Pokémon Let´s Go, Pikachu! REVIEW
Endlich ist es soweit, das erste mehr oder weniger vollwertige Pokémon-Spiel hat es auf eine der großen Nintendo-Konsolen geschafft. Zuvor wurde von Entwicklerseite aus lange betont, dass die klassischen Teile der Pokémon-Reihe eine Handheld-Erfahrung bleiben sollen. Nun hat man mit der Switch eine Hybridkonsole und so führte scheinbar kein Weg mehr vorbei an einer Umsetzung für diese Konsole. Bei Pokémon Let´s Go, Pikachu! und Pokémon Let´s Go, Evoli! handelt es sich um Remakes der allerersten Generation Pokémon-Spiele, die in Europa als Blaue und Rote, bzw. Gelbe Edition erschienen. Gerade deshalb ist es als Fan der ersten Stunde gar nicht so einfach den nun vorliegenden neuen Titel Pokémon Let´s Go, Pikachu! zu bewerten, ohne andauernd in die Nostalgiefalle zu tappen. Ich werde versuchen zu verhindern zu viel auf das “Was-wäre-wenn” und die eigenen Wunschvorstellungen einzugehen, die viele Fans momentan zu heißen Diskussionen antreiben und stattdessen das Spiel weitestgehend isoliert betrachten. Ganz wird das aber natürlich nicht möglich sein, denn immerhin handelt es sich nunmal um ein Remake. Ein paar Worte zu den Dingen, die übernommen oder verändert wurden, müssen daher sein, und damit fange ich nun auch an.
Eine (teilweise) neue Spielmechanik
Die offensichtlichste Neuerung in Pokémon Let´s Go, Pikachu! ist die Implementierung der aus dem Smartphonespiel Pokémon Go bekannten Mechanik zum Fangen von Pokémon. Trifft man auf ein wildes Pokémon muss man dieses nicht mehr wie in früheren Teilen durch einen Kampf schwächen, bevor man auf Knopfdruck einen Ball wirft, sondern kann direkt den JoyCon schwingen oder im Handheld-Modus per Bewegungssteuerung auf das Taschenmonster zielen. Unsere Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhen können wir nur, indem wir einen besseren Ball auswählen (Pokéball, Superball, Hyperball, usw.) oder dem Pokémon eine Himmihbeere zu fressen geben. Außerdem ist es ratsam den zur Mitte kleiner werdenden Zielkreis genau zu treffen, wenn er möglichst klein ist. Das ist im Handheld-Modus, in dem man das Pokémon eben nur mittig positionieren muss, bevor man auf Knopfdruck wirft, weitaus einfacher. Mit dem JoyCon kommen leider ab und an unerklärlicherweise auch ziemlich krumme Würfe zustande. Ähnlich ist die Bewegungssteuerung mittels Pokéball Plus. Es bedarf schon ein paar Übungswürfe, um ein „Einfach Fabelhaft“ auf den Bildschirm gezaubert zu bekommen. Dafür ist mit der integrierten Beleuchtung und dem Sound das Feeling eines Fangs optimal gegeben.
Das Kampfsystem, welches nun eben nur noch bei Trainerkämpfen (und einigen wenigen größeren Pokémon) zum Einsatz kommt, ist aber gleich geblieben. Haben wir ein Pokémon gefangen erhalten alle Pokémon in unserem Team Erfahrungspunkte. Nach einem Kampf erhalten ebenfalls Alle Erfahrung, die eingesetzten Pokémon aber deutlich mehr. Ein gezieltes trainieren einzelnen Pokémon ist so nur noch durch Trainerkämpfe möglich. Nimmt man ein neues Pokémon auf einem Level der niedriger ist, als der der meisten im Team, ist es so schon etwas mühselig zu versuchen den Level anzugleichen.
Alte Bekannte in der Kanto-Region
Im Bezug auf die Geschichte führt uns Pokémon Let´s Go, Pikachu! genauso wie Pokémon Let´s Go, Evoli! in die Kanto-Region. Das ist die allererste Region in der ein Pokémon-Spiel, bzw. parallel der Anime spielte. Hier sind vor allem die ersten 150 Pokémon zu finden, mit denen die Pokémon Company 1996 das Franchise startete. Die Geschichte des jungen Pokémon-Trainers, der loszieht, um Informationen für den Pokédex zu sammeln und acht Arenaorden zu erhalten, um an der Pokémon-Liga teilzunehmen, wird auch hier wieder erzählt. Einziger Unterschied, der direkt zu Spielbeginn zu Tage tritt: Wir können nun auch eine weibliche Hauptfigur auswählen. Weitere Figuren innerhalb der Welt, durch die sich auch die Story zusammensetzt, sind überwiegend gleich geblieben. Wir begegnen auf den Routen zwischen den Städten unterschiedlichen Trainertypen, wie Wanderern oder Anglern, durch die sich die Typen der Pokémon, die sie einsetzen, abschätzen lassen. In den meisten Städten gibt es dann eine Arena mit einem besonders starken Trainern oder Trainerinnen und einem Arenaleiter oder eine Arenaleiterin. Besiegen wir diese, erhalten wir einen Orden und können weiterziehen. Dann begegnet uns aber auch immer wieder das fiese Team Rocket, dem jedes Mittel (auch das Quälen von Pokémon) Recht ist, um Macht an sich zu reißen. Wir sind natürlich mutig genug, und “überraschend” gut im Umgang mit Pokémon und stellen uns dem entgegen.
Im Grunde ein RPG
Prinzipiell ist Pokémon Let´s Go, Pikachu! ein RPG, trotz der Vereinfachung der Fangmechanik und dem damit verbundenen Wegfall einiger Möglichkeiten zu Kämpfen. Dennoch stehen die Pokémon-Kämpfe im Mittelpunkt des Spiels. Jedes Pokémon kann bis zu vier Attacken erlernen, die genau wie das Pokémon selbst, einen Typ haben können. Typen sind elementare Klassen, die angeben, ob eine Attacke sehr effektiv, nicht effektiv oder gar wirkungslos auf ein anderes Pokémon ist. Diesbezüglich setzen die zwei neuen Teile nun nicht auf die Vorlage, sondern schließen an die letzten Teile der Reihe an. Dort kam nämlich der neue Typ “Fee” dem auch einige Pokémon der Kanto-Region angehören.
Aber warum nur “im Grunde ein RPG”? Nun, Pokémon Let´s Go, Pikachu! ist wahnsinnig leicht. Zwar gibt es weitere RPG-typische Elemente, wie verschiedene Statistikwerte (Angriff, Verteidigung etc.) oder Statusveränderungen im Kampf (Vergiftung, Paralyse etc.), jedoch tut das Spiel alles dafür, um die Auswirkungen derartiger Elemente so gering wie möglich zu halten. Ein genretypisches “Grinden”, also das intensive Training zwischen verschiedenen Storyabschnitten, ist eigentlich nie nötig, und durch den Wegfall der Kämpfe gegen wilde Pokémon ja auch kaum noch möglich. Gutes Balancing sagen die einen, langweilig sagen die anderen. Ich persönlich finde es immer schade, wenn ein Spiel, gerade ein RPG, nahezu keine Hürden enthält, die es zu meistern gibt, sondern sich ausschließlich auf unterbrechungsloses voranschreiten der Story konzentriert. Und genau das ist bei Pokémon Let´s Go, Pikachu! schon stark der Fall, nicht nur wegen dem niedrigen Schwierigkeitsgrad der meisten Kämpfe.
Eine zentralere Rolle nimmt hingegen das Partner-Pokémon Pikachu (oder Evoli) ein. Mit dem können wir uns nämlich auch abseits der Kämpfe beschäftigen, es streicheln, füttern und gelegentlich springt es von unserer Schulter und kommentiert seine Umgebung oder Ereignisse mit einem fröhlichen „Pika, Pika!“. Das ist rein spielerisch schon ziemlich überflüssig, aber einfach unfassbar niedlich. Auch fällt dem Partner-Pokémon jetzt die Rolle zu, sämtliche Fähigkeiten zu erlernen die ehemals durch VMs einzelnen Pokémon beigebracht werden konnten. Die Rede ist von Fliegen, Surfen, Zerschneider usw., das heißt Fähigkeiten, die im Spiel notwendig sind, um weiter in der Welt voranzukommen. Vielen Spielern war es ein Dorn im Auge, dass man einen wertvollen Attackenplatz seiner Team-Pokémon für eher Schwache Attacken wie Blitz verbrauchen musste. Das hat man nun geändert und Pikachu lernt all diese Fähigkeiten, ohne, dass sie Attacken darstellen. Für Viele mag das ein Gewinn sein. Ich persönlich finde das auch wieder etwas zu vereinfachend gedacht. Gerade die Fähigkeit Lichtflut, die dunkle Orte erhellt, ist jetzt einfach ab der ersten Notwendigkeit direkt verfügbar und die dunkelste Höhle automatisch erhellt. Aber warum ist diese dann überhaupt erst dunkel, wenn wir keinerlei Hindernis haben, sie zu erhellen? Dies ist eine von vielen Vereinfachungen, die ich etwas unglücklich finde.
Erst das Problem, dann die Lösung (geschenkt!)
Denn, was Pokémon Let´s Go, Pikachu! sehr gerne tut, ist das Stellen von Aufgaben und das Lösen derer im selben Atemzug, ohne dem Spieler oder der Spielerin überhaupt die Möglichkeit zu bieten, selbst zu rätseln oder an der Lösung eines Problems zu arbeiten. Wieder und wieder begegnen uns zum Beispiel Jesse und James, der bekannteste Teil Team Rockets, aber nur, um “rein zufällig” eine Unterhaltung mit anzuhören, wo wir wohl als nächstes nach ihnen suchen müssten. Oder uns wird beim Betreten der ersten Arena gesagt, dass wir ein Pflanzenpokémon vorzeigen müssen, um gegen die Gesteinspokémon des Arenaleiters zu antreten zu dürfen. Und das, obwohl doch sowohl Pikachu und Evoli ausgerechnet in diesen Spielen neuerdings sehr früh Doppelkick lernen, eine Kampf-Attacke, die die erste Arena zu einem Klacks macht. Na kar, Pokémon-Spiele waren nie sonderlich schwierig. Aber in Pokémon Let´s Go, Pikachu! fehlt nahezu vollständig die Notwendigkeit in irgendeiner Weise taktisch zu agieren oder gar zu trainieren. Zur taktischen Vereinfachung trägt zum Beispiel auch bei, dass wir jetzt alle Pokémon jederzeit bei uns tragen, nur im Kampfteam befinden sich noch immer nur sechs Pokémon. Haben wir aber ein paar mehr annähernd gleich starke Pokémon, können wir zum Beispiel in tieferen Höhlen jederzeit einfach wechseln. Das macht dann wiederum das Einkaufen von Heil-Items nahezu überflüssig. Bis nach Besiegen der vierten Arena habe ich nicht ein einziges Mal einen Markt betreten, um Einzukaufen.
Optisch kein Meisterwerk, aber in einer neuen Ära angekommen
Pokémon Let´s Go, Pikachu! und Evoli! sind wie eingangs erwähnt die ersten klassischen Pokémon-Spiele, die auf einer (auch) stationären Konsole erschienen sind. Den Übergang vom Handheld in diese neue Generation der Pokémon-Spiele sehe ich als gelungen an. Grafisch sind die Spiele keine Geniestreich, aber die Liebe zum Detail ist dafür umso deutlicher zu spüren. Negativ fallen vor allem die pixeligen Schatteneffekte auf. Wirklich schön sind hingegen die vielfältig, oft farbenfroh gestalteten Umgebungen. Zum Beispiel sehen die Arenen, die jeweils dem dort eingesetzten Pokémon-Typ nachempfunden sind, wirklich toll aus. Natürlich spielt hier dann doch der Nostalgie-Gedanke bei meiner Wahrnehmung eine Rolle, ganz zu verhindern ist das eben nicht. Denn wenn man die Designs der alten Gameboyspiele, und der späteren Remakes Feuerrot und Blattgrün noch in Erinnerung hat, ist es besonders interessant zu analysieren, wie detailgetreu viele Elemente übernommen und um neue Details ergänzt wurden. Ebenfalls sehr ansehnlich sind die neuen hier und da eingestreuten Zwischensequenzen. Schade, und für ein hauseigenes Nintendospiel extrem verwunderlich ist, dass das Spiel an manchen Stellen sonderbar ruckelt. Das ist nicht oft der Fall, aber immer an genau denselben Stellen. Ist mir eine solche Stelle aufgefallen, etwa kurz vor dem Ausgang des Vertania-Walds, konnte ich an entsprechender Stelle hin und hergehen und den Fall der Bildrate genausten Beobachten. Ging ich ein paar Schritte weiter oder zurück, verschwand der „Fehler“ schnell wieder. Tragisch ist das allerdings nicht, weil es wirklich nicht häufig vorkommt, aber von Nintendo ist man meist gerade in solchen Belangen hohe Qualität gewohnt.
Der Go Park
An einer Stelle haben die Entwickler im Hause Game Freak dann aber doch darauf geachtet, das Spiel nicht zu früh vollkommen zu vereinfachen. Den sogenannten “Go Park” kann man nämlich erst im letzten Drittel des Spiels, in Fuchsania City betreten. Hier ist es möglich die Switch mit einem Pokémon-Go-Account zu verbinden und so Pokémon aus dem Smartphone in das Konsolenspiel zu übertragen. Das funktioniert von technischer Seite absolut problemlos, ähnlich wie etwa der Tausch mit Freunden über eine lokale oder eine Online-Verbindung. In den Go Park übertragene Pokémon können dort dann gefangen werden, um sie tatsächlich dem eigenen Team oder den im Spiel verfügbaren Pokémon hinzuzufügen. Auf diese Weise kann man dann auch die einzigen zwei neuen Pokémon erhalten: Meltan und seine Entwicklung Melmetal lassen sich nur in Pokémon Go fangen. Ich bin noch etwas skeptisch ob diese Verknüpfung zweier Spieleplattformen so wirklich zukunftsweisend ist. Sicherlich möchte Nintendo hier die große Zahl der Smartphonespielenden auch an die Switch locken. Der wirkliche Anreiz sich intensiv mit dieser Funktion zu befassen, lockt letztlich aber eigentlich eher diejenigen Coregamer hervor, die wirklich restlos ALLE Pokémon sammeln wollen, denn über Pokémon Go lassen sich zum Beispiel auch die Shiny-Varianten einfacher sammeln. Einen wirklich zentralen Mehrwert für das Kernspiel hat die Funktion eigentlich nicht, aber das ist meiner Meinung nach auch gut so.
Eine Mehrspieler-Option besteht neuerdings auch. Zwar kann man mit einer zweiten Person gemeinsam durch die Welt gehen, diese ist aber für die Umwelt unsichtbar, kann keine NPCs ansprechen, keine Gegenstände aufheben usw. Lediglich in Kämpfen und beim Fangen von Pokémon kann sich der zweite Spieler oder die zweite Spielerin unterstützend mit einschalten. Das ist ganz nett, aber hält einen aber auch nicht solange bei Laune, dass man auf diese Weise wirklich das gesamte Spiel durchspielen würde.