The Cameron Files: The Secret at Loch Ness REVIEW
Mit The Cameron Files: The Secret at Loch Ness lieferte der französische Entwickler Galiléa im November 2001 seinen Beitrag zu Adventure-Spielen im Myst-Stil ab. Kennern dürfte es nicht schwerfallen starke Ähnlichkeiten zu vergleichbaren Spielen wie „Amerzone,“ „Dracula“ oder „Necronomicon“ zu erkennen. Dies sollte auch nicht verwundern, schließlich wurden alle diese Spiele mit der Phoenix VR Middleware kreiert. Das was „The Secret at Loch Ness“ umgehend interessant macht, ist das ungewohnte Setting. Oder kennt ihr noch andere Spiele, welche in den schottischen Hochlanden stattfinden? Aber eine unverbrauchte Ortschaft alleine macht natürlich noch kein gutes Spiel. Was das Adventure im Detail zu bieten hat, erfahrt ihr im folgendem Review.
Der Ärger kommt in Form eines alten Familienerbstücks
Es ist der Dezember des Jahres 1934. Das Spiel versetzt uns in die Rolle des in Chicago ansässigen US-Privatdetektivs Alan Parker Cameron. Dieser ist schottischer Abstammung und befindet sich in Besitz eines alten Familienerbstückes in Form eines Kristalls. Besagter Kristall ist dann auch der Stein, welcher die Handlung ins rollen bringt. Denn er gehört zu einem Set von drei Kristallen, welche zusammengefügt eine immense Energiequelle darstellen sollen.
Der schottische Lord Allistair Mac Farley befindet sich in Besitz eines weiteren Kristalls und will jenen in Alans Besitz für 500 $ erwerben. Cameron zeigt Interesse und begibt sich nach Schottland. Mac Farleys Anwesen „Devil’s Hand Manor“ liegt am berühmten See von Loch Ness. Vor Ort erfolgt jedoch umgehend die Ernüchterung, denn Allistair wurde zwischenzeitlich entführt, was unseren Privatdetektiv freilich veranlasst Nachforschungen anzustellen. Es stellt sich heraus, dass ein schmieriger Typ namens Bruce Mac Grab ebenfalls an den Kristallen interessiert ist. Obendrein stößt Alan auf eine Banshee, also eine Geisterfrau der schottischen Mythologie. Diese informiert unseren Helden über die Herkunft und Funktion der Kristalle, und warnt ihn davor, dass sie in den falschen Händen großes Leid verursachen können. Es scheint, dass es Camerons Bestimmung ist die bevorstehende Katastrophe zu verhindern.
Die Handlung von The Cameron Files: The Secret at Loch Ness gehört zu jenen Stories, die nicht so recht zu wissen scheinen, was sie eigentlich sein wollen. Das Spiel beginnt als Detektiv-Krimi, bringt dann recht bald übernatürliche Elemente ins Spiel und endet schlussendlich in einem Thriller á la James Bond – komplett mit größenwahnsinnigen Irren, der die Weltherrschaft anstrebt.
Im Endeffekt wird die Handlung jedoch keinem dieser drei Genres gerecht. Alles wirkt irgendwie zusammengewürfelt und konstruiert. Die Tatsache, dass die Charaktere bemerkenswert flach bleiben, und gerne mal ohne adäquate Einführung aus dem Nichts auftauchen, hilft der Sache freilich auch nicht weiter. Lediglich der Protagonist ist ganz gut getroffen. Diesem kauft man den hartgesottenen Privatdetektiv gerne ab. Es ist jetzt nicht so, dass ich die Handlung als schlecht bezeichnen würde, aber Pluspunkte gewinnt das Spiel durch sie nun auch nicht.
Überraschend fairer Schwierigkeitsgrad, trotz 360°-Umsicht und zeitkritischen Passagen
Ähnlich wie in den Myst-Spielen, betrachtet man auch hier die vorgerenderte Umgebung durch die Ego-Perspektive des Protagonisten. Der Großteil der Steuerung erfolgt ausschließlich über Mausklicks. Die Navigation erfolgt über das Knotenpunktsystem. Man bewegt den Protagonisten also nicht direkt durch die Umgebung, sondern klickt sich durch Knotenpunkt-Verbindungen.
Das besondere an Phoenix VR-Adventures wie The Cameron Files: The Secret at Loch Ness, ist jedoch, dass man hier bei jedem Knotenpunkt eine 360°-Umsicht hat. Man kann sich also völlig frei umsehen und auch Dinge wie die Decke oder den Boden betrachten. Dies ist einerseits ein nettes Feature für Myst-style-Adventures, steigert aber auch die Gefahr, dass man einen Hotspot übersieht.
Auch die oftmals unübersichtliche Legung der Knotenpunkt-Verbindungen sorgt für eine unfreiwillige Steigerung des Schwierigkeitsgrad. Die Orientierung in der geräumigen Devil’s Hand Manor ist jedenfalls kniffliger, als sie sein sollte (natürlich bietet das Spiel auch noch ein paar andere Ortschaften). Unabhängig davon gestaltet sich der Schwierigkeitsgrad des Spiels jedoch als überraschend vernünftig. Sämtliche Inventarrätsel sind logisch nachzuvollziehen, und ein wandelnder Cursor gibt Auskunft darüber, wo man denn überhaupt einen Gegenstand einsetzen kann, oder an welchem Hotspot man noch gar nichts erreichen kann.
Der Inventarbildschirm lässt sich bequem über die rechte Maustaste aufrufen. Hier kann man versuchen Gegenstände untereinander zu kombinieren, Camerons Notizbuch lesen, wo man eventuell Tipps zum weiteren Spielfortschritt findet, seinen Geldbeutel einsehen, wo unser Detektiv Schriftstücke und Fotos aufbewahrt, oder eine improvisierte Karte aufrufen, welche als Schnellreisefunktion dient.
Weiterhin vorbildlich ist die Tatsache, dass man in den Dialog-Zwischensequenzen sowie durch Camerons innere Monologe oftmals klare Anweisungen erhält, wo man als nächstes hin muss, oder was man einsammeln sollte, um voranzukommen. Zuhören lohnt sich also.
Abgesehen von den Inventarrätseln und dem Auffinden von Eventtriggern, gilt es auch mal Code-Apparaturrätsel zu lösen. Für diese gibt einem das Spiel jedoch immer genügend Hinweise in Form von Notizzetteln und Büchern, die im oben genannten Geldbeutel gelagert werden. Es gibt auch einige Situationen, in denen Cameron oder ein befreundeter NPC sterben kann, was natürlich mit einem Game Over quittiert wird. Es empfiehlt sich also regelmäßig zu speichern, wofür 8 Speicherslots zur Verfügung stehen. Obwohl das Spiel im Schnitt nur etwa 5 Stunden lang ist, sind diese 8 Slots meiner Meinung nach viel zu wenig. Aber das ist jetzt kein Beinbruch.
Problematischer sind hingegen die zeitkritischen Passagen. Es gibt im Spiel etwa 4-5 Situationen, in denen man unter Zeitdruck eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hat. Derartiger Druck ist bei Adventure-Spielern freilich nicht gerne gesehen, auch wenn er Spannung aufbaut. Fies ist jedoch, dass „The Secret at Loch Ness“ solch eine zeitkritische Passage mit einem Labyrinth-Abschnitt kombiniert, was bei einigen Spielern natürlich ordentliches Zähneknirschen verursachen wird. Dennoch lässt sich das Spiel überraschend gut aus eigener Kraft lösen. Mir persönlich ist das jedenfalls gelungen. Für solch ein altes Adventure ist der Schwierigkeitsgrad jedenfalls überraschend fair gehalten.
Grafik und Sound
Der größte Schwachpunkt von The Cameron Files: The Secret at Loch Ness dürfte wohl die grafische Darstellung sein. Aufgrund des 360°-Gimmicks leiden die Renderumgebungen unter einer gewissen Grobheit und Sterilität. Die Ortschaften mögen zwar mitunter detailliert gestaltet sein, sind jedoch leblos und bieten nur wenige Animationen. Und besagte Animationen fallen dann bemerkenswert primitiv aus. Charaktere werden in dieser Spielumgebung kaum dargestellt und sind dann auch nur Teil der leblosen Rendertapete, und keine richtigen Charaktermodelle. Obendrein erzeugt die Rundumsicht einen Uncanny Valley-Effekt, da die Umgebung so wirkt, als würde man sie aus einem Weitwinkelobjektiv oder dergleichen betrachten. Dann sind da noch die eher schlappen 3D-Rendersequenzen. Diese werden gerne zur Dialogführung verwendet, was ein Problem ist, da die dortigen Charaktermodelle ebenfalls einen heftigen Uncanny Valley-Effekt erzeugen. Die 3D-Sequenzen entsprechen auch nicht dem Qualitätsstandard, welcher seinerzeit möglich war. Viele ältere PS1-Games haben jedenfalls gezeigt, wie cool Rendersequenzen aussehen können. Davon bekommt man in „The Secret at Loch Ness“ jedoch nichts zu spüren.
Ich muss aber sagen, dass die Grafik ihren eigenen kruden Charme versprüht, weswegen ich es nicht übers Herz bringe sie als schlecht zu bezeichnen. Und hey, immerhin wurden mit der Phoenix VR Middleware satte neun Adventures produziert. Irgendwem muss der Grafikstil also richtig gut gefallen haben.
Einen wesentlich besseren Eindruck hinterlässt da das Sounddesign. Tatsächliche Soundtracks gibt es nicht viele, und diese bestehen hauptsächlich aus Dudelsack-Melodien. Diese sind immerhin gefälliger, als man annehmen möchte und passen natürlich gut zum Setting. Meistens arbeitet das Spiel jedoch mit stimmigen Naturgeräuschen zur Steigerung der Atmosphäre. Richtig gut ist hingegen die deutsche Sprachausgabe, welche unerwartet professionell gehalten ist und somit positiv auffällt.
Natürlich wurden auch die Texte sauber ins Deutsche übersetzt. Obendrein läuft das Spiel frei von Bugs. Interessanterweise hat das Game auch eine Fortsetzung namens „The Cameron Files: Pharao’s Curse“ nach sich gezogen. Für einen geplanten dritten Teil hat es jedoch nicht mehr gereicht, da das Entwicklerstudio zuvor dichtmachen musste.
Pro & Kontra
- überraschend fairer Schwierigkeitsgrad
- unverbrauchtes Setting
- hochwertige deutsche Sprachausgabe
- günstiger Preis (2,99 € auf Steam)
- zeitkritische Passagen sorgen für Stress
- die Knotenpunkte sind oftmals konfus gelegt, was zu Orientierungsproblemen führt
- zusammengewürfelte, konstruierte Handlung
- die Suche nach dem nächsten Eventtrigger, kann manchmal etwas frusten