Mundaun REVIEW
Kunst ist vor allem dann faszinierend, wenn sie Bekanntes auf eine neue Weise erfahrbar macht oder gar vollkommen neue Aspekte eröffnet. Ich gestehe: abseits eines oberflächlichen Allgemeinwissens weiß ich eigentlich nicht sehr viel über die Schweiz, was mich beim genaueren Nachdenken doch überrascht hat, da Deutschland und sein Nachbarland ja einige kulturelle und sprachliche Gemeinsamkeiten teilen. Nun hat mir mit Mundaun ausgerechnet ein kleines Horrorspiel die Schweiz von einer neuen und fast komplett von den gängigen Klischees befreiten Perspektive eröffnet.
Beeindruckendes Langzeitprojekt
Das nach einer gleichnamigen Gemeinde und Region benannte Spiel entstand über einen Zeitraum von unglaublichen sieben Jahren und wurde fast im Alleingang von einen einzigen Mann geschaffen. Entwickler Michel Ziegler beschreibt Mundaun als sein Herzensprojekt, eine Aussage, die man angesichts der investierten Zeit in die Realisierung des Projekts gerne glaubt. Jede Figur, jede Umgebungstextur, jedes Gebäude, jedes Panorama wurde von Ziegler von Hand gezeichnet. Dabei setzte der Schweizer nicht auf Tablet und Pen, sondern auf Papier und Bleistift. Die schließlich eingescannten Zeichnungen erschaffen eine analoge, fast schon raue Spielwelt, die komplett anders von der gängigen Videospielästhetik ist und selbst mit Blick auf andere Independent-Spiele fällt mir nichts ein, was dem Werk von Ziegler auf visueller Ebene nahe kommen würde.
Dasselbe gilt übrigens auch für die Akustik. So sprechen die Figuren mit Rätoromanisch die vierte und seltenste der vier Landessprachen, ein in meinen Ohren sehr faszinierender Mix, aus dem sich immer wieder deutsche, französische und italienische Wortbrocken raus hören lassen. Hinzu kommt das Sounddesign sowie die mal idyllischen, mal geradezu unbequemen Musikarrangements von Eric Lorenz und Michel Barengo. Die ohnehin schon einmalige Atmosphäre wird durch die Klänge in stellenweise bizarre Spektren gezogen, die irgendwo zwischen ruhigen Alpenalltag und kafkaesken Alptraum wandeln. Und dann wäre da ja auch noch die Geschichte.
Horror in der Idylle
Nach vielen Jahren kehrt Hauptfigur Curdin zurück nach Mundaun. Als Kind hat der mittlerweile junge Mann immer wieder seinen Großvater in der abgelegenen Bergregion besucht. Curdins aktueller Besuch hat allerdings einen traurigen Grund, da der Opa kürzlich bei einem Brand in seiner Scheune ums Leben gekommen ist. So steht es jedenfalls in einer kurzen Nachricht, die der örtliche Pfarrer Curdin geschickt hat. In Mundaun angekommen, stellt Curdin aber schon bald fest, dass hier nichts mit rechten Dingen zugeht und weit mehr hinter dem Brand steckt.
Michael Ziegler greift für sein Debüt die örtliche Folklore auf und adaptiert diese in eine spannende Gruselgeschichte. Eigentlich wäre jedes weitere Wort, welches ich über die Geschichte an dieser Stelle verlieren würde, ein Wort zu viel, denn die Story und ihr Verlauf sind im besten Sinne fesselnd und haben dafür gesorgt, dass ich das Spiel in zwei Durchgängen durchgespielt habe. Stellenweise hat mich Mundaun an eine Mischung aus Amnesia und Call of Cthulhu: Dark Corners of the Earth (2006) erinnert, welches wohl kaum noch jemand kennen dürfte.
Seltsame Bewohner, surreale Bergwelt
Im nicht ganz so beschaulichen Mundaun trifft Curdin auch auf andere Figuren, darunter den örtlichen Pfarrer, der nicht wirklich mit der Sprache über die jüngsten Vorkommnisse rausrücken will, aber offenbar Angst vor etwas Übermächtigen hat, ein stummes Mädchen, welches stets in Begleitung von ihrer zwei Zieglein ist sowie ein auch über den Ort hinaus bekannter Maler, der offenbar die Macht hat mit seinen Bildern die Realität auf den Kopf zu verfremden. Aus rein technischer Sicht wirken die Animationen von Gestik und Mimik grobschlächtig, aber irgendwie passt das zu diesem ohnehin surrealen Erlebnis und spielt der Stimmung mehr in die Karten als es ihr abträglich ist.
Einen großen Teil der Spielzeit wandert man durch die virtuellen Alpen und sucht nach verschiedenen Hinweisen, die einen weiter bringen. Dabei gibt es auch viele dynamische Elemente. Rätsel etwa, aber auch Kämpfe. Denn vor allem nachts wimmelt es in Mundaun von unheimlichen Strohmännern, am Tage hingegen hetzten Imker Schwärme voller Bienen auf Curdin und und untote Soldaten sowie ein Yeti/Wendigo ähnliches Wesen gibt es auch. Verteidigen kann man sich mit einer Heugabel, einem alten Repetiergewehr und Feuer, da sich die Kämpfe aber recht träge anfühlen, ist die Flucht oftmals die beste Wahl.
Pro & Kontra
- unverkennbarer visueller Stil
- atmosphärischer Soundtrack/Sounddesign
- spannende Geschichte mit Bezügen zur hiesigen Folklore
- gelungenes Spieldesign aus Erkundung und rätseln
- fummelige Kämpfe