Inner Chains REVIEW

Heute möchten wir euch wieder einen etwas unbekannteren Titel vorstellen. Das polnische Entwicklerstudio Telepaths Tree schraubte mehrere Jahre an einem Mix aus Horror-Adventure und Ego-Shooter. Inner Chains begann einst als Indie-Projekt samt Kickstarter-Kampagne, konnte jedoch dank IMGN.PRO seinen Indie-Status ablegen und als sicheres Projekt realisiert werden. Wir konnten den Horror-Shooter ausführlich für euch testen und zeigen, ob hinter Inner Chains der nächste große Gruselschocker steckt.

Die Letzte Hoffnung

Alles beginnt in fernen Zukunft, auf einem kargen Planeten, sehr weit weg. Diese Welt ist überaus alt, mehrere Zivilisationen erhoben sich und verblassten wieder, hinterließen jedoch ihre Spuren. Selbst technologische Hochkulturen konnten nicht bestehen und gingen unter. Die Natur verschmolz allmählich mit fortschrittlicher Technik und brachte erstaunliche Kreaturen hervor. Viele Jahre vergingen, bis schließlich das Zeitalter der Menschen erneut anbrach.

Eine recht primitive Kultur dominiert von Gewalt und Knechtschaft wächst heran. Angeführt von einer Priesterkaste, entwickelt sich eine strenge Kastengesellschaft. Deren Anführer verstehen sich als Einzige mit dem Umgang alter Technologie, längst vergangener Zivilisationen. Die Drecksarbeit müssen wie immer die unteren Kasten erledigen, für die es während ihrer kurzen Existenz nur darum geht, das Paradies zu erreichen. Diesen Ort nennen sie „Letzte Hoffnung“, einen scheinbar magischen Ort der Erlösung. Doch gibt es dieses Paradies wirklich oder ist die Letzte Hoffnung nur Mittel zum Zweck, um große Teile der Bevölkerung unter Kontrolle zu halten?

Auch der namenlose Held dieses Abenteuers wird in die unterste Kaste geboren und strebt wie viele andere eine peinigende Pilgerreise zu dem besagten Ort an. Unzählige Zeremonien in einer unverständlichen Sprache und einige grausame Rituale später kommen jedoch Zweifel auf. So etwas wie das Paradies kann einfach nicht existieren und so beschließt unser namenloser Held, aus der Reihe zu tanzen. Unwillig sich länger zu beugen, schwimmt er einfach gegen den Strom und erhebt sich gegen das fanatisch religiöse System. Fortan stellt sich die gesamte Spielwelt gegen den namenlosen Protagonisten und ausnahmslos alles versucht ihn unter die Erde zu bringen.

Alleine gegen den Rest der Welt

Schwach und völlig unbewaffnet beginnt ihr eure gefährliche Reise und müsst euch den Weg in den ersten Spielminuten sprichwörtlich freiboxen. Verzweifelte, zombieähnliche Seelen wollen euch an die Wäsche und sogar riesige Tentakelpflanzen am Wegesrand schlagen nach euch. Unterm Strich also beste Voraussetzungen um innerhalb weniger Minuten ins Gras zu beißen, nachdem man unvorbereitet in die düstere Spielwelt geworfen wurde. Nach der ersten, nie zu enden wollenden halben Stunde, die ganz beiläufig auch als Tutorial dient, findet ihr mit der Shock Gun endlich das erste Schießeisen.

Stilistisch fühlt man sich sofort in das großartige Prey aus dem Jahre 2006 zurückversetzt, was die Erwartungen deutlich steigen lässt. Doch schon bald folgt die befürchtete Enttäuschung. Inner Chains spielt sich äußerst sperrig und langatmig. Feinde schlucken oft Unmengen an Munition, richten im Gegenzug teils auch nur wenig Schaden an. Dies endet oft darin, dass man sich ganze fünf Sekunden gegenübersteht und sich mit der Shock Gun die Haut von den Gliedmaßen brennt. Das ist nicht nur innovationsarm, sondern bringt den Spielfluss stellenweise zum Erliegen. Spannung sieht leider anders aus.

In den gut sechs Stunden, die bis zu den Credits vergehen, kämpft ihr stur euch durch eine schlauchartige Levelstruktur. Innerhalb der insgesamt vier Kapitel hat man so gut wie keine Entscheidungsfreiheit. Laufwege sind überaus linear und neben den Übersetzungstafeln, auf die wir später noch zurückkommen, lassen sich keine Sammelgegenstände oder Geheimnisse finden. Gesamt ist das Gameplay einfach zu träge, arm an Taktik und abwechslungsarm. Die Entwickler versprachen den Spielern einen abwechslungsreichen Horror-Shooter, distanzierten sich sogar vom aktuell sehr verbreiteten Ausdruck des Walking-Simulators. Und genau das wurde aus Inner Chains schlussendlich, ein Walking-Simulator mit Action-Elementen.

Beta-Spieler Hobby-Kryptographen gesucht

Darüber hinaus wird man das Gefühl nicht los, hier noch eine Closed Beta zu spielen. Glitches, Grafik- oder Soundfehler und Aussetzer der KI stehen an der Tagesordnung. Der von vorneherein schon eher negative Eindruck wird dadurch noch verstärkt. An einigen Stellen stehen Feinde einfach in der Ecke und lassen sich kommentarlos kleinhacken. Zwei Minuten später zieht der Schwierigkeitsgrad wiederum kurzzeitig so stark an, dass man sehr frustresistent sein muss, um nicht den Spaß zu verlieren.

Wenn uns Inner Chains schon spielerisch nicht überzeugen kann, vielleicht kann dann zumindest die Story das sinkende Schiff retten. Nun, nicht ganz. Immerhin sind die Entwickler ihrem Versprechen gefolgt, den Spielern eine Geschichte zu bieten, die sich nach und nach öffnet. Zudem der Infotext unter dem Steam-Artikel nicht einmal schlecht klingt. Im Spiel selbst folgt dann das bittere Erwachen. Die Wandmalereien und Steintafeln, die an jeder Ecke stehen, sind für den Spieler zu Beginn völlig unverständlich. Im wahrsten Sinne des Wortes sieht man sich hier mit Hieroglyphen konfrontiert, die sich nur vollständig entziffern lassen, wenn der Spieler alle Übersetzungstafeln in der Spielwelt findet. Diese wurden überall in den vier Kapiteln verteilt. Dadurch wird es dem Spieler erst gegen Ende oder alternativ im zweiten Durchlauf möglich, die Hintergrundgeschichte zu Inner Chains zu entschlüsseln. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist man aber nach den ersten Spielstunden vom Gameplay so abgeschreckt, dass einem die Geschichte hinter Inner Chains schlussendlich schon egal ist.

Aus unserer Sicht haben sich die Entwickler zu viel vorgenommen, was sie im Endeffekt nicht einhalten können. Hätte man sich für ein einfacheres Gameplay-Konzept entschieden, etwa ein Stealth-Adventure oder von Beginn an auf den obligatorischen Walking-Simulator gesetzt, wäre aus Inner Chains vielleicht ein kleiner Geheimtipp geworden. Kombiniert mit deutlich überzeugenderem, tiefgreifendem Storytelling, wäre es möglicherweise gelungen, das verborgene Potenzial zu nutzen. Stattdessen lässt Telepahts Tree Inner Chains zu einem stumpfen, von Bugs verseuchten, Ego-Shooter verkommen. Überaus schade.

Technik

Vom Gameplay und der Geschichte kann man nun halten was man will, aber grafisch ist Inner Chains den Entwicklern tatsächlich gut gelungen. Im Art-Design schwingt ein Hauch HR Giger mit, was das Abenteuer schön düster, schaurig erscheinen lässt. Dank Unreal Engine 4 sind Charaktermodelle sowie Spielwelt knackig scharf, von vereinzelten Grafikfehlern abgesehen. Leider ist es an vielen Stellen in der Spielwelt so dunkel, dass eine Menge visuelles Potenzial verschenkt wurde. Mit der beeindruckenden Grafik kommt zudem ein großer Hardware-Hunger, der sowohl Prozessor als auch Grafikkarte ordentlich fordert. Aktuelle Hardware ist also Pflicht, denn auf niedrigeren Einstellungen werden die Texturen schnell matschig und verwaschen.

In puncto Soundkulisse fehlt Inner Chains wie auch an vielen anderen Stellen noch der gewisse Feinschliff. Grundsätzlich steckt Potenzial in der Geräuschkulisse samt Soundtrack, aktuell leidet die jedoch noch unter diversen Problemen. So werden Soundeffekte an vielen Stellen nicht ordnungsgemäß ausgelöst, was sich negativ auf die Atmosphäre auswirkt. Eine Sprachausgabe gibt es story-bedingt nur in einer unverständlichen Sprache, zumindest werden sobald ingame freigeschaltet, viele Texte auf Deutsch bzw. Englisch untertitelt.

Immerhin hat sich seit dem ersten großen Update, einige Tage nach Release, die Steuerung deutlich verbessert. Anfangs fühlte sich diese besonders mit Maus und Tastatur überaus schwammig an. Einstellungen für etwa die Blickempfindlichkeit wurden hinzugefügt, wodurch man sich die Einstellungen nicht mehr im Treiber zusammenklicken muss. Wer möchte, kann auch auf einen Controller zurückgreifen, aktuell würden wir sogar zu dieser Steuerungsmethode raten. Tastenbelegungen wurden für Microsoft Controller (Xbox 360 und Xbox One) bereits vordefiniert.

Performance

Neben der einfältigen Storyline und dem etwas trägem Gameplay ist das dritte große Problem die Performance. Selbst auf aktueller Hardware müsst ihr mit Lags und Bildrucklern rechnen, egal ob auf hohen oder niedrigen Einstellungen. Immerhin wurden nun endlich Einstellungsmöglichkeiten im Bereich Grafik hinzugefügt, um etwa die Kantenglättung, Texturendetails oder vertikale Synchronisation zu ändern. Große Bugs, die Inner Chains unspielbar machen sind uns zwar nicht aufgefallen, aber gesamt stießen wir während unserer Testphase sowohl mit erstem großen Patch als auch ohne, auf sehr viele kleine Ungereimtheiten. Gegner, die nicht triggerten, Objekte, in denen man sich verfangen konnte oder Wände, durch die man hindurchsehen konnte. Allgemein hat man das Gefühl, eine Closed Beta und keine fertige Version zu spielen. Natürlich ist besonders der Feinschliff für ein kleines Entwicklerstudio ein großer Brocken, aber hier fehlt wohl mehr als „etwas“ Feinschliff.

Es ist verständlich, dass die vielen optischen Details unter der Unreal Engine 4 eine Menge Hardware-Power verschlucken, doch hätten wir uns eine bessere Optimierung gewünscht. Besonders im Hinblick darauf, dass Grafik und Performance der rettende Anker für Inner Chains wären, wenn schon Gameplay und Story nicht wirklich überzeugen können. Offensichtlich steckt im Mix aus Horror-Adventure und Shooter wesentlich weniger Unterhaltung als versprochen. Das zeigt die Community aktuell auch in der Review-Sektion bei Steam, wo ein Großteil der Rezensionen negativ ausfallen. Bleibt nur zu hoffen, dass Telepaths Tree das sinkende Schiff nicht voreilig verlässt, sondern weiter an Inner Chains schraubt und den Spielern zumindest ein möglichst „bugfreies“ Adventure liefert.

Am Rand sei noch erwähnt, Inner Chains verfügt über keinen Multiplayer-Modus. Dieser ist auch künftig nicht geplant, was im Rahmen des Gameplays sowie der Geschichte wohl auch wenig Sinn machen würde. Nach zahlreichen Bugfixes versprechen die Entwickler nun, innerhalb der nächsten Monate an einer Portierung für Linux zu arbeiten. Somit sollen auch Spieler ohne Windows in Genuss kommen, die brutale Spielwelt zu erkunden. Für alle Komplettisten und Sammler warten insgesamt 29 Steam-Achievements darauf, gesammelt zu werden, was bereits beim ersten Durchlauf möglich ist.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
60
60
-
Multiplayer

FAZIT

Inner Chains ist einer dieser Titel, von dem wir uns deutlich mehr erwartet hätten. Die Idee an sich, das Horror-Shooter-Genre wiederzubeleben, in Anlehnung an Titel wie Prey von 2006, ist großartig. Vielleicht hat sich Telepaths Tree damit aber etwas übernommen. Spielerisch fehlt es an allen Ecken, die Spielwelt ist zwar düster und atmosphärisch, jedoch zu linear. Von der Storyline möchten wir gar nicht erst anfangen, die bleibt dem Spieler nämlich bis zum Ende hin größtenteils verschlossen und wird dadurch zunehmend uninteressanter. Einzig grafisch macht Inner Chains dank der Unreal Engine 4 wenig falsch. Schade, der Indietitel hätte als Stealth-Adventure oder Survival-Horror möglicherweise sogar funktioniert, jedoch nicht als Shooter. Es gibt zahlreiche spannende Horror-Titel bei Steam, aber Inner Chains gehört aktuell leider nicht dazu. Wer dennoch nicht die Finger davon lassen kann, sollte seine Erwartungen möglichst tief ansetzen.

- Von  Fabian

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