Uncharted: The Lost Legacy REVIEW
Ein denkwürdiges Finale oder ein Abschied auf Sparflamme? Mit Uncharted: The Lost Legacy will Entwickler Naughty Dog (laut eigener Aussage) einen Schlussstrich ziehen und die beliebte Reihe beenden. Entsprechend groß ist die Spannung vieler Fans, was die zunächst als DLC geplante und letztlich zur umfangreichen Stand-Alone ausgebauten Episode der Abenteuerposse bringt. Auf jeden Fall beschert sie uns mit Chloe Frazer eine neue Protagonistin, schließlich befindet sich Nathan Drake im verdienten Ruhestand und beschäftigt sich mit der Familienplanung. Ob mit neuer Hauptfigur nun auch etwas frischer Schwung in das bewährte Konzept kommt?
Jägerinnen des verlorenen Schatzes
Serienfans dürften Chloe Frazer noch gut aus Uncharted 2: Among Thieves kennen, in welchem sie an der Seite von Drake das sagenumwobene Königreich Shambhala gesucht hat. Auch in Uncharted: The Lost Legacy liefert eine alte Legende den Auftakt zum Abenteuer. Diesmal dreht sich dabei alles um die Suche nach dem Stoßzahn von Ganesha, der in einer alten Tempelstadt in Indien verborgen sein soll. Für Schatzsucherin Chloe ist die Suche nach dem Artefakt aber auch eine persönliche Angelegenheit, für ihre Partnerin Nadine Ross ist es zunächst nur ein lukrativer Job. Moment mal, Nadine Ross? War das nicht die Gegenspielerin der Drake-Brüder in Uncharted 4: A Thief´s End? Ganz genau! Was das anfänglich ungleich erscheinende Duo zusammengeführt hat und wie sich ihre Suche nach dem Relikt gestaltet, finden wir natürlich im Laufe der rund achtstündigen Story heraus.
Wer Sorge um die Chemie von Chloe und Nadine hat, den kann ich übrigens gleich beruhigen. Das Zusammenspiel der beiden ist dynamisch und unterhaltsam, der serientypische Witz wird stimmig auf die neuen Hauptakteure übertragen und erhält sogar eine frische Nuance. Uncharted: The Lost Legacy verabschiedet sich dabei ein bisschen vom Hau-Drauf-Humor eines Nathan Drake und wirkt dadurch eine Spur reifer. Ansonsten folgt die Handlung aber den bekannten Mustern und unterscheidet sich in Aufbau und Verlauf kaum von den Vorgängern.
Das gilt leider auch für den Gegenspieler. Dieser heißt diesmal Asav, ist ein durchaus charismatischer Warlord mit Allmachtsfantasie und will ebenfalls den Stoßzahn von Ganesha in seine Finger bekommen. Warum man erneut einen irren Kriegstreiber mit folgsamen Söldnertrupp als Antagonisten bemüht hat, anstatt die Chance zu nutzen sich von den schon immer übertrieben wirkenden Actionplots zu verabschieden, ist mir ein Rätsel. Leider gibt sich Naughty Dog diesmal allgemein sehr konservativ, was Neuerungen angeht.
Chance vertan
Ich musste unweigerlich an Left Behind, der Erweiterung von The Last of Us, denken. Diese hat das Studio seinerzeit genutzt um sich ein bisschen von der Formel des Hauptspiels zu trennen und mit anderen Mechaniken zu experimentieren. Das Ergebnis war ein sich sehr eigenständig anfühlendes Erlebnis mit Wiedererkennungswert. Bei Uncharted: The Lost Legacy hingegen gibt es in spielerischer Hinsicht kaum frischen Wind. Chloe´s Abenteuer spielt sich daher haargenau, wie die vier Spiele mit Nate zuvor. Das ist Fluch und Segen zugleich.
Fluch, da ganz klar die Chance vertan wurde etwas Neues – auch im Hinblick auf die Zukunft des Franchise – zu kreieren. Segen, weil die bewährte Formel nach wie vor funktioniert und Spaß macht. Chloe hechtet gekonnt von Deckung zu Deckung, schleicht durch hohe Gräser, bekämpft reihenweise Gegner mit ordentlich Feuerkraft und befördert die bösen Buben mit akrobatischen Nahkampfattacken in den vorübergehenden Schlaf. Das fühlt sich genauso gut an, wie die nach wie vor fantastisch inszenierten Fluchtsequenzen, in denen Chloe etwa über die Dächer einer indischen Großstadt fliehen muss, während um sie herum alles einstürzt und die Projektile auf sie einprasseln, wie der Regen vom nächtlichen Himmel.
Klettern und rätseln
Abseits der Kämpfe darf auch Chloe klettern und rätseln. Grandios sind einmal mehr die Größenunterschiede, die Naughty Dog eindrucksvoll in der Architektur der Level schafft und die gerade in den Tempelanlagen im letzten Drittel beeindrucken. Viele der Puzzles basieren hingegen auf Drehmechanismen und werden gelöst, indem verschiedene Teile zu einem Bild zusammengefügt werden. Das ist zwar selten richtig anspruchsvoll, ist aber eine willkommene Abwechslung zu den lauten Actionparts.
Ein Wiedersehen gibt es übrigens auch mit dem Enterhaken und dem Geländewagen aus A Thiefe´s End. Mit dem Enterhaken schwingt ihr euch über zunächst unüberwindbare Abgründe, während ihr mit dem Geländewagen ein recht offen gestaltetes Areal im indischen Urwald samt optionalen Rätseln erkundet. Der Geländewagen befördert euch aber nicht nur von Punkt A nach B, sondern wird auch beim Aufbrechen verschlossener Tore und anderen Umgebungsrätsel genutzt.
Insgesamt herrscht wieder ein guter Wechsel zwischen den einzelnen Bausteinen, sodass sich ein angenehmer Spielfluss entwickelt und man nicht von einer Beschäftigung „übersättigt“ wird. Das einzig wirklich neue Spielelement ist derweil Chloe´s Dietrich, mit welchen sie verschlossene Türen und Waffenkisten öffnen kann. Um ein Schloss zu knacken, muss man die Analogsticks drehen und im richtigen Moment (die Vibrationen des Controllers geben ein entsprechendes Signal) halten.
Malerische Aussichten
Es dürfte keine große Überraschung sein: Uncharted: The Lost Legacy sieht phänomenal aus und klingt ebenso. Der Star ist hier ganz klar die malerische Kulisse. Mal führt uns Naughty Dog in die beklemmenden Slums einer Metropole, mal in einen von dichter Vegetation besiedelten Dschungel. Natürlich gibt es auch jede Menge Tempelanlagen und Ruinen zu bestaunen. Die Optik ist so atemberaubend, dass sogar Chloe immer wieder innehält und ihr Handy für einen Schnappschuss zückt. Dank des integrierten Foto-Modus dürft ihr außerdem wieder selbst ans fotografische Handwerk und besonders schöne Momente als Screenshots festhalten. Diese lassen sich mit unzähligen Filtern, Rahmen und anderen Optionen weiter verschönern.
So gut wie eh und je ist außerdem der Sound. Die Musik ist diesmal – passend zum Setting – indisch angehaucht und bildet einen schönen Kontrast zu den oftmals eher orchestralen Stücken von Drake´s Abenteuern. Die Waffen klingen wuchtig, die Umgebungsakustik authentisch. Die deutschen und englischen Sprecher machen durch die Bank weg einen guten Job.