Markus Ritter – The Lost Family REVIEW
In den 90er Jahren gab es eine Phase, in derer die sogenannten FMV-Spiele der letzt Schrei waren. Dank des damals neuartigen CD-ROM-Formats hatte man auf einmal sehr viel mehr Speicherplatz zur Verfügung, und diesen nutzte man, indem man bemerkenswert miserabel aufgelöste Filmsequenzen mit echten Schauspielern einbaute. Das Konzept konnte sich langfristig nicht durchsetzen, was vor allem auch daran lag, weil die Qualität der meisten FMV-Games eher fragwürdig war. Aber es gab auch Lichtblicke, wie etwa „The Beast Within: A Gabriel Knight Mystery.“ Ein FMV-Adventure welches als eines der besten seiner Art gilt und viele Fans für sich gewinnen konnte. Einer dieser Fans ist der professionelle Cosplayer Michael Kozmann. Mit Markus Ritter – The Lost Family erfüllte sich der Österreicher wohl eine Art Traum: Ein eigenes FMV-Adventure welches seine Inspiration fast vollständig aus „The Beast Within“ bezieht.
The Lost Family erschien am 20.08.2021 auf Steam und wird kostenlos zur Verfügung gestellt. Das was man erhält ist jedoch lediglich das erste Kapitel eines umfangreicheren FMV-Abenteuers, welches inzwischen erfolgreich auf Kickstarter unterstützt wurde (der Wunschbetrag von 2.000 Euro war aber auch sehr bescheiden). Ob das österreichische FMV-Abenteuer überzeugen kann oder nicht, erfahrt ihr in folgendem Test.
Wenn etwas vorbei ist, bevor es richtig losgeht
Der Fotograf und Autor Markus ist ohne Familie aufgewachsen und entwickelte sich zum Junggesellen-Einzelgänger mit Schürzenjäger-Attitüde. Sein aktueller Arbeitsauftrag beläuft sich darin einige Sehenswürdigkeiten seiner Heimatstadt Wien abzuknipsen. Gesagt getan, dummerweise hat er während seiner Fotosession rund um das Schloss Pottendorf Visionen einer Frau im mittelalterlichen Kleid. Und die mysteriöse Dame ist unserem Protagonisten keineswegs fremd, schließlich leidet er schon seit einiger Zeit unter Alpträumen, in denen er von der Dame mehr oder weniger bedrängt wird. Auch die Frauenmorde, welche in letzter Zeit in Wien verübt werden, beunruhigen unseren Fotografen. Als sich seine Alpträume verschlimmern beschließt Markus Nachforschungen zu betreiben und deckt dabei seine eigene Herkunft und Bestimmung auf …
Zur Qualität der Handlung lässt sich ehrlich gesagt noch nicht viel sagen, da das Spiel vorbei ist, ehe die Story richtig durchstarten kann. Das liegt natürlich daran, weil es sich nur um die erste Episode eines umfangreicheren Spiels handelt. Also irgendwie wie eine glorifizierte Demo für ein Spiel, welches erst später erscheinen wird. Der Protagonist wirkt sympathisch, jedoch würde ich lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich jetzt unbedingt wissen müsste wie es weitergeht. Und mehr kann man zum aktuellen Zeitpunkt echt noch nicht dazu sagen.
Gameplay ist noch kaum vorhanden
Bezüglich des Gameplays hat das Spiel nicht viel zu bieten. Und damit meine ich jetzt nicht, dass der Spaß mit 1,5-2 Stunden Spielzeit sehr kurz ausfällt, sondern viel eher die Tatsache, dass der Spieler kaum etwas zu tun bekommt. Ihr betrachtet die Screens aus der Egoperspektive von Markus und klickt euch mit der Maus durch, um Myst-like von A nach B zu gelangen und mit Umgebungs-Hotspots zu interagieren. Letzteres triggert auch manchmal eine FMV-Sequenz. Allerdings kommt es nur extrem selten vor, dass Markus auch mal was fürs Inventar einsammelt, oder das man dann auch mal einen Gegenstand aus dem Inventar irgendwo einsetzen muss. Und meistens geht es dann nur darum mit Markus‘ Kamera irgendeinen Schnappschuss zu tätigen, was dann sogar vom Cursor gespoilert wird, der sich in solch einem Fall einfach in eine kleine Kamera wandelt und somit quasi eine klare Anweisung gibt.
Das einzig nennenswerte im Gameplay in Markus Ritter – The Lost Family ist ein kleines Trial & Error-Labyrinth auf dem Wiener Friedhof. Aber auch das hat man bald hinter sich, da es keine Substanz und kein Gimmick bereithält. Man muss eben so lange herumprobieren, bis man die richtige Route gefunden hat, mehr nicht.
Was ich jedoch nett finde, ist, dass das Menü in Form eines Smartphones dargestellt wird. Da wirkt das Ganze doch schon gleich viel authentischer. Über das Mobilgerät kann man dann das Inventar aufrufen, einen Blick ins angenehm nützliche Notizblock-Questlog werfen, bequem die Stadtkarte aufrufen, um ärgerliche Backtracking-Latschereien zu unterbinden oder Speicherungen vornehmen.
Ehrensache, dass das Spiel eine Hotspotanzeige bereithält, welche auch wirklich nötig ist, um Durchgänge und Hotspots innerhalb der Foto-Standbilder zu entdecken, da diese nicht immer leicht zu finden sind. Die Beschränkung auf 4 Saveslots ist angesichts der Kürze des Spiels kein Problem. Sehr vorbildlich finde ich die Implementierung von Achievements
Grafik und Sound
Das gesamte Spiel setzt sich aus Fotografien und Videoaufnahmen von Wien und Umgebung zusammen. Das was ihr hier zu sehen bekommt ist real, also nix Greenscreen und dergleichen. Hierdurch ist das Spiel eine nette Möglichkeit mal einen genaueren Blick nach Wien zu werfen. Die Qualität der Fotos und Videoaufnahmen ist zufriedenstellend und die schauspielerische Leistung der Charaktere mag zwar amateurhaft sein, ist aber solide genug, um nicht zu vergraulen. Vor allem der Protagonist, welcher übrigens von Michael Kozmann persönlich verkörpert wird (Chris Jones wäre stolz), leistet einen soliden Job. Einziger Ausrutscher ist die Mordszene mit der Blondine. Da merkt man das Kunstblut zu deutlich und die Blondine muss sich sichtlich das Lachen verkneifen.
Der Ingame-Soundtrack ist mir nicht sonderlich aufgefallen oder im Gedächtnis verblieben, der Themesong ist hingegen schön gelungen und bietet einen guten Ohrwurm. Die Sprachausgabe steht sowohl in deutscher, als auch englischer Variante zur Verfügung. Beide Varianten werden von den Darstellern eingesprochen und sind gelungen. Wie gesagt war die Kickstarter-Kampagne ein Erfolg. Das nächste Kapitel mit dem Untertitel „The Ghosts of the Past“ ist für den August 2023 geplant.
Pro & Kontra
- ist kostenlos
- solide Fotografien und FMV-Filmaufnahmen von Wien und Umgebung
- schöner Ohrwurm-Themesong
- das Spiel ist vorbei, ehe die Story in die Gänge kommen kann
- Adventure-Gameplay ist kaum vorhanden, man klickt sich hauptsächlich durch