The Witcher Enhanced Edition REVIEW
Bereits acht Jahre sind seit der Veröffentlichung von The Witcher vergangen. Vor dem großen Hype um The Witcher 3: Wild Hunt war die Serie vielen Spielern unbekannt, der erste Teil der Trilogie galt als Geheimtipp bei begnadeten Rollenspielern. Leider bekam The Witcher nie das Ansehen, das es verdient hatte, denn abgesehen von den vielen Macken hat CD Projekt Red hier ein Meisterwerk geschaffen. Wir haben den Klassiker aus dem Jahre 2007 noch einmal ausgegraben und für euch genauer unter die Lupe genommen.
Ein Hexer in der weiten Welt
The Witcher (zu Deutsch Hexer) erzählt die Geschichte des Hexers Geralt von Riva. Er streift seit seiner Ausbildung rastlos durch das Land, um seiner Bestimmung zu folgen. Als Hexer ist es seine Aufgabe, böse Monster aus dem Land zu vertreiben, er ist quasi Kopfgeldjäger mit einer Spezialisierung auf Monster. Angehende Hexer werden im Kindesalter entführt und durchlaufen eine Reihe von Prüfungen, Mutationen und Aufgaben. Wer diese lebensgefährliche Prozedur überlebt wird als Hexer mit übermenschlichen Fähigkeiten wiedergeboren. Gesteigerte Muskelkraft, schnellere Reflexe, Nachsicht, verbesserte Selbstheilung und Immunität gegenüber Krankheiten, das alles bietet der modifizierte Körper eines Hexers. Witcher ist also Beruf und Rasse gleichermaßen und Geralt ist einer von ihnen. Während seiner harten Ausbildung bei den Hexern trat bei Geralt eine Pigmentstörung auf, wodurch sich sein Haar die Farbe verlor und weiß wurde. Seither ist er bei der Bevölkerung als der „Weiße Wolf“ bekannt.
Der erste Teil der Witcher-Trilogie setzt sieben Jahre nach den Ereignissen der Geralt-Saga Romane des polnischen Autors Andrzej Sapkowski an. Geralt von Riva erwacht schwer verletzt und ohne Erinnerungen in der Nähe der Hexer-Hochburg Kaer Morhen. Zur Behandlung seiner Wunden wird er nach Kaer Morhen gebracht, wo er auf alte Freunde trifft. Triss Merigold, eine Magierin und offenbar alte Gefährtin von Geralt flickt den Weißen Wolf wieder zusammen und erzählt ihm einige alte Geschichten. Als es Geralt wieder etwas besser geht, wird die Burg von einer organisierten Verbrecherbande, die sich selbst Salamander nennen, überfallen. Angeführt wird die Bande vom Magier Azar Javed und einem verrückten Professor. Der Angriff kann zum Glück niedergeschlagen werden, doch Azar Javed und dem Professor gelingt die Flucht. Zu allem Überfluss haben die beiden Schurken gefährliche Elixiere entwendet, die zur Mutation der angehenden Hexer verwendet werden.
Geralts Auftrag ist die Wiederbeschaffung dieser Substanzen und die Zerstörung der Sekte. Seine Suche führt ihn kurz darauf in die Temerische Hauptstadt Wyzima, in der der Großteil von Geralts erstem Abenteuer spielt. Wyzima steht kurz vor einem Bürgerkrieg zwischen Menschen und Anderlingen, so werden alle humanoiden Geschöpfe in dieser Fantasy-Welt genannt. Zu den Anderlingen zählen unter anderem Zwerge und Elfen. Die Stadt wurde nahezu vollständig abgeriegelt, was Geralts Suche zusätzlich erschwert.
Das Wticher-Universum ist ein sehr düsterer Ort, voller Gewalt und böser Monster. Es ist erstaunlich, wie gut es den Entwicklern gelungen ist, aktuelle Themen in einer mittelalterlichen Fantasy-Welt zu verpacken. Am Königshof herrschen politische Machtkämpfe, die Bürger auf den Straßen kämpfen gegen Unterdrückung, Ausgrenzung und Rassismus. Menschen werden aufgrund ihrer Religion oder ihres Aussehens ausgegrenzt. In Wyzima gibt es ein ganzes Viertel in dem Zwerge und Elfen wohnen, sozusagen ein Getto. Wird auf den Straßen jemand überfallen, war es im Zweifelsfall natürlich der Zwerg, und nicht der Mensch. Organisierte Elfenverbände werden mit Armeen niedergeschlagen, nur weil sie einen gefährlichen Eindruck vermitteln. Geralts Welt ist rau und bitter, aber gerade das macht das Szenario so glaubhaft. An so vielen Ecken findet man Konflikte unserer Zeit.
Das erwachsene Gothic
Nach einer langen Intro-Sequenz übernimmt man als Spieler endlich die Kontrolle über den Antihelden Geralt von Riva. Die Spielweise erinnert im ersten Moment stark an Gothic. Eine große Spielwelt wartet darauf entdeckt und viele Monster warten geschlachtet zu werden. Gespielt wird, typisch für dieses Genre, aus der 3rd-Person. Die Umgebung des sogenannten „Nördlichen Königreichs“ kommt gut zur Geltung, wirkt dabei sehr weitläufig und glaubhaft. Die Freiheit, welche andere Open-World Titel bieten, bietet der The Witcher jedoch nicht. Die Spielwelt ist in viele große Bereiche unterteilt, die durch Ladepausen getrennt sind. Allgemein sind die Ladebalken verkraftbar und stören nicht weiter.
Hingegen etwas störend sind die Laufwege. Zu Beginn noch erträglich, ist man im späteren Spielverlauf teilweise länger zu einem Auftrag unterwegs, als man schlussendlich mit der Quest selbst verbringt. Die Weitläufigkeit der Spielwelt ist einerseits beeindruckend, wirkt an vielen Stellen jedoch aufgesetzt. Diverse Areale wurden anscheinend nur eingebaut, um die Spielwelt zu strecken und ein gewisses Gefühl der Größe zu erzeugen. Die große Welt birgt aber nicht nur negative Aspekte, wer das Land sorgfältig durchstreift wird auf viele Nebenaufgaben und vor allem viel Crafting-Materialien stoßen. Vorausgesetzt ihr könnt euch für das Alchemie-System begeistern, denn es ist gewissermaßen hakelig.
Um Tränke herstellen zu können, benötigt ihr Zutaten, die überall in der Welt zu finden sind, daneben noch Alkohol, der als Grundstoff dient. Hier fängt das Rätselraten auch schon an, nicht jeder Alkohol ist für jeden Trank geeignet und ist nebenbei noch in verschiedenen Qualitätsstufen verfügbar. Wäre das nicht schon genug, muss das Rezept des gewünschten Tranks vor der Herstellung erlernt werden. Einige Rezepte sind Geralt von Beginn an bekannt, darunter befindet sich glücklicherweise der wichtige Heiltrank „Schwalbe“. Wem die Alchemie nicht zusagt, der ist nicht zwingend darauf angewiesen. Auf dem durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad benötigt man nur sehr selten Tränke, die Geralts Statuswerte temporär erhöhen.
Der typische Diablo-Messi wird mit The Witcher bestimmt nicht glücklich. Gesamt gibt es neben Trankzutaten sehr wenige sammelbare Gegenstände. Schwerter oder Rüstungen sind fast ausschließlich nur bei dem Schmied des Vertrauens verfügbar. Nahezu jeder Gegenstand lässt sich in Wyzima bei einem Händler erstehen. Beim Buchhändler etwa findet ihr interessantes Hintergrundwissen zur Spielwelt, Informationen zu Crafting-Materialen oder Rezepte für neue Tränke. Alchemisten wiederum statten euch mit den verschiedensten Zutaten aus und Antiquitätenhändler verschönern Geralt mit den teuersten Klunkern. Es ist natürlich alles eine Frage des Geldes, zum Glück wirft die Vielzahl an Nebenaufgaben immer genügend Profit für den nötigen Kleinkram ab.
Sehr gewöhnungsbedürftig und verhasst in der Witcher-Community ist das Kampfsystem. Viele Spiele setzten auf ein System, bei dem jeder Klick einen Schlag auslöst. Dabei kommt es oftmals zu einer regelrechten Dauerklick-Orgie. The Witcher verfolgt hier einen ganz anderen Weg. Ähnlich wie in einem MMORPG klickt man einen Feind an und Geralt greift ihn darauf an. Gutes Timing ist sehr wichtig, denn jeder Klick startet eine Kombo, die automatisch durchlaufen wird. Ist eine Kombo-Phase abgeschlossen und der Feind noch am Leben, leuchtet der Mauszeiger kurz auf. Führt man in diesem Moment einen weiteren Angriff aus, kommt es zu einer Kombo-Serie. Das hört sich zwar spannend an, im Spiel selbst sind die Kämpfe dadurch aber sehr einfach und wirken zeitgleich sehr statisch. Es ist immer dieselbe Animation zu sehen, Ausweichmanöver sind nicht möglich, Abwechslung schaffen hier nur die Hexer-Zeichen.
Nicht nur Hexen können zaubern
Ein Hexer wäre kein Hexer, würde er nicht in irgendeiner Weise über Magie verfügen. so erlernt Geralt bereits kurz nach Spielstart „Aard“, das erste von insgesamt fünf Hexer-Zeichen. Mit „Aard“ lassen sich Feinde zurückwerfen, Igni erzeugt einen Feuerstoß, Quen erzeugt wiederum einen Schutzschild, Axii beeinflusst die Psyche des Feindes und Yrden ist eine Bodenfalle, die Feinde zurückstößt. Die Zeichen sind eine willkommene Abwechslung im sonst sehr einseitigen Kampfsystem. Zudem lässt sich jedes Zeichen über einen eigenen Skill-Baum verbessern.
Die Skill-Bäume sehen auf den ersten Blick sehr umfangreich aus. Pro Levelaufstieg lassen sich diese jedoch nur nach und nach ausbauen. Titel wie The Elder Scrolls 5 Skyrim, stellen den Spieler vor ein sehr umfangreiches Skill-System und bietet damit viele Möglichkeiten, seinen Charakter in jede nur erdenkliche Richtung zu entwickeln. Um dieses Problem zu umgehen, greifen die Entwickler bei The Witcher auf eine interessante, aber simple Methode zurück. Zu Beginn des Spiels verdient man bei einem Levelaufstieg Bronze-Talente, mit denen sich Basisfähigkeiten verbessern lassen. Ab einer bestimmten Stufe erlangt Geralt Silber-Talente und gegen Ende der Geschichte schlussendlich Gold-Talente. Diese „höheren“ Talente dienen dann zur Verbesserung besserer Fertigkeiten. Fleißige Spieler haben in der Regel jederzeit genügend Skillpunkte, um Geralt mit den gewünschten Fähigkeiten auszustatten.
Zugegeben, betrachtet man nur das Gameplay, macht The Witcher keinen sonderlich guten Eindruck. Von dieser Seite betrachtet könnte man den Titel sogar als Flop ansehen. CD Projekt Red hat jedoch ein Spiel geschaffen, bei dem Fans gerne auf ein ausgeklügeltes Gameplay oder eine bombastische Grafik verzichten. Der Charme von Geralts Welt liegt in der Story und der Präsentation der Spielwelt. Alles im „Nördlichen Königreich“ wirkt so glaubhaft, rau und ungesüßt. Die Probleme der Einwohner wirken so real und ernst. Falls man sich einmal auf die falsche Seite stellt, wird ratzeputz ein ganzes Dorf ausgelöscht, einfach so. Die „heile Welt“, wie sie in vielen Fantasy-Games gezeigt wird, existiert hier nicht.
Altersfreigabe:
Deshalb ist The Witcher auch nichts für zarte Gemüter oder Kinder. Raue Sprache und Kraftausdrücke sind hier an der Tagesordnung. Begleitet von politischen Problemen, Vertreibung und einer starken Brise Rassismus. Minderjährige Spieler würden diese Themen womöglich falsch auffassen, nicht verstehen oder dadurch vielleicht sogar negativ beeinflusst werden. Eine Altersfreigabe ab 18 Jahren ist damit auf jeden Fall gerechtfertigt. Zudem sind einige Sexszenen im Spiel enthalten, die einigen Zuschauern womöglich sauer aufstoßen könnten. Acht- bis zehnmal hat Geralt die Möglichkeit, verschiedenen Damen zur späten Stunde zu besuchen. Als „Belohnung“ winken eine Zwischensequenz und eine Sammelkarte dieser spärlich bekleideten Frau.
Das Kampfsystem könnte dahin gehend etwas brutaler sein, hin und wieder werden zwar Gliedmaßen abgetrennt, das sind in der Regel aber nur Arme. Zur Gänze halbierte Körper order abgetrennte Köpfe gibt es nicht zu sehen. Uns lag jedoch nur die europäische Enhanced Edition des Titels vor, die könnte im Vergleich zur amerikanischen Version leicht entschärft sein.
Der erste Teil der Witcher-Trilogie ist nun schon seit 2007 erhältlich. Unser Test basiert auf der 2008 veröffentlichten Enhanced Edition, mit der viele Bugs und Fehler behoben wurden und das Spiel außerdem um viele Zwischensequenzen und einige weitere Extras erweitert wurde. CD Projekt Red entwickelte den ersten großen Erfolg auf Basis der Aurora-Engine, die von Bioware zur Verfügung gestellt wurde und mit der auch Neverwinter Knights umgesetzt wurde. Diese Engine wurde zwar stark modifiziert, führte schlussendlich aber zu dem unfreundlichen Gameplay, wie es das Spiel nun bietet.
Technik:
Die Texturen wirken auch in der Enhanced Edition sehr matschig, die Schatten nicht so knackig wie erwartet. Das im selben Jahr erschienene Crysis sah da um Dimensionen besser aus. Scheinbar war mit der Aurora-Engine nicht mehr möglich. Wenn The Witcher also eines nicht ist, dann ein Grafikblender. Trotz der nur durchschnittlichen Grafikpracht verfügt das Spiel über umfangreiche Einstellungsmöglichkeiten. Begonnen bei der Auflösung, lassen sich Texturendetails, Schattenqualität, Antialiasing und anisotrope Filter anpassen. Bei den umfangreichen Möglichkeiten wurde leider auf eine Möglichkeit der vertikalen Synchronisation verzichtet. Die muss mittels Grafikkartentreiber erzwungen werden.
Die Soundkulisse ist sehr atmosphärisch gestaltet. In spannenden Momenten wird die Hintergrundmusik passend actionreich, bei einem Spaziergang zur Wyzima entspannt ruhig. Der Musikstil ist mit Geige und Dudelsack sehr mittelalterlich angehaucht und erzeugt ein einzigartiges Flair. Oft möchte man einfach nur stehen bleiben und die Atmosphäre genießen. Die Originalsprache ist, wie erwartet polnisch, aber für all jene, die dieser Sprache nicht mächtig sind, lässt sich die deutsche, englische oder polnische Sprachausgabe mit beliebigen Untertiteln unterlegen. Dabei ist auch eine Kombination aus englischer Sprachausgabe und deutschen Untertiteln möglich. Das solltet ihr auch so handhaben, denn die deutsche Audiospur wirkt stellenweise aufgesetzt und unglaubwürdig.
The Witcher hatte in früheren Jahren ein massives Absturzproblem, ein störungsfreies Spielerlebnis war reine Glückssache. Aktuell ist das Spiel schon wesentlich stabiler, stürzt stellenweise jedoch noch immer ab. In den gut 40 Spielstunden stürzte der Titel bei uns etwa achtmal ab. Einen weiteren Kritikpunkt stellt die schlechte Multicore-Unterstützung dar. The Witcher kommt nur sehr schlecht mit aktuellen Mehrkern-CPUs zurecht. Das Spiel verwendet dabei lediglich einen Prozessorkern, was bei aufwendigen Szenen in katastrophaler Performance endet. Da kann es durchaus vorkommen, dass die Framerate weit unter die 30fps Marke stürzt
In der Enhanced Edition ist unter anderem ein sogenannter „Adventure Editor“ enthalten. Der lässt euch eigene Areale, Storylines und Charaktermodelle mehr konstruieren. Begnadete Modder dürfen sich jetzt freudig die Hände reiben, für Laien ist der Editor aber eher nicht geeignet. Man beginnt quasi mit einem leeren Fenster, kann sich dann eigene Skripte und Objekte bauen. Das ermöglicht eine ungeahnte Vielfalt an neuen Inhalten, dürfte aber für den gemeinen Spieler zur Gänze uninteressant sein.
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