Thimbleweed Park REVIEW
Maniac Mansion, Zak McKracken, Monkey Island – eine solch kurze Aneinanderreihung dreier Videospiele dürfte einen maßgeblichen Teil der Videospiel-Jugend von Spielern Ende der Zwanziger bis 40 grob umreißen und angesichts der Erinnerungen an die damaligen Titel für das ein oder andere feuchte Auge sorgen. Ja, liebe Spielergemeinde, Zocken funktionierte damals noch anders: So genannte Point and Click-Adventures hatten Ende der 80er bzw. Anfang der 90er Hochkonjunktur, was nicht zuletzt auch auf den Einfluss der eingangs genannten Meilensteine zurückzuführen ist. Auch wenn das Genre auf dem gegenwärtigen Videospielemarkt mehr als marginalisiert ist, dürfte das Prinzip von „Gehe zu“ und „Benutze X mit Y“ bis heute hinlänglich bekannt sein. Aber nicht nur genretechnisch war es anders um die Videospiel-Welt bestellt, sondern auch der Fortschritt in den Spielen selbst vollzog sich anderweitig. Hinweis-Mechanismen für Spieler, die an einer bestimmten Stelle nicht weiterkamen, gab es nicht – ebenso wenig wie ein Internet-Anschluss in jedem Haushalt samt zugehöriger Homepages, auf denen sich die Komplettlösung kurzerhand nachschlagen ließ. Stattdessen blieb nur der eigene Freundeskreis, mit dem ihr – wenn nötig – auch über Tage hinweg über die Lösung eines bestimmten Rätsels grübeln musstet.
Ihr seht schon: Ich komme ins Schwärmen und muss aufpassen, aus diesem Review nicht eine Kolumne werden zu lassen, wenn es um die Erinnerungen an damalige Videospiele und vor allem das ganze Drumherum geht. Dennoch sind die drei oben genannten Titel nicht rein zufällig aufgezählt worden, sondern aufgrund einer ganz bestimmten Gemeinsamkeit: Sie alle gehen zu wesentlichen Teilen auf den inzwischen wohl legendären Spieleentwickler Ron Gilbert zurück, der das Point and Click-Genre wie kein Zweiter geprägt hat. Und so soll die etwas lang geratene Einleitung zum vorliegenden Spiel Thimbleweed Park führen. Was sich viele Spieler kaum hätten erträumen können, ist wahr: Ron Gilbert kehrt zurück zu seinem Genre und verspricht mit Thimbleweed Park ein klassisches Point and Click-Adventure wie zu seinen besten Zeiten.
Willkommen am Tatort
Das Intro des Spiels gestaltet sich als sehr interaktiv. Gleich zu Beginn findet ihr euch an einem Fluss wieder und werdet – je nach dem, ob ihr ein Tutorial gewünscht habt – mit der Spielmechanik vertraut gemacht. Ein betrunkener Kerl, mit dem ihr sprechen könnt, eine handvoll Gegenstände in eurer Tasche und die üblichen Befehle, die euch zur Verfügung stehen – und bald habt ihr eure ersten Schritte gemacht, Aufgaben erledigt und werdet dann Zeuge des Mordes an eurem Protagonisten.
Erst dann beginnt die eigentliche Handlung. Am selben Schauplatz befinden sich nun FBI-Agentin Angela Ray und Junior-Agent Antonio Reyes; was zuvor noch die von euch gesteuerte Figur war, liegt mit blauem Kopf im Wasser. An diesem Tatort schießt ihr nun erst einmal ein Foto von der Leiche (Begründung: „Bevor sie verpixelt“), um fortan die Ermittlungen an diesem offensichtlichen Mordfall aufzunehmen. Schon bald ergeben sich erste Überlegungen, wie ihr bei eurem Fall vorgehen könnt, und ihr nehmt Kontakt zu dem wenig hilfreichen Sheriff der Stadt auf. Ohnehin werdet ihr bei eurer Erkundung der Stadt und deren Umgebung auf zahlreiche merkwürdige Gestalten treffen. Im weiteren Spielverlauf werdet ihr neben den beiden Agenten auch die Kontrolle über weitere Charaktere übernehmen, die es durch ganz eigene Antriebsgründe nach Thimbleweed Park verschlagen hat.
Nach und nach ergeben sich verschiedene Zusammenhänge innerhalb eurer Ermittlungen und ihr stellt fest, dass die Stadt wirtschaftlich nicht gerade gut dasteht. Und allzu viel mehr gibt es an dieser Stelle ohne den ein oder anderen Spoiler auch langsam schwierig zu erzählen: Was nun folgt, ist Rätsel auf Rätsel und Ermittlungsarbeit, die ihr mit eurem ungleichen Agenten-Duo leisten müsst. Hierzu könnt ihr zwischen den beiden hin– und herwechseln, die Gegend erkunden, Gegenstände einsammeln und mit Bewohnern sprechen. So weit, so bekannt.
Er kann es noch
Allzu viel Aufregendes gibt es auch tatsächlich zur Spielmechanik selbst kaum noch zu sagen: Alles funktioniert im Wesentlichen so, wie es schon immer funktioniert hat, und ist in sich selbst stimmig gestaltet. Die Atmosphäre passt super und macht mit ihren bisweilen sehr seltsamen Charakteren und der mysteriös angehauchten Stimmung richtig Laune: Man fühlt sich in der teils beklemmenden, teils absurden Stadt herrlich unwohl. Unterm Strich steht hier eine Spielewelt, die wieder einmal einzigartig ist und zu gefallen weiß. Ron Gilberts Welten haben von ihrem seit jeher bestehenden Charme nichts eingebüßt.
Besonders positiv sticht auch die sensible Anpassung an die Gegenwart heraus. Nach rund 25 Jahren seit dem Höhepunkt der Point and Click-Ära muss sich auch ein eingefleischter Retro-Fan dann doch eingestehen, dass der ein oder andere Aspekt aus der damaligen Zeit heute nicht mehr zeitgemäß ist: Sackgassen innerhalb des Spiels gehören etwa dazu, ebenso sollten Bedürfnisse einiger Spieler nach mehr Hilfestellung vonseiten des Spiels erhört werden, wenn es an einer bestimmten Stelle dann doch mal etwas länger dauert. Diesen neuen Anforderungen wird Thimbleweed Park geradezu vorbildlich gerecht. Die Auswahl zwischen gemütlichem und schwierigem Modus am Anfang kommt hier verschiedenen Ansprüchen entgegen: Wer schnell durchkommen will, erhält im gemütlichen Modus Hinweise und Hilfestellungen, die es im schwierigen Modus – der wohl auch als klassischer Modus hätte bezeichnet werden können – nicht gibt. Logisch, dass Fans der früheren Point and Click-Adventures direkt zur schwierigen Variante greifen.
Ein Design, das vor Liebe platzt
Ohnehin wird sich in Thimbleweed Park kaum niemand wohler fühlen als all die Spieler, die die eingangs erwähnten Titel der späten 80er und frühen 90er bereits geliebt haben. Thimbleweed Park ist nicht einfach nur ein Videospiel, es ist geradezu ein Liebesbekenntnis an die alten Point and Click-Adventures: Das Design erinnert doch sehr stark an Maniac Mansion, ist aber dennoch sehr angemessen aufgehübscht und angepasst worden, und verschiedene Optionen, die euch zur Verfügung stehen, eröffnen euch die Möglichkeit, für ganz großes Retro-Feeling zu sorgen. So könnt ihr euch beispielsweise alle Textbausteine oder den Befehlskasten am unteren Teil des Bildschirms in Retro-Optik anzeigen lassen, wenn euch die angepasste Darstellungsweise nicht gefällt. Nicht nur durch die Anspielungen innerhalb des Spiels selbst, die euch in Erinnerungen schwelgen lassen werden, sondern auch durch solcherlei Kleinigkeiten zeigt sich Thimbleweed Park als eine großartige Hommage an das alte Genre, in das so viel Herzblut des Entwicklers Ron Gilbert geflossen ist.