Meldung der Woche: USK-Altersfreigabe von Games mit Hakenkreuzen ab sofort möglich – Eine Zäsur und wie es zu der Entscheidung kam
Videospiele genießen in Deutschland bereits seit mehreren Jahren den Status als Kunst. Bisher hatten viele Spieler und Beobachter jedoch das Gefühl, das dies ein reines Lippenbekenntnis ist, denn spätestens wenn ein Spiel die Zeit des Nationalsozialismus abzeichnet und dabei auch auf das Zeigen von verfassungsfeindlichen Zeichen (Hakenkreuz, SS-Runen etc.) setzte, hatten es Entwickler und Publisher schwer. Eine Problematik, mit der sich andere Kunst- und Medienformen in der Regel nicht auseinandersetzen müssen. Ein grundsätzliches Verbot, welches das Zeigen entsprechender Symbole unterbindet, gibt es zwar bereits seit geraumer Zeit nicht mehr, doch die Rechtsauffassung war so unterschiedlich, das kein Unternehmen das finanzielle und Image Risiko auf sich nehmen wollte und hierzulande ein Spiel mit den Zeichen des Nationalsozialismus veröffentlichen wollte.
Die beiden wohl prominentesten Fälle der jüngsten Vergangenheit sind dabei sicherlich Wolfenstein II von Machine Games und Bethesda sowie Attentat 1942. Beide Spiele könnten dabei unterschiedlicher nicht sein. Während Wolfenstein II im Grunde die Videospielvariante eines Blockbusters ist, gleichzeitig aber nicht mit Pulp- und Trash-Elementen geizt, ist Attentat 1942 ein „serious game“, welches sich mit der Besatzung Tschechiens durch die Nazis auseinandersetzt. Für den AAA-Shooter fertigten die Verantwortlichen speziell für den deutschen Markt eine – vielerorts kritisierte – Fassung an, in der Adolf Hitler etwa einen neuen Namen (Herr Heiler) verpasst bekommen und den Schnurrbart abrasiert bekommen hat. Vollkommen absurd – und teils auch gefährlich, wie ich in meiner vor einigen Monaten erschienenen Kolumne zum Thema bei den geschätzten Kollegen von Spielkritik.de erörtert habe. Attentat 1942 ist hingegen bisher nicht offiziell auf dem deutschen Markt erschienen, was umso dramatischer ist, da wir es hier mit einem Werk zu tun haben, welches von den Nachfahren der Opfer des Nationalsozialismus mit gestaltet wurde und eine sehr wichtige Botschaft verfolgt. Doch bald könnte Attentat 1942 wohl endlich auch auf dem deutschen Markt erscheinen.
Denn in dieser Woche überraschte die USK mit einer Meldung, wonach man fortan auch Spiele zur Alterseingabe annehmen würde, die sehr wohl Hakenkreuze und andere Symbole der Nazis verwenden. Es wird fortan die sogenannte Sozialadäquanzklausel des § 86a Abs. 3 des Strafgesetzbuches (StGB) angewandt. Der wichtigste deutsche Branchenverband begrüßt diese Entscheidung und führt aus (Quelle):
„Sozialadäquat bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Symbole verfassungswidriger Organisationen im Einzelfall in einem Titel verwendet werden können, sofern dies der Kunst oder der Wissenschaft, der Darstellung von Vorgängen des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient. Bisher wurde diese Prüfung, anders als bei anderen Medien wie dem Film, nicht vorgenommen. Hintergrund der Änderung ist eine veränderte Rechtsauffassung der zuständigen Obersten Landesjugendbehörde auf der Grundlage aktueller rechtlicher Bewertungen.“
Diese neue Grundlage zum Bewerten von Spielen ist zweifelsohne eine Zäsur, die nicht nur in Videospiel-Medien für viel Gesprächsstoff gesorgt hat. Gegenüber den heute Nachrichten auf ZDF äußerte sich unter anderem Felix Falk, Geschäftsführer des game und bezeichnet die Entscheidung als lange überfällig. Gegenüber Gameswirtschaft führt Falk weiter aus, das es nun mitnichten eine Flut an Hakenkreuze in Spielen geben werde. Man werde sehr genau auf Kontext und Botschaft der Spiele achten. Ebenfalls gegenüber Gameswirtschaft äußerte sich auch USK-Geschäftsführerin Elisabeth Secker. Laut Secker haben vor allem die bereits genannten Spiele Wolfenstein II und Attentat 1942 der Debatte einen neuen Schwung gegeben.
„Schwung in die Debatte haben sicherlich die öffentlichen Diskussionen um Spiele wie „Wolfenstein 2“ oder „Attentat 1942“ oder „Through the Darkest of Times“ gebracht. Nicht zuletzt hat auch die jüngste Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart, die die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in dem Spiel „Bundesfighter II Turbo“ abgelehnt hat, zur Sensibilisierung und erneuten Bewertung der zuständigen Obersten Landesjugendbehörde beigetragen.“
Mit der aktuellen Entscheidung erwirbt sich das Medium Videospiel also einen wichtigen Schritt, schließlich sind Spiele schon lange sehr viel mehr, als lockere Feierabendunterhaltung. Sie können uns stimulieren, sprechen verschiedene Emotionen an und machen Geschichten in einer Art und Weise erfahrbar, wie es kein anderes Medium kann.