Travis Strikes Again: No More Heroes REVIEW
Travis Touchdown schlägt wieder zu! Der in seinem neuen Spiel namensgebende Auftragskiller aus No More Heroes 1 & 2 für die Nintendo Wii ist exklusiv auf aktuellen Nintendo-Konsole zurück. Travis Strikes Again: No More Heroes ist ein Spin-Off der Reihe, mit bekannten Charakteren und einer Geschichte, die im Kern an die alten Teile anknüpft. In Gameplay und spielerischem Aufbau weicht der Titel aber von seinen Vorgängern ab. Wie das genau Aussieht und ob Indie-Entwickler-Ikone und Travis-Touchdown-Schöpfer Suda51 erneut ein Geniestreich gelungen ist, erfahrt ihr in meiner Review.
Ein bunter Hund der Videospieleindustrie
Goichi Suda, besser bekannt als Suda51, ist dank der ausgefallenen Ästhetik und auffälligen Inszenierung seiner Spiele zu einem bekannten Namen der Entwicklerszene geworden. Obwohl seine Spiele nach wie vor in vergleichsweise kleineren Teams und mit geringerem Budget entstehen hat er so dafür sorgen können, dass neue Titel oder Weiterführungen und Remakes seiner Reihen wie Killer7 oder eben No More Heroes heute beinahe so heiß erwartet werden, wie das eine oder andere Triple-A-Spiel. Die Messlatte liegt also auch bei einem Spiel wie Travis Strikes Again: No More Heroes hoch, auch wenn der Titel bewusst als Spin-Off angekündigt wurde. Hinzu kommt nämlich auch, dass sich der Entwickler bereits äußerte, dass die Entwicklung eines tatsächlichen, direkten Nachfolgers zu No More Heroes 2 am kommerziellen Erfolg von Travis Strikes Again hängt. Angesichts der Tatsache, dass sich Suda51 und sein Studio Grasshopper Inc. trotz der Bekanntheit nach wie vor zu den Indie-Entwicklern zählen lassen ist daran sicherlich etwas dran und es nicht nur eine Aussage, um die Verkäufe des aktuellen Spiels anzukurbeln. Hingabe für die Indieszene ist also das Steckenpferd des Machers von Travis Strikes Again und das wird im Spiel selbst überdeutlich.
Eine Hommage an Retro- und Indiespiele
Tatsächlich huldigt das Spiel bei so gut wie jeder Gelegenheit anderen aktuellen Indiespielen, aber auch dem Retrogaming. Das fängt am auffälligsten bei der Optik an. Travis Strikes Again: No More Heroes orientiert sich grundsätzlich am typischen Cellshading-Look der Vorgänger, jedoch wird zusätzlich auf stilistische Merkmale zurückgegriffen, die eindeutig in die Videospielewelt der achtziger Jahre zurückversetzen soll. So nehmen zum Beispiel Anzeigen links und rechts des Bildes einen so großen Anteil ein, dass der eigentliche Bildausschnitt in der Mitte zum klassischen 4:3-Format wird. Die Liebe zu und der Zusammenhalt zwischen Indie-Studios und deren Spielen wird bei der T-Shirt-Auswahl deutlich, die wir den spielbaren Charakteren Travis und Badman überstreifen können. Hier findet sich eine Motiv-Auswahl aus Spielen wie Hyperlight Drifter, Dead Cells, Mulaka oder Hollow Knight.
Weitere Querverweise in der Story
Aber damit nicht genug. Auch in der Geschichte, die im Verlaufe des Spiels erzählt wird, werden permanent auf unterschiedliche Art und Weise andere Spiele zitiert oder Anekdoten aus der Welt der Videospiele aufgegriffen. So entsteht stilistisch und sprachlich ein sehr eigenständiger Stil und Humor, der überhaupt nicht „geklaut“ oder „aufgesetzt“, sondern höchst authentisch wirkt. Die absurd-komische Story bietet dazu den optimalen Rahmen.
Nachdem Travis Touchdown seine Aufragskillerkariere vorerst an den Nagel gehängt hat, stattet ihm Badman, Vater der Assassine Bad Girl, die Travis auf dem Gewissen hat, einen Besuch ab. Statt aber einfach nur Rache zu nehmen wie geplant, möchte der trauernde Vater mit Travis Hilfe seine Tochter nun wiederbeleben, nachdem er entdeckt, dass Travis in Besitz der legendären Spielekonsole Death Drive Mark II ist. Mit Hilfe der Konsole soll es möglich sein, einen Wunsch erfüllt zu bekommen, sollte man in der Lage sein, alle sechs Spiele, die für die Konsole hätten erscheinen sollen, wäre sie je auf den Markt gekommen. Zu Beginn werden die beiden in die immersive Spielwelt der Konsole gezogen, wo sie nun das erste Spiel durchspielen müssen. Gelingt dies, werden kehren beide zu Travis Wohnwagen zurück, der als eine Art Menü fungiert. Von hier aus können Spielerinnen und Spieler speichern (Stilecht indem man die Toilette benutzt), T-Shirts kaufen und wechseln und den DDMII anschmeißen, um eines der eigentlichen Spiele zu starten. Außerdem gibt es hier zwei Dinge, die – neben den Spielen im DDMII – die Geschichte vorantreiben. Zum können wir neben unserem PC Faxe lesen, die von unserer Sprechenden Katze und einem unbekannten Mann stammen, der über den DDMII Bescheid zu wissen scheint. Nach jedem durchgespielten DDMII-Spiel müssen wir uns außerdem episodenweise anschauen, wie Travis zu den einzelnen Death Balls, den Datenträgern der Spiele selbst, gelangt ist. Diese sind nämlich, da der DDMII nie auf dem Markt war, äußerst selten. Diese Episoden werden in Form alter Text-Adventure dargestellt. Eine Synchronisation gibt es nicht. Schrift und Pixelbilder sind einfarbig grün auf schwarzem Hintergrund. Erneut schwingt Suda51 hier die Retrokeule. Dies wirkt aber ebenso ehrlich wie die oben genannten Querverweise auf andere Spiele, und nicht wie eine Ausrede für Lücken im Budget.
Gekonnter Durchbruch der vierten Wand
Und mit genau dieser und ähnlichen Mutmaßungen und Klischees spielt Travis Strikes Again: No More Heroes dann auch noch absolut gekonnt. In den Textepisoden wird am laufenden Band die vierte Wand durchbrochen und Travis kommentiert die Geschehnisse, als sei er zum Beispiel selbst überrascht über die Art der Präsentation. Oder aber inmitten eines ziemlich langatmigen Dialoges kommentiert einer der Gesprächspartner plötzlich, dass man doch langsam zum Punkt kommen solle, da ja jemand darauf warte endlich weiterspielen zu können. Dieser Meta-Humor ist im gesamten Spiel großartig und auch sprachlich in der deutschen Übersetzung sehr gut umgesetzt. Es gibt einfach wahnsinnig viel Witziges zu entdecken, etwa den „Generic Sheep Man“ der in jedem Spiel als Zwischenboss auftaucht und tatsächlich – bis auf kleine Farbakzente – immer gleich aussieht. Eine Parodie generischer Muster in Videospielen. An dieser Front macht Travis Strikes Again: No More Heroes nicht viel falsch.
Wie spielt sich das Spiel?
Aber was für ein Spiel ist Travis Strikes Again: No More Heroes nun eigentlich genau? Oder sind es streng genommen, den sechs Spielen des DDMII entsprechend, mehrere Spiele? – JEIN!
Das Spiel ist allem voran ein Action-RPG. Es finden überwiegend Kämpfe in Echtzeit und Hack-and-Slay-Manier – solo oder im lokalen Koop-Modus – statt, während ab und an die Möglichkeit besteht, einen Level aufzusteigen, oder das Skillset seiner Charaktere (es lassen sich sowohl Travis, als auch Badman spielen) anzupassen. Dazu muss man die in den Spielen verstreuten Skillchips finden, die einem ermöglichen unterschiedliche Fähigkeiten anzuwenden. Heilung, Blitze schießen, Bomben werfen, Schilde einsetzen… Hier dürfte für jeden Spielstil das Richtige dabei sein. Ein Skillset besteht aus vier dieser Fähigkeiten, die per Tastenkombination (L + A,B,X oder Y) eingestezt werden können. Hinzu kommen ein schneller und ein starker Standardangriff mit Travis „Beamkatana“ und die Notwendigkeit diese ab und zu aufzuladen. Auch da bleibt sich das Spiel dem albernen Humor der Reihe treu. Während wir entweder auf dem Pro Controller den linken Stick drücken und den rechten hin und her bewegen oder mit getrennten Joycon den rechten schütteln, hält unser Protagonist sich das Werkzeug in verfänglicher Position vor den Schritt bevor er zur Schüttelbewegung ansetzt. Außerdem können noch Sprung, Rolle und Ladeangriffe ausgeführt werden. Alles in allem machen die Kämpfe gegen eine im Spielverlauf größer werdende Vielfalt unterschiedlicher Gegner (Bugs) Spaß. Es wird dabei nie hochkomplex, aber sich die Angriffsmuster der verschiedenen Gegnertypen einzuprägen, um darauf vorbereitet zu sein, wann man ausweichen sollte, kann schon hilfreich sein.
Diese Spielmechanik stellt den übergeordneten, wiederkehrenden Rahmen des Spiels dar. Allerdings wird diese leicht variiert oder von kleineren Minispielen unterbrochen, um der Prämisse gerecht zu werden, dass über den DDMII verschiedene Spiele durchgespielt werden müssen. So sind wir zum Beispiel einmal aufgerufen kleinere Rätsel zu lösen, bevor weiterprügeln können, oder die Perspektive wechselt in eine 2D-3D-Ansicht, in der kurze Jump´n´Run-Passagen absolviert werden müssen. Oder es gibt zum Beispiel ein kleines Rennspiel, in dem wir zwischen den Rennen wieder den Knüppel rausholen müssen, um uns Zugang zu besseren Motorenteilen zu verschaffen, um schneller zu werden. Zu sehr möchte ich hier nicht ins Detail gehen, denn die Neugier darauf, wie das nächste Spiel denn nun aussehen mag, hat mir beim Spielen sehr große Freude bereitet. So gibt es immer wieder Abwechslung, jedoch kommt keines der zusätzlichen Spiele über den Status Mini-/Medispiel hinaus. Übergeordnet bleibt das Action-RPG/Hack-and-Slay. Dies sehe ich aber eher positiv. So verkommt Travis Strikes Again: No More Heroes nicht zu einer simplen Spielesammlung, sondern bietet einen geradlinigen, gut strukturierten Aufbau, in den über diese Eigenheit Abwechslung kommt.
Und sonst? – Leveldesign und Technik
Was gibt es sonst über Travis Strikes Again: No More Heroes zu sagen? Hat das Spiel wirklich nur die oben beschriebenen, positiven Seiten? Nein, es gibt auch Macken. Der gut strukturierte, geradlinige Aufbau kommt zwar dem Verständnis der nahezu irren Story zugute, sorgt aber auch für einen relativ geringen Wiederspielwert. Und das obwohl es eigentlich drei Schwierigkeitsgrade gibt, in denen man die Spiele spielen kann, sowie einige Sammelgegenstände, die sich etwa gegen die Indie-T-Shirts eintauschen lassen. Dazu trägt auch das vom Aufbau her recht simple Leveldesign seinen Teil bei. Es gibt selten mehr als einen Weg um voran zu kommen und auch die Umgebungen wechseln zwar ihre Optik, haben aber damit keinerlei Einwirkung auf das Gameplay. Das alles läd dann nicht wirklich zum erneuten Erkunden ein. Hinzu kommen einige heftige Ruckler und Abstürze der Bildrate, die aber zum Glück nie anhalten.