Die Pandora Akte REVIEW
The Pandora Directive, (deutscher Titel: Die Pandora Akte) das vierte Spiel der Tex Murphy-Reihe, kam Mitte 1996 auf den Markt und gilt für viele Tex Murphy-Fans als bester Ableger der Reihe. Dementsprechend bin ich natürlich mit hohen Erwartungen an dieses FMV-Adventure herangegangen, schließlich hatte mir ja schon der Vorgänger „Under a Killing Moon“ sehr gut gefallen. Die große Frage lautet nun, ob dieses Spiel wirklich so gut ist wie viele behaupten oder nicht doch nur die rosarote Nostalgiebrille die Sicht verklärt? Abermals verweise ich Interessierte auf GoG (oder Steam) wo man nicht nur The Pandora Directive sondern auch die anderen Tex Murphy-Spiele zum fairen Preis erwerben kann. Da bleiben einem dann auch lästige Kompatibilitätsprobleme mit modernen Betriebssystemen erspart. Aber nun zum Review.
Tex Murphy vs. The NSA
Normalerweise liegt zwischen den Tex Murphy-Spielen immer eine Zeitspanne von mehreren Jahren, aber nicht so bei The Pandora Directive. Wir befinden uns natürlich immer noch im San Francisco einer durch den dritten Weltkrieg zermürbten und radioaktiv verstrahlten Zukunftsvision der Erde. Es ist der April des Jahres 2043, gerade einmal vier Monate sind seit Tex Murphy’s Sieg über die mörderischen Rassisten vergangen, die die gesamte Erde blank fegen wollten. Ein Sieg der sich im übrigen auch finanziell ausgezahlt hat. Doch wie Tex nun einmal so ist, durfte er sich von den Moneten sehr schnell wieder verabschieden, da er einerseits viele Altschulden begleichen musste und andererseits der Meinung war sein Büro im Ritz Hotel der Chandler Avenue neu zu möblieren. Nun steckt er erneut bis zum Hals in Mietschulden und dergleichen. Auch in der Liebe scheint ihm das Glück nicht unbedingt hold zu sein, denn seine Flamme Chelsee Bando plant einen Umzug nach Phoenix in Arizona. Doch das Blatt wendet sich als ihn ein älterer Gentleman namens Gordon Fitzpatrick damit beauftragt dessen alten Freund Dr. Thomas Malloy aufzuspüren. Erste Nachforschungen von Fitzpatrick haben beunruhigende Ergebnisse zutage gefördert: Malloy hat eine neue Identität angenommen und eine seiner Studentinnen mit der Fitzpatrick sprechen wollte, ist nie zum vereinbarten Treffpunkt erschienen. Fitzpatrick fürchtet um die Leben der Beiden und beauftragt unseren Privatdetektiv damit der Sache auf den Grund zu gehen.
Recht bald stellt sich heraus, dass der sogenannte „Black Arrow Killer“ in der Sache mit drinnen hängt, ein Serienkiller der eigentlich schon längst verhaftet wurde und in seiner Zelle Selbstmord beging. Doch selbst dies ist nur die Spitze des Eisberges, denn recht schnell findet Murphy Indizien die auf den Roswell-Zwischenfall hindeuten und ehe er sich’s versieht, muss sich Tex sogar gegen finstere NSA-Agenten durchsetzen. Kein leichtes unterfangen angesichts dessen, dass die Geheimdienstler vom absolut skrupellosen Jackson Cross angeführt werden. Tex muss sein gesamtes Können auffahren, wenn er aus diesem Schlamassel wieder lebend herauskommen will!
Das was einem direkt auffällt, ist, dass The Pandora Directive eine deutlich düsterere Schiene fährt als die Vorgänger. So wird das Spiel in klassischer Kriminalfilm-Manier eingeleitet, wo wir den Black Arrow Killer bei seinem schmutzigen Handwerk beobachten können. Mit dem humorvoll-kitschigen Introfilmchen aus dem Vorgänger hat das was hier geboten wird nichts mehr zu tun. Auch im späteren Spielverlauf gibt es einige fiese Szenen, z.B. jene wo NSA-Drecksack Cross einen lästigen Zeugen hinrichtet. Und einer der späteren Spielabschnitte erweckt sogar den Eindruck man würde ein Survival Horror-Game statt eines Tex Murphy-Detektiv-Adventures spielen. In meinem Text zu „Under a Killing Moon“ schrieb ich noch, dass sich das Spiel selbst nicht zu ernst nehmen würde. Nun, The Pandora Directive nimmt sich sehr wohl ernst, auch wenn dies keinesfalls bedeutet, dass man auf den typischen Tex Murphy-Humor verzichten müsse. Auch hier gibt’s wieder witzige Dialoge und Filmsequenzen. Dennoch handelt es sich bei diesem Spiel um den mit Abstand ernsthaftesten und düstersten Teil der Serie.
Verpuzzelt
Vom Grundaufbau her gesehen handelt es sich bei The Pandora Directive um das selbe Spiel wie der Vorgänger Under a Killing Moon. Ihr guckt euch immer noch FMV-Filmsequenzen an, erforscht mittels schwammiger Steuerung die 3D-Spielwelt aus der Egoperspektive, führt Gespräche mit den NPC’s und sammelt Gegenstände für Inventarrätsel ein. Also konzentrieren wir uns auf die Unterschiede zum Vorgänger und da gibt es doch einiges zu berichten – leider.
Zuerst müsst ihr die Wahl aus zwei Schwierigkeitsgraden treffen. Diese werden großspurig „Entertainment Level“ und „Game Players Level“ genannt. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Graden ist die aus dem Vorgänger bekannte Help-Funktion, die hier genauso funktioniert wie vom Vorgänger gewohnt. Zumindest wenn man im Entertainment Level spielt, im Game Players Level ist diese nämlich deaktiviert. Jedoch kann der Spieler auf Wunsch jederzeit in den niedrigeren Schwierigkeitsgrad wechseln, falls er die Hilfe doch benötigen sollte. Ein zurück wechseln in den Game Players Level ist dann jedoch nicht mehr gestattet … Was jedoch völlig irrelevant ist, da man einfach nur einen alten Spielstand zu laden braucht, um dieses Treppchen zu umgehen. Ein weiterer Unterschied ist der Highscore. Im Entertainment könnt ihr maximal 1500 Punkte verdienen und im Game Players 4000. Grund hierfür ist das Zeitlimit der „Jigsaw-Puzzles“ (dazu gleich mehr) im Game Player Level. Je schneller diese Rätsel gelöst werden, desto mehr Punkte gibt’s zur Belohnung. Abgesehen davon hat das Zeitlimit aber keinerlei Bedeutung, baut jedoch dennoch einen unangenehmen Druck beim Lösen der Puzzle auf. Und glaubt mir: Einige Jigsaw-Puzzle können recht knifflig und zeitaufwändig ausfallen. Da ist es schon blanker Hohn, wenn der Timer einem 3 Minuten Zeit gibt, man aber im Endeffekt über eine halbe Stunde dransitzt! Solche Puzzle sind eigentlich eine gute Sache, wenn sie zur Auflockerung der Inventarrätsel dienen, in The Pandora Directive sind sie für meinen Geschmack jedoch etwas zu zahlreich und knifflig ausgefallen. Ist aber wie gesagt nur meine Meinung. Ich gehöre einfach zu denen die Inventarrätsel Puzzles vorziehen.
Immerhin sind die Puzzles sehr abwechslungsreich ausgefallen. Da reicht die Bandbreite vom klassischen zerrissenen Brief über knifflige Code-Sequenzen bis hin zu verzwickten Schiebe-Mechanismen. So manch schlaflose, verpuzzelte Nacht ist euch jedenfalls garantiert. Diejenigen die nicht mehr weiterkommen, können aber gnädigerweise einen Code aus der Help-Funktion erhalten, mit dem man das jeweilige Puzzle überspringen kann. Seltsam ist jedoch die Maßnahme einige Puzzle/Rätsel den Spielern des Entertainment Levels zu verwehren. So gibt es recht früh im Spiel ein optionales Kreuzworträtsel zu finden, mit dessen Hilfe sich unser Privatdetektiv etwas Geld hinzuverdienen kann – vorausgesetzt man spielt im Game Players Level, ansonsten bleibt einem das Kreuzworträtsel verwehrt. Weitere Beispiele kann ich nicht nennen, da ich das Spiel auf den höheren Level gespielt und Entertainment nur mal probe gezockt habe.
Wo wir jetzt schon mal beim Geld wären: Das Geldsystem aus dem ersten Tex Murphy-Spiel „Mean Streets“ wurde hier wieder eingeführt. Und das leider eher schlecht als recht. Murphy bekommt zu Beginn des Spiels eine Anzahlung von 4000 $ und mit diesem Geld gilt es nun zahlreiche Altschulden in der Nachbarschaft zu begleichen. Danach ist man auch schon wieder fast pleite, benötigt aber dennoch noch ein paar hundert Dollar um sich einige wichtige Items aus den Shops der Chandler Avenue zu kaufen. Wer aufmerksam spielt findet hier und da etwas zusätzliches Geld, wie z.B. einen Briefumschlag mit ein paar hundert Dollar die eigentlich für ein Waisenhaus gedacht waren. Nun stellt sich die Frage ob man die Kohle einstreicht oder in den Briefkasten wirft, damit sie doch noch dem Waisenhaus zugute kommt. Und ja, richtig geraten: Es gibt ein Gesinnungssystem in diesem Spiel, welches unterschiedliche Zwischensequenzen und Endings freischaltet. Je nachdem ob man sich gutherzig oder arschig verhält gibt’s natürlich die angemessene Quittung. Das ist aber gar nicht so leicht umzusetzen, denn bei manchen Dialogoptionen in den Multiple Choice-Dialogen kann man gar nicht absehen, ob diese nun eine freundliche oder fiese Antwort unseres Detektivs zur Folge haben. Da hilft dann nur das gute alte Trial & Error weiter. Das Geldsystem entpuppt sich hingegen als peinlicher Flop. Wenn euch die Moneten nämlich zur Neige gehen, bietet euch das Spiel an 500 Dollar im Tausch für 500 Minuspunkte auszuhändigen. Und ihr wisst ja, dass der Score in diesem Spiel keinen wirklichen Zweck erfüllt.
Zum Abschluss möchte ich noch auf zwei ernsthafte Schwachpunkte aufmerksam machen. Zunächst ist da die Steuerung die an und für sich schon recht schwammig daherkommt, aber in diesem Teil sogar noch schlechter funktioniert. In Under a Killing Moon hatte ich noch Kontrolle über Tex‘ Laufgeschwindigkeit. Einfach die Maus nach vorne bewegen und Murphy lief schneller. Aus irgend einem Grund funzt das in The Pandora Directive aber nicht mehr. Ich habe keine vernünftige Kontrolle mehr über die Geschwindigkeit der Fortbewegung (es sei denn man geht ins Optionsmenü und ändert die allgemeine Laufgeschwindigkeit). Auf offener Straße bewegt sich die Spielfigur nur sehr langsam voran aber in kleinen Räumen läuft sie auf einmal schnell. Drehbewegungen der Spielfigur sind teilweise derart unberechenbar, dass man richtig durcheinander kommt. Erwähnenswert ist angesichts dieser Problematik, dass es gegen Ende des Spiels eine Geschicklichkeitspassage gibt in der es darum geht schmale Laufpfade über einem Abgrund zu überbrücken, während einem Feuerbälle entgegen geschleudert werden. Und nun ratet mal wie vergnüglich diese Passage mit dieser beschissenen Steuerung war! Ganz ehrlich: Ich kapiere nicht was hier schiefgelaufen ist. Im Vorgänger war die Steuerung zwar schwammig und unbequem, aber ansonsten funktionell. Ich vermute fast, dass ich hier Opfer eines Bugs oder suboptimaler Emulation geworden bin. Wirklich beurteilen kann ich das nicht. Unabhängig davon hat sich Access Software aber sowieso einen Rüffel verdient, weil man sich generell nicht um eine bessere und bequemere Steuerung bemüht hat.
Der zweite Schwachpunkt wirkt sogar noch schwerer. Die Entwickler haben nämlich eine Sünde aus dem zweiten Teil „Martian Memorandum“ zurückgebracht, wobei ich aber sagen muss, dass ich nicht weiß, ob dies willentlich oder unwissentlich geschah. Die Rede ist von permanenten Sackgassen. Auch wenn ich nur in einer Stelle im Spiel auf eine permanente Sackgasse gestoßen bin (im NSA-Geheimbüro), so war dies doch bereits eine Stelle zu viel! Somit haben wir also so einige Macken und unausgereifte Spielelemente zusammengetragen, die den Spielspaß schon ordentlich beeinträchtigen. Natürlich gibt es auch Highlights, welche die Dellen wieder etwas geradebiegen. Der im Handlungssegment erwähnte Spielabschnitt der an ein Horror-Game erinnert war doch recht intensiv und eindrucksvoll. Und wer ein Faible für knifflige Puzzles hat, kommt hier wohl auch eher auf seine Kosten als meine Person. Die Aussage, dass es sich bei The Pandora Directive um das beste Tex Murphy-Spiel handelt, kann ich aber keineswegs bestätigen!
Grafik, Sound und weiteres
In grafischer Hinsicht ist The Pandora Directive im Direktvergleich zu Under a Killing Moon ein zweischneidiges Schwert. So wurden die FMV-Filmsequenzen deutlich verbessert. Im Vorgänger ärgerte man sich noch, dass es die Entwickler nicht hinbekommen haben mehrere Personen in eine Sequenz einzubauen, die sich dann auch alle bewegen konnten. Stattdessen hat sich nur eine Person bewegt und die andere(n) wirkten wie zu Salzsäure erstarrt, was unheimlich beknackt aussah. Dieser Mangel wurde nun endlich behoben. generell wirken die FMV-Filmchen qualitativ hochwertiger. Man bekommt nun stellenweise eher das Gefühl man würde sich einen Film angucken. Das liegt auch an der guten Leistung der Schauspieler. Viele Charaktere kennt man schon aus dem Vorgänger und erfreulicherweise stecken da dieselben Leute dahinter wie in Under a Killing Moon. Es erklärt sich von selbst, dass auch diesmal wieder Chris Jones (Tex Murphy) und einige seiner Mitarbeiter bei Access Software vor der Kamera standen. Hinzu kommen natürlich noch einige „echte“ Schauspieler wie Suzanne Barnes als Chelsee Bando oder Barry Corbin, der in seiner Rolle als NSA-Mistkerl Jackson Cross eine hervorragende Darstellung liefert!
Doch wie sieht nun die andere Seite der Medaille aus? Nun, die Ingame-3D-Grafik hat sich stellenweise leider verschlechtert. Vor allem einige Texturen der Chandler Avenue wirken wie ein Farbmatsch aus Kinderhand. Vergleicht man die grafischen Unterschiede von Under a Killing Moon und The Pandora Directive, so fallen vor allem Gebäude wie das Golden Gate Hotel oder Rusty’s Funhouse auf, die nun wesentlich miserabler aussehen als vom Vorgänger gewohnt. Seltsam auch, dass Murphy’s Speeder nicht mehr vor dem Ritz Hotel parkt (und auch nirgendwo sonst im Spiel). Da fragt man sich ernsthaft was sich die Grafiker dabei gedacht haben. Insgesamt ist also sowohl ein Fortschritt als auch ein Rückschritt zu verzeichnen.
Der Soundtrack passt zwar wieder ganz gut zum Spiel und dessen Thematik, wirkt auf mich persönlich jedoch zu unspektakulär. Es bleibt einem eben nichts davon im Kopf hängen. Daher gibt es auch keine weiteren Ausführungen zu diesem Thema. An der Sprachausgabe gibt es im englischen Original natürlich nichts auszusetzen. Eine deutsche Übersetzung existiert im übrigen auch, diese wurde über GoG jedoch lange Zeit nicht zur Verfügung gestellt. Daher kann ich dazu auch nichts weiter sagen, da ich zwangsweise die englischsprachige Version spielte.
Ach und bevor ich es vergesse: Auch zu The Pandora Directive gibt es eine Roman-Umsetzung. Hierfür allerdings nur im englischen Originaltext.