Contradiction: Spot The Liar REVIEW

Angefeuert durch den großen Kickstarter-Erfolg von Tesla Effect (Tex Murphy 6) kamen wohl so einige Indie-Devs auf den Trichter, dass FMV-Spiele immer noch ihre Fans haben und zünden können. Und so schickte am 10. Juli 2015 auch der in UK ansässige Indie-Entwickler Baggy Cat Ltd. ihr FMV-Adventure Contradiction ins Rennen. Contradiction: Spot The Liar ist dabei auch der Debuttitel der Engländer. Leider wurde das filmische Krimi-Abenteuer nur in englischer Sprache veröffentlicht, weswegen ich es lange Zeit gemieden habe. Doch nun bin ich über meinen Schatten gesprungen, habe meine Englischkenntnisse gestählt und das Spiel unter die Lupe genommen. Ob sich das für mich gelohnt hat oder nicht, erfahrt ihr im folgendem Test.

Mord oder Selbstmord, das ist hier die Frage

Contradiction 1

Die Leiche der Studentin Kate Vine wurde vor einer Woche aus dem Waldsee beim englischen Dörfchen Edenton herausgefischt. Da die Gute unter Stimmungsschwankungen litt und dem Alkohol und Drogenkonsum nicht abgeneigt war, ging man zunächst von einem Selbstmord aus. Doch dann wird Kates Führerschein auf der anderen Seite des Sees gefunden. Dieses neue Beweisstück macht die Polizei stutzig, also wird der Ermittler Frederik Jenks nach Edenton geschickt, um dem Freundes- und Bekanntenkreis von Kate auf den Zahn zu fühlen. Er soll herausfinden, ob nicht doch ein Mord hinter dem Ertrinken steckt. Dummerweise bekommt Jenks hierfür nur wenige Stunden Zeit, ehe der Fall nicht doch als Selbstmord zu den Akten gelegt werden soll. Um 17:00 Uhr trifft Jenks im Dorfzentrum ein, bis Mitternacht soll er den Fall knacken. Jetzt liegt es an euch Jenks‘ Ermittlung zu einem erfolgreichen Abschluss zu verhelfen.

Contradiction: Spot The Liar bietet einen spannenden Fall, der schon recht bald Einblick in komplexere Geschehnisse offenbart, welche mit dem zwielichtigen Unternehmen Atlas zusammenhängen, bei denen Kate Kunde war. Atlas bietet Kurse für junge Erwachsene an, welche eben diese auf die raue Geschäftswelt vorbereiten sollen. Die Handlungsfässer, welche durch die Machenschaften von Atlas geöffnet werden, werden leider nicht ausgeschöpft und stattdessen für ein Sequel offengehalten. Ob es dieses jedoch jemals geben wird, steht in den Sternen. Das ist natürlich etwas ärgerlich, aber zumindest wird der Fall rund um den Tod von Kate geklärt.

Die Charaktere sind angenehm markant und abwechslungsreich. Neben unserem etwas schrulligen Ermittler Jenks gibt es z.B. den bitterbösen Geldsack Paul, den schleimigen Kursleiter Ryan, die aalglatte Pubbetreiberin Rebecca oder auch den örtlichen Drogenfuzzie und Verschwörungstheoretiker James. Es macht Spaß sich mit diesen Leuten auseinanderzusetzen und deren Leichen aus dem Keller zu holen. Man wird von Anfang bis Ende gut unterhalten.

Entlarvt die Lügner!

Contradiction 3

Ausgehend vom Dorfplatz von Edenton, gewährt euch das Spiel die relativ freie Erkundung der Dorfregion und des angrenzenden Waldstücks. Man klickt sich hierbei gemütlich via Maus durch die Screens. Ein- und Ausgänge werden hierbei automatisch vom Spiel visualisiert. Die Spielwelt ist jedoch sehr überschaubar und eine jederzeit aufrufbare Dorfkarte bietet obendrein eine Schnellreisefunktion zu den wichtigsten Stellen.

Wer die typischen Point & Click-Spielmechaniken erwartet, wird enttäuscht. So gibt es z.B. keine Hotspots. Wenn es irgendwo einen wichtigen Gegenstand zum aufsammeln gibt, so wird automatisch ein Lupensymbol im HUD auf der rechten Bildschirmseite eingeblendet. Ein Klick auf die Lupe reicht dann aus, um den Gegenstand einzusammeln. Auch die Notwendigkeit Gegenstände zur Lösung eines Problems zu nutzen, taucht in Contradiction: Spot The Liar nur extrem selten auf. Es gibt höchstens 4-5 Situationen, in denen man einen Gegenstand im Inventar einsetzen muss. Und diese Situationen sind immer logische Vorgänge aus dem Alltagsleben.

Das Gameplay-Herzstück in Contradiction sind die Dialoge mit den NPCs, welche an das Namen-gebende Contradiction-System gekoppelt sind. Zunächst sollte man alle offenen Dialogoptionen mit dem jeweiligen NPC abwickeln. Zu jeder Dialogoption macht sich Jenks Notizen. Die Notizen rangieren dabei von einer bis zu fünf Textzeilen pro Thema. Der Spieler hat jetzt die Möglichkeit zwei dieser Textzeilen zu markieren, mit dem Ziel einen Widerspruch aufzudecken, und den NPC somit in Verlegenheit zu bringen, damit dieser mit weiteren Infos und Zeugenaussagen herausrückt. Mit eben diesen kann man dann die anderen NPCs befragen und eventuell weitere Widersprüche aufdecken und die Handlung somit immer weiter vorantreiben.

Insgesamt gibt es sechs dieser Zeugen-NPCs und mit der Zeit wird die Themen- und Textzeilen-Tabelle immer umfangreicher und leider auch unübersichtlicher. Selbst zu Beginn des Spiels ist es gar nicht so leicht die Widersprüche aufzudecken. Man muss sich schon konzentrieren und die Textzeilen genau studieren, um die Lügen zu knacken – ohne gute Englischkenntnisse geht hier nichts. Erzielt man jedoch einen Erfolg, ist das Gefühl der Befriedigung umso größer.

Außerdem stellt euch das Spiel mehrere Hilfefunktionen zur Verfügung. Im HUD habt ihr einen Glühbirnen-Button, welcher euch konkrete Anweisungen gibt, was ihr noch zu tun habt (z.B. mit welchem NPC noch zu sprechen ist, oder welcher Ort genauer untersucht werden sollte). Des Weiteren kann Jenks seinen Vorgesetzten via Telefonzelle kontaktieren, welcher i.d.R. einen Tipp springen lässt, welchen Zeugen man als nächstes ausquetschen sollte, um voranzukommen. Sollte auch dies nicht ausreichen, gibt es noch die Cheat-Funktion. Die Cheats kann man in jenem Menü aktivieren, in dem die Telefongespräche mit dem Chef festgehalten werden (jeder Dialog wird hier festgehalten und kann jederzeit wieder aufgerufen werden). Ich selbst habe diese jedoch nie genutzt, da man durch Einsatz eines Cheats die entsprechende Achievement-Belohnung verliert.

Und viel mehr gibt es zum Spielinhalt auch gar nicht zu sagen. Man merkt, dass das Contradiction-/Widerspruch-System noch etwas in den Kinderschuhen steckt. Mir persönlich sind z.B. eins, zwei Widersprüche untergekommen, die gar nicht vom Spiel bzw. den Entwicklern registriert wurden. Außerdem fällt auf, dass es nicht gestattet ist die Zeugenaussagen verschiedener NPCs direkt miteinander zu vergleichen. Auch die Beschränkung auf gerade einmal zwei Speicherslots, welche man lediglich überspeichern kann, ist äußerst merkwürdig. Ich spiel hier schließlich nicht auf dem Gameboy. Aber diese Macken ändern nichts daran, dass ich viel Spaß mit diesem Spiel hatte.

Grafik und Sound

Contradiction 2

Contradiction: Spot The Liar ist ein reines FMV-Spiel. Das heißt, dass sich das gesamte Spiel aus Filmaufnahmen zusammensetzt. Diese wurden in hochwertiger Qualität gedreht, mit dem miserabel aufgelösten Filmschnipseln der damaligen 90er-Jahre FMV-Games, hat Contradiction also nichts zu tun. Die Kameraperspektiven und -führung wurde kompetent umgesetzt und die schauspielerische Leistung der Akteure ist solide. Lediglich der Protagonist Jenks wirkt etwas arg hibbelig, während der alte Geldsack Paul eine heftige Aura der Boshaftigkeit verströmt, welche selbst Sith-Lords erschauern lassen würde. Aber das sind Dinge, die eher charmant als störend wahrgenommen werden. Von daher ist alles im grünen Bereich.

Wirklich negativ sind da eigentlich nur kleinere Grafikglitches. Bei der Wanderung durchs Dorf werden kleinere Loops, statt fotografische Standbilder verwendet. Zwischen den Loops blitzt dann gerne mal die Stadtkarte für eine Zehntelsekunde auf, was ziemlich nerven kann. Hier hätte man sauberer vorgehen sollen. Auch die Menüs wirken ein wenig zu pragmatisch. Peinlich ist der Mauscursor. Hier wird der Windows-Standard-Mauscursor statt einer Eigenkreation verwendet, was einfach nur billig wirkt.

Zum Soundtrack kann ich nicht viel sagen, da dieser nur unscheinbar im Hintergrund abgespielt wird, sofern man im Dorf unterwegs ist. Er bleibt nicht mal ansatzweise im Gedächtnis hängen, stört aber auch nicht beim Spielen. Da es sich um ein FMV-Spiel handelt, ist es natürlich auch vollvertont. Die Stimmen der Schauspieler klingen angenehm und deren Leistung ist, wie bereits gesagt, solide und charmant.

Pro & Kontra

thumbs-up-icon

Pros
  • hochwertige Filmqualität mit soliden Darstellern
  • das Contradiction-System ist mal was ganz neues und unverbrauchtes
  • Schnellreise-Funktion via Stadtkarte
  • bietet verschiedene Hilfetools zur Unterstützung

thumbs-up-icon

Cons
  • der Fall wird zwar gelöst, aber es bleiben auch viele offene Fässer zurück. Eine Fortsetzung gibt es nicht
  • die Contradiction-Tabelle wird mit der Zeit immer länger und somit unübersichtlicher
  • das Contradiction-System beschränkt sich nur auf jeweils einen NPC. Es lassen sich keine Zeugenaussagen verschiedener NPCs gegenüberstellen

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Spiel Bewertung
Singleplayer
80
80
Okay
-
Multiplayer

FAZIT

Contradiction ist ein weitere Beweis dafür, dass das Genre der FMV-Abenteuer noch einiges an Potential zu bieten hat. Statt stur die Standard-Formeln eines Point & Click-Adventures zu verarbeiten, überlegte man sich einen neuen Gameplayansatz, welcher auch wesentlich besser zu einem FMV-Krimi passt, als Inventarrätsel. Die Rede ist von Wiedersprüchen im Zeugenverhör. Wer hätte gedacht, wie spannend, knifflig und befriedigend es sein kann einen lügnerischen Zeugen zu entlarven und mit der Zeit immer weiter aus der Reserve zu locken? Zwar steckt diese Gameplay-Idee noch etwas in den Kinderschuhen, da man keine Zeugenaussagen verschiedener NPCs direkt gegenüberstellen kann, und es hier und da einen Widerspruch gibt, der nicht vom Spiel registriert wird, aber unterm Strich bekommt man ein wirklich cooles Konzept geboten, welches in ein kompetentes FMV-Korsett gepackt wurde. Eine Fortsetzung wäre definitiv wünschenswert!

- Von  Volker

MS Windows

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