Octopath Traveler II REVIEW
Wem eine Story alleine für ein Videospiel nicht mehr reicht – dürften es dann vielleicht gleich acht sein? Diesen Pfad hat Octopath Traveler erstmals beschritten, indem es den Spieler vor die Wahl aus acht unterschiedlichen Figuren stellte, die alle ihre eigene Geschichte mitbringen und sich, während sie ihren eigenen Interessen nachgehen, zunehmend zu einer Gruppe zusammenschließen. Angereichert mit einem aufregenden, innovativen Grafikstil war die Begeisterung bei Spielern wie Kritikern gleichermaßen groß. Nun steht mit Octopath Traveler II der Nachfolger in den Startlöchern – wie schlägt sich das achtfache RPG?
Persönliche Schicksalsschläge, unterschiedlichste Charaktere
Zu Beginn des Spiels werdet ihr mit der Frage konfrontiert, mit welchem der acht Charaktere ihr euren Weg beginnen wollt. Unterschiedlicher könnten diese kaum sein: Von der Tänzerin Agnea, die nach Berühmtheit strebt, bis hin zu Osvald, der nach einem falsch gegen ihn ausgesprochenem Mordurteil nach Rache dürstet, findet sich ein bunter Strauß an verschiedensten Charakteren. Meine Wahl fällt auf Throné, eine Diebin, die seit ihrer Geburt einer Diebesgilde angehört und sich nach Freiheit sehnt, da sie fest an die Gilde gebunden ist und dieser kaum zu entkommen vermag.
Allzu lange dauert es nicht, bis ihr andere der acht Figuren trefft. Nachdem ihr mit dem Charakter eurer Wahl das erste Kapitel abgeschlossen habt, könnt ihr euch frei in der Welt von Octopath Traveler II bewegen – wohin die Reise geht, ist allenfalls dadurch vorgezeichnet, welche Wege ihr aufgrund der starken Gegnermassen vorerst nicht einschlagt. Früher oder später taucht ihr dort auf, wo andere spielbare Charaktere ihr Zuhause haben und diese sich nach dem optionalen Spielen ihrer ersten Kapitel mit auf eure Reise begeben. Nach und nach vervollständigt sich so die Gruppe eurer Helden, wobei ihr immer nur maximal vier von ihnen in eurer aktuellen Party haben dürft, während der Rest geduldig in der Kneipe auf den Einsatz wartet. Die Offenheit der Spielwelt fällt durchaus positiv auf und auch trotz vergleichsweise sanfter Hinweise des Spiels, wohin ihr am besten als nächstes geht, fühlt es sich überwiegend so an, als würde man seine Entscheidungen frei treffen.
Individuelle Talente
Dass man über acht unterschiedliche Charaktere verfügen kann, eröffnet euch im zunehmenden Spielverlauf auch immer mehr Möglichkeiten, mit den NPCs in eurer Umgebung zu interagieren. So kann Diebin Throné tagsüber Taschendiebstahl begehen, während der Inquisitor Temenos Passanten dazu bringen kann, die Gruppe zu begleiten und ggf. auch im Kampf zu unterstützen. Nachts jedoch unterscheiden sich die Fähigkeiten und Throné kann NPCs ausknocken, während Temenos ein Verhör mit ihnen durchführen kann, um Informationen zu gewinnen. Dabei wechselt ihr selbständig per Knopfdruck zwischen Tag und Nacht – und bei acht spielbaren Charakteren, damit insgesamt sechzehn Fähigkeiten sowie Schauplätzen, die sich zwischen Tag und Nacht unterscheiden, gibt es vieles zu entdecken. Von besonders hoher Relevanz ist das zu Entdeckende zugegebenermaßen allerdings nur in Teilen und unter sehr kritischer Perspektiveinnahme könnte man den Verdacht äußern, dies diene vor allem dazu, die Spiellänge in die Länge zu ziehen – spätestens dann, wenn man mit neu gewonnenen Charakteren und Fähigkeiten wieder alte Schauplätze aufsucht, um zu überprüfen, welche neuen Möglichkeiten sich hier ergeben haben mochten.
Die acht verwobenen Pfade und die Freiheit, in welcher Reihenfolge man welche Schauplätze und Charaktere aufsucht, fallen durchaus positiv auf und sind wie im ersten Teil eine angenehme Innovation im Genre. Man kommt jedoch nicht umhin, die Probleme im Storytelling des Spiels zu bemerken, die mit diesem Konzept einhergehen: Die Geschichte wirkt insgesamt einfach nicht wie aus einem Guss, sondern oftmals deutlich erzwungen und konstruiert. Das große, gemeinsame Ziel am Ende, das sich wie zufällig ergibt, mag an dieser Stelle als Beispiel genannt sein; es fängt allerdings schon in dem Moment an, in dem sich die einzelnen Charaktere begegnen und sich nach kürzesten Dialogen darauf einigen, zusammen auf eine Weltreise zu gehen, obwohl sie grundverschieden sind und sich vor einer halben Minute das erste Mal getroffen haben. Diese Probleme beim Storytelling werden sich bei einem Spiel mit einer derartigen Konzeption, die unterschiedlichste Pfade bei gleichzeitig hoher Entscheidungsfreiheit des Spielers vorsieht, kaum vermeiden lassen – insofern ist für solcherlei Schwächen durchaus auch Verständnis aufzubringen. Dennoch handelt es sich um Probleme, die ins Auge fallen.
Angemessene Spieltiefe, routiniertes Gameplay
Von den einzigartigen Eigenschaften in Sachen Konzeption abgesehen handelt es sich auch bei Octopath Traveler II ebenso wie beim Vorgänger um ein in Sachen Gameplay absolut routiniert gestaltetes RPG: Das rundenbasierte Kampfsystem, das den meisten Spielern aus RPG-Klassikern wie Final Fantasy zumindest in ähnlicher Form bekannt sein dürfte, ist angemessen komplex und lässt strategischen Tiefgang zu. So haben die Gegner, denen ihr im Spielverlauf begegnet, stets eine bestimmte Auswahl an Schwächen gegen verschiedene Waffentypen. Findet ihr diese Schwächen und nutzt sie aus, verlieren eure Gegner Schildpunkte und lassen sich so leichter besiegen – einerseits, weil ihre Verteidigung sinkt, andererseits aber auch, weil sie eine Runde nicht angreifen können. Dazu sammeln eure Mitstreiter während des Kampfverlaufs Boost-Punkte, mit deren Hilfe ihr eure Angriffe erheblich verstärken könnt, und haben darüber hinaus latente Fähigkeiten, die für die Mitglieder eurer Party individuell verschieden sind und ebenfalls eine strategische Nuance im Kampfgeschehen darstellen. Dass die einzelnen Charaktere verschiedenen Klassen angehören und der Spieler daher von einer strategisch klugen Zusammenstellung der Gruppe profitiert, versteht sich dabei wohl von selbst. Insbesondere bei Bosskämpfen zeigt sich, dass eine sinnvolle Vorgehensweise für den eigenen Erfolg dringend zu empfehlen ist.
Die zufällig ausgelösten Kämpfe gegen Standard-Gegner stumpfen hingegen auch trotz des lobenswerten Kampfsystems schon durchaus schneller ab – in all seiner Tiefe ist das Kampfsystem an dieser Stelle auch nur teilweise relevant. Die Gegner strotzen nicht gerade vor besonders individuellen Eigenschaften und es ist früh festzustellen, dass trotz unterschiedlicher Schwächen doch im Grunde genommen alle Kämpfe nach demselben Schema ablaufen. Gleichzeitig jedoch ist der Grind in diesen Kämpfen wichtig, um auch wirklich alle freigespielten Charaktere zu leveln – insbesondere auch deshalb, weil diejenigen, die ihr in der Kneipe zurücklasst, nicht mitleveln können. Wer solchen Spielmechaniken nicht viel abgewinnen kann, könnte daher durchaus relativ schnell genervt davon sein, dass man doch einige Zeit mit vergleichsweise repetitiven Kämpfen verbringen muss. Lobenswert ist hier immerhin zu erwähnen, dass man die Spielgeschwindigkeit während der Kämpfe beschleunigen kann und ihr zumindest zwischen den Städten eine Schnellreiseoption habt, sodass ihr euch nicht lästigerweise durch die schwachen Monster eines früher bereits besuchten Gebietes kämpfen müsst, falls ihr einmal an einen zuvor aufgesuchten Schauplatz zurückkehren wollt.
Das Prunkstück: Die Optik
Was bereits im ersten Teil herausstach, ist auch bei Octopath Traveler II ein großer Trumpf: Auch der zweite Ableger sieht absolut fantastisch aus. Die innovative grafische Gestaltung im HD-2D-Stil weiß auf voller Länge zu überzeugen. Während spielbare wie nicht-spielbare Figuren im 16-Bit-Stil der RPG-Glanzzeiten gehalten sind, glänzt die Umgebung in schicker HD-Optik mit nett anzusehenden Lichteffekten. In der Summe ergibt sich ein stimmungsvoller Grafikmix, der durch die akustische Untermalung ebenso passend begleitet wird und einfach Spaß macht. Die abwechslungsreich gestalteten Schauplätze sorgen für ein stimmiges Gesamtbild, das dazu führt, dass man sich als Spieler einfach gerne durch diese Welt bewegt.
Pro & Kontra
- Grafikstil innovativ und sehr schön anzusehen
- Durchdachtes Kampfsystem mit angenehmem Tiefgang
- Reizvolle Konzeption der Geschichte
- Relativ viel spielerische Freiheit
- Die einzelnen Handlungsstränge sind überwiegend interessant…
- … aber stellenweise doch merkbar hölzern miteinander verknüpft
- Repetitives Kampfsystem in den Standard-Kämpfen