The Last of Us Part I REVIEW
Als Sony und Naughty Dog vor einigen Monaten ihre Pläne für ein vollwertiges und vollpreisiges Remake von The Last of Us publik machten, fiel die Reaktion vieler Spielerinnen und Spieler eher negativ aus. Das es für die Hersteller natürlich Sinn macht, das Spiel noch einmal neu aufzulegen, liegt auf der Hand, nicht zuletzt da, man sicherlich auch einen Push für Serienadaption von HBO erhofft und das Franchise langfristig über der Gaming-Bubble hinweg etablieren möchte. Aber für jene, die das kaum zehn Jahre alte Original auf der PlayStation 3 und das nach wie vor gute Remaster auf der PS4 spielen können, erscheinen die Vorteile der erneuten Veröffentlichung eher überschaubar. Oder?
Macht das Remake Sinn? Aus technischer Sicht ja.
Es gibt wenige Games überhaupt, die einen derart guten Leumund besitzen, wie The Last of Us. Was Director Bruce Straley, sein Co-Director und Writer Neil Druckman sowie das Team von Naughty hinsichtlich der Figuren und ihrer Charakterisierung, der Qualität der Dialoge und der Art und Weise, wie die Story erzählt wird, geleistet haben, steht nach wie vor wie ein Leuchtturm über so ziemlich allen anderen Spielen – auch nach all den Jahren.
Die Geschichte und alles, was dranhängt profitiert nun mit teilweise bemerkenswert deutlichen Resultaten vom modernisierten technischen Gerüst. Vor allem die überarbeiteten Animationen und die Gestik und Mimik der Figuren trägt für einen großen Sprung in puncto Glaubwürdigkeit bei. Für ein 2013 war die Leistung der Schauspielerinnen und Schauspieler ausgesprochen gut, vor allem für ein PlayStation 3 Spiel. Zur Erinnerung: zum Zeitpunkt der erstmaligen Veröffentlichung von TLOU war die PS3 in ihrem siebten Jahr, der Release der Nachfolgegeneration nur wenige Monate entfernt.
Der erneute Generationssprung ist ein erneuter Augenöffner. Selbst im Vergleich zu Part II ist Part I eine sichtbare Entwicklung. Das Uncanny Valley Problem haben die Entwickler mittlerweile komplett in den Griff bekommen. Die virtuellen Figuren wirken in ihrer gesamten Darstellung dynamischer und überzeugender, schlicht menschlicher. Das ist aber nicht nur den glaubwürdiger wirkenden Animationen zu verdanken, sondern auch den Überarbeitungen der Modelle. Tess und Joels Tochter Sarah beispielsweise sehen teilweise komplett anders aus, selbst bei Ellie haben die Entwickler noch einmal richtig angesetzt und eine wesentlich glaubhafter wirkende Figur gestaltet.
Mehr als nur ein Grafikblender
Die Geschichte ist komplett identisch zum PS3-Original, aber durch die technischen Weiterentwicklungen wirkt das menschliche Drama greifbarer und intensiver. Ich habe TLOU über die Jahre mehre Male in den verschiedenen Version durchgespielt und kenne die Story entsprechend ziemlich gut. So sehr wie jetzt hat mich das Spiel nach dem erstmaligen Durchspielen nie wieder packend können – obwohl ich den Verlauf und Ausgang der Geschichte durch und durch kenne.
Aber auch abseits der Figuren wirkt die neue Grafik Wunder. Zwei Punkte möchte ich hier besonders hervorheben. Zum einen das neue Beleuchtungssystem. Dieses sorgt unter anderem für realistischen Schattenwurf und bricht authentisch mit Objekten und Figuren. Insbesondere das natürliche Licht sieht schlicht phänomenal gut aus und sorgt für tolle Szenen. Zum Zweiten die Spielwelt. Grundlegend sind die Szenarien dieselben wie zuvor, oftmals sind Landschaften und Gebäude aber angepasst und ausgebaut worden. Es gibt schlicht mehr Details, wodurch die Welt größer und voller wirkt.
Auch bei der Physik wurde deutlich aufgestockt. Viele Objekte (aber bei weitem nicht alle!) reagieren. Bei Einschuss auf Holz fängt dieses etwa an zu zersplittern, ein bereits online die Runde machendes Gif von einen auf die Bewegungen von Figuren reagierenden Teppich ist ebenfalls ein kleines, aber dennoch schönes Beispiel. Es sind diese vielen kleinen Ergänzungen, die zur gesteigerten Immersion beitragen und für einen Unterschied sorgen.
Das Gameplay von Part II in Part II?
Vor allem war ich auf die spielmechanischen Überarbeitungen gespannt, die Naughty Dog im Vorfeld angekündigt hat. Eigentlich ist es ein Nobrainer die Verbesserungen aus The Last of Us Part II in das Remake zu integrieren. Eigentlich. Die Entwickler haben sich aber dagegen entschieden, zumindest in Hinblick auf einen Aspekt. Ellie aus Teil 2 ist sehr agil, kann sich auf den Boden werfen, kriechen, unter Bänke und Tische robben und so vor Gegner verstecken oder Schutz suchen. Dadurch entstehen spannende Momente, die den indirekten Kampf oftmals attraktiver gestalten als den offenen Kampf mit Schusswaffen.
Die Entwickler haben sich bewusst gegen diese Agilität entschieden, was mich anfänglich überrascht und irritiert hat. Spannend ist die Einbeziehung der Design-Philosophie. TLOU und Part II verfolgen unterschiedliche Prioritäten beim Gameplay, auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht abwegig erscheint. Man merkt es vor allem, wenn man die Level und ihren Aufbau gegenüberstellt. Part II bezieht die Umgebung sehr viel stärker in das Gameplay ein, etwa indem die Areale viel größer und verwinkelter sind. TLOU und nun auch das Remake sind da viel kleinteiliger. Auch kann Joel eigentlich nur Wände als Schutz und Deckung nutzen, anders als Ellie in Part II. Letztlich hätten die Entwickler also die Struktur des Spiels aufbrechen und Level neu konzipieren müssen, damit das Gameplay der Fortsetzung hier Sinn macht. Gleichzeitig weiß ich nicht so recht, ob es wirklich funktioniert hätte, wenn sich der im Vergleich zu Ellie deutlich ältere Joel auf Knopfdruck auf den Boden werfen könnte und durch die Gegend rollt als sei die Jugend in seinen Körper zurückgekehrt.
Mehr Wucht und klügere Gegner
Ich verstehe Argumente für und gegen die Entscheidung, kann letztlich aber mit dem konservativen Ansatz von Part I leben. Dennoch hat sich einiges getan im Remake. Die Waffen etwa fühlen sich viel mächtiger an als im Original und haben mehr Gewicht und Wucht. Das Gleiche gilt übrigens für die Steuerung. Dank des haptischen Feedbacks fühlt sich Joel schwerfällig und brachial an, gleichzeitig behält man während der Kämpfe stets die volle Kontrolle und kann fix zwischen Schießen und Nahkampfangriffen, dem Sprint in die Deckung und dem Wechsel der Waffe manövrieren.
Besonders spürbar sind die Neuerungen außerdem beim Verhalten der Gegner. Auch hier setzt man auf die Entwicklungen aus Part II, was Part I wiederum sehr, sehr gut tut. Die menschlichen Gegner fokussieren sich nun wesentlich stärker auf Joel und lassen sich nicht so leicht ablenken, finden bessere Routen innerhalb der Kämpfe und gehen schlicht smarter vor. Man ist nun deutlich stärker gezwungen, nicht zu lange in einer Deckung zu verharren und sich zu bewegen. Verschanzt man sich zu lange, wird man plötzlich von hinten attackiert. Auch das sorgt für dynamischere Situationen.
The Last of Us für alle erfahrbar machen
Ein paar Worte möchte ich noch zu neuen Accessibility-Optionen widmen. Diese sollen es auch Menschen mit Einschränkungen ermöglichen The Last of Us Part I in Gänze und ohne Abstriche erlebbar zu machen. Spätestens seit Uncharted 4 ist Naughty Dog hier auf einem richtigen Weg, mit The Last of Us Part II hat man einen Benchmark in puncto Barrierefreiheit geschaffen. Auf den alten und neuen Erkenntnissen wird aufgebaut, mit einem absolut fantastischen und teilweise beeindruckenden Ergebnis. Es gibt unzählige Optionen für Menschen mit Seh- und Hörschwächen sowie mit motorischen Einschränkungen. Beispielsweise lässt sich das HUD skalieren, es gibt anpassbare Schriftgrößen, Text-to-speech, Hochkontrastmodus, man kann die Steuerung neu belegen, verschieden starke Zielhilfen und visuelle Indikatoren für Geräusche aktivieren. Mein absolutes Lieblingsfeature ist aber das Abspielen von Dialogen über den Dualsense-Controller in Form von haptischen Feedback. Auf diese Weise kann eine gehörlose Person fühlen, wie eine Zeile gesagt wird und die Betonung zusammen mit den Untertiteln fühlen, um einen Eindruck davon zu erhalten, wie die Zeile hervorgehoben wird. Für jemanden wie mich mit starker Höreinschränkung eine spannende und geradezu emotionale Erfahrung.
Und selbst für Menschen ohne Einschränkungen lohnt sich ein Blick in die genannten Optionen, von denen es über 60 gibt. Sie vermitteln nämlich eindrucksvoll wie stark sich Einschränkungen auf Spielerlebnisse auswirken, wenn es keine Anpassungen gibt. Und vielleicht helfen sie somit auch der Diskussion um den Sinn von Accessibility-Optionen. Denn sie sind nun einmal ungemein wichtig für die Teilhabe am Medium Games.
Pro & Kontra
- die emotionale Story und ihre Figuren
- wuchtiges Gunplay aus Part II wurde übernommen
- aktuelle Grafik-Engine sorgt für tolle Ergebnisse (bessere Animationen, neues Lichtsystem, neue Assets etc.)
- verbesserte KI sorgt für wesentlich mehr Dynamik in den Kämpfen
- Vielzahl an Optionen für Barrierefreiheit
- nicht alle Gameplaysysteme aus Part II wurden integriert
- Vollpreis