Secret of Evermore REVIEW

Secret of Evermore dürfte wohl eines der interessantesten Spiele aus dem Hause Squaresoft sein. Der Grund hierfür ist aber eigentlich recht banal, denn es ist das bis dato einzige Spiel, welches von einer US-Amerikanischen bzw. westlichen Entwicklungsabteilung des japanischen RPG-Giganten kreiert wurde. Tatsächlich war der Plan ein Spiel zu erschaffen, welches sich spezifisch an den westlichen Markt richtet. Folglich wurde das Spiel auch nie in Japan veröffentlicht. Und da Squares erster Versuch eines RPGs speziell für den westlichen Markt ja eine eher fragwürdige Qualität aufwies (die Rede ist von Mystic Quest Legend), war es ein kluger Schachzug für den zweiten Anlauf einfach eine Gruppe von US-Entwicklern zu engagieren. Und so erblickte Secret of Evermore am 01. Oktober 1995 in den USA das Licht der Welt und wurde am 22. Februar 1996 auch bei uns in Europa ausgeliefert.

Seinerzeit wurde das Spiel äußerst positiv aufgenommen und als eines der besten Action-RPGs für den SNES betrachtet. Dieser Tage ist der Titel jedoch etwas in Vergessenheit geraten und wird von einigen Leuten sogar schlecht geredet, da sich der Irrglaube ausbreitete, dass Secret of Evermore Schuld daran sei, dass es Trials of Mana (die Fortsetzung zu Secret of Mana) nie aus Japan herausgeschafft hat. Das ist natürlich völliger Blödsinn. Tatsächlich kann Evermore mühelos mit den großen Mana-Brüdern mithalten. Warum das so ist, erfahrt ihr im folgendem Review.

Ein Filmfan und sein Hund auf Isekai-Reise

In Secret of Evermore übernehmt ihr die Rolle eines jugendlichen Filmfans, der sich gerade einen neuen Streifen im Kino seines Heimatortes Großostheim (Podunk im US-Original) reingezogen hat. Mit im Schlepptau hat der Bursche seinen Hund. Ein Fehler wie sich herausstellt, denn die Töle hat keine Erziehung genossen und stürmt sogleich der nächstbesten Katze hinterher. Der Junge hetzt natürlich seinem Kläffer hinterher. Letztendlich finden sich die Beiden in den Ruinen einer gruseligen Villa wieder, welche vor 30 Jahren, also im Jahre 1965, von einem schrulligen Wissenschaftler namens Professor Igor Seltsam bewohnt wurde. Der Professor hat seinerzeit seine neueste Erfindung seinem engsten Familien- und Freundeskreis vorgestellt – eine Maschine welche die Wunschträume der Nutzer zu einer brandneuen Welt formen kann, welche anschließend sogar betreten und erforscht werden kann! Doch irgendetwas ging schief und der Prof samt Gästeliste verschwanden spurlos. Die Maschine ist jedoch noch intakt und wird versehentlich vom Protagonisten aktiviert. Und so werden er und sein Hund in eine Raumstation teleportiert, welche scheinbar von Igor Seltsam betrieben wird. Dummerweise werden die Beiden von einem zwielichtigen Typen namens Edgar abgefangen, der versucht die ungebetenen Gäste zu ermorden. Mit knapper Not gelingt die Flucht auf den Planeten Evermore – jene Welt, welche von der oben beschriebenen Maschine kreiert wurde.

Von jetzt an geht es darum die unbarmherzige Flora und Fauna Evermores zu überleben und irgendwie den Weg zurück nach Hause zu finden. Unterstützung erhält der Jugendliche dabei nicht nur von seinem Hund, dessen Gestalt durch die Kräfte Evermores mehrfach an die jeweilige Ortschaft „angepasst“ wird, sondern auch von den Familienmitgliedern und Freunden des Professors, welche genauso in dieser Welt gefangen sind wie der Junge und sein Hund.

Bedenkt man den heutigen Isekai-Trend im Anime und Manga-Bereich, ist es schon ironisch, dass Squaresoft Evermore eine Veröffentlichung in Japan verweigert hat. Denn im Grunde genommen ist Evermore nichts anderes als eine Isekai-Story, also eine Geschichte über eine Person aus unserer Welt, die unverhofft in eine fremde Welt transportiert wird und nun zusehen muss, wie sie dort zurechtkommt. Natürlich richtet Secret of Evermore das Konzept an die westliche Spielerschaft aus. Der Jugendliche ist also kein Anime-Klischee, sondern ein Filmfreak, der seine Erlebnisse immer wieder mit Szenen aus schlechten Billigfilmen vergleicht, und seinen treuen Hund als besten Freund betrachtet. Hierdurch fällt es leichter sich mit dem Burschen zu identifizieren. Und die Welt Evermore ist ein spannender Mischmasch verschiedener Erdepochen. Hier gibt es also keine Elfen und Zwerge, sondern stattdessen Dinosaurier, Kulturen die unserer Antike entsprechen oder eine heruntergekommene Raumstation.

Die Spannung zu erfahren, was das Spiel einem als nächstes präsentiert ist nicht zu verachten und da sich das Spiel selbst nicht zu ernst nimmt, stört auch die gewohnt schräge Textübersetzung von Claude M. Moyse nicht so sehr wie in anderen SNES-Rollenspielen. Allerdings solltet ihr euch nicht wundern, wenn Einwohner einer mittelalterlichen Stadt auf einmal Anfangen von ranzigen deutschen TV-Sendungen wie GZSZ oder Mann-o-Mann zu erzählen.;)

Keine Koop-Option, aber dafür ein starkes Dungeondesign und ein einzigartiges Alchemie-System

Am Grundspielprinzip hat sich seit dem Vorbild „Secret of Mana“ nichts geändert. Man erforscht mit seinen beiden Spielfiguren Evermore aus der Vogelperspektive und bekämpft dabei allerlei Monster in Echtzeit, um Erfahrungspunkte und Geld zu verdienen. Monster respawnen beim verlassen und wiederbetreten eines Gebietes, weswegen Grinding nichts im Wege steht. In Dörfern und Städten quatscht man mit friedlichen NPC’s um Handel zu treiben, die Story voranzutreiben oder kleinere Tipps zu erhalten, wie es wo im Spielverlauf weitergehen soll.

Im Gegensatz zum großen japanischen Bruder, setzt Evermore beim Dungeondesign verstärkt auf Labyrinthe. Diese sind dabei in der Regel ziemlich gut aufgebaut und bieten oftmals auch ein paar Gimmicks. So rutschen wir durch ein verzweigtes System aus Wasserrohrleitungen, suchen den richtigen Weg über instablie, wegbrechende Knochenbrücken, quälen uns durch einen schier endlosen, finsteren Wald oder lösen ein paar kleinere Schalterrätsel in einer Pyramide. Jeder Dungeon wirkt frisch, spannend und herausfordernd. Solange man kein absoluter Labyrinth-Hasser ist, wird man diesbezüglich eine Menge Spaß mit SoE haben.

Auch das aus den Mana-Spielen bekannte Gimmick die eigenen Waffen in seltenen Fällen als Werkzeuge zweckentfremden zu müssen, fand seinen Weg nach SoE. So muss man ab und zu Grünzeug mit Schwert und Axt wegsäbeln oder entfernte Schalter mit dem Speer bedienen. Dieses Spielelement bleibt aber auch in SoE sehr oberflächlich. Wobei Evermore aber ohnehin nur noch über vier Waffengattungen verfügt. Keulen/Schwerter, Äxte, Speere und die Bazooka. Mit Ausnahme der Bazooka, welche jedoch ohnehin Munition erfordert, kann man jede Waffe bis auf Stufe 3 hochleveln. Höhere Waffenlevel schalten aufladbare Spezialangriffe frei, welche ordentlich reinhauen. Da dies nur bis Stufe 3 geht, ist die quantitative Anzahl dieser Spezialangriffe deutlich geringer als in Secret of Mana, wo man bis Stufe 9 hochleveln konnte (von der Reduzierung der Waffengattungen ganz zu schweigen). Jedoch war die Aufladezeit für höhere Spezialangriffe in Mana ohnehin viel zu lang, weswegen es die richtige Entscheidung war hier Einschränkungen vorzunehmen und das System somit zu entschlacken.

Natürlich verwendet Evermore dasselbe Echtzeit-Kampfsystem wie Secret of Mana. Angriffe sind an ein Konditionssystem gekoppelt. Nach einem Angriff, oder auch nach einem Sprint, muss sich die Spielfigur erst einmal für 2-3 Sekunden erholen, bevor sie wieder mit voller Kraft zuschlagen kann. Dadurch wird verhindert das SoM zur stumpfsinnigen Metzelorgie verkommt, wie man sie aus Hack’n’Slay-RPG’s kennt. Im Gegensatz zu SoM fühlt sich der Kampf in Evermore etwas sperriger an. Die Gegner sind gefährlicher, hartnäckiger und erfordern mehr Präzision vom Spieler, da deren Hitboxen nicht so Großzügig gelegt sind wie in SoM. Ob das den Nahkampf in Evermore nun anstrengender oder anspruchsvoller gestaltet, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich selbst bevorzuge da eher die Handhabung von Mana, jedoch ist die Herangehensweise von Evermore auch kein Beinbruch für mich.

Beim Magie- oder besser gesagt Alchemie-System zeigte man wesentlich mehr Kreativität. Diese umfassen Angriffszauber, Heilzauber, Buffs, Debuffs und sogar spezielle Sachen zur Lösung von Rätseln. Neue Alchemie-Formeln bekommt man i.d.R. durch Dialoge mit bestimmten NPCs freigeschaltet. Einige Formeln erhält man automatisch im Spielverlauf, doch die meisten der insgesamt 34 Formeln muss man schon durch Eigeninitiative erlangen. So etwas wie MP gibt es hier nicht. Zur Wirkung der Formeln benötigt man Zutaten wie Lehm, Wasser, Essig, Kalkstein etc. Dieses Zeug erhält man entweder aus Schatzcontainern, kann sie käuflich bei Händlern erwerben, oder erschnüffelt sie mit Hilfe des Hundes in den Maps. Besonders letztere Option ist Unterhaltsam. Per Knopfdruck kann man den Hund schnüffeln lassen. Er begibt sich dann zu einem Punkt, wo man eine Zutat aufsammeln kann. Leider sind derartig platzierte Zutaten endlich, weswegen man zum effektiven Einsatz der Alchemie die meisten Zutaten über Händler erwerben muss.

Wie auch die Waffen, kann man die Alchemie-Formeln aufleveln. Bei den meisten Formeln ist dies notwendig, um deren Leistung zu steigern, denn eine ungelevelte Formel ist ehrlich gesagt sehr schwach und eher nutzlos. Nur durch exzessiven Einsatz kann man die Formeln bis auf Stufe 9 hochleveln und somit große Wirkung erzielen. Anders als in Mana gibt es hierbei keinen Story-Cap. Man kann also quasi schon frühzeitig seine ersten Formeln auf Level 9 hochgrinden und somit eine überpowerte Waffe bzw. Heilmittel schöpfen. So hundertprozentig ausgereift ist das Alchemie-System also nicht, aber es steckt trotzdem eine verdammt coole Idee dahinter, welche ich bisher noch nirgendwo anders gesehen habe.

Als kleinen Bonus gibt es obendrein noch die Zauberperlen. Verbrauchsgegenstände die man nicht kaufen kann, und mit denen man quasi wichtige Schlüssel-NPCs beschwören kann, damit diese ihre exklusiven Zauber einsetzen, welche ansonsten nicht zur Verfügung stehen. Darüber hinaus gibt es natürlich auch reguläre Heilgegenstände, deren Inventarlagerung jedoch auf maximal sechs Einheiten pro Typus begrenzt sind. Ehrensache, dass SoE dasselbe clevere Ringmenü-System wie SoM verwendet. Und auch hier darf man die K.I. seiner beiden Spielfiguren justieren, wobei diese Optionsmöglichkeit in Evermore nur in sieben Stufen zwischen Defensiver und Offensiver Verhaltensweise möglich ist. Man kann auch festlegen wie weit die K.I. den Angriffslevel bis zur Attacke aufladen soll. Generell arbeitet die K.I. absolut zufriedenstellend und deren Wegfindungsroutine wurde seit Mana spürbar verbessert.

Was sich hingegen verschlechtert hat, ist der Wegfall der Multiplayer-Option. Secret of Evermore ist ein reines Singleplayer-Spiel. Laut der Entwickler war der Multiplayer-Koop geplant, musste jedoch aufgrund Speicherplatz-Mangel gekickt werden. Schade, denn ein großer Anteil am Klassikerstatus von Secret of Mana trägt dessen Koop-Modus für bis zu drei Spieler.

Grafik und Sound

In audiovisueller Hinsicht kann Secret of Evermore voll überzeugen. Grafisch entschied man sich für einen etwas realistischeren Stil, als in anderen SNES-RPGs, womit man sich wohltuend von der Konkurrenz abhebt. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein farbloser, uncharmanter Grau-Braun-Stil verwendet wird, wie es in manch modernem Game gehandhabt wird. Nein, Secret of Evermore gelingt es eine gewisse Bodenständigkeit in die Schauplätze zu bringen, ohne jedoch den Abwechslungsreichtum, die Fantastik oder die Farbpalette zu beeinträchtigen. Da könnten sich diese modernen Grau-Braun-Spiele ne dicke Scheibe abschneiden!
Das liegt natürlich auch daran, weil Secret of Evermore sich in erster Linie aus der irdischen Hystorie und Mythologie inspiriert. Hier erforscht man prähistorische oder antike Landschaften mit Dinosauriern, Minotauren, Piraten usw. Die Maps wurden in liebevoller Handarbeit erstellt, und lassen Evermore wie aus einem Guss erscheinen. Dessen wird man sich vor allem dann bewusst, wenn man die Spielwelt im späteren Mode 7-Flug aus der Höhe betrachten kann.
Die Charakter- und Monstersprites sind liebevoll gepixelt und toll animiert. Einige der Bosssprites weisen eine eindrucksvolle Größe, sowie ein wunderbar gruseliges Design auf, und dienen folglich als Covervorlagen (Vulgor und Bastet). Die Alchemie-/Zaubereffekte gefallen mir jedoch nicht so gut, wie jene in Secret of Mana, zumal diese auf höheren Stufen nicht ihre Form wandeln. Aber schlecht sind die jetzt auch nicht.

Ein ganz wichtiger Bestandteil von Secret of Evermore ist natürlich auch der hervorragende Soundtrack von Jeremy Soule. Tatsächlich war der OST von SoE Jeremys erste Auftragsarbeit für ein Videospiel. Dieser Tage ist der US-amerikansiche Komponist eher für typische High-Fantasy-Musik á la Skyrim, Neverwinter Night oder Star Wars: KotOR bekannt. In SoE war sein Stil jedoch noch nicht festgelegt, weswegen wir einen herrlich unverbrauchten OST präsentiert bekommen, der eine spannende, mysteriöse Atmosphäre erzeugt oder das Ambiente der Dungeons verstärkt. Für mich ist der OST von Evermore eine von Jeremys besten Arbeiten, sowie einer der besten OSTs für ein SNES-Spiel (letzteres trifft jedoch auf sehr viele SNES-Games zu).

Pro & Kontra

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Pros
  • hervorragender Soundtrack von Jeremy Soule
  • tolle, unverbrauchte grafische Präsentation im westlichen Stil
  • das Alchemie-Magiesystem ist mal was anderes
  • tolles Dungeondesign

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Cons
  • keine Multiplayer-Koop-Option
  • das letzte Spielviertel wirkt gehetzt
  • nichts für Labyrinth-Hasser, da viele Dungeons sehr labyrithisch aufgebaut sind

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Spiel Bewertung
Singleplayer
88
88
Gut
-
Multiplayer

FAZIT

Unterm Strich ist Secret of Evermore ein weiterer toller Klassiker aus der SNES-Bibliothek. Das Action-RPG, welches den Gameplay-Aufbau von Secret of Mana mit einigen frischen Ideen garniert und mit einer für den westlichen Markt konzipierten audiovisuellen Präsentation gestaltet, hätte mehr Aufmerksamkeit verdient und sollte keinesfalls ignoriert werden. Zwar mangelt es dem Spiel an einer Multiplayer-Koop-Funktion und triezt den Spieler mit einigen anstrengenden, aber dafür auch spannenden Labyrinthen und Gegnern, doch kann sich das Gesamtpaket definitiv sehen lassen. Und zumindest für Einzelspieler könnte es sogar gefälliger sein als Secret of Mana, da hier einfach ein besseres Map-Design geboten wird und die Atmosphäre durch Jeremy Soules herausragenden Soundtrack beeindruckende Qualitätsstufen erreicht. Wird Zeit, das Square Secret of Evermore eine Wiederbelebung spendiert.

- Von  Volker

Völlig unterschätzter Klassiker, der mehr Aufmerksamkeit und Wohlwollen verdient.
Super Nintendo

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