Sense – 不祥的预感: A Cyberpunk Ghost Story REVIEW

Sense不祥的预感: A Cyberpunk Ghost Story (welches ich der Einfachheit halber nur noch als „Sense“ bezeichnen werde) ist der Debuttitel des Indie-Entwicklers Suzaku, ein Studio welches in erster Linie vom US-Amerikaner Benjamin Widdowson geleitet wird. Das Survival-Horror Adventure wurde erstmals am 25.08.2020 als PC-Download veröffentlicht, bekam Anfang 2021 aber auch Umsetzungen für PlayStation 4, PS Vita und die Nintendo Switch.

Sense ist ein einsteigerfreundliches Adventure mit Survival-Horror-Elementen, welches durch sein erotisch angehauchtes Anime-Artwork auffallen möchte. Soll heißen, dass die meisten Mädels in diesem Spiel durch äußerst großzügigen Brustumfang auffallen. Die Frage ist natürlich inwiefern das mit dem fernöstlichen Horror-Thema zusammenpasst. Denn eine Hachishakusama wirkt schon wesentlich weniger furchterregend, wenn sie mit Riesentitten daherkommt. Oder wie wärs mit der bildhübschen Jiang Shi, welche lediglich durch ihre konstanten Rülps-Geräusche ängstigt nervt? Der Gruselfaktor wird also eher durch die männlichen Geister erzeugt, aber bevor ich hier zu sehr ausschweife, kommen wir einfach zum Test.^^

Exorzistin wider Willen

Wir befinden uns in Neo Hong Kong/Greater Seattle des Jahres 2083: Die hübsche Mei-Lin Mak ist trotz ihres attraktiven Aussehens ein schüchternes, nerdiges Mauerblümchen. Folglich muss sie auch ihren ganzen Mut zusammennehmen, um sich auf das Blind Date einzulassen, welches sie sich online geschossen hat. Das Date soll in einer anrüchigen Bar stattfinden, welche sich im Erdgeschoss eines baufälligen Wohngebäudes im Slumviertel befindet. Natürlich ist die Verabredung nicht vor Ort, und obendrein kassieren ihre augmentierten Augen eine lästige Störung. Also erst mal in die sanitären Räumlichkeiten, um die künstlichen Augen zu warten. Doch als Mei in den Barbereich zurückkehren möchte, erwartet sie eine unangenehme Überraschung: Sie findet sich stattdessen im abgeriegelten Bereich des Wohngebäude wieder, und wird dort scheinbar von höheren Mächten festgehalten. Wie sich herausstellt, befindet sie sich im „Chong Sing“-Gebäude. Dort wurde vor 100 Jahren, also im Jahr 1983, ein grausamer Massenmord auf einer Hochzeitsfeier durchgeführt.

Das Problem an der Sache ist, dass die ermordeten Hochzeitsgäste bzw. die Bewohner des Chong Sing-Appartements nun als ruhelose und oftmals gewaltbereite Geister ihr Unwesen treiben. Um den Horror zu überleben ist Mei-Lin gezwungen diese Geister zu umgehen und letztendlich zu besänftigen. Mit der Zeit stellt sich heraus, dass Mei nicht unbedingt durch Zufall an diesen Ort gelangt ist, denn sie ist übersinnlich begabt, was es ihr jedoch auch ermöglicht alte chinesische Exorzionsrituale durchzuführen. Und diese hat sie auch bitter nötig, wenn sie lebendig aus der alten 80er Jahre Bruchbude entkommen möchte.

Und wirklich mehr gibt es zur Handlung auch gar nicht zu sagen. Trotz des groß angepriesenen Cyperpunk-Settings, geht es hier fast ausschließlich um die Erkundung eines 80er Jahre Horror-Wohngebäudes. Die Cyberpunkt-Welt bekommt man nur kurz am Anfang und im Epilog zu Gesicht und spielt für die Story auch keine Rolle.

Was jedoch wirklich interessant ist, ist der Fokus auf den fernöstlichen Aspekt dieser Geisterstory. Die Geister werden z.B. mit chinesischen Ritualen besänftigt, bzw. bekämpft und die verstorbenen Bewohner des Gebäudes haben allesamt eine asiatische Herkunft und Kultur. Dies wird auch dazu genutzt unangenehme Themen dieser Kulturkreise anzusprechen. Da gibt es den heuchlerischen, chinesischen Kommunisten, die vietnamesische Kriegswaise, welcher der Mangel an sozialer Kompetenz zum Verhängnis wurde, oder die japanische Frisörin, welche von ihrer Famile ausgestoßen wurde … Es ist schon sehr interessant diese Menschen kennenzulernen und einen kleinen Einblick in ihre Kultur zu gewinnen – und nebenbei muss man sich eben auch mit deren Geistern befassen.

Was jedoch viele stören wird, ist die Art und Weise wie die Handlung präsentiert wird. Im Spiel gibt es recht viele Briefe, Zettel und sonstige Schriftstücke zu finden, deren Lektüre nicht nur hinweise für einige Code-Rätsel liefert, sondern auch Bruchstücke der Story offenbaren, die man dann selbstständig zusammenfügen soll, um das große Ganze zu erkennen. Hierfür bringt natürlich nicht jeder Spieler genügend Toleranz mit. Andererseits ist die Handlung jetzt aber auch nicht verworren oder dergleichen, sondern eben nur in einzelen Schnipsel zerstückelt, welche kreuz und quer im Gebäude verteilt wurden.

Positiv: Hat man das Spiel durchgeschafft, schaltet man eine kurze Prolog-Story namens Yotsuya frei, die uns darüber aufklärt, woher Mei ihre übersinnlichen Fähigkeiten erhalten hat.

Einsteigerfreundlichkeit durch Automatisierungen?

Sense ist ein 2.5D-Spiel, welches lediglich die Bewegung nach links oder rechts gestattet. Dies geschieht übrigens mit Richtungstasten bzw. dem Steuerkreuz. Eine Point & Click-Steuerung sucht man also vergebens. Diese ist aber auch nicht nötig, da Durchgänge in andere Bereiche, Gegenstände und sonstige Hotspots umgehend mit einer Hotspotanzeige visualisiert werden, sobald man sich ihnen nähert. Ein Knopfdruck genügt dann, um zu interagieren. Das Inventar wird übrigens ebenfalls automatisch gehandhabt. Das Spiel kombiniert und verwendet die gesammelten Gegenstände vollautomatisch, sobald man mit einem passenden Hotspot interagiert. Die Herausforderung in diesem Bereich liegt eigentlich lediglich darin, sich zu merken, wo sich nützliche Gegenstände befinden, denn Mei sammelt viele Sachen erst dann auf, wenn sie sie auch wirklich benötigt. Hierdurch wird natürlich ein großes Maß an Backtracking provoziert, welches sich dann auch durch das gesammte Spiel zieht. Trotz dieser Maßnahme ist Sense jedoch relativ kurz und sollte selbst beim ersten Durchgang nicht mehr als 6-7 Stunden einfordern (sofern man sich die Mühe macht die Texte durchzulesen).

Wie bereits erwähnt, gibt es noch diverse Code-Rätsel, deren Kombinationen (bzw. Tipps zu eben Diesen) meistens in den Textnotizen vermerkt oder versteckt sind (gefundene Texte werden selbstverständlich dauerhaft im entsprechenden Menüunterpunkt gespeichert). Diese sind in der Regel sogar in Magenta-Farben markiert, damit der Neuling nicht allzu lange nachstöbern muss. Hierdurch wird der Schwierigkeitsgrad bewusst niedrig gehalten, so dass selbst unerfahrene Adventure-Einsteiger recht gut ohne Komplettlösung durchkommen müssten. Leider gibt es eine einzige Stelle im Spiel, wo Sense seine eigene Regel bricht und den Spieler mit einen unsichtbaren Hotspot konfrontiert, den man durch wahlloses Herumklicken entdecken muss, um eine tödliche Falle zu entschärfen. Nur dumm, dass man keinen Plan hat, dass man für diese spezifische Situation einen unsichtbaren Hotspot anklicken soll. Im Endeffekt war dies die eine Stelle im Spiel, die mich zum Griff zur Komplettlösung zwang und den Aspekt der Einsteigerfreundlichkeit ad absurdum führte – ärgerlich.

Ebenfalls zweifelhaft ist das bemerkenswert halbherzige Kampfsystem: Hat man ungefähr die erste Spielhälfte geschafft, bekommt Mei ein Exorzisten-Holzschwert in die Hand gedrückt, welches Geister beseitigen kann. Dummerweise ist Mei keine Schwertkämpferin und fuchtelt derart zaghaft und unbeholfen mit dem Ding herum, dass man sich schon das Lachen verkneifen muss. Aufgrund dessen und dank der oftmals zweifelhaften Kollisionsabfrage, ist das Timing, mit dem die Gegner getroffen werden müssen ein ziemlicher Nervfaktor.

Glücklicherweise gibt es aber auch nur sehr wenige Kampfsequenzen im Spiel, da die meisten Geister eben mit anderen Mitteln überwunden werden müssen. So kann man versuchen wegzurennen, was jedoch an einen Konditionsbalken und einen etwas verbuggten Doppelklick gekoppelt ist. Oder man kann sich hinter spezifischen Türen verstecken und ein simples Timing-Minigame abwickeln, während der Geist vorbeischlurft. Oder man kann versuchen die Provokation zu vermeiden bzw. hinauszuzögern, welche den Geist „aktiviert.“

Es steckt also durchaus ein wenig Substanz hinter dem Survival-Horror-Aspekt von Sense不祥的预感: A Cyberpunk Ghost Story. So lassen sich auch ein paar Jade-Armreife sammeln, welche einen feindlichen Treffer abblocken. Ohne diesen Schutz kann man den tödlichen Treffer sogar mit einem Quicktime-Tastendruck umgehen.

Um weitere Spielzeit rauszuquetschen arbeitet Sense mit Game+ Spielmodi und Sammelobjekten, welche natürlich auch an zusätzliche Achievements gekoppelt wurden. Zu den Sammelobjekten gehören die „Shinrei Shashin“ und die „Cosplay“-Kostüme. Erstere sind bis zu 25 gruselige Fotografien, welche in Form unsichtbarer Hotspots daherkommen. Verdächtige oder interessante Stellen wie z.B. ein blutiger Handabdruck oder harmlose Geistererscheinungen geben Anhaltspunkte für den Schnappschuss. Die Cosplay-Kostüme dürfen angekleidet werden, um für etwas „Abwechslung“ zu sorgen. So kann man Mei unter anderem in Ninja-Kluft, im Badeanzug oder sogar mit „augmentierten“ Brüsten bewundern. Der Knaller ist jedoch das Holstaurus-Kostüm.^^

Viele dieser insgesamt 12 Kostüme werden jedoch erst im Game+ Modus zugänglich. Hat man das Spiel geschafft, Schaltet man nicht nur die sehr kurze Prequel-Story „Yotsuya“ frei, sondern auch den ersten Game+. Dort kann man ein paar zusätzliche Kostüme erbeuten und darf einen optionalen Raum mit einer gefesselten Jiang Shi betreten – wahrscheinlich wegen Bondage und so. Danach gibt es noch den Game++, welcher mit einer zusätzlichen Endsequenz belohnt. Auch das Speichersystem wird bei den Game+-Modi abgewandelt.

Es gibt drei Speicherformen: Autosaves, Quicksaves und manuelle Speicherungen in bis zu drei Slots. Im Standard-Spiel darf man unbegrenzt viele Quicksaves durchführen. Im Game+ werden einem die Quicksaves komplett weggenommen. Im Game++ werden einem dann noch zusätzlich die Autosaves vorenthalten, weswegen man dort nur noch manuell speichern darf. Manuelle Speicherungen setzen jedoch sogenannte Betamax-Tapes voraus, welche relativ großzügig im Appartement verteilt liegen. Diese kann man freilich nur an entsprechenden TV-Apparaten aktivieren.

Ob das bisschen Bonusmaterial jedoch einen zweiten und dritten Spieldurchlauf von Sense不祥的预感: A Cyberpunk Ghost Story rechtfertigt, muss jeder selbst entscheiden.

Grafik und Sound

Sense nutzt die Unity-Engine und stellt die Spielwelt im 2.5D-Stil dar. Die Charaktermodelle sind puppenhaft animierte Manga/Anime-Zeichnungen, während die Spielwelt in einem 3D-Gerüst daherkommt, welches aber ebenfalls mit gezeichneten Artworks arbeitet. Innerhalb des Appartement-Gebäudes kommt jedoch, trotz des 2D-Gameplays, durchaus gutes 3D-Feeling auf. Auch die finstere Gruselatmosphäre wurde ordentlich umgesetzt. Das Gebäude wirkt angemessen versifft, wurde finster beleuchtet und ist angenehm detailverliebt. Der Horrorfaktor wirkt jedoch, trotz vereinzelter blutiger Szenen, vergleichsweise zahm. Jump-Scares oder einen Angstfaktor durch Schockmomente braucht man nicht wirklich zu fürchten. Das liegt vielleicht auch daran, weil die Zwischensequenzen in Artwork-Zeichnungen präsentiert werden.

Trotzdem wird unterm Strich eine gute Gruselstimmung vermittelt sowie eine finstere Atmosphäre aufgebaut. Es muss ja auch nicht immer Hauruck-Horror sein. Das eigentliche Problem ist natürlich, dass sich die gruselige Ortschaft mit den Anime-Titties der Protagonistin beißt. Mehr will ich zu diesem Thema auch nicht sagen, da ich dann doch zu viel Spaß mit der „Cosplay“-Option hatte.

Der Soundtrack dient in erster Linie dazu Atmosphäre aufzubauen. Prägnante Melodien, welche man sich auch gerne außerhalb des Spiels anhört, sollte man nicht erwarten. Die Tracks leisten einen soliden Job Grusel- oder eben Cyberpunkstimmung zu erzeugen, auch wenn die Cyberpunk-Tracks nur selten Gebrauch finden. Es ist ein solider Ambient-OST, aber keiner, der einen Preis gewinnen würde.

Eine Sprachausgabe ist vorhanden, wird aber nur sehr sehr spärlich eingesetzt. Mei und einige Geister geben manchmal knappe Sätzchen von sich oder Dinge wie eine Nachrichtensendung oder ein Anrufbeantworter werden synchronisiert vorgetragen, aber mehr nicht. Interessant ist jedoch, dass man für diese Sprachausgabe variierende Sprachen verwendet. So wird der Telefon-AB in chinesischer Sprache vorgetragen, während sich die erlöste Frisörin in japanischer Sprache bedankt. Mei selbst spricht hingegen hauptsächlich englisch. Diese ungewöhnliche Maßnahme trägt überraschend viel zur Atmosphäre bei.

Was den Bildschirmtext anbelangt, lässt Sense不祥的预感: A Cyberpunk Ghost Story leider eine deutsche Übersetzung vermissen. Englischkenntnisse sind also von Vorteil.

Pro & Kontra

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Pros
  • die Automatisierungen bei den Hotspots und im Inventar machen das Spiel interessant für Adventure-Einsteiger
  • erzeugt wider Erwarten eine gute Gruselatmosphäre
  • gewährt interessante Einblicke in fernöstliche Kulturkreise
  • nettes Zusatzmaterial

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Cons
  • die Automatisierungen bei den Hotspots und im Inventar machen das Spiel uninteressant für Adventure-Profis
  • ultraprimitives Kampfsystem
  • ist eine kleine Mogelpackung. Sense ist ein Horror- und kein Cyberpunk-Spiel
  • nervige Backtracking-Einlagen

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Spiel Bewertung
Singleplayer
67
67
-
Multiplayer

FAZIT

Sense ist eines dieser Spiele, bei dem die größte Stärke auch gleichzeitig der größte Schwachpunkt ist. Das Adventure bemüht sich um Einsteigerfreundlichkeit, indem viele Dinge wie Hotspotanzeige und Inventarrätsel quasi automatisiert werden. Hierdurch werden Neulinge sehr behutsam ins Genre eingeführt und sind nicht gezwungen an jeder zweiten Ecke zur Komplettlösung zu greifen. Auf der anderen Seite schließt diese Maßnahme jedoch erfahrene Genre-Kenner aus, denn welcher gestandene Adventure-Veteran lässt sich schon gerne die Inventar-Verwaltung aus der Hand nehmen? Hier wäre es klüger gewesen so etwas wie verschiedene Schwierigkeitsgrade anzubieten, mit denen man entscheiden könnte, ob man die Automatisierungen annimmt oder die Dinge nicht doch lieber eigenständig regelt. Im Vergleich dazu wirken alle anderen Aspekte fast schon vernachlässigbar, wobei es natürlich ein offenes Geheimnis ist, dass Dinge wie (schlechte) Kampfsysteme bei Adventure-Spielern sehr unbeliebt sind und exzessives Backtracking im generellen eine eher verpöhnte Angelegenheit ist. Wer derartige Macken akzeptieren kann, bekommt dafür jedoch eine gelungene Gruselatmosphäre, interessante Einblicke in fremde, fernöstliche Kulturkreise und dicke Anime-Titten.

- Von  Volker

Playstation 4
Xbox One
MS Windows
PlayStation Vita
Mac OS X
Nintendo Switch

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USK 0 PEGI 12

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