Star Renegades REVIEW
Das am 08. September 2020 veröffentlichte Rogue-lite Rollenspiel Star Renegades ist der neueste Streich des kanadischen Indie-Entwicklers Massive Damage, Inc. Diese Leute haben zuvor schon mit Halcyon 6: Starbase Commander einen gewissen Erfolg für sich verbuchen können. Halcyon 6 musste sich jedoch Kritik wegen der auf Dauer eintönigen und banalen Kämpfe gefallen lassen. Vielleicht war dies ja der Grund dafür, dass man nun mit dem nächsten Spiel beweisen möchte, dass man den Aspekt „Kampf“ bei Massive Damage, Inc. auch gänzlich anders handhaben kann. Star Renegades legt seinen Fokus nämlich auf anspruchsvolle Rundenkämpfe, bei denen jede Aktion passen sollte, damit man zumindest einen halbwegs guten Run hinbekommt. Aber ich greife vor. Was Star Renegades nun im Detail zu bieten hat, soll folgendes Review klären.
Das kommt mir irgendwie bekannt vor …
Kennt jemand von euch den Sci-fi Action-Film „Edge of Tomorrow“ mit Tom Cruise? Dort geht es darum eine übermächtige Alien-Invasion zurückzuschlagen, wofür den Menschen-Soldaten immerhin coole Mech-Rüstungen zur Verfügung stehen. Als einer der Soldaten im Säure-artigen Blut eines getöteten Aliens zugrunde geht, findet er sich in einer Zeitschleife wieder, was es ihm erlaubt den fast schon verlorenen Krieg gegen die fiesen Aliens herumzureißen – auch wenn er hierfür unzählige Versuche benötigt.
Die Entwickler von Star Renegades fanden sowohl die Story als auch die Mech-Rüstungen von Edge of Tomorrow wohl derart genial, dass sie sie etwas abwandelten und kurzerhand in ihr eigenes Produkt integrierten.
Anders als in der Film-Inspirationsquelle findet die Handlung von Star Renegades jedoch nicht in naher Zukunft auf der Erde, sondern in einer weit entfernten Zukunft in einem anderen Sonnensystem statt. Außerdem wird hier nicht durch die Zeit gereist, sondern in andere Dimensionen und bei den Reisenden handelt es sich nicht um Tom Cruise, sondern um die kleine Roboter-Flugdrohne J5T, welche von der Wissenschaftlerin Prof. Zurek zusammengebaut wurde. J5Ts Aufgabe ist es in jeder Dimension der dortigen Variante seiner Schöpferin kostbare Informationen zur aktuell laufenden Alien-Invasion zu übermitteln, damit eben diese doch noch irgendwie zurückgeschlagen werden kann. Glücklicherweise wurde J5T aus Beute-Technologie der Invasoren zusammengebastelt, was es ihm ermöglicht die Absperrfelder des Feindes zu durchbrechen. Dies wiederum erlaubt es einem kleinen Spezialtrupp die Feinde von Angesicht zu Angesicht zu stellen. Dummerweise besteht der Feind hauptsächlich aus fiesen Robotern, Cyborgs und Mech-Monstern, denen nur schwer beizukommen ist. Und an dieser Stelle tritt der Spieler auf den Plan, um den Spezialtrupp, die Namen-gebenden Star Renegades, in kniffligen, rundenbasierten Kämpfen zum Sieg zu führen.
Und eben dieser Kampf ist dann auch das absolute Herzstück von Star Renegades. Alles weitere wie etwa die Handlung, das Sagengut oder die Charaktere sind da nur Beiwerk. Zwar bemüht sich das Spiel hier und da etwas Interesse zu wecken, indem man auch mal ein paar Charakterdialoge mitverfolgen darf, welche vielleicht ein klein wenig Hintergrundwissen über die Spielwelt offenbaren oder zumindest die Spielfiguren und deren Vergangenheit und Marotten näher beleuchten, aber all dies geht niemals über „Fluff“-Niveau hinaus. Auch der Versuch die Soldatin Wynn Syphex als Waifu-Protagonistin aufzubauen fällt überraschend schnell in sich zusammen.
Star Renegades sollte man sich also definitiv nicht zulegen, wenn man eine spannende Story, ein ausgefeiltes Sagengut oder tiefe Charakterstudien erwartet. Die Tatsache, dass sich das Spiel ohnehin nicht ernst nimmt und viele Texte mit einem Augenzwinkern verfasst wurden, hilft da meines Erachtens nach auch nicht weiter. Aber seis drum, denn hier geht es schließlich sowieso eher ums Gameplay und die grafische Präsentation.
Rogue-lite Bullshit
Da das Spiel abseits einiger Grafik-, Sound- und Spracheinstellungen über keine Gameplay-relevanten Optionen verfügt, kann man sich eigentlich sofort ins Spiel stürzen. Das Spiel bietet sowohl die Steuerung via Tastatur und Maus, als auch über Controller, welche parallel zueinander funktionsfähig sind. Wenn man die Wahl hat, empfehle ich jedoch eindeutig den Controller, da die Variante Tastatur und Maus zwar funktionsfähig ist, sich jedoch deutlich klobiger anfühlt als die routinierte Controller-Steuerung.
Das eigentliche Spiel kann man in drei Abschnitte aufsplitten: Die Weltkarte, die Kämpfe und die Basis. Die Weltkarten-Abschnitte sind in einzelne Zonen unterteilt. Jede Zone beinhaltet entweder einen Kampf, Loot oder auch nichts. Die einzelnen Abschnitte sind durch Imperiums-Kraftfelder abgeschnitten. J5T verfügt pro Ingame-Tag jedoch nur drei Ladungen derartige Schilde zu durchbrechen, obendrein werden einige Abschnitte nach eins, zwei Tagen ohnehin permanent geschlossen. Und der große Bossgegner, der den jeweiligen Planeten erobern soll, trudelt nach 3 Ingame-Tagen ein. Kurz gesagt ist es nicht möglich die komplette Weltkarte abzugrasen bevor es zum Bosskampf kommt, man muss also Prioritäten setzen, was man machen und erreichen will und sich erst mal Zeit nehmen die Karte zu studieren. Unterm Strich sollte man zusehen die Offiziere des Imperiums kaltzumachen, welche zwar stärker und gefährlicher sind, als reguläre Gegner, aber dafür auch die wertvollen Wissenspunkte springen lassen, sofern sie erledigt werden können.
Die Wissenspunkte sind eine der beiden Ressourcen, die man nach der sehr wahrscheinlichen Niederlage mit zurück in die Basis nehmen darf. Mit genügend Wissen werden automatisch neue Perks für die Star Renegades freigeschaltet oder man kann sogar manuell neue Renegades freikaufen, die man dann in den nächsten Versuch als Startcharaktere festlegen darf. Insgesamt gibt es 13 verschiedene Charakter-Klassen. Das Anfangsteam umfasst drei Leute. Hat man einen Planeten vom Boss befreit, darf man ein zusätzliches Gruppenmitglied rekrutieren, bis man letztendlich eine sechsköpfige Gruppe unter der Fuchtel hat. Welche Star Renegades bei einer Planeten-Rettung zur Auswahl stehen entscheidet natürlich der Rogue-Zufallsfaktor.
Die zweite Ressource die man in die Basis mitnehmen darf sind die Imperiums-Tech-Punkte, welche man mehr oder weniger automatisch im Kampfverlauf erhält. Mit dieser Beute-Technologie, kann man neue Perks für J5T erwerben oder neue Startwaffen für die Renegades. Die Rogue-Mechaniken klingen so weit gar nicht mal so übel, oder? Tja, dummerweise gibt es hier einen sehr nervigen Faktor. Das Spiel erlaubt es nämlich immer nur einen Perk pro Charakter auszuwählen (egal ob Renegade oder J5T) und nur eine einzige(!) Waffe mit in den nächsten Run zu nehmen! Das ist verdammt knauserig und ein ziemlich böser Tritt in die Motivations-Weichteile des Spielers. Würde man hier mehr Großzügigkeit zeigen, wäre die Motivation und auch der Spielspaß wesentlich höher angesetzt. Aber so wie es aktuell gehandhabt wird, hat man kaum das Gefühl handfesten Fortschritt pro Run zu erzielen und somit das Licht am Ende des Tunnels immer heller leuchten zu lassen.
Ach ja, bevor ichs vergesse gibt es noch zwei Ressourcen die nur für den aktuellen Run zur Verfügung stehen. Die DNA sind die Erfahrungspunkte im Spiel. Der Clou ist, dass man absolut freie Hand darüber hat welcher Charakter die Level-Ups bekommt. Der Level-Cap pro Charakter beträgt übrigens 10.
Geld-Einheiten gibt es ebenfalls. Hat man einen Boss geknackt (werden hier Behemoths genannt), bekommt man Zugriff auf zwei Händler, wo man seine Credits für neue Ausrüstung verpulvern darf (Waffe, Rüstung und Cybertech-Zubehör), bevor es weiter zum nächsten Planeten geht. Freilich kann man Ausrüstung auch aus entsprechenden Loot-Containern erbeuten. Hier muss man jedoch die Wahl aus drei verschiedenen Stücken treffen. Macht zwar keinen Sinn, aber wir haben ja schon geklärt, dass die Rogue-Mechaniken sehr knauserig gehandhabt wurden.
Die Macht der Zugleiste
Das absolute Herzstück des Spiels sind jedoch die rundenbasierten Kämpfe, welche im Stil von JRPGs gehalten sind. Star Renegades setzt hierbei sehr stark auf die Mechanik der Zugleiste. Die Zugleiste gibt Einblick darüber, welcher Charakter als nächstes zum Zug kommt, welcher Kontrahent angegriffen wird, welcher Angriff oder Skill eingesetzt wird und sogar Wahrscheinlichkeitsberechnungen, wie viel Schaden angerichtet wird und ob der jeweilige Kampfteilnehmer drauf geht oder nicht. Ferner kann man die Gegner durch bestimmte Angriffe in der Zugleiste zurückdrängen, damit man Extra-Züge bekommt.
Während die Mechanik der Zugleiste keineswegs neu ist (die gabs schon damals im ersten Grandia), stellt diese absolute Transparenz im Kampf die große Besonderheit von Star Renegades dar. Und tatsächlich ist der Kampf der beste Aspekt im Spiel. Dies ist ein Spiel bei dam man nicht einfach nur den Standard-Angriff auswählt, sondern tatsächlich jede Runde darüber nachdenkt, welche Fähigkeiten eingesetzt werden sollten, um den jeweiligen Kampf möglichst ohne Blessuren zu überstehen. Denn Heilungsmöglichkeiten und Rüstungsreparatur ist nur begrenzt möglich. Lediglich die Schutzschild-Punkte werden nach jedem Kampf komplett regeneriert. Auch gefallene Renegades werden netterweise wiederbelebt, sollte man den Kampf doch noch gewinnen (freilich nur mit einem Lebenspunkt).
Jeder Star Renegade bietet seine eigenen Stärken, Schwächen und Skillsets. Die Charaktere zumindest einmal auszuprobieren und sich das effektivste Team zusammenzustellen, ist natürlich ein sehr großer Reiz im Spiel.
Außerdem gibt es da noch die Camping-Sequenzen, welche zwischen den Ingame-Tagen anstehen. Hier können sich die Charaktere Karten zuschieben, welche Buffs, Heilung oder Rüstungsreparaturen bewirken. Darüber hinaus festigen die Charaktere hierdurch ihre Beziehungen zueinander, wodurch besonders starke Team-Attacken freigeschaltet werden. Es soll sogar möglich sein, dass einige Renegades untereinander Kinder zeugen, die dann im nächsten Run auch als spielbare Charakterklasse zur Verfügung stehen.
Ach ja, nur mal als Erklärung, da ich es ja angerissen habe: Schutzschilde blocken zunächst sämtlichen Schaden ab. Erst wenn diese verbraucht sind, geht’s an die Lebensenergie. Die Rüstungspunkte dienen jedoch als Puffer für die Lebenspunkte und verringern den tatsächlichen Schaden. Mit bestimmten Angriffen kann jedoch auch die Rüstung, und somit der Puffer zerbröselt werden. Alles klar? Keine Sorge, die ganzen Feinheiten wird man mit der Zeit mehr oder weniger selbst aufdröseln. Dieser Aspekt ist ja auch ein Teil der Faszination und des Spielspaßes von Star Renegades. Ich finde es nur schade, dass die ausgeklügelten Mechaniken des Kampfsystems durch den Rogue-lite Kram verwässert werden. Ein traditionelles JRPG mit derartig komplex-transparenten Kampfsystem-Mechaniken wäre mir da einfach lieber gewesen (Tipp: Ein derartiges Spiel gibt es bereits. Hüstel, hüstel Cosmic Star Heroine hüstel, hüstel).
Grafik und Sound
Der Hauptgrund warum Star Renegades mein Interesse wecken konnte, war die grafische Darstellung. Es ist eines jener Spiele, welche 2D-Pixelgrafik wie ein Kunstwerk wirken lassen. Die Inspirationsquelle bei der Grafik war wohl Square-Enix‘ Octopath Traveler, denn genau wie dort vermittelt die Perspektive ein eigenwilliges Gefühl von räumlicher Tiefe. Besagte Tiefe wurde natürlich mit schön animierten Sprite-Grafiken garniert, was den außerirdischen Landschaften des Spiels überraschend viel Leben einhaucht und einfach schick anzuschauen ist. Die Synthwave-Farbpalette hilft hierbei freilich auch ordentlich weiter. Auch die Charakteranimationen im Kampf sehen verdammt cool aus. Obendrein wurde die Präsentation der Kampfaktionen derart gestaltet, dass die rundenbasierten Gefechte überraschend actionreich herüberkommen. Man ging sogar so weit in die Gesprächsabschnitte angenehm große Pixelartworks der Charaktere zu integireren – inklusive animierter Gesichts- und Gesprächsmimik, versteht sich!
Was mir an der Grafik jedoch missfällt ist eine gewisse Eintönigkeit, welche jedoch ausschließlich durch die Rogue-lite-Elemente provoziert wird. Auch das Anime-Intro, welches unsere hübsche Star Renegade-Soldatin Wynn Syphex glorifiziert, wirkt reichlich fehl am Platz. Einerseits passt der Anime-Artstil nicht zum sonstigen Pixelstil, der im restlichen Artwork des Spiels verwendet wird, und andererseits ist das Anime-Intro rein handwerklich gar nicht mal so gut. Sorry, aber dieses Filmchen fühlt sich einfach wie ein totaler Fremdkörper an, der im Endprodukt eigentlich nichts zu suchen hat. Das Geld was man in das Anime-Filmchen investiert hat, hätte man mal besser in einen besseren Soundtrack investiert.
Denn genau im Soundtrack-Bereich fällt Star Renegades nämlich relativ ernüchternd aus. Anhand der Farbpalette sollte man ja eigentlich davon ausgehen, dass hier coole Synthwave-Mucke aus den Lautsprechern klingt. Aber stattdessen besteht der OST nur aus uninspirierten Techno-Gefurze, welches über keinerlei Erinnerungswert verfügt. Positv sei nur erwähnt, dass der Soundtrack nicht beim spielen stört. Dennoch ärgert die verpatzte Chance hier einen geilen Synthwave-OST anzubieten.
Zumindest die Soundeffekte fetzen ganz ordentlich. Eine Sprachausgabe gibt es dafür nicht. Die deutsche Übersetzung der Texte ist eigentlich sehr gut gelungen, war in meiner Testversion jedoch unvollständig. Hier und da gibt es immer noch Beschreibungen und Wörter, die in englischer Sprache verfasst sind. Diesen Makel sollte man so schnell wie möglich ausbügeln.
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- coole Rundenkämpfe im JRPG-Stil welche angenehm taktisch und knifflig gehalten sind
- sehr schöner Grafikstil
- bietet eine sehr solide Palette unterschiedlicher Spielfiguren
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- die Rogue-lite-Elemente sorgen auf Dauer natürlich für eine gewisse Repetition und viel Frust
- belangloser OST
- Story, Sagengut und zum Teil auch die Charaktere wirken nur wie Beiwerk
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Pro & Kontra
- coole Rundenkämpfe im JRPG-Stil welche angenehm taktisch und knifflig gehalten sind
- sehr schöner Grafikstil
- bietet eine sehr solide Palette unterschiedlicher Spielfiguren
- die Rogue-lite-Elemente sorgen auf Dauer natürlich für eine gewisse Repetition und viel Frust
- belangloser OST
- Story, Sagengut und zum Teil auch die Charaktere wirken nur wie Beiwerk