Stasis REVIEW
Stasis ist das Erstlingswerk des in Südafrika ansässigen Indie-Entwicklerstudios „The Brotherhood.“ Der Studioname spielt auf die beiden Gründer und Brüder Christopher und Nicolas Bischoff an, die bereits seit 2010 an ihrem Horror-Adventure Stasis werkelten. Nach drei Jahren Entwicklungszeit vollzog man den Sprung auf Kickstarter und erzielte dort eine Gesamtsumme von 132.523 $, womit die gewünschte Summe von 100.000 $ deutlich überschritten wurde. Ende August 2015 war das Spiel dann endlich fertiggestellt. Das Besondere an Stasis ist der klassische, isometrische Look, welcher an einschlägige Rollenspiele wie Baldur’s Gate, Planescape Torment oder auch das Adventure Sanitarium erinnert. Als Liebhaber handgezeichneter, isometrischer Renderbilder, war für mich von vornherein klar, dass ich dieses Spiel haben musste. Und die Bischoff-Brüder haben auch ordentlich Öl ins Feuer gegossen, indem sie „Was wäre wenn“-Bilder zu Assassins Creed 4 und Bioshock anfertigten, die darstellen, wie diese Spiele aussehen würden, wenn sie in isometrischer Grafikpracht kreiert worden wären. Als ich mir das Spiel dann endlich zugelegt hatte, kam aber doch alles etwas anders als ich mir vorgestellt hatte. Was Stasis nun genau zu bieten hat und was nicht, wollen wir in folgenden Review ergründen.
Ohne eine Familie ist ein Mann allein auf der Welt und zittert vor Kälte
Mit diesem Zitat vom französischen Schriftsteller André Maurois begrüßt uns das Spiel. Wir befinden uns im 22. Jahrhundert. Die Raumfahrt hat sich dahingehend weiterentwickelt, dass bereits Urlaubsreisen zu den anderen Planeten unseres Sonnensystems möglich sind. Auch der Schullehrer John Maracheck unternimmt mit Frau und Kind solch eine Reise, nicht wissend, dass er sich und seine Familie dadurch geradewegs auf einen Höllentrip schickt. Als John aus der Stasis-Kapsel erwacht, findet er sich plötzlich auf einem fremden Raumschiff wieder, ist körperlich angeschlagen und irrt erst einmal verzweifelt durch die menschenleeren Gänge und Räume der „Groomlake,“ einem zum Forschungslabor umgerüsteten Bergbau-Raumschiff unter der Fuchtel des Megakonzerns Cayne Corporation. Diese ohnehin schon beschissene Lage, wird nochmals hundertfach durch die Abstinenz von Ehefrau Ellen und Töchterchen Rebecca verschlimmert. Fortan versucht sich John eher schlecht als recht auf dem riesigen Raumschiff zurechtzufinden und seine Familie wiederzufinden, um mit dieser schlussendlich von der schrottreifen Groomlake zu entkommen. Unterwegs stolpert John freilich über jede Menge Leichen der Schiffsbesatzung und deckt nach und nach die zahlreichen Schandtaten auf, für die sich die Wissenschaftler der Groomlake verantwortlich zeichnen. Es stellt sich bald heraus, dass die Weißkittel viele Raumfahrer als menschliche Versuchsobjekte für ihre skrupellosen Experimente entführt haben, aber wer oder was ist für die katastrophalen Zustände an Bord verantwortlich?
Eines vorweg: Auch wenn es angesichts der altmodischen Retrografik einige Zweifler geben wird – Stasis ist definitiv nichts für schwache Nerven und hat absolut nichts in Kinderhänden zu suchen! Die USK 18-Freigabe ist hier absolut gerechtfertigt. Das liegt ironischerweise weit weniger am stark ausgeprägten Ekelfaktor, welcher den Spieler dazu zwingt menschliche Körperteile als Inventar-Gegenstände zu nutzen oder hautnah einer Wirbelsäulen-OP beizuwohnen, sondern viel mehr an der Tatsache, zu was Menschen fähig sind um Dingen wie Wissensdurst, Gier oder Allmachtsfantasien zu frönen. Das Spiel präsentiert Themen wie Menschenversuche und Massenmord auf die einzig richtige Weise, nämlich kalt, grausam, abartig und unwürdig. Der Blick in eine Gaskammer, die mit einem Hinweisschild auf Tierversuche gekennzeichnet ist, aber in Wirklichkeit verwesende Leichen diverser menschlicher Versuchsobjekte beherbergt, die sich in ihrer Todesangst aneinander klammerten, gehört da noch nicht mal zu den schlimmsten Dingen, die man hier miterlebt.
Die harte Atmosphäre wird auch vom hervorragend synchronisierten Hauptcharakter John Maracheck getragen. John ist ein netter Kerl, ein liebender Ehemann und Vater, der dem Wahnsinn der Groomlake nur schwerlich gewachsen ist, aber dennoch weitermacht in der verzweifelten Hoffnung, dass seine Familie noch am Leben sein könnte. Kurz gesagt: Er ist ein Familienmensch wie du und ich, der von den Dingen die er auf dem Raumschiff entdeckt genauso schockiert und angewidert ist wie du und ich. Er trägt einen wertvollen Part zum Spiel bei. Da man die Geschehnisse aus Johns Perspektive betrachtet, bekommt man nie den Eindruck, dass die Abartigkeiten mit denen man konfrontiert wird, zum Selbstzweck geraten, nur um ein weiteres x-beliebiges Horror-Game zu verkaufen. Stasis ist in erster Linie ein Spiel, dass zum Nachdenken anregen will. Dinge wie Menschenversuche, Gaskammern und größenwahnsinnige, soziopathische Arschlöcher, die ihre helle Freude daran haben Menschen bei lebendigen Leib aufzuschlitzen, sind nun einmal keine Fantasie sondern grausame Realität. Angesichts dessen bin ich auch froh, dass man es vermieden hat irgendwelche Aliens oder Dämonen wie in einschlägigen Hollywood-Filmen einzubauen. Es tauchen zwar Monster auf, doch geht die Scheiße die hier abgeht, letztendlich allein aufs Konto menschlicher Grausamkeit.
Nichtsdestotrotz gibt es aber auch einige Dinge zu kritisieren. Jump-Scares sind zwar recht selten, nerven dann aber umso mehr und verwässern den hohen Anspruch der erbarmungslosen Horror-Thematik um menschliche Abgründe. Wesentlich schlimmer ist jedoch der extrem flache Oberschurke, der nichts weiter als eine Klischee-Verwurstung des verrückten Wissenschaftlers ist. Das wird der starken Atmosphäre nicht gerecht.
Wie viele andere Horror-Spiele auch, setzt Stasis zudem auf die Leselust des Spielers. Soll heißen: Viele kleinere und größere Hintergrundinformationen bekommt man ausschließlich in Form von Tagebucheinträgen mitgeteilt, die hier via diverser herumliegender PDA’s und einiger Computer eingesehen werden können. Natürlich wird es wieder einige Spezialisten geben, die ignorant an derlei Dingen vorbeimarschieren und sich dann beschweren, warum das Spiel nur 4 Stunden kurz ist, oder so ähnlich. Da frage ich mich persönlich jedoch immer wieder, warum sich solche Leute dann überhaupt ein Adventure kaufen. Dennoch muss gesagt werden, dass der Einsatz dieser Erzählmechanik etwas zu exzessiv in Stasis eingesetzt wurde. Selbst als Adventure-Fan sollte man schon eine gesteigerte Leselust mitbringen. Manchmal erkennt man vor lauter PDA’s gar nicht wo eigentlich das Spiel abgeblieben ist. Dafür wird aber die eigentlich recht kurze Spielzeit durch die Leserei auf ca. 8-10 Stunden angehoben. Ist für das Genre zwar akzeptabel, aber eben nicht die Welt.
Das eigentliche Problem bei der Leserei sind jedoch einige Handlungsfässer, die geöffnet und niemals geschlossen werden. Da werden interessante Dinge wie ein mutierter Klon namens Samantha, intelligent agierende Genmutanten oder ein mysteriöser Pilzbefall, der sich langsam aber sicher auf dem gesamten Schiff ausbreitet, angesprochen. Letztendlich holt das Spiel aber nichts aus diesen Nebenstories heraus und lässt somit gewisse Erwartungen und Vermutungen des Spielers im Sande verlaufen. Ich finde hier hat man viel Potential verschwendet. Stattdessen wird man dann mit dem 08/15 Mad Scientist abgewatscht. Sorry, aber da benötigen die Bischoff-Brüder noch etwas Nachhilfeunterricht bezüglich Storytelling.
Aber na ja, wie weiter oben dargestellt, liegt die wahre Stärke in Stasis eher im Horror an sich begründet, als in einer ausgeklügelten Handlung. Ist halt nur schade um das verschwendete Potential. Lest euch einfach mal ein paar Story-Theorien der Spieler im Steam-Forum durch, die Community hat so viele bessere Ideen als das, was uns die Entwickler letztendlich vorsetzen. Einfach schade, aber dennoch ne sehr gute Wertung für die intensive Atmosphäre und den Mut zur schonungslosen Grausamkeit.
Leichte Kost im Gameplay
So schwer auch der Horror im Magen liegen wird, bezüglich des Gameplays ist Stasis eher leichte Kost. Wie für das Genre üblich, lässt sich das gesamte Spiel allein mit der Maus kontrollieren, was hier problemlos funktioniert. Es gibt sogar eine Rennfunktion per Doppelklick, welche aus handlungsbedingten Gründen aber nicht immer funktioniert (z.B. zu Beginn des Spiels, wo John verletzt aus dem Stasis-Tank erwacht). Ein Shortcut-Doppelklick für Ein- und Ausgänge fehlt jedoch.
Die Aufgaben gehen selten über reguläre Inventarrätsel hinaus. Items einsammeln, gegebenenfalls untereinander kombinieren und an passender Stelle, bzw. passendem Hotspot, einsetzen. Eine reguläre Hotspotanzeige gibt es leider nicht, stattdessen werden viele Gegenstände, und die PDA’s und Computer durch ein kleines weißes Lichtchen markiert. Dummerweise war man hier an dieser Stelle sehr inkonsistent. Nicht alle Inventargegenstände werden durch ein Lichtchen angezeigt, wichtige Gerätschaften mit denen man interagieren soll (z.B. ein Waschbecken) sind auch nicht markiert. Dadurch wird man gezwungen die Screens ganz altmodisch per Mauscursor abzusuchen. Immerhin sind die Hotspot-Trefferzonen jedoch recht vernünftig bemessen. Situationen in denen man nach einem einzigen Pixel suchen muss, sind nicht zu befürchten. Dennoch ist es für ein Spiel aus dem Jahre 2015 schon peinlich, wenn dieses keine gescheite Hotspotanzeige bieten kann.
Der Schwierigkeitsgrad richtet sich eher an Einsteiger. Es gibt keine einzige Situation im Spiel, in der man mit mehr als sechs Items auf einmal herumhantieren soll und einige Lösungen werden einem indirekt in den PDA-Einträgen „vorgesagt“ (zumindest wenn man aufmerksam liest). Sicherlich muss man manchmal etwas darüber nachgrübeln, was denn nun genau zu tun ist oder einfach etwas herumprobieren, aber i.d.R. bleibt immer alles logisch nachzuvollziehen. Abseits der Inventarrätsel gibt es noch zwei Apparaturrätsel im Spiel. Eines ist nicht der Rede wert (zumindest nicht spieltechnisch), das Andere hingegen zwang mich zum Griff zur Komplettlösung, da die Informationen, die man zur Lösung dieses Rätsels benötigte, sehr fies versteckt waren. Das hätte echt nicht sein müssen, vor allem da Stasis nun einmal ein Adventure ist, welches bewusst auf einen niedrigen Schwierigkeitsgrad setzt um die Immersion nicht zu sehr auszuhebeln.
Ehrensache, dass es in einem Horror-Game möglich ist den virtuellen Tod zu erleiden. Die Stellen in denen John ins Gras beißen kann, sind jedoch immer nachvollziehbar und wurden homogen ins Spiel integriert, wodurch diese auch kein bisschen aufgesetzt wirken, wie es z.B in Black Mirror III geschehen ist. Außerdem verhindern Checkpoints, dass man hier durch einen Tod großen Zeitverlust erleidet. Natürlich lässt sich das Spiel auch jederzeit in zahlreichen Saveslots speichern.
Interessant ist übrigens die Möglichkeit des Suizids durch diverse Inventargegenstände. Wer die Steam-Version nutzt, kann sich dadurch sogar einige Achievements sichern. Ansonsten ist dies aber nicht mehr als ein kleines Gimmick. Mir ist diese Möglichkeit während meines Spieldurchlaufs gar nicht aufgefallen, erst bei meiner Recherche für dieses Review stieß ich auf diese „Option.“
Mehr gibt es dann auch nicht zum Spielablauf zu sagen. Harter Horror, leichtes Spiel.
Grafik, Sound und sonstiges
Ich habe ja eingangs klargestellt, dass ich mir Stasis in erster Linie wegen dem isometrischen Retro-Look gegönnt habe. Ironischerweise enttäuscht Stasis aber gerade in diesem Bereich. Versteht mich nicht falsch! Die Zeichnungen sind so hübsch und detailverliebt wie vom Genre gewohnt, nur leider hat man es gerade bei der Auflösung versaut. Wenn man heutzutage die alten Iso-Klassiker rauskramt, ist es vor allem die niedrige Auflösung, die einen dann wieder abschreckt. Deswegen war ich gespannt zu sehen, wie so ein Spiel denn in aktuellen Auflösungsstufen ausschaut. Leider musste ich recht schnell feststellen, dass die Maps recht unscharf wirkten. Ich fand bald heraus, dass dies daran liegt, dass die Renderbilder in Auflösungsstufe 1280×720 kreiert wurden. Ich war nicht sonderlich erfreut und habe das Spiel dann erst mal einen Monat beiseite gelegt, ehe ich es dann ernsthaft in Angriff genommen habe. Klingt jetzt vielleicht kindisch, ich weiß, aber wie in der Einleitung erwähnt, haben die Entwickler mit ihren „Was wäre wenn“-Bilchen auch ordentlich Öl ins Feuer gegossen.
Abgesehen davon wirken die grauen Gänge der Groomlake manchmal auch etwas eintönig, obwohl dies freilich Sinn ergibt und man sich trotz dessen um Abwechslung z.B. in Form eines Gewächshauses bemüht hat. Die Animationen von John wirken recht unbeholfen, was aber auch irgendwie zum Retro-Charme der Grafik beiträgt und als Entschädigung gibt’s nette Umgebungsanimationen wie rotierende Ventilatoren und blinkende Lichter, die dafür sorgen, dass die Maps nicht zu statisch wirken.
Der Soundtrack in Stasis dient in erster Linie dazu die nervenaufreibende Atmosphäre zu unterstützen und das bekommt er auch sehr gut hin. Es versteht sich jedoch von selbst, dass es sich hier nicht um die Sorte von OST handelt, den man sich gerne außerhalb des Spiels anhört.
Die englische Sprachausgabe wurde sehr gut umgesetzt, alle Sprecher leisten einwandfreie Arbeit, wirklich beeindrucken kann jedoch der Sprecher des Hauptcharakters John Maracheck, der den verzweifelten und verstörten Familienvater hervorragend wiedergibt. Ein weiteres Lob gibt’s auch für die hervorragende Geräuschkulisse, die sowohl das mechanische Summen diverser Gerätschaften als auch die Laute und Schreie der Ungetüme hervorragend wiedergibt.
Die deutschen Texte sind an vereinzelten Stellen etwas schlampig geraten. Da wurden manchmal falsche Buchstaben gesetzt oder die Textformatierung wurde nicht vernünftig angepasst, so dass sich zwei Textzeilen überlappen oder aus dem Screen ausbrechen und somit nicht zu lesen sind. Derlei Mängel tauchen aber glücklicherweise nur selten auf, sind aber natürlich dennoch lästig.
Da die Kickstarter-Kampagne so positiv verlaufen ist, wurde auch das Prequel DLC-Stretchgoal erreicht. Dieser DLC wurde im Endeffekt als eigenständiges Freeware-Spiel namens CAYNE veröffentlich, aber darüber berichte ich ein anderes mal.;)
Stasis ist übrigens eines jener Spiele, bei denen es aktuell null Sinn ergibt sich das Spiel via Steam oder GoG zu kaufen. Nicht nur weil die Preise genauso hoch sind wie die der Retail-Version (ca. 25 €), sondern vor allem auch deswegen, weil die Retail völlig ohne DRM und sonstiges Kopierschutzgedöhns auskommt. Darüber hinaus erwirbt man mit der Retail nicht nur die DRM-freie Disk, sondern noch einen Extra-Steamcode obendrauf! Also quasi zwei Exemplare auf einmal, ein physisches fürs Sammlerherz und ein digitales für Achievements oder zum weiterverkaufen bzw. -verschenken. Also lasst bei Stasis bitte die Finger von Steam und GoG und kauft euch die Retail, die obendrein auch noch mit Handbuch, Soundtrack-CD und Poster ausgeliefert wird. Hier nun ein ganz dickes Lob an den Publisher Daedalic für den tollen Service!