Killzone: Shadow Fall REVIEW
Immer wieder fungieren Videospiele als gesellschaftlicher Spiegel. Reale Konflikte greift das Medium ebenso auf, wie menschliche Tragödien und individuelle Schicksale. Allerdings haben Videospiele oftmals das Problem ihre Inhalte auch so rüberzubringen, das sie den Spieler emotional mitnehmen. Es ist eben doch ein gewaltiger Unterschied, ob man als passiver Beobachter eine Geschichte sieht oder sie als aktiver Teilnehmer erlebt und in sie eingreift. Killzone: Shadow Fall – der erste Plastation 4 exklusive Ego-Shooter aus dem Sony eigenen Entwicklerstudio Guerilla Games – möchte eine solche Geschichte über Konflikte zwischen zwei Völkern erzählen, die sich seit jeher miteinander bekriegen. Es will das Leid der Menschen darstellen und aufzeigen, das es im Krieg selten Weiß und Schwarz, sonder meist nur Grau gibt.
Schatten der Vergangenheit
Ein solches menschliches Schicksal zeigt das Spiel gleich zu Beginn. Es ist unser Schicksal bzw. das unseres Alter-Ego in diesem Spiel. Wir schlüpfen in die Rolle des jungen Lucas Kellan, der gemeinsam mit seinem Vater von einem Sektor in einen anderen fliehen muss. In einer regnerischen Nacht flüchten beide aus ihrer Wohnung, verstecken sich vor schwer bewaffneten Truppen. Immer wieder flüstert der Vater seinem Sohn aufmunternde Worte zu. Alles werde gut, man sei bald in Sicherheit. Als die Flucht beinahe gemeistert scheint, werden Vater und Sohn jedoch entdeckt. Die Begegnung mit den in schweren, schwarzen Rüstungen gekleideten Soldaten endet für den Vater von Lucas tödlich. Der Junge hingegen überlebt. Fortan wird der Wunsch nach Rache sein restliches Leben bestimmen.
Mit dieser Prämisse endet der Prolog zum nunmehr vierten Heimkonsolen-Ableger der Reihe, welcher rund 30 Jahre nach den Geschehnissen von Killzone 3 spielt. In diesem wurde das von einer faschistoiden Ideologie durchdrungene Volk der Helghast vernichtend geschlagen, ihr Heimatplanet liegt seitdem in Trümmern und ist kaum noch bewohnbar. Die Sieger des Konflikts – die Vektaner – boten den Überlebenden an nach Vekta zu immigrieren. Seitdem leben beide Völker voneinander getrennt, separiert durch eine riesige Mauer aus Beton, die nur überwunden werden kann wenn man einen der schwer bewachten Checkpoints durchgeht oder irgendwie Illegal auf die andere Seite flieht. Während die Vektaner in ihrem Territorium weitestgehend in Luxus und Frieden leben, haust ein Großteil der Helghast in heruntergekommenen Slums, in denen Verwezeiflung, aber auch Hass gegenüber den „Gastgebern“ floriert. Der Konflikt von eins ist längst nicht überwunden, die Abneigung beider Völker zueinander besteht fort. In diesem Zustand, der einem Kalten Krieg nahe kommt, sind die Gemüter stets angespannt. Nur eine falsche Aktion kann den Krieg erneut vom Zaun brechen und wieder tausende Leben einfordern. Das Misstrauen führt immer wieder zu Scharmützeln zwischen beiden Seiten. Hier eine Geiselnahme, dort ein versuchter Anschlag. In dieser angespannten Lage agiert auch unser Protagonist Lucas, mittlerweile erwachsen und im militärischen Rang eines Shadow Marshall. Diese Eliteeinheit der Vektaner ist hauptsächlich für verdeckte Aktionen in Helghast-Gebiet und Informationsbeschaffung verantwortlich.
Natürlich kommt es in Killzone: Shadow Fall schließlich wie es kommen muss und ein neuer Krieg zwischen den Helghast und Vektanern bahnt sich an. In der Rolle des archetypischen Videospielhelden muss der Spieler dies natürlich unterbinden. Das Spiel erzählt dabei eine im Grundaufbau durchaus interessante Handlung, die einen deutlichen Bezug zu historischen und aktuellen Brennpunkten der Welt aufweist. Inszenatorisch beherrscht der niederländische Entwickler Guerilla Studios sein Handwerk mittlerweile sehr gut und arrangiert hier mit viel Wumms und Gepolter einen actionreichen Sci-Fi-Thriller, dem es jedoch an der vielleicht wichtigsten Komponente fehlt: nämlich tragenden Charakteren, die eine Projektionsfläche für den Spieler öffnen. Nicht nur der meist stumm bleibende Lucas Kellan besitzt keinerlei Profil, auch die restlichen Figuren dieses insgesamt doch recht vorhersehbaren Actionspektakels weisen so gut wie keinen Tiefgang auf und fungieren stattdessen als oberflächliche Abziehbilder gängiger Genre-Klischees.
Das ist schade, da das Setting sehr viel Stoff für eine mitreißende Handlung besitzt, die den Spieler auch auf emotionaler Ebene abholen könnte. Stattdessen wirkt der narrative Aufbau wie eine Aneinanderreihung von Setpiece an Setpiece. Die Handlung verkommt daher schnell zur Nebensache, die gängigen Kniffs und Wendungen ließen mich schlichtweg kalt. Allerdings muss man auch einwerfen, das Killzone: Shadow Fall das Problem hat, das es mittlerweile kaum noch große Ego-Shooter Reihen gibt, die es nicht verstehen sich wie ein von Anfang bis Ende durchdachter Blockbuster aus Hollywood zu präsentieren, weshalb man viele der verbauten Elemente hat so oder ähnlich schon in anderen Shootern gesehen. Wenn es gewaltig kracht und eindrucksvolle Script-Events gestartet werden zieht mich das zwar durchaus noch in seinen Bann. Allerdings kommt nie so etwas wie Begeisterung oder Spannung auf. Als regelmäßiger Shooter-Spieler ist man schlicht und ergreifend von den gängigen Formeln übersättigt.
Taktisches spielen erwünscht
Dies alles gilt hauptsächlich für die erzählerische Ebene, denn spielerisch zeigt sich ein etwas anderes Bild. Zwar ist Killzone: Shadow Fall weit davon entfernt das Rad des Genres neu zu erfinden. Das was das Spiel als Shooter macht, macht es aber die meiste Zeit sehr gut. Glücklicherweise präsentiert sich auch der aktuelle Ableger von Guerilla Games´ Millionenseller nicht als banale Ballerorgie, sondern fordert vom Spieler zumindest ein Mindestmaß an taktischen Verhalten ein.
Die Architektur der Level ist – bis auf einige Ausnahmen – recht offen gestaltet und erlaubt in der Regel immer mehr als einen Weg der Lösungsfindung. Das Spiel überlässt es dem Spieler, wie er vorgeht. Man kann einen offensiven Stil an den Tag legen, Gegner-Gruppen frontal angreifen und aus allen verfügbaren Kanonen feuern. Man kann aber auch aus der Deckung heraus agieren, einzelne Feinde mit einem Scharfschützengewehr oder aus der Nähe mit dem Messer erledigen. Teilweise kann man Konfrontationen auch ganz aus dem Weg gehen und versuchen die Missionsziele zu erledigen ohne dabei entdeckt zu werden. Ein weiteres taktisches Element ist die Drohne, die man stets bei sich trägt. Dieser kann man etwa den Befehl zur Attacke geben, sie kann einen Schutzschild projizieren, Gegner per EMP-Schlag außer Gefecht setzen und Computer-Terminals hacken. Findige Spieler erkennen bald, das sich die Drohne auch einsetzen lässt um Gegner abzulenken. So kann man seinem schwebenden Begleiter etwa befehlen eine Gruppe anzugreifen, während man selbst um die abgelenkten Feinde herumschleicht und sie beispielsweise flankiert. Die Drohne selbst wird übrigens sehr praktisch über das Touchpad des Playstation 4 Controllers bedient. Per „Wisch“ nach rechts, links, oben oder unten wählt man einen der erwähnten Befehle aus, aktiviert werden diese durch das drücken der L1 Taste. Das ganze klappt wunderbar und erneut erweist sich der Controller von Sony´s neuer Heimkonsole als das wohl bisher beste Bedienelement, das die Japaner bis jetzt auf den Markt gebracht haben.
Abwechslung wird im neuen Killzone übrigens nicht nur in Sachen spielerischer Herangehensweise groß geschrieben. Zwar beschränkt sich das Missions-Design meistens auf Genre-typische Aufgaben wie Infiltrierung, das unbemerkte Entkommen aus einem feindlichen Bereich, auffinden und retten einer Zielperson und beschaffen wichtiger Dokumente. Dafür führen die verschiedenen Aufträge den Spieler aber an sehr unterschiedliche Orte. Düstere Slums, die direkt aus Blade Runner stammen könnten, gibt es ebenso, wie malerische Wälder, eine Raumstation inklusive Spaziergang durch das All, das vom Krieg zerstörte Helghast und – als krassen Kontrast – das schillernde Vekta, das mit seiner imposanten Städtearchitektur an das Bild moderner Metropolen wie Shanghai und Dubai erinnert. Wie zuvor bereits erwähnt, haben sich die Entwickler bemüht die Areale einigermaßen offen zu gestalten. Nur in seltenen Ausnahmen fühlen sich die Level etwas beengend an, das ist allerdings vertretbar.
Unnötig gestreckte Spielzeit
Nicht ganz so gut gelungen ist hingegen das Pacing. Zwar ist der Spielfluss zu 2/3 angenehm stringent, allerdings gibt es auch den ein oder anderen Abschnitt, welcher sich künstlich ein wenig in die Länge gestreckt anfühlt. Das resultiert wohl auch daher, da die Kampagne sich mit einer Spielzeit von knapp 10 Stunden eher im oberen Mittelfeld des Genre-Durchschnitts bewegt. Ein wenig mehr Straffung hätte das Endprodukt aber runder gemacht, eine Reduzierung um 60 bis 90 Minuten Spielzeit wären also ohne weiteres möglich gewesen.
Sehr ärgerlich ist im übrigen, das sich Killzone: Shadow Fall sehr viel Spielzeit mit künstlichen Gegner-Wellen erschleicht. Oftmals reicht es nicht aus diese einfach abzuwehren, sondern man muss nebenbei noch einen bestimmten Skript in Gang setzen – was manchmal gar nicht so einfach ist. Im späteren Spielverlauf hatte ich etwa die Situation das ich knapp 25 Minuten aus allen Rohren geschossen habe, bis ich endlich gemerkt habe, das ich nebenbei noch zwei Zugänge versperren muss damit das Spiel aufhört mir Gegner um Gegner auf den Hals zu hetzen. Stellenweise kommuniziert das Spiel die aktuelle Aufgabe nämlich nicht immer ganz schlüssig. Oder ich bin einfach nur zu blöd gewesen. Was die Gegner angeht: diese stellen sich in aller Regel nicht allzu blöd an, auch wenn es hier und da Aussetzer gibt. Meistens verstehen es die gegnerischen Einheiten aber gut Deckung zu suchen, sich im Kampf gegenseitig zu unterstützen, den Spieler zu umkreisen und zu flankieren. Das ist in den meisten Fällen angenehm fordern, ohne jemals unfair zu sein.
Next-Gen? Jein.
Eines der Hauptargumente eines großen Titels zum Beginn einer neuen Konsolen-Generation sollte natürlich nicht nur sein spielerisches Fundament, sondern auch seine technische Umsetzung sein, die alle Videospieler nach dem neuen Konsumgut lechzen lässt und den Konzernen frisches Geld in die Taschen spült. Als solcher funktioniert Killzone: Shadow Fall gut. Nicht mehr, nicht weniger. Natürlich hat die grafische Qualität ein sehr hohes Niveau, vor allem zu Spielbeginn ist mir einige male ein kleines „Wow“ über die Lippen gekommen. Dann etwa, wenn sich Lucas´ Vater zu seinem Sohn herunterbeugt und man aus nächster Nähe feine Gesichtsanimationen, ein authentisch wirkendes Gesicht und von diesem einzeln abprallende Regentropfen erkennt. Oder etwa, als sich das erste mal die Skyline von Vekta mit ihren pompösen Bauten ins Bild schlängelt. Mit den dahinschreitenden Stunden legt sich die leichte Begeisterung, die man zu Anfang hatte, aber weitestgehend. Denn man merkt deutlich, das gerade zu Beginn sehr stark in die grafische Trickkiste gegriffen wurde und man es für die fortgeschrittenen Abschnitte nicht mehr ganz so genau genommen hat auf diesem Niveau weiterzumachen. Dieser Qualitätsunterschied ist mir ausgerechnet bei den zuvor erwähnten Gesichtsanimationen mit am deutlichsten aufgefallen, welche später weitaus weniger aufwendig animiert als im Prolog sind, vor allem wenn sie Ingame stattfinden und nicht in einer Zwischensequenz erscheinen. Einen großen Pluspunkt zieht das Spiel wie seine Vorgänger auch aus seinem düsteren Art-Design, das natürlich aus vielen, vor allem filmischen Versatzstücken besteht, die von den Entwicklern ansprechend verbaut wurden.
Auch im akustischen Bereich lassen sich einige Defizite aufzeigen. Dies gilt vor allem für die Soundabmischung. Während die Stimmen nahezu immer viel zu leise sind, sind Umgebungs- und Effektgeräusche fast immer eine Spur zu laut. Auch die fehlende Lippensynchronität bei eingeschalteter deutscher Tonspur hat mich immer wieder ein wenig aus der Stimmung herausgerissen. Immerhin: die deutsche Sprachausgabe präsentiert sich insgesamt solide, die englische wirkt wie gewohnt aber um einige Ecken professioneller und in vielen Situationen auch einfach stimmiger, was insbesodnere für die sprachliche Betonung gilt. Der Soundtrack ist angenehm treibend und stellt vor allem die actionreichen Momente stimmig hervor. Aber auch ruhigere Klänge wirken atmosphärisch und der jeweiligen Situation angemessen.