Blood Omen: Legacy of Kain REVIEW
Das vom kanadischen Entwickler Silicon Knights kreierte Blood Omen: Legacy of Kain ist keineswegs ein „episches Rollenspiel“ wie der Werbetext auf der Big Box der PC-Version suggeriert, sondern ein Top-Down Action-Adventure im Stil gewisser SNES-Klassiker.
Im nordamerikanischen Raum erschien das Spiel ursprünglich am 01. November 1996 für die Playstation. Im darauffolgenden Jahr gab es dann auch die Veröffentlichung bei uns in Europa, sowie eine PC-Version. Besagte PC-Version kann man übrigens auch heute noch über GoG beziehen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass GoG nur die englische Version zur Verfügung stellt, und man sich die deutsche Synchro reinpatchen muss – sofern man denn will. Und ja, das ist eine Anspielung auf die suboptimale deutsche Sprachausgabe des Spiels, aber ich greife vor. Was euch das Dark Fantasy Vampir-Abenteuer so alles zu bieten hat, erfahrt ihr im folgendem Review.
Was ist wichtiger? Rache, das Seelenheil oder gar die Rettung der Welt?
Die Stabilität der mittelalterlichen Welt Nosgoth fußt auf einem geheimnisvollen Bauwerk, welches als „Die Säulen von Nosgoth“ bezeichnet wird. Es handelt sich hierbei um neun gigantische Säulen, welche schier endlos in den Himmel reichen. Jede Säule symbolisiert einen wichtigen Aspekt des Seins, wie etwa Natur, Zeit, Geist oder Tod. Jede Säule wählt sich einen Hüter, dessen Aufgabe es ist die Säule, und somit auch Nosgoth an sich, zu beschützen. Bei diesen Individuen handelt es sich um die mächtigsten Magier oder Krieger der Welt. Eines Tages wird Ariel, die Hütern der Säule des Gleichgewichts, hinterrücks erdolcht. Ihr Gefährte Nupraptor, seines Zeichens Hüter der Säule des Geistes, verliert Angesichts des Verlusts seiner Liebsten den Verstand und infiziert somit die neun Säulen, sowie deren Hüter mit Wahnsinn. Die Hüter verkommen zu skrupellosen Psychopathen, welche Nosgoth mit gefährlichen magischen Experimenten und Dämonenbeschwörungen tyrannisieren.
Dies ist die Welt, in die der Adlige Kain hineingeboren wurde. Der hartherzige Schwertkämpfer weiß nichts mit seinem Leben anzufangen und durchstreift Nosgoth daher als umherziehender Wanderer. Eines Tages führt Kains Reise in die Taverne des Hinterwäldlerkaffs Ziegsturchl. Doch der Wirt verwehrt Kain den Krug Ale und setzt ihn vor die Tür. Wie sich herausstellt ist Kain in eine Falle getappt. Eine Banditenbande wurde damit beauftragt den Adligen zu ermorden. Kain kann der feindlichen Übermacht nicht viel entgegensetzten und findet sich nach seinem Tod in der Hölle wieder, wo er dazu verdammt ist in Vergessenheit zu geraten. Die Demütigung als Adliger von lumpigen Banditen ermordet worden zu sein kratzt gewaltig an Kains Ego. Nichts wünscht er sich sehnlicher als Rache an seinen Peinigern zu nehmen.
Tatsächlich geht Kains Wunsch in Erfüllung. Der Nekromant Mortanius befreit Kains Seele aus der Hölle. Doch die Sache hat einen Haken. Kains Seele wurde weniger befreit, sondern viel mehr verflucht. Er erwacht als Vampir und begibt sich umgehend auf seinen Rachefeldzug. Tatsächlich dauert es nicht lange ehe die Banditenbande aufgespürt und weggemetzelt wird. Doch Mortanius, welcher telepathischen Kontakt zu seinem Geschöpf hält, macht Kain verständlich, dass seine Rache erst erfüllt sein wird, wenn er die ominösen Auftraggeber der Banditen aufspürt und beseitigt. Obendrein hat Kain mittlerweile begriffen, dass seine Seele verflucht und die Existenz als Vampir kein Zuckerschlecken ist. Profane Dinge wie Sonnenlicht und Wasser fügen ihn plötzlich Schmerzen zu. Außerdem muss er regelmäßig Blut schlürfen, um seinen untoten Körper am laufen zu halten.
Folglich sucht er Hilfe bei der ebenfalls untoten Ariel, welche als Geist bei den angegammelten Säulen von Nosgoth herumspukt. Ariel gibt Kain einen Hoffnungsschimmer. Sollte es ihm gelingen die Säulen von Nosgoth zu regenerieren, würde der Vampirfluch von seiner Seele genommen werden. Um dies zu bewerkstelligen, muss Kain die verdorbenen Hüter aufsuchen, abmurksen und jeweils eine Trophäe zur entsprechenden Säule zurückbringen, um diese zu restaurieren. Das ist freilich leichter gesagt als getan, da sich die Hüter in Festungsanlagen voller Fallen und Monster verschanzen, welche an den entlegensten Winkeln Nosgoths liegen. Ob Kain seine Rache vollenden wird und den Vampirfluch brechen kann, müsst ihr jetzt freilich selbst herausfinden.
Die Handlung von Blood Omen: Legacy of Kain dürfte wohl die größte Stärke des Spiels sein. Sowohl Story als auch Charaktere sind komplexer und vielschichtiger, als das was man seinerzeit von Videospielen gewohnt war. Dies spiegelt sich auch in der Sprachkultur wider, welche eine gehobene Sprechweise verwendet, die der mittelalterlichen Welt und dem adligen Protagonisten zur Ehre gereicht.
Die Story bietet gute Wendungen und nimmt sich auch gerne mal den Spaß, mit den Erwartungen des Spielers zu jonglieren. Obendrein wird auch die Dark Fantasy- und Vampir-Thematik schonungslos durchgezogen. Blood Omen wird seinem Namen gerecht und entpuppt sich als überaus blutiges Spektakel mit Gore und Grausamkeiten. Wäre das Spiel in 3D statt fitzeliger Top-Down-Grafik gestaltet worden, wäre es ohne weiteres auf dem Index gelandet. Kain geht jedenfalls wenig zimperlich mit seinen Widersachern und menschlichen Zivilisten um. Und auch sonst konfrontiert Nosgoth den Spieler mit jeder Menge unangenehmer Szenen. Wem das, oder die altmodische Grafik nichts ausmacht, bekommt jedoch eine sehr atmosphärische Spielwelt geboten.
Träge, janky, unbequem … immerhin gibt es eine breite Palette an Mordwerkzeugen
Da es sich um ein ziemlich altes Spiel handelt, sollte man keine nennenswerten Spieloptionen erwarten. Man kann sich jedoch freigespielte Rendersequenzen im „Dark Diary“ anschauen und eine Statistiktabelle einsehen, welche unter anderem offenbart, wie viele Geheimnisse man im Spiel entdeckt hat.
Trotz der vielen optionalen Secrets ist Blood Omen: Legacy of Kain wesentlich linearer aufgebaut als vergleichbare Spiele. Die Reiseroute ist eigentlich immer mehr oder weniger klar vorgegeben. Alternative Wege und Räume bringen dann natürlich zusätzliche Gegenstände, Upgrades und Zaubersprüche ein. Blood Omen nutzt hierbei auch Metroidvania-Elemente. Viele Passagen kann man erst später im Spiel passieren, wenn Kain neue Vampirfähigkeiten oder sonstige Kräfte erlangt hat. Es lohnt also sich Notizen zu machen, damit man weiß, wo man später noch was erkunden kann. Für Letzteres stellt einem das Spiel sogar ein Schnellreisesystem in Form einer Fledermausverwandlung zur Verfügung. Mit dieser kann man freigeschaltete Obelisken und Storydungeons anfliegen.
Ansonsten geht es jedoch per pedes durch Nosgoth. Man steuert Kain aus der Vogelperspektive und es dürfte recht schnell auffallen, dass der Vampir nur langsam durch die Gegend schlurft und sehr träge mit seinen Waffen zuschlägt. Dementsprechend fühlt sich das Spiel auch unangenehm zäh an, zumal auch „Features“ wie fragwürdige Hitboxen und Knockbacks integriert wurden. Letzteres ist ein Indiz, dass die Entwickler wohl zu viel „Castlevania“ gespielt haben. Daher sollte es auch nicht verwundern, dass man sich auch hier mit diesen verdammten roten Skeletten herumärgern muss, die sich immer wieder zusammensetzen. Glücklicherweise verfügt Kain mit der Zeit über ein beträchtliches Arsenal an Waffen, Rüstungen, Gegenständen, Zaubern und Verwandlungen, welche es ihm ermöglichen auch die lästigsten Hürden zu überwinden. Besagte Hürden kommen nicht nur in Form von Feinden, sondern auch von Fallen und Rätseleinlagen. Letztere gestalten sich hauptsächlich aus simplen „drück den Schalter“-Angelegenheiten. Manchmal muss man aber auch mit speziellen Zaubern arbeiten, um einen Gegner zu übernehmen oder in Nebelform durch Gitterstäbe zu schlüpfen usw.
Abgesehen von der Fledermaus- und Nebelverwandlung, kann sich Kain auch in einen Werwolf verwandeln, um schneller zu laufen und kleinere Jump-Passagen zu bewältigen. Als Mensch getarnt darf er auch Sprachsamples von NPCs triggern, was aber nur ein kleines Gimmick ist. Die Story wird hier weniger durch NPC-Gespräche und mehr durch Rendercutscenes und Monologe Kains präsentiert. Letztere triggert man, indem man über kleine rote Dreiecke latscht, die am Boden platziert sind. Letzteres ist natürlich nicht gerade förderlich für die Immersion, und auch sonst schadet der Videogame-Flair der Dark Fantasy-Atmosphäre. Sammelgegenstände werden in Form von übergroßen Karten symbolisiert, und die Masse an angeketteten Menschen, zur Regeneration des eigenen Blutheilbalkens sind auch ein wenig zu auffällig. Obendrein nervt die Masse an Dungeons. Neben den großen Storydungeons, gibt es noch zahlreiche Minidungeons, welche auch als eine Art Tutorial für den dort gebunkerten Zauber oder Verwandlung dienen. Dies sorgt für einen Overkill an Dungeon-Arealen und Pacing-Problemen innerhalb der Story.
Generell übertreibt es das Spiel mit der schieren Masse an Zaubern und Gegenständen. Viele Zauber wird man außerhalb ihres Tutorial-Dungeons gar nicht nutzen. Aber das eigentliche Problem ist die miserable Menüführung. Die Ausrüstungs-, Zauber- und Gegenstandsmenüs sind viel zu verschachtelt, unübersichtlich aufgebaut und unbequem zu handhaben. So muss man sich erst bis zu vier Zauber bzw. Gegenstände vom Hauptmenü in kleinere Untermenüs reinlegen, und Letztere im eigentlichen Spiel aufrufen, damit man seinen Tool-Slot endlich belegen kann. Klingt umständlich und unbequem? Ist es auch! Besonders traurig an der Sache ist, dass schon auf dem Super Nintendo gezeigt wurde, wie man so etwas besser handhaben kann.
Unterm Strich wirkt Blood Omen auf mich ein wenig zu überambitioniert. So gibt es einen Tag- und Nachtzyklus sowie eine Art Zeitsystem. Bei Nacht ist der Vampir kräftiger und die Bewohner die Siedlungen gehen schlafen, womit sie ein wehrloses Ziel zum Blutsaugen darstellen. Das Blutsaugen funktioniert hier übrigens sehr bequem auf Knopfdruck. Wehrhafte Gegner muss man aber erst benommen prügeln, bevor man sie anzapfen darf. Vorsicht ist jedoch geboten, denn es gibt vier verschiedene Blutsorten. Rotes Blut heilt die Lebensenergie, blaues Blut regeneriert den Manabalken, den man zum Wirken von Zaubern und Verwandlungen benötigt, grünes Blut fügt den negativen Status Vergiftung hinzu und schwarzes Blut fügt direkten Schaden zu.
Es gibt auch einige Schmiede im Spiel, welche als eine Art Händler für Verbrauchsgegenstände dienen und nur Blut bzw. Lebensenergie als Zahlung akzeptieren. Besagte Schmieden verbergen sich oftmals hinter verschlossenen Türen, die sich nur bei Vollmondnacht öffnen. Die Vollmondnächte, welche Zugang zu ansonsten verschlossenen Gebieten gewähren, sind übrigens eine Spielmechanik, die einem weder vom Handbuch noch vom Spiel an sich erklärt wird. Aber selbst wenn man davon weiß, wird man viele Gebiete verpassen, denn wer will schon Stunden darauf warten, ehe sich in der Ingame-Welt eine Vollmondnacht ereignet? Und genau solche verqueren Mechaniken meine ich mit überambitioniert. Es wäre besser gewesen, wenn Silicon Knights derartigen Aufwand in eine bessere Menüführung und einen flotteren Spielablauf investiert hätten. Das Gefühl einen mächtigen Vampir zu spielen haben sie aber sehr gut vermittelt.
Grafik und Sound
Grafisch ist das Spiel nicht gut gealtert. Auf den ersten Blick erinnert Blood Omen: Legacy of Kain an eines dieser RPG-Maker-Spiele, welche westliche Tilesets verwenden. Zwar bietet Blood Omen einige nette Lichteffekte und Animationen mit Blut und Gore, aber am Kernproblem ändert das freilich auch nichts. Mit der zeitlosen Schönheit der großen SNES-Brüder kann Blood Omen jedenfalls nicht mithalten. Wenigstens bietet das Spiel eine gute Menge an Rendersequenzen, die Anno 1996 auch recht hübsch anzuschauen waren. Heutzutage wirken die Rendersequenzen aber natürlich auch reichlich angestaubt.
Wer das Spiel unbedingt in seiner Playstation-Originalversion zocken will, muss sich obendrein mit zahlreichen nervigen Ladezeiten arrangieren. In der PC-Version betragen die Ladezeiten jedoch nur Zehntelsekunden und stellen daher kein Problem dar.
Der Soundtrack schlägt sich da schon besser. Es sind düstere Klänge, welche der angepeilten Dark Fantasy-Thematik zur Ehre gereichen und das Setting gut unterstützen. Es ist jetzt kein OST den ich mir außerhalb des Spiels anhören würde, aber ironischerweise gibt es hier dann doch Ohrwurmpotential. Untermauert wird der OST durch gute Soundeffekte. Das Schwertergeklirr und die Blutsauferei werden jedenfalls in akustischer Hinsicht gut vermittelt.
Erinnerungswürdig ist auch die deutsche Sprachausgabe, wenn auch aus den falschen Gründen. Die Sprecher von Kain, Mortanius und Co. hatten jedenfalls sichtliche Freude daran theatralische Betonungen zu setzen. Vermutlich ein Versuch der düsteren Thematik des Spiels gerecht zu werden. Dieser Versuch ist jedoch gründlich in die Hose gegangen, da die Sprachausgabe eher für unfreiwillige Komik statt finsteres Vampir-Ambiente sorgt. An die unterirdische Qualität einiger NPC-Sprecher will ich da gar nicht erst denken. Obendrein ist die Sprachausgabe unvollständig. Die festgeketteten Opferlämmer betteln jedenfalls auch in der deutschen Version auf Englisch um Gnade. Und der geheime Foliant im Avernus-Abschnitt war sogar komplett auf Englisch, also sowohl in Textform als auch Sprachausgabe.
Wenn man Blood Omen: Legacy of Kain spielen will, sollte man sich also vor Augen halten, dass man es mit einem Mitte 90er-Spiel zu tun hat. Gewisse Dinge wurden seinerzeit von den Publishern noch nicht vollauf ernst genommen, und das macht sich bei der wackligen Lokalisation auch deutlich bemerkbar.
Pro & Kontra
- spannende Story mit interessanten Charakteren
- gelungene Dark Fantasy-Atmosphäre die nicht vor Blut und Gore zurückschreckt
- bietet zahlreiche verschiedene Kampfoptionen
- trotz linearem Grundaufbau bietet die Spielwelt viel zu Entdecken
- sehr schlecht gealterte Grafik
- schwache und unvollständige deutsche Lokalisation
- langsames und träges Gameplay
- unbequeme Menüführung