Call of Duty: Vanguard REVIEW
Trotz der anhaltenden Corona-Pandemie und ihrer Folgen, die natürlich auch einen Einfluss auf die Games-Branche und laufende Entwicklungen haben, kann man auch in 2021 nach Call of Duty die Uhr stellen. In diesem Jahr geht es zurück an die Fronten des Zweiten Weltkriegs, eine Entscheidung, die in Fankreisen nicht unbedingt für Jubelstürme gesorgt hat. Aber ist Call of Duty: Vanguard in einer Zeit überhaupt interessant, in der sich die Aufmerksamkeit der Spielerinnen und Spieler sowie die internen Ressourcen der mit der Marke betreuten Studios nahezu komplett um den Free-to-play Ableger Warzone bündeln?
Die Antwort darauf lautet natürlich ja. Denn auch wenn der Battle Royale Modus absurd viel Erfolg hat und sich das Marketing dieser Tage nahezu komplett um Warzone dreht, so ist das alljährlich erscheinende Premium-Produkt natürlich dennoch für Millionen von Fans von Interesse. Gerade in Hinblick auf den Mehrspieler-Modus, also DEM Standbeins eines jeden Serienteils, ist interessant zu sehen, in welche Richtung man diesmal geht. Und dann wären da ja auch noch der Zombie-Modus sowie die Kampagne.
Enttäuschende Kampagne
Wie gesagt, dreht sich in diesem Jahr mal wieder alles um den Zweiten Krieg. Als Aufhänger der Story dient die Mission einer neu gegründeten, bemerkenswert divers zusammengesetzten Truppe Alliierter, die zum Ende des Krieges dem geheimen Nazi-Projekt Vanguard auf die Spur kommen wollen. Leider gerät der Trupp in Gefangenschaft, was wiederum als Aufhänger für Rückblenden in die Vergangenheit der einzelnen Mitglieder genutzt wird. Als Polina Petrova etwa erlebt man den Überfall der Deutschen auf Stalingrad mit und begibt sich mit der Scharfschützin in den Häuserkampf um die Stadt. Lucas Riggs hat vor seinem Einsatz in Deutschland die Nazis in Westafrika bekämpft. Und als Wade Jackson fliegt man zunächst einen Angriff gegen japanische Kriegsschiffe, ehe man den Krieg im Pazifik auch am Boden erlebt. Als Arthur Kingsley hingegen erlebt man den nicht erst seit diesem Spiel durchgekauten D-Day.
Call of Duty: Vanguard setzt eine Entwicklung fort, die in den vergangenen Jahren immer mehr Einzug hält innerhalb der Serie. Man will vermehrt Figuren und ihre Schicksale in den Mittelpunkt rücken, inszeniert durchaus auch mal stille und menschliche Momente. Das Problem: dieses Vorhaben funktioniert zu keinem Moment. Natürlich ist es rührselig, wenn man aus den Augen von Polina den Tod von Familie, Nachbarn und Freunden hautnah gezeigt bekommt. Letztlich sind alle Figuren, egal ob spielbar oder nicht, aber nur Versatzstücke von Rollen, die sie ausfüllen. Die rachsüchtige Tochter, der coole Draufgänger, der abgrundtief böse Nazi (Hans Landa lässt grüßen) und so weiter. Die Problematik liegt in der Art der Inszenierung und der Schwerpunktsetzung. Man will lieber möglichst viele Figuren und Schauplätze in das ohnehin schon immer sehr enge Korsett der Kampagne stopfen, kann den Ansprüchen aber nie gerecht werden.
Konzeptlos
Da hat mir der direkte Vorgänger Black Ops Cold War mit seinem offenen Ansatz und der Inszenierung als übertriebener Agenten-Thriller wesentlich besser gefallen. Und auch die eigentlich so treffsichere Bombast-Inszenierung hat mich diesmal geradezu kalt gelassen. Ich kann mehrere Momente aus dem Vorgänger, ja sogar aus Modern Warfare von 2019 aufzählen, die mir in Gedächtnis geblieben sind. Aber hier? Überhaupt nicht. Ich musste mich diesmal sogar regelrecht durch die Kampagne quälen. Für gewöhnlich ziehe ich die Storys in zwei, maximal drei Sessions durch und widme mich dann den restlichen Modi. Hier hatte ich schon ab der Hälfte eigentlich keine Lust mehr.
Da helfen auch nicht die zaghaften Neuerungen im Gameplay nicht. An sich ist auch Call of Duty: Vanguard die gleiche Schießbude gegen nach wie vor doofe KI-Klone. Diesmal hat aber jede Spielfigur individuelle Fähigkeiten. So wirklich schlau bin ich aus denen und ihrer Daseinsberechtigung aber nicht. Polina etwa kann an Häuserwänden hochklettern. Das kann sie nur an vorgegebenen Stellen, die durch die hervorstehenden Backsteine in den entsprechenden Wänden gekennzeichnet sind. Allerdings ist dies Fähigkeit vollkommen überflüssig, da die Level linear sind und man eigentlich immer nur einen, wenn überhaupt mal zwei Wege hat, die man geht. Wade hingegen via Knopfdruck Feinde durch Wände erkennen. Feuert man in diesem Modus, dann verlangsamt sich die Zeit für einen kurzen Moment. Als Arthur wiederum kann man seinen KI-Kameraden Befehle geben, woraufhin diese etwa Gegner unter Beschuss nehmen. Beim Spielen habe ich mir stets die Frage gestellt, warum die eine Figur etwas kann, was die andere nicht kann. Schließlich ist ja auch Wade mit Kameraden unterwegs. Warum kann er diesen nicht sagen, ein MG-Nest zu flankieren. Und warum kann Polina Feinde nicht hervorheben.
Das mag kleinlich klingen, aber es ist bezeichnend für die Zerstreutheit der Kampagne. Auch hier muss ich noch einmal den Vergleich zu Black Ops Cold War ziehen. Auch hier waren neu implementierte Systeme, wie etwa Nebenmissionen und Entscheidungen, die den Ausgang der Handlung beeinflussen, nicht zu Ende gedacht, sie waren aber wesentlich konsequenter in das Gesamtbild eingefügt worden. Fehlte am Ende einfach nur die Zeit, um der eigentlichen Vision gerecht zu werden, oder gab es nie eine solche?
Authentizität? Pff!
Okay, genug gemeckert, kommen wir zum Multiplayer. Dieser ist nun einmal der inhaltliche Kern eines jeden Serienteils und das ist in diesem Jahr nicht anders. Zu Beginn gehörte ich zu denjenigen, die sich nicht allzu sehr auf den Mehrspieler gefreut haben. Zum einen, da das Setting für mich eigentlich ziemlich durch ist, zum anderen, da ich in Multiplayer-Games nicht unbedingt ein Freund von Waffen jener Ära bin. Zu meinem Glück nimmt es Call of Duty: Vanguard mit der historischen Akkuratesse nicht allzu genau. Denn egal ob MP-40, BAR, M1 Garand (Ping!) oder M1928 – jede Waffe lässt sich bis zur absoluten Absurdität mit Schalldämpfern, Griffen, Zielvorrichtungen und Skins individualisieren. Abgerundet wird der Irrsinn mit neuen Killstreaks, wie absolut overpowerten Hunden, die Gegner mit einem Treffer töten, diversen Mörser- und Bombembeschüssen, Flammenwerfer und anderen Spielereien.
Allerdings habe ich zwei, drei Stunden gebraucht, um mit dem Multiplayer warm zu werden. Das liegt zum einen an dem Verhalten der Waffen und zum anderen an dem Gunplay. Stelle ich hier die beiden Vorgänger gegenüber, dann landet Vanguard für mich auf den letzten Platz (davor Cold War und Modern Warfare). Mittlerweile habe ich aber meine bevorzugte Ausrüstung gefunden und habe mit dieser großen Spaß. Vor allem, da in der aktuellen Anfangsphase ein herrliches Chaos existiert.
Herrliches Chaos
Ich weiß nicht, ob ich da vielleicht in der Minderheit bin, aber für mich funktioniert ein Multiplayer in Call of Duty vor allem dann, wenn es ungesittet zugeht. Für Kennerinnen und Kenner: alleine auf der Map Nuketown 84 des Vorgängers dürfte ich locker die Hundert Stunden Marke geknackt haben. Das schnelle Spielgefühl, das Wissen darüber, wie man welche Seite am effizientesten spielt und welche Punkte der Karte man am idealsten nutzt, bringen mir eine enorme Befriedigung.
Mit Castle (einem japanischen Herrenhaus inklusive Gartenanlage) und insbesondere Das Haus (Ballerbude hoch drei) habe ich diesmal gleich zwei Karten, die bei mir diese einmalige Genugtuung auslösen. Mit 20 Maps zum Launch hat Vanguard meines Wissens nach so viele Maps, wie kein anderer Serienteil zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Insgesamt ist die Schere zwischen richtig gut, ganz okay, Mittelmaß und ich verlasse das Spiel aber doch recht hoch. Leider gibt es mal wieder keine Möglichkeit, sich eine Playlist mit bevorzugten Maps zusammenzustellen. Und auch eine Abstimmung über die nachfolgende Karte gibt es nicht. Dafür kann man aber auswählen, ob man lieber mit kleinen Gruppen spielen möchte und so eher taktische und ruhigere Runde zockt, oder ob man das Maximum an verfügbaren Spielern/Spielerinnen haben möchte und sich nicht daran stört, gegebenenfalls im Sekundentakt den Todesbildschirm zu sehen.
Mit Champion Hill gibt es dieses Jahr auch einen komplett neuen Modus. Ein bisschen fühlt sich das Ganze wie Battle Royale in klein an. Die beiden Seiten werden je in mehrere 2er bzw. 3er Teams unterteilt und bekämpfen sich Runde um Runde. Gewonnen hat, wer das letzte Team stellt. Zwischen den Runden gibt es eine Kaufphase, in der man Waffen und Perks aufstocken kann. Für ein paar Runden ist die Variante ganz nett, aber so wirklich begeistert hat sie mich nicht. Da hilft auch nicht, dass es aktuell nur eine Map gibt und diese visuell nicht gerade auftrumpft. So sind es letztlich wieder die klassischen Modi wie Team-Deathmatch, Abschuss bestätigt und Herrschaft, in denen ich komplett versinke.
Eine weitere Neuerung sind zerstörbare Umgebungsobjekte. Türen, Fenster, Glasscheiben, teilweise auch bestimmte Mauerkonstrukte gehen unter Beschuss kaputt. Zunächst habe ich das als eher kosmetische Spielerei abgetan, gerade in Runden mit kleinen Gruppen wird das Feature aber plötzlich zum taktischen Element, da eigentlich sicher geglaubte Deckung gar nicht so sicher ist wie angenommen.
(Un)tot
Bleibt noch der Zombie-Modus. Ich muss zugeben, ohnehin nie ein großer Fan dieser Koop-Spielart gewesen zu sein, habe die Modi aber ganz gerne zum schnellen und im Vergleich zum Multiplayer unkomplizierten Leveln von Waffen und Rängen ganz gerne genutzt. In Vanguard werde ich das aber wohl nicht tun, denn diesmal wollte bei mir so gar kein Spaß aufkommen. Der Modus fühlt sich zum Launch rudimentär und uninspiriert an. Von der Hub-Map bereist man kleinere Areale und erledigt dort bestimmte Zielvorgaben, wobei man mit stets stärker werdenden Wellen Untoter konfrontiert wird. Natürlich werden diese nicht nur stärker und größer, sondern werden auch von schwer gepanzerten Varianten mit großer Schadensausteilung ergänzt. Das macht ein-, vielleicht auch zweimal Spaß – aber das war´s auch.
Erschwerend kommen fehlende Features der Vorgänger und fehlende Neuerungen hinzu. Nicht nur gibt es erstaunlich wenige Field-Upgrades und Perks, es fehlen sogar komplett neue. Auch fehlen rundenbasierte Karten und die Möglichkeit im Splitscreen zu spielen. Also alles Dinge, die eigentlich zum Standard dieser Spielvariante gehören.
Pro & Kontra
- Kampagne mit unterschiedlichen und visuell durchaus stimmigen Schauplätzen
- viele Waffen, Perks, Operator und Maps (Multiplayer)
- "Das Haus" & "Castle" zwei hervorragende Maps (Multiplayer)
- stimmiges Gunplay & Movement (Multiplayer)
- das Zerstören von Umgebungsobjekten sorgt für mehr Dynamik (Multiplayer)
- Kampagne ohne Höhepunkte
- individuelle Fähigkeiten der Figuren (Kampagne) sind ohne wirklichen Nutzen
- Champion Hill Modus (Multiplayer) hat derzeit nur eine Map
- Zombie-Modus fehlt es an alten und neuen Features