Canabalt REVIEW

Die Mutter der Endless-Runner: Was würdet ihr antworten, wenn man euch fragen würde, ob fünf Tage Arbeitszeit ausreichen würden, um ein herausragendes Computerspiel zu programmieren? Das ist nicht möglich? Nun, dann würdet ihr aber falsch liegen. Der Texaner Adam „Atomic“ Saltsman hat bereits am 31.08.2009 das Gegenteil bewiesen. An diesem Tag veröffentlichte er nämlich die Freeware-Version seines Geschicklichkeitsspiels Canabalt, welches nicht nur zahlreiche Nachahmer nach sich ziehen würde, sondern auch der Startschuss für ein neues Subgenre sein sollte – den sogenannten Endless-Runnern. Das ebenso simple wie süchtig machende Spielprinzip erfreute sich überraschend großer Beliebtheit. Da sollte es nicht verwundern, dass Canabalt eine erweiterte kommerzielle Version nach sich zog, welche als Download auf vielen verschiedenen Plattformen veröffentlicht wurde. Am 30.04.2015 erschien das Spiel dann auch auf Steam (aktueller Preis 2,99 €), und eben jene Version liegt auch diesem Test zugrunde.

 

Ausweglose Flucht

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Dem simplen Spielprinzip liegt eine ebenso simple, wenn auch äußerst düstere Story zugrunde. Man übernimmt die Rolle eines namenlosen Büroangestellten, der sich gerade an seinem Arbeitsplatz in einem Hochhaus einer unbenannten Großstadt befindet. Urplötzlich fällt die Stadt einer Alien-Invasion zum Opfer. Raumjäger werfen Bomben ab, Hochhäuser stürzen zusammen wie einst das World Trade Center und riesige Alien-Mechs zerstampfen wahllos Gebäude und Passanten. Entsetzt von diesem blutigen Schauspiel kennt der Anzugträger nur noch ein Ziel: Aus der Stadt abhauen – und zwar so schnell wie möglich! Verzweifelt springt er aus dem Fenster und setzt zum gnadenlosen Dauerlauf über die Dächer der Stadt an. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, ehe ihn das Glück oder die Kraft verlässt und er in den Tod stürzt oder von einer Bombe zerfetzt wird. Denn eines steht für uns schon zu Beginn fest: Dies wird der letzte Tag seines Lebens sein.

 

Spring oder stirb

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Die Aufgabe des Spielers liegt darin, den Büroknecht so lange wie möglich am Leben zu halten und dabei eine möglichst weite Strecke über die zufallsgenerierten Dächer zurückzulegen. Freilich wird die Anzahl der zurückgelegten Meter vom Spiel gespeichert und im Falle der Steam-Version auch in einer Bestenliste verewigt, mit derer sich die eigene Leistung mit allen Canabalt-Spielern der Welt vergleichen lässt. Hierbei wird pro Spielmodus aber immer nur die Top 100 angezeigt.

Die Steuerung ist so ziemlich die simpelste die man sich vorstellen kann. Da die Spielfigur das Laufen und Rennen völlig selbstständig übernimmt, muss sich der Spieler lediglich um das Springen kümmern. Die hierfür benötigte Taste kann freilich selbst konfiguriert werden und Controller-Support gibt’s auch.

Da man über die Dächer flüchtet gilt es also primär von Dach zu Dach zu hüpfen. Ganz so simpel ist das Spiel dann aber doch nicht, da es freilich diverse Hindernisse zu beachten gibt und man keine direkte Kontrolle über die Laufgeschwindigkeit der Spielfigur verfügt. Das Pixelmännchen läuft mit der Zeit nämlich immer schneller und mit der Laufgeschwindigkeit steigt zwar die Geschwindigkeit mit der das Punktekonto aufgefüllt wird, aber auch das Risiko einen Sprung zu versemmeln und in den Tod zu stürzen. Aus diesem Grund liegen diverse Kisten auf den Dächern herum, die die Laufgeschwindigkeit abbremsen können, wenn man in sie hineinrennt. Der Trick ist, die Laufgeschwindigkeit geschickt zu balancieren, denn wenn die Spielfigur zu langsam läuft, besteht wiederum die Gefahr, dass man nicht genügend Anlauf hat, um den nächsten Sprung zu schaffen. Es steckt also wesentlich mehr Tiefgang im Gameplay, als man anfangs annimmt. Die weiteren Hindernisse lernt man übrigens am besten kennen, indem man die unterschiedlichen Spielmodi ausprobiert.

  • Bombardierung: Die Alien-Raumjäger schmeißen hier konstant Bomben auf die Dächer, welche freilich zu überspringen sind – ansonsten heißt es „Bumm.“
  • Reinheit: Es gibt keinerlei Hindernisse, weder Fenster, Kisten noch Bomben oder sonst etwas. Dies sorgt natürlich dafür, dass die Laufgeschwindigkeit der Spielfigur nicht abgebremst werden kann, worin auch die Herausforderung in diesem Spielmodus liegt. Zusammen mit Ursprung mein liebster Spielmodus.
  • Gebrochen: Fast jedes Haus ist am zerbröseln, was bedeutet, dass sie in sich zusammenfallen sobald wir draufspringen. Das macht die Sache freilich nicht einfacher.
  • Kisten-Hüpfer: Die Dächer sind regelrecht mit Kisten vollgestopft, was natürlich bedeutet, dass man auch Gefahr läuft die Laufgeschwindigkeit dermaßen zu verringern, dass man den nächsten Sprung nicht schafft.
  • Panik: Unsere Spielfigur ist in Panik. Dies bedeutet, dass sich ihre Laufgeschwindigkeit nicht nur sehr schnell aufbaut, sondern generell drastisch erhöht wurde. Dadurch wird das Spiel ungleich schwerer.
  • Vertrauensvorschuss: Die Häuser auf die wir springen sind unsichtbar. Lediglich die Tauben auf den Dächern geben wertvolle Hinweise wie wir springen müssen um zu überleben. Dennoch ein absolut tödlicher Spielmodus.
  • Invasion: Ein Alien-Mech ist uns auf den Fersen, der immer wieder Häuser vor unserer Nase zerstampft. Die Stahlbeine des Ungetüms sind zwar riesig, bieten aber dennoch nur eine sehr kleine Plattform, wodurch man hier wohl nicht allzu lange überleben wird.
  • Fenstersturz: Ein Gebiet voller Wolkenkratzer und somit auch voller Fenster durch die wir springen müssen. Da die Fenster ziemlich klein sind und oftmals sehr ungünstig platziert wurden, wird dieser Modus unzählige virtuelle Tode nach sich ziehen. Mit Abstand der fieseste und tödlichste Spielmodus!
  • Ursprung: Der klassische Spielmodus. In unregelmäßigen Abständen müssen wir uns hier mit Bomben, Fenstern und einbrechenden Häusern abfinden. Die fair platzierten Kisten helfen dabei unsere Laufgeschwindigkeit zu regulieren. Diesen Spielmodus könnt ihr auch als Freeware-Version auf Newgrounds, Kongregate und Co. finden.

Damit hätten wir auch schon fast alles abgehakt, was es zum Spiel zu sagen gibt. Einige Dinge sind aber noch anzuschneiden.Um etwas mehr Langzeitmotivation anzubieten, wurden in die Steam-Version Achievements und Trading Cards integriert. Ferner gibt es auch einen Zweispielermodus, den man sogar alleine Spielen kann, da man die beiden Pixelmännchen ja auch selber mit zwei Tasten hüpfen lassen kann. So habe ich es jedenfalls gehandhabt, aber freilich kann man sich auch mit nem Mitspieler dransetzen.
Soweit gibt es an Canabalt absolut nichts auszusetzen, aber einen größeren Kritikpunkt möchte ich nennen. Sobald die Geschwindigkeit anzieht, kann Canabalt nach einer Weile ernsthafte Schwindelgefühle auslösen. So ist es zumindest mir ergangen. Es ist halt auch ein Spiel welches Konzentration erfordert, wenn man sich in den Bestenlisten platzieren möchte (was mir auch gelungen ist). Wer diesbezüglich empfindlich ist, sollte Canabalt also nicht über einen längeren Zeitraum spielen. Manch einen mag auch der Glücksfaktor der zufallsgenerierten Dächer stören, aber dieser Umstand sorgt auch für zusätzliche Langzeitmotivation.

 

Grafik, Sound und Sonstiges

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Der Grafikstil in Canabalt ist absolut minimalistisch. Nicht nur das die Grafik an sich aussieht, als wäre sie für den C64 programmiert worden, so ist auch die Farbwahl auf die Farben Schwarz, Weiß und Grau beschränkt. Diese Farbwahl passt aber hervorragend zum düsteren Ambiente einer Großstadt, die gerade durch eine Alien-Invasion zerbröselt wird. Die kommerzielle Version bietet obendrein die Wahl aus der klassischen reinen 2D-Grafik und einem 3D-Grafikeffekt, der den Häusern einen netten 3D-Effekt verpasst, sowie Kantenglättung, um die Pixelbildung zu unterbinden. Und so minimalistisch die Grafik auch anmuten mag, so ist sie dennoch unglaublich liebevoll gestaltet. Parallax-Scrolling ist freilich Ehrensache, richtig cool sind jedoch die Alien-Mechs die im Hintergrund die Stadt zerlegen. Ab und zu rauscht auch mal dröhnend ein Alien-Abfangjäger an uns vorbei. Hat man eine gewisse Kilometerzahl zurückgelegt, wird man ferner mit bestimmten Hintergrund-Gebilden belohnt, wie z.B. dem Alien-Mutterschiff oder Türmen die in den Himmel ragen. Ein netter kleiner Belohnungseffekt. Witzigerweise hat man für die kommerzielle Version auch mehrere verschiedene Charaktere geschaffen. So gibt es neuerdings auch einen weiblichen Renner.

Richtig genial ist jedoch der von Danny Baranowski komponierte Soundtrack. Die harte elektronische Musik passt nahezu perfekt zur grausamen Szenerie und treibt einem hervorragend zur Highscore-Jagd an. Es ist keine Übertreibung, wenn jemand behauptet, der Soundtrack wäre sogar noch besser als das eigentliche Spiel. Leider besteht der Soundtrack im Grunde genommen nur aus einem einzigen, endlos loopenden Track, was angesichts des minimalistischen Stils und der Kurzweil von Canabalt aber nicht weiter stört. Besonders gelungen sind auch die wuchtigen Soundeffekte, wenn ein Haus zusammenbricht, eine Bombe abgeschmissen wird oder ein Abfangjäger an uns vorbeidüst. Und wer ganz aufmerksam ist, bekommt sogar die Keucher mit, wenn die Spielfigur springt oder hört das Tapsen ihrer Fußschritte.

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Spiel Bewertung
Singleplayer
90
90
Super
-
Multiplayer

FAZIT

Canabalt ist eines jener Indie-Spiele die man wirklich mal gespielt haben sollte – und sei es nur für fünf Minuten in der kostenlosen Flash-Version. Doch Vorsicht, die fünf Minuten könnten sich schnell zur vollen Stunde entwickeln, denn die Jagd nach dem Highscore macht absolut süchtig. Nebenbei wird man noch von einer genial-düsteren Atmosphäre eingefangen, die man so einem kleinen Casual-Spielchen gar nicht zutraut. Aufgrund des extrem simplen Spielprinzips, dessen Steuerung nur eine Taste benötigt, kann es auch wirklich von jedem gespielt werden, der auch nur über einen einzigen gesunden Finger oder Zeh verfügt. Die Frage, ob man Canabalt nun unbedingt als kostenpflichtige, wenn auch erweiterte Steam-Version braucht oder nicht, muss freilich jeder für sich selbst entscheiden. Die ganzen zusätzlichen Spielmodi und ein paar Grafikoptionen bieten aber zumindest einen eindeutigen Mehrwert im Vergleich zur kostenlosen Flash-Version.

- Von  Volker

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