Shadow Hearts: From the New World REVIEW
Nachdem Shadow Hearts Covenant auf überraschend viel Gegenliebe von Seiten der Fachpresse und Spielerschaft stoßen konnte, hat es niemanden überrascht, dass noch ein drittes Spiel der Serie für die PS2 nachgeschoben wurde. Shadow Hearts: From the New World ist jedoch kein dritter Teil der Serie, sondern wird lediglich als Spin-off betrachtet. Das Spiel wurde erstmals am 28.Juni 2005 in Japan veröffentlicht, und stattete am 25. Mai 2007 auch Europa einen Besuch ab. Leider sollte From the New World der letzte Ableger dieser JRPG-Reihe werden, denn das Entwicklerstudio Nautilus wurde im Jahr 2007 dicht gemacht, womit auch die Shadow Hearts-Franchise zu Grabe getragen wurde. Ob dieser letzte Titel aber zumindest einen würdigen Abschluss darstellt oder nicht, soll folgender Test verraten.
Auf der Jagd nach den Hasssubjekten
Die Handlung spielt im Jahr 1929 und versetzt uns auf den amerikanischen Kontinent. Wir übernehmen die Rolle von Johnny Garland, einem 16-jährigen Möchtegern-Detektiv, der seine Familie bei einem Autounfall verloren hat und wohl versucht zu beweisen, dass er trotz seines jungen Alters auch alleine zurechtkommt. Seine einzige Bezugsperson ist Lenny Curtis, ein grobschlächtiger, aber herzensguter Mann, den Johnny in seiner Kindheit das Leben gerettet hatte.
Gegen den Willen von Lenny übernimmt Johnny den Auftrag des zwielichtigen Professor Gilbert. Dieser will, dass unser Detektiv einen gewissen Marlow Brown aufspürt. Gesagt getan, dummerweise bestätigt sich Lennys Skepsis gegenüber dem Professor, denn Johnny wird Zeuge eines blutigen Experiments von Gilbert, als Marlow Brown direkt vor seinem Augen von einem Eldritch-Monster gefressen wird, welches aus einer Art Dimensionsportal erscheint. Glücklicherweise wird Johnny von der indianischen Gestaltwandlerin Shania gerettet, welche sich auf der Jagd nach einer gewissen „Lady“ befindet, die ihr Heimatdorf vernichtet hat. Die mysteriöse Kraft, welche aus den Dimensionsportalen strömt, wird als „Malice“ bezeichnet und hängt irgendwie mit Lady zusammen, und auch Johnny wurde von Malice durchdrungen, was es ihm ermöglicht eine Lichtklinge zu manifestieren. Und so schließt sich Johnny mit Shania und ihrem Beschützer, dem schweigsamen Nathan, zusammen, um hinter Professor Gilbert und Lady herzujagen. Gilbert wiederum schließt sich recht bald mit Lady zusammen, einer stummen Schönheit, welche die Macht hat Menschen mit Malice zu infizieren und diesen somit die Macht gibt Dimensionsportale zu öffnen, aus denen Monster und Malice strömen. Auf diese Weise hat sich Lady auch den Serien- und Polizistenmörder „Killer“ ins Boot geholt. Aber auch Johnny und Co. finden neue Gefährten auf ihrer Jagd nach ihren Peinigern.
Tjoa, und mehr gibt es zur Handlung von From the New World auch nicht zu sagen. Für ein Shadow Hearts-Spiel ist sie überraschend geradlinig, um nicht zu sagen langweilig. Man sollte auch keine nennenswerten Wendungen wie in den Vorgängern erwarten, From the New World ist zwar ein langes Spiel, aber trotzdem deutlich kürzer als der letzte Teil.
Die Bezeichnungen geradlinig und langweilig treffen leider auch auf viele der Hauptcharaktere zu. Johnny ist halt nur ein junger Bursche, der sich in die scharfe Shania verguckt hat und ansonsten das Klischee vom jugendlichen Good Guy verkörpert. Er ist also nicht unbedingt ein würdiger Nachfolger für Yuri Hyuga. Shania wiederum ist nahezu 100-prozentig auf ihre Rache an Lady fokussiert, was sie sehr eindimensional macht. Nathan ist nur das schweigsame Anhängsel von Shania, Oberschurkin Lady ist die stumme Autistin, Gilbert und Killer haben keine gescheite Hintergrundgeschichte, sondern sind einfach nur da. Darüber hinaus entpuppt sich ein Großteil der später hinzukommenden Heldencharaktere als „Comedic Reliefs.“ Da haben wir Frank, einen nerdigen Möchtegern-Ninja, der sich bereits mitten in seinen 40ern befindet, die anthropomorphe Katzendame Mao, welche als Martial Arts-Schauspielerin Karriere machen will oder Vampirmädel Hilda, die kleine Schwester von Joachim und Keith aus den Vorgängern. Sie macht einen auf Magical Girl und kann ihr Körpervolumen durch Trinken von Blut manipulieren. Lediglich der Mariachi Ricardo bleibt vom Klamauk-Faktor verschont, ist dafür aber auch recht langweilig, da seine Charater-Story bereits kurz nach seinen Beitritt abgewickelt wird und er daraufhin in Shanias Rache-Fußstapfen tritt.
Ein weiteres Problem von From the New World ergibt sich dann aus der Tatsache, dass sich das Spiel kaum noch ernst nimmt und auch den Okkult-Aspekt über weite Strecken fallen lässt. Die Comedy-Elemente waren zwar auch in den Vorgängern vertreten, haben sich dort aber nie vollends in den Vordergrund gedrängt. Obendrein durfte man dort noch recht gruselige Ortschaften erkunden, während dieser Ableger eher wie eine Mischung aus Sightseeing-Tour durch Nord- und Südamerika anmutet, der mit ein paar Ruinen á la Indiana Jones garniert wurde. Positiv zu erwähnen ist hingegen, dass die neuen Ortschaften sehr abwechslungsreich gestaltet wurden und sehr hübsch anzuschauen sind. Außerdem bietet From the New World angemessenen Fanservice. Es gibt ein Wiedersehen mit einigen altbekannten Charakteren (Lenny Curtis habe ich ja schon erwähnt) und die Malice-Sache wurde ja auch bereits in Shadow Hearts Covenant angeteasert.
Erweitertes Kampfsystem und erneuertes Magiesystem
Da das Spiel sehr stark auf den Gameplay-Elementen von Shadow Hearts Covenant aufbaut und ich bereits umfassende Tests zu den beiden Vorgängern verfasst habe, möchte ich mich hier auf die Neuerungen und Änderungen konzentrieren. Unabhängig davon, sollten die allgemeinen Bausteine eines JRPGs ohnehin hinreichend bekannt sein.
From the New World erweitert in erster Linie das Kampfsystem. Bereits im Vorgänger wurden Combos und Trefferzonen etabliert. Dort steckten diese Elemente jedoch noch etwas in den Kinderschuhen, so wurden die Trefferzonen der Kampfteilnehmer nicht deutlich visualisiert, was es unnötig erschwerte, diesen Aspekt miteinzubeziehen. From the New World schafft hier abhilfe, indem eine simple Grafik neben dem Gegnernamen angezeigt wird. Diese lässt sofort erkennen welche der drei Trefferzonen genutzt werden können, damit man nicht daneben schlägt.
Das ist vor allem deswegen wichtig, da die Combo-Ketten aufgrund des angehobenen Schwierigkeitsgrades nun eine wichtigere Rolle spielen als im letzten Teil. Wie gehabt richtet man mit Angriffs-Combos Bonusschaden beim Gegner an. Die genauen Funktionen der Combos sind identisch zu Covenant, was jedoch neu ist, ist, dass nun auch die sogenannte „Stock Gauge“ mit hinzukommt. Durch ausgeteilten und eingesteckten Schaden füllt sich die Stock Gauge auf bis zu 200 % auf. Um eine Combo anzusetzen, muss der jeweilige Charakter nämlich 100 % Stock Gauge-Energie investieren. Die Energie der Stock Gauge wird ebenfalls benötigt, um die Angriffe der Klasse „Hard Hit“ durchzuführen (kostet 50 %). Ein „Hard Hit“-Angriff reduziert die Stock Gauge des Gegners um 100 % und ist daher ein wichtiges Werkzeug, um feindliche Combos und Doppelattacken zu sabotieren. Und ja, man darf jetzt auch Doppelattacken lostreten, was aber – ihr könnt es euch wahrscheinlich schon denken – 100 % Stock Gauge-Energie benötigt.
Der Knüller ist jedoch, dass es sogar erlaubt ist Combos und Doppelattacken zu kombinieren, was aber nur geht, wenn man die vollen 200 % investiert. Bei einer maximalen „D-Combo“ für alle vier Kampfteilnehmer der eigenen Gruppe, kann man also eine irrsinnig lange Kombokette produzieren, welche den Gegner unter Umständen Treffer im tiefen zweistelligen Bereich verpasst, was freilich immensen Combo-Bonusschaden verursacht.
Und da man schon mal dabei war, wurde auch das Magiesystem umgewandelt. Dieses mal bekommt man die sogenannten „Stellar Charts.“ Das sind Platten in die man die sogenannten „Nodes“ einsetzen darf, welche im Endeffekt die Zaubersprüche sind, die man im Kampf einsetzt. Es gibt 12 verschiedene Stellar Charts mit unterschiedlich vielen Node-Slots (rangierend von 4 bis 19) und Vorkonfigurationen. Die Konfiguration der Slots bestimmt, welche Nodes man überhaupt einsetzen darf. Das ist aber nur halb so wild, da das Spiel einen Händler bereitstellt, bei dem man die Stellar Charts komplett selbst konfigurieren und sogar bis zu einem gewissen Grad frisieren kann (Senkung der MP-Kosten, prozentuale Steigerung der Leistung), sofern man das nötige virtuelle Kleingeld mitbringt, versteht sich. Lediglich an der Anzahl der Slots lässt sich nichts rütteln. Shania darf keine Stellar Charts nutzen, ansonsten kann aber jeder Charakter jeweils eine dieser Platten ausrüsten. Ein paar der Stellar Charts sind in der Spielwelt versteckt und müssen erst mal gefunden werden.
Das Stellar Chart-System funktioniert eigentlich besser und ist auch übersichtlicher als das Symbol-System von Covenant. Jedoch entfällt bei den Stellar Charts auch das coole Symbol-Rätsel in Form von Solomons Schlüssel – schade.
Tja, und ansonsten gibt es natürlich wieder die sehr kreative Mechanik, die Spezialskills der Charaktere in Form der Bewältigung Charakter-spezifischer Sidequests freizuschalten. Johnny kann sich kleinere Detektiv-Aufträge bei Lenny abholen und Fotos von Monstern knipsen, um diese bei Sammlern gegen nützliche Gegenstände einzutauschen. Für Shania gibt es Indianer-Fetishe zu finden, in die sie Seelen-Energie beseitigter Gegner einfließen lassen kann, um die Leistung ihrer Fusionen zu steigern. Nathan muss kleine Itemrätsel lösen, um ein seltenes Monster anzulocken … Jeder der sieben Charaktere bringt eben seine eigenen Aktivitäten mit sich.
Besonders cool ist, dass viele dieser Sidequests gegen Ende des Spiels auch in einem optionalen Areal oder Dungeon gipfeln. Es lohnt sich also diese Sidequests in Angriff zu nehmen, um den Gesamtumfang des Spiels noch mal um mindestens ein Viertel zu steigern.
Ganz unabhängig von den Neuerungen möchte ich noch lobend erwähnen, dass man das Dungeondesign spürbar verbessert hat. Dieses mal hat man sich die endlosen Korridor-Latschereien größtenteils verkniffen. Und selbstverständlich gibt es wieder die altbekannten Seriengimmicks wie eine Game+ Funktion und Cutscene-Gallery nach Abschluss des Spiels und die umfangreiche Datenbanken für Gegenstände, NPCs, Monster oder die allgemeine Spielerleistung. Man kann über die Story sagen was man will, aber hinsichtlich Gameplay lässt From the New World nichts schleifen und stellt einen würdigen Nachfolger zu Covenant dar.
Grafik, Sound und Präsentation
Grafisch baut From the New World natürlich stark auf dem Vorgänger Covenant auf. Sowohl die Engine als auch der allgemeine Stil der Grafik dürften Kennern sofort vertraut vorkommen. Das heißt im Klartext, dass wir es immer noch mit einem, für PS2 JRPG-Verhältnisse, sehr hübschen Spiel zu tun haben, das keineswegs mit abwechslungreichen und farbenfrohen Ortschaften geizt. Die Reise führt zu vielen bekannten Ortschaften Nord- und Südamerikas. Von New York City, über den Grand Canyon bis hin zu Chichén Itzá und Rio de Janeiro bekommt man eine Menge populärer Ortschaften zu Gesicht. Freilich gibt es auch phantastische Gebiete wie ein wirklich schicker Salzsee-Kristallturm oder eine Hohlwelt-Tempelanlage.
Das was jedoch im Vergleich zu den Vorgängern auffällt, ist der akute Mangel an gruselig-okkulten Schauplätzen. So versucht das Spiel z.B. vergeblich ein altes, halbverfallenes New Yorker Theater gruselig wirken zu lassen, was jedoch hinten und vorne nicht hinhaut. Und selbst jene Orte, die dafür eigentlich prädestiniert sein müssten, wie etwa ein altes Piraten-Segelschiff oder das gute alte Puppen-Geisterhaus scheitern dabei auch nur die geringste Gruselstimmung aufkeimen zu lassen. Die Vorgänger hatten diesen Aspekt noch ganz gut hinbekommen. In From the New World ist davon jedoch kaum noch etwas übriggeblieben. Ok, das Monsterdesign hat immer noch diesen herrlich abstrakt-widerwärtigen Touch, der ein Markenzeichen der Serie ist, und zumindest der Schlussdungeon wirkt angemessen höllisch, aber es empfiehlt sich seine Grusel-Erwartungen zurückzuschrauben.
Vorbildlich ist wiederum die Implementation eines 60 Hz-Modus sowie der Option eine Kantenglättung zu aktivieren. Ich persönlich kann mich mit der Kantenglättung nicht anfreunden, da sie das Spiel unangenehm verschwommen aussehen lässt. Da nehm ich dann doch lieber das Kantenflimmern als kleineres Übel in Kauf. Aber es ist schön, dass man solch eine Option anbietet, denn der ein oder andere dürfte sich sicher darüber freuen.
Auch der Soundtrack tritt in die Fußstapfen der Vorgänger. Es wird also wieder eine gesunde Mischung aus düsteren Ambient-Stücken für die Dungeons, Feel Good-Tracks für die Stadtgebiete und herrlich eigensinniger Kampfthemes geboten. Wie gehabt tut sich die Shadow Hearts-Reihe jedoch schwer damit markante Ohrwürmer zu kreieren. Ok, der jazzige New York-Theme ist schon sehr cool und lässig und die Kampfmelodie für die Nordamerika-Gebiete gehört zu den Besten der Serie, aber ich würde nicht behauptet, dass es ein OST ist, bei dem man das Verlangen verspürt ihn sich auch außerhalb des Spiels anzuhören.
Die englische Sprachausgabe ist wieder toll gelungen. Man merkt, dass die Sprecher mit Spaß und Elan an die Sache herangegangen sind, was der Präsentation sehr zu gute kommt. Zu bemängeln habe ich jedoch den Synchronsprecher von Katzendame Mao. Bei ihr handelt es sich nun einmal um ein Weibchen, daher irritiert es mich sehr stark, dass man ihr eine männliche Stimme verpasst hat. Das ist schon ein derber Fehler, der nicht hätte passieren dürfen. Apropos Fehler: Dieses mal hat man es sich gespart eine halbherzige, fehlerbehaftete Übersetzung ins Deutsche anzufertigen. Stattdessen wird das Spiel nur noch mit englischen Texten ausgeliefert. Ob das besser oder schlechter ist, muss jeder selber entscheiden.
Pro & Kontra
- das gewohnt unterhaltsame Urteilsring-Kampfsystem
- neue Grafikoptionen wie 60 Hz-Modus und Kantenglättung
- sehr hübsch anzuschauende, abwechslungsreiche Ortschaften
- bietet eine generell gelungene audiovisuelle Präsentation
- gute Skillsysteme für die Hauptcharaktere, welche an Sidequests gekoppelt sind
- immer noch ein sehr befriedigender Umfang von ca. 50 Stunden
- viele Secrets, Side- und Miniquests
- unterhaltsame Statistiktabellen und Monsterlisten
- Story und Charaktere sind im Vergleich zu den Vorgängern eher langweilig
- dieses mal ohne deutsche Textübersetzung
- zu viel Comedy, zu wenig Okkult-Horror