Beyond the Infinite Two Minutes REZENSION
Es erscheint auf dem ersten Blick nahe liegend One Cut of the Dead (2017) zu erwähnen, wenn man über Beyond the Infinite Two Minutes (2020) spricht. Die Gemeinsamkeiten beginnen beim Produktionsland Japan, gehen über zur Tatsache, das beide Filme mit einem absurd kleinen Budget und einem fast schon familiär agierenden Team vor und hinter der Kamera realisiert wurden, auf Festivals gefeiert und durch Mundpropaganda weltweit zu Kultphänomenen avancierten. Nicht zuletzt der vermeintlich zentrale Kniff des „one shots“, also der Aufnahme am Stück, scheint die Filme zu einen, auch wenn weder der eine noch der andere Film wirklich ohne Unterbrechung gedreht wurde. Aber die Illusion wird bei beiden Filmen ziemlich eindrucksvoll aufrecht erhalten. Inhaltlich könnten beide Filme aber kaum unterschiedlicher sein.
Dialoge mit dem Zukunfts-Ich
Beyond the Infinite Two Minutes spielt in Kyōto, der einstigen Hauptstadt Japans. Von den Tempeln und der wunderschönen Altstadt bekommen wir aber nicht viel zu sehen, denn der alleine Schauplatz ist ein gemütliches (und übrigens real existierendes) Café sowie ein kleines Apartment darüber. Eigentümer Kato (Kazunari Tosa) will nach einem langen Arbeitstag in seiner Wohnung entspannen, als er plötzlich sich selbst auf seinem Fernseher sieht und eine Unterhaltung beginnt. Der Kato auf dem Bildschirm behauptet zwei Minuten in der Zukunft zu existieren und tatsächlich handelt es sich nicht um einen schlechten Scherz oder eine Wahnvorstellung.
Aus dieser denkbar einfachen und in den ersten zwei Minuten servierten Prämisse, entspinnt sich in den kommenden 70 Minuten ein aberwitziges, teilweise absurdes und bizarres Schauspiel. Dieses wirft uns nicht nur einen herrlich trockenen, immer wieder aber auch albernen Humor um die Ohren, sondern lässt gleichzeitig auch echte wissenschaftliche Konzepte bezüglich Zeitreisen sowie die eigenen Theorien von Drehbuchautor Makoto Ueda (u.a. Night Is Short, Walk On Girl) diesbezüglich auf sich los.
Ein wunderbares Vergnügen
Mittlerweile habe ich Beyond the Infinite Two Minutes ganze drei Mal gesehen. Mein Eindruck nach dem ersten Mal lässt sich mit „wie haben die das gemacht?“ zusammenfassen, beim zweiten Mal dachte ich mir stets „Respekt“ und beim dritten Mal war ich endgültig ein Fan. Der Film funktioniert und begeistert auf mehreren Ebenen. Vor allem die Regie von Junta Yamaguchi mit ihren nahezu perfekten Anschlüssen hat es mir angetan. Wüsste ich es nicht besser und hätte mir nicht das Making of angesehen, würde ich nach wie vor felsenfest glauben, die 70 Minuten wurden in einem Take abgedreht. Die Schnitte sind derart geschickt, die Kontinuität derart fließend das man nicht nur als Filmfan eine schiere Freude an der Inszenierung hat.
Und obwohl die Geschichte vergleichsweise simpel ist, so baut der Film eine angenehme Komplexität auf und stellt durchaus spannende Fragen. Tatsächlich habe ich beim ersten Mal noch nicht alles verstanden, was mir der Film eigentlich genau sagen will, und dennoch macht schon die Erstsichtung enormen Spaß. Auch da der Film wunderbar funktioniert, wenn man sich einfach fallen lässt. Ein weiterer Bestandteil ist natürlich auch der Humor, der für mich wunderbar gezündet hat. Ob man ein einigermaßen gutes Verständnis für japanischen Humor haben muss, um hier Freude zu haben, vermag ich nicht zu sagen. Stellenweise mag Beyond the Infinite Two Minutes überdreht erscheinen, aber das muss man halt ebenso akzeptieren, wie das alle Figuren von der ersten Minute an kaum einen Zweifel an den Fernseher haben, mit dem sie zwei Minuten in die Zukunft bzw. in die Vergangenheit schauen können.
Der wichtigste Aspekt, der in meinen Augen zu diesem wunderbaren Seherlebnis beiträgt, ist aber das Team. Bis auf wenige Ausnahmen besteht das Team vor und hinter der Kamera aus Mitgliedern des Künstlerkollektivs Europe Kikaku. Lokal ist die Gruppe vor allem auf der Theaterbühne bekannt und bereits seit vielen Jahren eingespielt. Und das merkt man sofort. Zum einen harmonieren alle Figuren bzw. deren Darsteller wunderbar miteinander, zum anderen passt das im Theater beheimatete Schauspiel perfekt zum Konzept und zur Ausführung des Story.
Das Making of ist ein must see!
Fast genauso gut wie der Film selbst, ist das Making of, welches man auf der Blu-ray bzw. der DVD findet. Hier werden die verschiedenen Konzepte näher erläutert, man sieht das Team beim Lesen des Drehbuchs, bei den Proben und den tatsächlichen Aufnahmen. Und man sieht eben auch, wie harmonisch das gesamte Team miteinander agiert – das alleine ist schon Wohlfühlkino pur. Auch das Interview mit Regisseur Yamaguchi ist für das weitere Verständnis empfehlenswert.
Die Heimkinoauswertung durch die Busch Media Group kommt in zwei Varianten daher, einmal als DVD und einmal als Mediabook mit dem Film auf Blu-ray und DVD. Das Mediabook selbst ist ein echter Hingucker und enorm wertig und bietet mit einem Essay zum Film, dem Thema Zeitreisen und der Entstehungsgeschichte von Beyond the Infinite Two Minutes weitere spannende Einblicke.
Adrian sagt:
Beyond the Infinite Two Minutes ist einer dieser Filme, über die man im vornherein gar nicht so viel wissen sollte. Am besten schaut man sogar in den Trailer nur mal kurz rein, um einigermaßen abzuklären, ob einem der Film zusagen könnte oder nicht. Wer aber bereits an dem mehrfach erwähnten One Cut of the Dead Spaß hatte, wird auch hier eine gute Zeit haben – auch wenn beide Filme inhaltlich doch ziemlich andere Wege gehen.