Pro Evolution Soccer 2016 REVIEW
Lange Jahre galt im Geschäft der Fußball-Videospiele nur eine Marke als das Nonplusultra und die unanfechtbare Nummer eins der Simulationen um das runde Leder von der Insel. So lange, bis die kritischen Stimmen ob der marginalen Verbesserungen dieser Marke immer lauter wurden – und so lange, bis die Pro Evolution Soccer-Serie reif dafür schien, dem scheinbar übermächtigen Gegner, benannt nach einer mutmaßlich korrupten Weltfußball-Organisation, mit einem ausgefeilteren Gameplay die Stirn zu bieten. Auch dieses Jahr dürfen wir uns über einen neuen Pro Evolution Soccer-Ableger freuen. Was der zu bieten hat, lest ihr im Test.
Starke Spielmodi, schwache Lizenzen
Beim ersten Start des Spiels wird der Spieler von der schieren Anzahl an Spielmodi geradezu überrannt, bevor sich so wirklich herauskristallisiert, welche davon länger an den Bildschirm zu fesseln vermögen. Menüs und Untermenüs stellen euch aber zumindest einmal vor eine Auswahl, die es in sich hat.
Starten könnt ihr neben einem klassischen Freundschaftsspiel beispielsweise auch mit einem Turnier wie der Champions- oder der Europa League. Mit eurer Lieblingsmannschaft spielt ihr euch durch Gruppen- und K.O.-Phase, bis ihr am Ende den Pokal in die Luft recken könnt – nette Spielmodi, die die sonstige Auswahl sinnvoll ergänzen, aber nicht die Dauerbrenner, die PES zu bieten hat.
In dieser Hinsicht bedeutender ist beispielsweise der myClub-Modus. Wählt ein Team aus, gebt ihm bei Bedarf noch einen völlig eigenen Namen und baut euch nach und nach eine Mannschaft inklusive Trainer zusammen, mit der ihr euch mit Spielern aus aller Welt messt. Verdient durch verschiedene Zielsetzungen Punkte, die ihr in neue, bessere Spieler investieren könnt, und treibt die Entwicklung eurer Eleven voran, indem ihr sie in zahlreichen Spielen immer mehr Erfahrung sammeln lasst. Oder fragt eure Eltern um Geld, investiert das in Coins und kauft von denen alles, was ihr wollt. Gerade dieses Investieren in Coins ist leider Gottes inzwischen zeitgemäß, ist bei einem Spiel, für das schon ein Vollpreis auf den Tisch gelegt werden muss, aber auch auf jeden Fall zu hinterfragen. Positiv ist der Eindruck diesbezüglich jedenfalls nicht – aber da auch ohne Weiteres darauf verzichtet werden kann, hält sich hier die Kritik in Grenzen. Ansonsten bietet der myClub-Modus durch die kontinuierliche Weiterentwicklung eures Teams sowie die individuell verschiedenen Gegner, die sich mit euch messen werden, eine bemerkenswerte Langzeitmotivation.
Darüber hinaus könnt ihr natürlich auch in anderen Spielmodi gegen den Computer antreten – so etwa im Werde-zur-Legende-Modus, in dem ihr die Karriere eines einzelnen Spielers verfolgt, oder in der Meisterliga. Bei letzterer handelt es sich wohl um den Modus, den jeder Fußballsimulationen-Veteran schon kennt: Wählt eine Mannschaft aus, bestreitet Spiele in deren Liga, dem Pokalwettbewerb und ggf. den internationalen Spielen, treibt deren Entwicklung voran und verstärkt euer Team mit neuen Spielern, die euch am Ende zum Titel schießen.
An dieser Stelle fällt dann auch besonders das altbekannte Problem der (teilweise) fehlenden Lizenzen auf. Ganz so schlimm wie früher ist es inzwischen nicht mehr: Die allermeisten Spielernamen sind nun tatsächlich aus der Realität übernommen. In der deutschen Nationalmannschaft sprintet ihr also nicht mehr mit Pomatski, sondern tatsächlich mit Podolski den Flügel entlang. Die Vereinslizenzen hingegen sind zu einem größeren Teil unvollständig. Die Anzahl der echten Vereinsnamen und -logos variiert von Liga zu Liga sehr, auch wenn die Spielernamen zumindest dennoch die echten bleiben. Die französische Ligue 1 ist beispielsweise komplett enthalten, in der englischen Liga ist Manchester United das einzige „echte“ Team, die Bundesliga ist als solche nicht vertreten – die einzigen deutschen Clubs sind der VfL Wolfsburg, der FC Bayern München und Borussia Mönchengladbach. Wollt ihr mit einem dieser Teams an einem Ligabetrieb teilnehmen, müsst ihr euch mit diesem einer ausländischen Liga anschließen.
Die fehlenden Lizenzen waren schon immer das große Problem der PES-Serie – wie stark dies ins Gewicht fällt, bleibt am Ende jedoch dem Spieler selbst überlassen. Wer sich wirklich daran stört, dass der ein oder andere Vereinsname nicht stimmt, wird hier und da möglicherweise schon etwas enttäuscht sein. Ich für meinen Teil war ganz zufrieden, als Nationalmannschaftscoach Malis und Trainer des VfL Wolfsburg in der zweiten englischen Liga zu kicken, denn die entscheidenden Parameter in einer Fußballsimulation sind für mich andere.
Am Ende macht PES aber natürlich wieder am meisten Spaß, wenn man es mit Freunden gemeinsam zockt – und wenn wir mal ehrlich sind: Läuft es da am Ende nicht ohnehin fast immer auf dieselben zwei Teams raus? Ihr seht: Die Frage nach der Relevanz fehlender Lizenzen muss individuell beantwortet werden.
Gameplay der Extraklasse
Wer jemals einen PES-Anhänger gefragt hat, warum er statt FIFA denn zu PES greife, wird vermutlich oftmals als Antwort gehört haben, dass das Gameplay einfach ein besseres sei. Wer Pro Evolution Soccer 2016 zockt, wird nachvollziehen können, wie das gemeint war.
In die taktischen Finessen werdet ihr schon früh im Spiel eingeführt. Schon vor Spielbeginn könnt ihr das Offensiv- und Defensivverhalten eurer Mannschaft konfigurieren, um mit einer klugen Strategie das Beste aus eurem Team herauszuholen. Wem solche Geplänkel zu viel sind, ist darauf andererseits auch nicht angewiesen: Ganz klassisch eine Formation vorzugeben und sich an den taktischen Voreinstellungen der Entwickler zu orientieren geht schnell und bietet euch stets ein gutes Grundgerüst, um euch über den Platz zu zaubern.
Im Spiel selbst geht die Steuerung dann wunderbar von der Hand. Präzise und beinahe millimetergenau könnt ihr eure Spielzüge ausspielen und eure Fußballphilosophie verfeinern, mithilfe derer ihr den Ball im gegnerischen Tor unterbringen wollt, während ihr den eigenen Kasten sauber haltet. Es scheint stets, als könntet ihr jede noch so kleine Nuance selbst beeinflussen – und genau das ist es, was ein Fußballverrückter in einem solchen Spiel erleben will, denn am Ende gibt es nichts Schöneres, als einen gut geplanten Spielzug durchzuspielen und den Ball erfolgreich im gegnerischen Tor unterzubringen. Einziger Kritikpunkt an der Steuerung ist die mangelhafte Einführung in die Steuerung via Tastatur – für mich zwar zu verschmerzen, da das Gamepad angeschlossen war, aber wie das von der Hand ginge, wäre dennoch einmal interessant zu wissen gewesen.
Stichwort Tore: An dieser Stelle ist es schwer zu beurteilen, ob es an der von mir favorisierten Spielphilosophie des „Schaafismo“ liegt, oder ob es sich generell um eine Eigenheit von PES 2016 handelt – doch ich hatte immer stark den Eindruck, als würden sehr viele Tore fallen. Weniger als drei waren es in den zahlreichen Spielen, die ich absolviert habe, nie – von einer etwaigen Nullnummer müssen wir schon gar nicht sprechen. Typische Ergebnisse gingen eher in Richtung eines 4:2 oder fielen anderweitig hoch aus. Tore sind zwar das, was wir uns vor allem vom Fußball wünschen, aber bei einer realistischen Fußballsimulation sollte andererseits auch dieser Faktor stimmen. Ganz aus der Luft gegriffen und nur auf meine Spielweise zu reduzieren ist dieser Punkt vermutlich auch deshalb nicht, weil die Torhüter des Öfteren ziemlich schwach wirken. Schüsse, die auch aus spitzen Winkeln abgegeben werden, finden doch sehr oft den Weg ins Tor, ärgerliche Abpraller aufgrund nicht festgehaltener Bälle gibt es ebenfalls en masse. Kleiner Kritikpunkt.
„Boah, die legen ja los wie die, Sie wissen schon, diese mit den roten Autos!“
Jep, es ist soweit. Im Rahmen der gesamten Präsentation müssen nun auch die Kommentatoren bewertet werden.
Auch wenn ich an dieser Stelle gerne etwas anderes vermelden wollen würde, komme ich um folgenden Satz nicht umhin: Für die Kommentare gibt es eine glatte Sechs. Grund dafür sind nicht nur Fremdschäm-Sprüche wie in der Überschrift, sondern auch die Tatsache, wie schnell sich diese wiederholen. Ohne Übertreibung vermutet Co-Kommentator Hansi Küpper fast in jedem Spiel, dass der Torhüter froh ist, dass er bei DEM Ball nicht noch mit der Hand heran gekommen ist. Wirklich, das ist furchtbar. Wenn bereits im allerersten Spiel, das ich in PES 2016 absolviere, die Kommentatoren schon so sehr nerven, ist das unmöglich ein gutes Zeichen. Weiter getrübt wird der Eindruck durch viele schlichtweg falsch angebrachte Kommentare. Häufigstes und auffallendstes Beispiel hierfür ist, wenn Marco Hagemann ein Tor eines Spielers vermeldet, der gerade vorbeigeschossen hat.
Ansonsten ist die Präsentation allerdings ordentlich. Die Spieler sind sehr realitätsgetreu abgebildet und lassen sich mühelos identifizieren. Das Spiel selbst läuft flüssig und sieht soweit auch ganz schick aus. Wirklich hässlich ist nur das Publikum, dem die einzelnen wiederkehrenden Strukturen deutlich anzusehen sind – da wäre in der heutigen Zeit mehr drin gewesen. Ansonsten ist die Akustik sowohl in Sachen Stadionatmosphäre, als auch Menümusik gelungen. Nettes Feature: In der Halbzeitpause wird die Menümusik von PES 2016 modifiziert, sodass sie wie live im Stadion abgespielt klingt. Solche Kleinigkeiten sind es, die das Look and Feel eines solchen Spieles abrunden.