Detective Di: The Silk Rose Murders REVIEW
Nachden sich der kanadische Indie-Entwickler Nupixo Games bereits mit drei Browsergames bewähren konnte, wurde es wohl mal langsam Zeit für ein handfesteres Spiel. Und so entschied man sich für ein Point & Click-Adventure, welches auf den Krimi-Stories zur historischen Persönlichkeit „Di Renjie“ aufbaut.
Di Renjie war im 7ten Jahrhundert ein chinesischer Beamter der Tang-Dynastie, der durch seine rigorosen Anti-Korruptions-Kampagnen große politische Bedeutung gewinnen konnte und wohl auch im allgemeinen sehr beliebt war. Dieser Tage wird der Mann als Heldenfigur verklärt, welche erstmals Mitte des 19ten Jahrhunderts in Buchform in Erscheinung trat. 1949 wurde das Buch vom holländischen Schrifsteller Robert van Gulik für den europäischen Markt übersetzt. Gulik war derart begeistert von dem Stoff, dass er begann eigene Romane zu „Richter Di“ zu verfassen. Mittlerweile ist Robert van Gulik verstorben, doch neue Romane zu Richter Di werden bis heute veröffentlicht (aktuell vom französischen Schriftsteller Frédéric Lenormand).
In China werden sogar Action-Filme und TV-Serien zum Thema produziert, da war es wohl nur eine Frage der Zeit, ehe der Stoff auch für eine Computerspielumsetzung zu Rate gezogen werden sollte. Und so erblickte Detective Di: The Silk Rose Murders am 02. Mai 2019 das Licht der Steam-Welt. Ermöglicht wurde das aber auch von 460 Kickstarter-Backern, welche 17.460 kanadische Dollar locker machten und somit den Wunschbetrag von 16.000 leicht übertrafen. Nun wo das alles geklärt ist, wollen wir herausfinden was das Adventure überhaupt taugt.
Sein erster Fall und die daraus resultierenden Konsequenzen
Penglai, China. Es ist der Spätfrühling des Jahres 689. Di Renjie hat erst vor kurzem seine Ausbildung zum Magistrat-Ermittler abgeschlossen und dennoch entpuppt sich bereits sein erster Fall als äußerst heikle Angelegenheit: Ein koreanischer Diplomat wurde in einem geheimen chinesischen Botschaftsgebäude ermordet. Damit scheinen die Pläne des altersschwachen chinesischen Imperators dahin, welcher vor seinem Tod einen Friedensvertrag mit Korea aushandeln wollte, damit er als wohlmeinender Friedensstifter dahinscheiden möge. Um zumindest weitere politische Verwicklungen, wie etwa einen Kriegsausbruch, zu vermeiden, soll Di Renjie den Täter schnappen, damit man den Koreanern zumindest den Mörder präsentieren kann.
Der frisch gebackene Magistrat benötigt nicht lange um den Fall zu knacken und ein Ergebnis zu präsentieren, welches sogar in der Lage ist, die diplomatischen Verhandlungen zu retten. Und so endet der Abend mit den Verheißungen einer baldigen Beförderung. Doch Di Renjie ist unzufrieden, denn er spürt, dass er etwas extrem wichtiges übersehen hat. Sogar seine eigene wirre Traumwelt mahnt ihn vor einer tödlichen Bedrohung.
Und auch mit der Beförderung wird es erst mal nichts, denn der Imperator ist unverhofft verstorben und dessen Witwe Wu Zetian hat den Kaiserthron übernommen. Eine mehr als nur kühne Entscheidung, denn eigentlich ist es Frauen verboten den Imperatoren-Thron zu besteigen. Doch wie es der Zufall so will benötigt Wu Zetian einen neuen Magistraten, der Letzte war nämlich ein inkompetenter, korrupter Widerling. Also nicht gerade die Sorte von Mann, welchen eine moderne Frau in solch einer Machtposition gebrauchen kann. Und so wird der talentierte Di Renjie nach Chang’an beordert, um den letzten großen Fehler seines Vorgängers zu bereinigen und dessen Nachfolge anzutreten. Wie sich herausstellt fand ein bestialischer Frauenmord statt. Die junge Dame wurde erdrosselt und bekam nach dem Tod das Herz herausgeschnitten. Ihr altersschwacher, blinder Vater wurde als Mörder deklariert, ein lächerliches Ergebnis welches Imperatorin Wu Zetian überhaupt nicht witzig findet. Natürlich gelingt es Di Renjie recht schnell die Unschuld des blinden Greises zu beweisen, doch der Täter ist noch auf freiem Fuß und begeht weitere Morde derselben Machart. Es sollte niemanden überraschen, dass die Frauenmorde mit Di Renjies Einstiegsfall in Penglai zusammenhängen, welcher zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Monate zurückliegt.
Die Story ist spannend und bietet nicht nur eine solide Mörderhatz, sondern auch ein interessantes politisches Geplänkel. Und ja, dies hier ist ein Spiel mit einem sehr hohen Emanzipikationsfaktor, wobei die Geschichte jedoch intelligent genug geschrieben ist, um darzustellen, dass kein Mensch unfehlbar ist, egal welches Geschlecht er hat. Ich fand es auch sehr gut, wie es das Spiel geschafft hat die Unterdrückung von Frauen ohne Effektheischerei oder Plumpheit darzustellen – starke Leistung des Autors!
Weniger gelungen sind jedoch einige unlogische Momente, welche durch das klischeebehaftete Adventure-Gameplay provoziert werden. So muss Di Renjie, obwohl er quasi der Judge Dredd der Tang-Dynastie ist, dumme Aufgaben für kindisch-störrische NPCs bewältigen, um diese zur Kooperation zu bewegen. Zwar bekommt Di Renjie einige alternative Antwortoptionen, in denen er dominanter auftreten kann, aber im Endeffekt haben diese keinerlei Effekt (warum diese dann überhaupt einbauen?). Selbstverständlich ist klar, dass er mit einem Herz aus Gold konzipiert wurde, was für ein Adventure ja auch gar nicht mal so üblich ist. Dennoch besteht das Logikloch, dass nunmal ein Psychokiller unterwegs ist, der Menschen ermordet. Bei solch einer Notlage sollte ein Inquisitor auch ruhig mal mit der Peitsche drohen dürfen, um die Glaubwürdigkeit der Story zu wahren. Oder noch besser: Besagte NPCs sollten sich angesichts eines von der Imperatorin beauftragten Magistrats nicht wie Vollidioten aufführen, und somit Einkerkerung und Folter riskieren.
Unterm Strich also einer jener Fälle, wo das Gameplay der Story derbe in die Quere kommt. Glücklicherweise können die Vorzüge der Handlung diesen Makel locker ausgleichen.
Routiniert, kurz und beinahe was für Einsteiger
Bezüglich des Gameplays gibt es nicht viel zu sagen. Es handelt sich um ein Standard Point & Click-Adventure. Mit der linken Maustaste navigiert man seine Spielfigur durch die Screens, begutachtet Hotspots und sammelt Gegenstände ein. Besagte Gegenstände werden in der Inventarleiste am oberen Bildschirmrand gelagert. Dort kann man die Sachen gegebenfalls auch untereinander kombinieren, um letztendlich notwendige Werkzeuge für diverse Problemstellungen zu kreieren. Detective Di ist jedoch eher ein narrativ geprägtes Adventure, weswegen der Dialog mit NPCs einen größeren Stellenwert einnimmt, als die Inventarrätsel.
Interessant ist jedoch der Abschluss eines Kapitels, wo Di Renjie die Ergebnisse seiner Ermittlungen in Form dreier Multiple-Choice-Fragen durchgehen muss, um den Tathergang zu rekonstruieren. Das ist jetzt nichts wirklich Erinnerungswürdiges, aber dennoch eine netter kleiner Zusatz.
Das letzte Kernbestandteil des Gameplays liegt in einigen Apparatur-/Code-Rätseln, welche hier und da bewältigt werden sollen. Die meisten von denen sind, wie auch der Rest des Spiels, eher einfach zu lösen. Jedoch haben sich mit dem Weiqi-Tisch und dem Türschloss zwei überraschend knifflige Denknüsse eingeschlichen, welche mit den zur Verfügung gestellten Informationen zwar relativ gut zu lösen sind, unerfahrene Adventure-Spieler aber derbe vors Schienbein treten können. Ich betone gerne noch einmal, dass Detective Di eher ein leichteres Spiel ist, welches man auch Einsteigern hätte wunderbar empfehlen können. Die beiden genannten Apparatur-/Code-Rätsel fallen da jedoch komplett aus der Rolle.
Da wir es mit einem Indie-Adventure zu tun haben, fällt der Spaß kürzer aus als der Durchschnitt im Genre (ist leider ein stets wiederkehrender Faktor bei Indie-Abenteuern). Ein regulärer Adventure-Spieler sollte nicht mehr als 6 oder vielleicht 6,5 Stunden einplanen, um bis zum Abspann vorzudringen. Und das obwohl eine Hotspotanzeige fehlt. Ich selbst habe die Anzeige in diesem Spiel ehrlich gesagt nicht vermisst, aber es gibt hier und da schon einige Hotspots, die etwas schwerer zu entdecken sind, wenn man nicht aufmerksam hinguckt. Nervig ist auch, dass bloß acht Speicherslots zur Verfügung gestellt werden. Autosaves gibt es übrigens nicht.
Die Doppelklick-Mechanik in diesem Spiel dient lediglich dazu Di Renjie etwas schneller laufen zu lassen. Abkürzungen durch Ein- und Ausgänge sind jedoch nicht möglich.
Grafik und Sound
Detective Di setzt auf einen sehr groben Pixellook, welcher sich bei einigen Indie-Entwicklern einer gewissen Beliebtheit erfreut. Die Grobkörnigkeit dieses Stils bringt jedoch auch immer die Gefahr mit sich weniger tolerante Adventure-Spieler zu vergraulen, wir reden hier nämlich keineswegs über zeitlos-detaillierte 16-bit Sprites oder dergleichen, sondern über ein merkwürdiges Kunst-Gimmick. Nichtsdestotrotz gelang es den Grafikern einige schöne, fernöstliche Ortschaften zu pixeln, auch wenn mit diesem Grobkorn-Stil nie die Schönheit höherwertiger Grafikstile erlangt werden kann.
Aber genug davon, denn zumindest beim OST hat man auf Indie-Experimente verzichtet und etwas durch und durch Hochwertiges kreiert. Besonders die Titelmusik überzeugt mit einem unerwartet epischen Flair. Aber auch die Ingame-Stücke brauchen sich nicht zu verstecken, schaffen sie es doch eine hervorragende „Murder-Mystery“-Stimmung zu erzeugen.
Eine Sprachausgabe gibt es leider nicht, ist bei Indie-Adventures aber auch nicht unbedingt zu erwarten. Die Textboxen werden leider nur in englischer oder chinesischer Sprache angeboten.
Pro & Kontra
- spannende Murder-Mystery Story im unverbrauchtem Setting (China des 7ten Jahrhunderts)
- sympathischer Protagonist
- routiniertes, solides Adventure-Gameplay
- sehr guter OST
- ist für Profis viel zu leicht
- Einsteiger könnten an zwei relativ knackigen Code-Rätseln verzweifeln
- keine Hotspotanzeige
- das Verhalten einiger NPCs wirkt forciert bockig (Widerstand gegen die Staatsgewalt), nur um mehr Gameplay rauszupressen