City of Chains REVIEW

Der auf RPG-Maker-Titel spezialisierte Indie-Entwickler Astronomic Games konnte ja bereits mit einigen anderen Titeln wie Atonement oder Incitement bei mir punkten. Da sollte es also nicht verwundern, dass ich mir auch das im Dezember 2015 veröffentlichte City of Chains zu Gemüte geführt habe. Mit City of Chains wendete sich der Entwickler jedoch von einigen altbekannten Rollenspiel-Schemata ab, so gibt es hier weder ein klassisches Level-Up-System noch Zufallskämpfe. Darüber hinaus versetzt uns das Spiel in ein Cyberpunk-Setting, welches für das Genre der rundenbasierten Konsolen-Rollenspiele ja recht ungewohnt ist. Ob die aufgerundet 9 Euro für City of Chains gut angelegt sind oder nicht, soll folgendes Review klären.

 

Hetzjagd durch die Stadt der Ketten

Der Wissenschaftler und Ingenieur Holt Allaway weigert sich als Waffenentwickler für den korrupten Regierungsapparat seiner Heimatstadt zu arbeiten. Zur Strafe wird Holt in den örtlichen Folterknast verfrachtet, wo er aber immerhin Bekanntschaft mit seiner ansehnlichen Leidensgenossin Chloe Berthold (ebenfalls Wissenschaftlerin) macht. Doch Holt und Chloe haben Glück im Unglück. Die Sicherheits-Roboter des Gefängnisses werden gehackt und gehen plötzlich aufs Personal los. Darüber hinaus werden Holt und Chloe von der mysteriösen Flugdrohne Cai aus ihren Zellen befreit. Während der darauffolgenden Flucht werden auch noch die Schwerverbrecherin Lorelei Livingston, sowie der Cyborg-Polizist Dreschner Braun rekrutiert, um zusätzliche Feuerkraft ins Team zu holen. Von nun an geht es ums nackte Überleben, denn der Polizeiapparat will die entflohenen Häftlinge und Verräter freilich wieder Dingfest machen. Holt und sein Team wollen hingegen einfach nur noch aus der Stadt türmen, doch gewisse Gruppierungen vor Ort haben andere Pläne für das wehrhafte Quartett. Und dann ist da noch der geheimnisvolle Cai, welcher eventuell den Schlüssel zu einer besseren Zukunft für die Stadt bereithält.

City of Chains erzählt eine grundsolide Cyberpunk-Story, welche ihre Inspiration natürlich von anderen großen Titeln wie Deus Ex bezieht. Es macht Spaß die Handlung mitzuverfolgen und zu beeinflussen, denn City of Chains bietet einen durchaus soliden Umgang mit Choices & Consequences – auch hier grüßt uns wieder Deus Ex. Neben einigen “Wer lebt und wer stirbt“-Entscheidungen, gibt es Sidequests die ineinander greifen und natürlich verschiedene Endings. Die Charaktere fügen sich darüber hinaus gut in die Spielwelt ein, vor allem da man in den meisten Fällen starre Schwarz-Weiß-Muster vermieden hat. So entpuppt sich der fanatische Polizist als liebender Familienvater und der Protagonist geht auf Wunsch des Spielers auch mal über Leichen. Leider hat man es versäumt ausreichend Hintergrundinformationen in dieses Spieluniversum einzubauen. Die Stadt in der das Spiel stattfindet hat ja noch nicht mal einen Namen bekommen und von der Welt außerhalb der Stadt erfährt man so gut wie gar nichts. Ein komplexes Cyberpunk-Universum á la Deus Ex oder Shadowrun sollte man also definitiv nicht erwarten. Aber abgesehen davon wird grundsolide und unterhaltsame Kost geboten. Das ist für ein RPG-Maker-Spielchen durchaus eine runde Sache.



Innovativ aber auch etwas unausgereift


Zunächst steht die Auswahl aus drei Schwierigkeitsgraden an. Die da wären Casual, Hardy und Dystopia. Es gibt drei Faktoren die von den Graden beeinflusst werden: Die Stärke der Gegner, der Nutzen der Heilstationen und die Moral-Strafe bei einer Flucht aus dem Kampf. Die Gegner bekommen auf höheren Graden bessere Statistikwerte (mehr Lebensenergie und Angriffskraft) und neue Skills freigeschaltet. Die Heilstationen, welche eine komplette Regeneration der Lebensenergie gewähren, sind auf Casual uneingeschränkt nutzbar, auf Hardy nur einmal pro Station und auf Dystopia sogar komplett deaktiviert. Die Moral-Strafe bei einer Flucht zieht einen Moral-Punkt auf Hardy und zwei auf Dystopia ab. Freilich kann man die Moral-Strafe durch Save-Scumming umgehen, denn City of Chains erlaubt eine uneingeschränkte Speicherung in bis zu 15 Saveslots.

Aber was ist eigentlich die „Moral“? Nun, jeder Charakter verfügt zu Beginn über fünf Moral-Punkte. Einige von denen werden abgezogen, wenn man flüchtet, ein Charakter im Kampf alle Lebenspunkte verliert, oder ein Gegner eine Beleidigung im Kampf raushaut. Je weniger Moralpunkte man hat, desto ineffektiver ist die eigene Kampfleistung. Es ist also wichtig die Moral auf Vordermann zu halten. Moral steigert sich, indem man Kämpfe gewinnt, entsprechende Heilgegenstände verwendet oder motivierende Ansprachen im Kampf freigeschaltet werden. Ein interessantes System, welches aber auch sehr nervig werden kann, da es das Spiel freilich ziemlich schwierig machen kann.
Weitaus weniger Problematisch ist hingegen die Regeneration der eigenen Lebenspunkte. Selbst wenn man auf höchster Schwierigkeitsstufe spielt, stellt diese kein Problem dar, denn es gibt im Spiel eine versteckte Selbstregeneration der eigenen Hitpoints. Ein paar Ingame-Fußschritte reichen nämlich aus, um Hitpoints zu regenerieren. Wer also ein halbes Minütchen in den Maps hin- und herlatscht, kann das Problem niedriger Lebensenergie problemlos ausbooten. Hierdurch wird ein Teil des Ressourcen-Managements höherer Schwierigkeitsgrade freilich ruiniert.

Und an dieser Stelle kristallisiert sich dann auch schon das größte Problem von City of Chains heraus. Das Spiel mag zwar innovative Ideen (zumindest für RPG-Maker-Standards) einbringen, doch sind diese zum Teil etwas arg unausgereift. Was nützt schon ein Heilstationen- und Moral-System, wenn derlei Spielelemente durch Selbstregeneration und Save-Scumming unbrauchbar gemacht werden können. Gute Ideen alleine reichen halt nicht aus, doch glücklicherweise gibt es auch viele Dinge, die vernünftig umgesetzt wurden. Wie gesagt gibt es keine klassischen Level-Ups, Erfahrungspunkte oder Zufallskämpfe. Jeder Gegner im Spiel wurde bewusst platziert, und nicht jeder Gegner muss auf klassische Weise bekämpft werden. Das wäre ohnehin nicht sinnvoll, da die Kämpfe kräftezehrend sind und es lediglich einige Geldeinheiten und Gegenstände als Belohnung gibt, was den Mehraufwand der Kampfressourcen (Munition, Moral, Lebensenergie) nicht immer wert ist.

Glücklicherweise gewährt das Spiel viele alternative Möglichkeiten. So kann der Protagonist Holt z.B. Granaten aus Rohstoffen herstellen, mit denen ganze Gegnergrüppchen ausradiert werden können, ohne sie direkt bekämpfen zu müssen (die Wertsachen der Gegner werden dadurch jedoch zerstört). Ferner verfügt er über Hacking- und Programmier-Skills, um etwa mächtige Wachroboter zu schwächen oder auch lästige Minen zu entschärfen, welche Wege blockieren. Chloe hingegen ist die Diplomatin im Team, die bei entsprechender Skillung zusätzliche Dialogvarianten freischaltet, um den ein oder anderen Kampf zu umgehen oder zumindest moralische Unterstützung im Kampf zu gewähren. Außerdem kann sie Heilgegenstände aus bestimmten Rohstoffen herstellen. Lorelai kann Türen und Truhen knacken, während Dreschner rissige Wände und Holztüren einschlagen darf. Manchmal kann man sich sogar von hinten an einen Gegner anschleichen, um diesen auf diese Weise zu erledigen. Es gibt also viele Optionen, um direkte Konfrontationen zu vermeiden, aber spätestens bei Bosskämpfen führt dann kein Weg mehr am Kampf vorbei.

Das Kampfsystem an sich ist freilich rundenbasierter Genrestandard. Jeder Charakter verfügt über eigene Skills, die clever eingesetzt werden wollen, um die Kämpfe siegreich über die Bühne zu bringen. Viele Skills müssen jedoch erst mit entsprechenden Skillpunkten freigeschaltet werden. Und diese erhält man hier nur durch das bewältigen von Haupt- und Nebenquests. Da man selbst bei gründlicher Spielweise nicht genügend Punkte für alles Skills verdient, muss man sich entscheiden was einem wichtiger ist. Soll Holt lieber in seine Hacking und Crafting-Skills investieren oder nicht doch lieber Passive Statusboosts oder vielleicht sogar spezielle Kampftechniken freischalten? Kampfskills können übrigens nicht inflationär eingesetzt werden, sondern erfordern nach ihren Einsatz immer einen Cooldown von mehreren Runden im Kampf. Die unterschiedlichen Schießeisen sind da zuverlässiger, erfordern jedoch kostspielige Munition (Incitement lässt schön grüßen) und sind ihrerseits nicht ganz billig zu erwerben. Einen Standard-Nahkampfangriff gibt es freilich auch, doch bringt dieser nicht genügend Leistung und ist daher nur für den Notfall gedacht. In City of Chains geht es also eher darum Ressourcenmanagement zu betreiben und Entscheidungen zu treffen, als sich einfach nur stur durch die Spielwelt zu grinden.

Leider ist der Spaß bereits nach 5-6 Stunden vorbei. Die Spielwelt ist sehr linear aufgebaut: In kleineren Stadtbezirke treibt man Handel und löst Haupt- und Nebenquests, ehe es mit der Flucht weitergeht und man letztendlich im nächsten Stadtbezirk landet, wo das Schema von Neuem beginnt. Die Dungeongebiete sind sehr übersichtlich und wurden primär auf die oben erläuterten Spezial-Skills der Charaktere zugeschnitten, was auch recht gut umgesetzt wurde. Kleinere Alibi-Schalterrätsel und dergleichen tauchen auch immer wieder auf, aber die sind nichts weltbewegendes. Leider wirkt das Spiel halt stellenweise wirklich verdammt unausgegoren. Auf den höheren Schwierigkeitsgraden sind einige Kämpfe wirklich unfair und provozieren rigoroses Save-Scumming.

Hier muss die oben erläuterte Options-Palette dann wirklich genutzt werden um durchs Spiel zu gelangen. Das allein kann ja noch als coole Herausforderung betrachtet werden, aber gewisse Mechaniken wie das Regenerations-System sind schlicht und einfach kaputt. Glücklicherweise bietet das Spiel eine gewohnt unkomplizierte RPG-Maker-Steuerung mit umfassenden Controller-Support und die kurze Spieldauer wird durch gelungenen Einsatz von Choices & Consequences und damit verbundenen Achievements gewährleistet. Ich selbst habe z.B. gut 15 Stunden in der Stadt der Ketten verbracht, um alle Achievements einzusacken. Und ich hatte Spaß dabei.

 

Grafik und Sound


Wie schon von Atonement gewohnt, pfeift auch City of Chains auf den Anime/Manga-Stil, den man sonst von RPG-Maker-Spielen gewohnt ist. Stattdessen werden Erweiterungs-Packs verwendet, die dem Maker-Programm einen westlichen Anstrich verpassen. Ob das gut oder schlecht ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Der Vorteil ist freilich, dass diese Erweiterungspacks nicht so weit verbreitet sind und es folglich nicht viele Maker-Spiele gibt, die so aussehen wie City of Chains. Der Nachteil ist hingegen, dass diese Grafik-Packs einfach nicht wirklich hübsch anzusehen sind und damit einen hohen Trash-Faktor bewirken, um es mal höflich auszudrücken. Blickt man darüber hinweg, muss man jedoch anerkennen, dass das düstere Cyberpunk-Setting angemessen stimmig umgesetzt wurde – zumindest so weit es die RPG-Maker-Engine nun einmal erlaubt.

Der Soundtrack wirkt da schon wesentlich besser. Ob die Stücke nun aus der RPG-Maker-Retorte stammen oder nicht, so fügen sie sich unabhängig von dieser Frage sehr gut ins Setting und die jeweilige Situation ein. Für RPG-Maker-Verhältnisse wird unterm Strich eine solide Präsentation geboten.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
70
70
-
Multiplayer

FAZIT

Mit City of Chains möchte Astronomic Games neue Wege im abgenutzten RPG-Maker-Bereich bestreiten. Neben dem recht frischen Cyberpunk-Setting, versucht man vor allem mit neuen Spielelementen und einem gesunden Choices & Consequences-System zu überzeugen. Das alles wurde auch recht ordentlich umgesetzt, aber leider sind auch einige kaputte Spielsysteme hineingerutscht. Generell mangelt es City of Chains irgendwie an Feinschliff, was der ganzen Sache einen bitteren Nachgeschmack verleiht. Und auch die schlappe Spieldauer von 5-6 Stunden ist nicht das Gelbe vom Ei, wobei aber immerhin für hohen Wiederspielwert gesorgt wird. Dennoch macht das Spiel Spaß und bietet genügend originelle Ideen, um einem bei Laune zu halten. RPG-Maker-Fans, die keine Lust mehr auf den Einheitsbrei des Genres haben, werden hier durchaus fündig!

- Von  Volker

MS Windows

City of Chains REVIEW

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