs-up-icon

Pros
  • spannendes Setting
  • einige Rätsel bieten variable Lösungsmöglichkeiten
  • kreatives Nano-Fähigkeiten-System
  • man kann die Persönlichkeit der Protagonistin mitbestimmen
  • sehr gute englische Sprachausgabe und deutsche Textübersetzung

thumbs-up-icon

Cons
  • der Schwierigkeitsgrad schlägt manchmal nach oben aus und sorgt für Frust
  • recht unattraktive Grafik
  • ein paar mehr Details bezüglich der Spielwelt und einiger Nebencharaktere wären wünschenswert gewesen

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Spiel Bewertung
Singleplayer
79
79
Okay
-
Multiplayer

FAZIT

Mit Whispers of a Machine haben die schwedischen Indies ein weiteres tolles Point & Click-Adventure geschaffen. Das spannende Setting, variable Lösungsmöglichkeiten für einige der Rätsel und die Nanofähigkeiten lassen das Spiel aus der zahlreichen Konkurrenz hervorstechen. Leider konnte mich die grafische Darstellung nicht überzeugen und auch die massiven Anstiege im Schwierigkeitsgrad, die hier und da auftreten, sorgen für jede Menge Frust. Aufgrund dessen ist Whispers of a Machine kein Adventure, welches ich der breiten Masse empfehlen kann. Alteingesessene Genrefans dürften sich hingegen für das Spiel begeistern lassen.

- Von  Volker

Gelungenes Adventure mit frischen Ideen aber unangenehmen Spitzen im Schwierigkeitsgrad.
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USK 0 PEGI 3

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