Scrap Riders REVIEW

Scrap Riders ist nach „Vaccine War“ bereits das zweite Spiel des spanischen Indie-Entwicklers Games For Tutti. Es handelt sich hierbei um einen sehr ungewöhnlichen Mix aus Point & Click-Adventure und Beat’em Up. Zwei Genres, die eigentlich nicht unterschiedlicher sein könnten. Da mir jedoch beide Spielgenres gut gefallen, machte mich dieses Konzept eher neugierig, als mich abzuschrecken. Die meisten Spieler sehen das jedoch scheinbar anders, denn Scrap Riders hat seit seiner Veröffentlichung am 09. Januar 2023 für PC und Switch keine große Aufmerksamkeit erhalten. Ob zu unrecht oder nicht, soll folgender Test aufzeigen.

Der harte Alltag einer halbwegs ehrbaren Motorrad-Gang

Scrap Riders versetzt uns in eine düstere Cyberpunk-Zukunft der Erde. Wir schreiben das Jahr 2784. Inmitten des trostlosen Ödlands liegt die Megastadt Uber City, welche unter der Knute des skrupellosen Konzerns „Weltverbesserer GmbH“ steht. Das Leben im Ödland ist aber auch nicht viel angenehmer, denn dort kämpfen Mutanten und Gangs ums tägliche Überleben.
Man übernimmt die Rolle der sorglosen aber schlagkräftigen Dumpfbacke Rast. Dieser ist Mitglied der Scrap Riders, einer fünfköpfigen Motorrad-Gang, welche das Glück hat ein Luftschiff als Heimat und Operationsbasis zur Verfügung zu haben. Dank des Luftschiffs können die Scrap Riders ihre Brötchen auf ehrliche Weise verdienen, indem sie Lieferdienste anbieten.

Dummerweise wurde die letzte Lieferung geraubt. Bei der gestohlenen Ware handelt es sich um einen sogenannten Deuterium-Störer. Ein Stück Technik, welches unter anderem benötigt wird, um Luftschiffe in Betrieb zu nehmen. Das Teil sollte zur Mutantenfamilie Baker geliefert werden, die im Voraus gezahlt haben. Doch nun befindet sich ein Typ namens Rotte in Besitz des Störers. Die Tatsache, dass Rotte als Bindeglied zwischen der brutalen Black Warriors-Gang und der Weltverbesserer GmbH dient, verkompliziert die ganze Sache erheblich.
Um den guten Ruf der Gang zu wahren, wird beschlossen den Deuterium-Störer aus dem eigenen Luftschiff auszubauen und an die Bakers zu liefern. Danach soll Uber City infiltriert werden, um den Black Warriors, der Weltverbesserer GmbH und Rotte mal ordentlich in den Arsch zu treten. Rast und sein Robo-Kumpel 50N1 haben nun also eine Menge Detektiv- und Prügelarbeit vor sich, um den Deuterium-Störer zurückzuerobern.

Die Story von Scrap Riders ist also nichts weltbewegendes, gestaltet sich jedoch als grundsolide Ausgangslage, um das schräge Abenteuer zu rechtfertigen. Da sich die Entwickler von den Lucas Arts-Adventures haben inspirieren lassen, nimmt sich das Spiel auch nicht zu ernst und entschärft das harte Setting mit einem witzig-charmanten Artstil, schrulligen Charakteren und Anspielungen auf Filme und dergleichen. Dennoch sollte man sich zweimal überlegen, ob man Scrap Riders in Kinderhände gibt. Das Spiel geizt nicht mit derben Kraftausdrücken und scheut auch nicht davor ein paar erwachsene Themen zumindest anzuschneiden.

Tatsächlich leidet Scrap Riders unter einer kleinen Identitätskrise. Für ein kinderfreundliches Lucas Arts-Adventure ist es zu hart und schroff, und für einen rauen postapokalyptischen Cyberpunk-Thriller zu zahm und ulkig. Aber diese Problematik der Identitätskrise macht sich ja auch im Gameplay bemerkbar.

Oberflächlicher, dialoglastiger Adventure-Teil

Bevor ich auf den eigentlichen Spielinhalt zu sprechen komme, möchte ich erst einmal einige Mängel des Spiels besprechen. Zuerst ist da das Problem, dass Scrap Riders nur einen einzigen, automatisch speichernden Speicherstand anbietet. Wenn ihr also ein neues Spiel von vorne beginnen möchtet, müsst ihr euren alten Spielstand opfern. Dies ist eine Unsitte, die ich nie verstehen werde. Selbst uralte Game Boy-Spiele haben das schon besser hinbekommen.

Darüber hinaus gibt es hier keinen Maus-Support, was sehr ironisch ist, wenn man bedenkt, dass in einem der Trailer von „Point’n Click Adventure“ die Rede ist. Unterstützt wird nur die Tastatur und Controller. Die gute Nachricht ist, dass die Steuerung über Controller für beide Spielvarianten einwandfrei funktioniert. Die Tastatur-Steuerung konnte mich jedoch nicht überzeugen, weswegen ich Spielern, welche keinen Controller nutzen können bzw. wollen von Scrap Riders abraten muss.

Der dritte Mangel, den ich an dieser Stelle abwickeln möchte, ist das Fehlen von anwählbaren Schwierigkeitsgraden. Das Spiel bietet nur einen Standard-Schwierigkeitsgrad, und die Brawler-Abschnitte ziehen nach dem ersten Spieldrittel bezüglich des Schwierigkeitsgrads spürbar an, was Neulinge oder jene Spieler, die eher auf den Adventure-Part Bock haben derbe vor den Kopf stößt.

Ich bin sicher das Spiel wird jetzt bereits den ein oder anderen Interessierten verloren haben, aber für diejenigen unter euch, die immer noch da sind, wollen wir jetzt auf das eigentliche Gameplay zu sprechen kommen. Zunächst gehe ich auf den Adventure-Teil ein. Da ja keine Maussteuerung zur Verfügung steht, dirigiert ihr Rast direkt mit D-Pad oder WASD durch die Screens. Nähert ihr euch einem Hotspot aktiviert sich ein kleines Pfeil-Icon, welches als eine Art automatische Semi-Hotspotanzeige fungiert. Per Knopfdruck kann man jetzt mit dem Hotspot interagieren, was ein kleines Auswahlmenü aufruft. Dieses bietet die drei selbsterklärenden Aktionsmöglichkeiten betrachten, ansprechen, oder interagieren/einsammeln.

Gesammelte Gegenstände landen in einer Inventarleiste, die man per Knopfdruck aufrufen kann. Dort kann man Gegenstände untereinander kombinieren, was aber nur selten erforderlich ist. Natürlich wollen die Items dann an richtiger Stelle eingesetzt werden, um Problemstellungen zu lösen und voranzukommen.

So weit so klassisch, jedoch ist es nur selten erforderlich Inventar- und Hotspoträtsel zu absolvieren. Der Adventure-Teil legt einen wesentlich größeren Stellenwert auf Dialoge mit NPCs. Dies sorgt jedoch oftmals dafür, dass sich die Adventure-Segmente zäh anfühlen, da zu viel gelabert und zu wenig gerätselt wird. Und falls man mal nicht weiß wie es weitergeht, kann man jederzeit Rasts Robo-Kumpel 50N1 befragen, der dann in der Regel eine klare Anweisung gibt, was man wo zu tun hat, um voranzukommen – subtil ist was anderes.

Sobald man Uber City erreicht hat, öffnet sich das Spiel ein wenig, und man darf die insgesamt acht Ortschaften des Spiels frei anwählen und erkunden. Das Spiel bietet sogar Sidequests in Form optionaler Rätsel und Aufgaben an. Leider wird deren Bewältigung lediglich mit Achievements belohnt. Konkrete Belohnungen in Form von mehr Lebensenergie oder Angriffskraft für die Beat’em Up-Abschnitte wären da besser gewesen und hätten der Erkundung einen echten Mehrwert gegeben. Auch das Hacking-Minigame wirkt etwas zu oberflächlich, da es sich bei diesem lediglich um „Slippery-Tiles“-Puzzles handelt, welche nicht viel Anspruch bieten. Aber zumindest bringen sie ein klein wenig Abwechslung ins Rätsel-arme Adventure.

Abwechslungsreicher und kniffliger Beat’em Up-Part

Zunächst einmal die Info, dass Scrap Riders ein reines Singleplayer-Spiel ist. Dies ist vor allem deswegen irritierend, da Rast über weite Strecken von 50N1 begleitet wird. Da liegt die Vermutung nahe, dass der Roboter ursprünglich als Spielfigur für einen zweiten Mitspieler gedacht war. Aber wie dem auch sei.

Die Brawler-Prügeleien funktionieren sehr gut. Rast kann leichte und schwere Schläge durchführen, und diese auch für Angriffskombos kombinieren. Er kann springen und rennen und diese Fortbewegungen auch mit Angriffen garnieren. Es gibt sogar Ausfallschritte nach oben und unten. Obendrein ist Rast mit einer Pistole für Distanzangriffe ausgestattet. Diese benötigt jedoch Munition, welche nur selten von beseitigten Gegnern hinterlassen wird. Man kann auch Nahkampfwaffen wie Eisenstangen und Schwerter vom Boden aufklauben. Hiervon muss ich jedoch abraten, da die Angriffsgeschwindigkeit der Nahkampfwaffen derart niedrig ist, dass man oftmals schon einen Treffer einkassiert, ehe der Schlag mit einer Waffe ausgeführt wird. Außerdem ist der Schaden den die Waffen anrichten enttäuschend. Zu guter Letzt verfügt Rast noch über einen Spezialangriffsbalken, der sich durch erlittenen und ausgeteilten Schaden aufbaut. Ist der Balken voll, darf man auf Knopfdruck einen Spezialangriff durchführen, der massiven Schaden anrichtet. Man kann den Spezialangriff auch aus dem Sprung durchführen. Dies richtet zwar nur wenig Schaden an, verschafft dafür aber ordentlich Luft, wenn man mal wieder von einer Horde bedrängt wird.

Wie bereits gesagt, gibt es am Beat’em Up-Part eigentlich nichts auszusetzen. Abgesehen davon, dass man die Ausfallschritte auch mal versehentlich ausführt, steuern sich die Kämpfe wirklich gut. Man muss stetig entscheiden, welche Gegnertypen zu priorisieren sind, sowie in Bewegung bleiben, um zu überleben. Obendrein bieten die Brawler-Stages so einiges an Abwechslung. Es gibt Abgründe, in die man seine Gegner für einen Insta-Kill reinprügeln kann (stürzt man selbst hinein, wird viel Lebensenergie abgezwackt, also Vorsicht), lästige Fließbänder, explodierende Fässer und sogar Fallen in Form von Minen, Elektrizität oder Laserschranken. Es gibt sogar einen Labyrinth-Level, in dem man vier Schalter in einem verzweigten Areal aus Räumen, Gängen und Türen finden muss.

Das Highlight sind jedoch die Bossgegner, welche überraschend anspruchsvoll ausfallen und das Erlernen von deren Angriffsmustern und Schwachpunkten erfordern. Hirnloses draufprügeln reicht in Scrap Riders also nicht aus, wenn man überleben will. Der Haken an der Sache ist natürlich, dass der Schwierigkeitsgrad ziemlich anspruchsvoll ausfällt und entsprechende Mühe einfordert. Wer Beat’em Ups mag, wird die Herausforderung begrüßen, aber gerade in Hinblick dessen, dass Scrap Riders ja auch Adventure-Spieler ansprechen möchte, ist der hohe Anspruch der Prügelabschnitte schon irritierend. Na immerhin verzichtet das Spiel auf Extraleben und setzt relativ vernünftige Checkpoints. Mit entsprechendem Willen sollte man also gut durchkommen.

Grafik und Sound

Grafisch orientiert sich Scrap Riders am Pixellook alter Lucas Arts-Adventures wie z.B. „The Secret of Monkey Island.“ Und die Entwickler haben auch gute Arbeit geleistet diesen spezifischen Retro-Look zu emulieren. Die Ortschaften sind detailverliebt gestaltet, angenehm bunt koloriert und weisen ein überraschend hohes Maß an Abwechslungsreichtum auf. Ab und zu gibt es auch mal eine Cutscene zu begutachten, welche sich gut in den Grafikstil des Spiels einfügen.

Jetzt kann man natürlich kritisieren, dass man von einschlägigen Brawlern á la Capcom eindrucksvollere Sprites mit aufwendigeren Animationen gewöhnt ist, allerdings wurde hier nun einmal auf einen einheitlichen Grafikstil wert gelegt, und der Stil orientiert sich nun einmal an Point & Click-Adventures Anfang der 90er, und nicht an den großen Beat’em Ups der damaligen Zeitperiode. Ob das gut oder schlecht ist, entscheidet letztendlich der persönliche Geschmack. Jedenfalls weiß das Artdesign von Scrap Riders zu gefallen und weckt ebenfalls Erinnerungen an die gute alte Zeit der Lucas Arts-Adventures.

Der OST von Scrap Riders stammt von Nicolas de Ferran sowie Marc Celma und entpuppt sich als gelungener Mix aus Dark Synth und Retro-Videogame-Mucke. Die Tracks schaffen es sowohl die ruhigeren Adventure-Abschnitte, als auch die Prügelaction zu untermauern. Selbiges kann man auch über die wuchtigen Soundeffekte sagen. Prügellaute, knarrende Kettensägen und Explosionen bringen eine gute akustische Kraft mit sich, und beseitigte Gegner nibbeln mit einem Todesschrei ab. Abgesehen davon bietet das Spiel jedoch leider keine Sprachausgabe. Trotzdem kann die Akustik von Scrap Riders überzeugen.

Weniger überzeugend ist jedoch die deutsche Textübersetzung. Katastrophal ist diese zwar nicht, aber es kam einfach zu oft vor, dass einzelne Textpassagen keinen Sinn ergaben und man den Eindruck bekam, dass die Charakter nur konfuses Blech von sich geben. Und wie gesagt scheut sich das Spiel nicht davor Kraftausdrücke wie „Ficken“ und „Scheiße“ zu verwenden. Solch einen Jargon gab es in den alten Lucas Arts-Abenteuern jedenfalls nicht.

Pro & Kontra

thumbs-up-icon

Pros
  • gelungene audiovisuelle Präsentation im Stil alter Lucas Arts-Klassiker
  • abwechslungsreiche und knifflige Beat'em Up-Abschnitte
  • optionale Aufgaben

thumbs-up-icon

Cons
  • die Adventure-Abschnitte sind zu dialoglastig und arm an Rätseln
  • der Schwierigkeitsgrad der Beat'em Up-Abschnitte ist vielleicht etwas zu hoch angesetzt
  • kein 2-Spieler-Koop
  • unnötige Schwächen (nur ein automatisch speichernder Saveslot, kein Maussupport, schwächelnde deutsche Textübersetzung)

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Spiel Bewertung
Singleplayer
67
67
-
Multiplayer

FAZIT

Scrap Riders schickt sich an Point & Click-Adventures und Beat'em Ups miteinander zu kombinieren. Im Endeffekt tut sich das Spiel jedoch schwer damit die beiden Genres zu verknüpfen. Die Adventure-Segmente sind zu seicht bei den Rätseln und zu dialoglastig. Tatsächlich stellt das Spiel für diese Segmente noch nicht einmal eine Maussteuerung zur Verfügung. Soviel also zum Thema „Point & Click.“ Die Brawler-Abschnitte funktionieren zwar sehr gut, ziehen jedoch nach dem ersten Spieldrittel beim Schwierigkeitsgrad tüchtig an, was jene Spieler ausschließt, die eher Bock auf den Adventure-Part haben und nur mal ins Brawler-Genre reinschnuppern wollen. Wer sich bei den Prügeleien nicht anstrengt, wird hier jedenfalls nicht viel Land gewinnen. Aber auch die Brawler-Fans werden mit Scrap Riders nicht vollauf glücklich werden, da in den Adventure-Abschnitten mehr gelabert wird als in einem richtigen Point & Click-Adventure, weswegen das Spiel sogar auf Adventure-Fans unangenehm zäh wirken kann. Sorry, aber die Mischung haut einfach nicht hin. Und diese Aussage stammt übrigens von jemandem der beide Genres gerne mag. Ich gehöre also zur primären Zielgruppe von Scrap Riders. Aber im Leben passt halt nicht alles zusammen. Letztendlich ist Scrap Riders eine nette Idee, die durchaus sauber umgesetzt wurde und spielbar ist. Aber vollwertiger Spielspaß will sich nicht so recht einstellen. Da zock ich die beiden Genres doch lieber getrennt voneinander.

- Von  Volker

Die beiden Genres passen nicht wirklich gut zusammen.
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