Al-Qadim: Der Fluch des Dschinn REVIEW
Das 1994 veröffentlichte Al-Qadim: Der Fluch des Dschinn ist nur eines von zahlreichen Dungeons & Dragons-Spiele, welche dem US-Amerikanischen Hause Strategic Simulations (kurz SSI) entsprangen. Al-Qadim bietet jedoch zwei große Besonderheiten, welche es aus der Masse von Dungeons & Dragons-Titeln herausstechen lässt. Zunächst einmal handelt es sich hier nicht um eine typische Umsetzung des zugrunde liegenden Pen & Paper-Rollenspiels, sondern um ein Top-down Action-Adventure, welches, trotz einiger RPG-Elemente, mehr mit einem Zelda-Spiel gemein hat, als mit einem PC-Rollenspiel. Darüber hinaus ist es bis heute das einzige D&D-Spiel, welches das Al-Qadim Kampanien-Setting von D&D verwendet. Al-Qadim versetzt uns ins arabisch geprägte Land Zakhara, einer Halbinsel des altbekannten Kontinents Faerûn. Es ist also die selbe Welt, wo auch die großen D&D-Serien wie Baldur’s Gate und Neverwinter Nights stattfinden, nur eben ein anderer Landabschnitt.
Der Fluch des Dschinn ist übrigens das erste Spiel von Cyberlore Studios, welche wenig später ja auch das ähnlich geartete „Entomorph: Plague of the Darkfall“ kreierten. Da stelle ich mir natürlich die Frage, ob Der Fluch des Dschinn besser oder schlechter ist als das gute aber fehlerbehaftete Entomorph. Zeit dies herauszufinden.
Wenn einem die Kontrolle über den Hausdschinn entgleitet …
Man übernimmt die Rolle des jüngsten Sprosses der mächtigen Adelsfamilie Al-Hazrad. Die Al-Hazrads gehören nicht nur zu den reichsten und fähigsten Händlern im fernen Lande Zakhara, sondern sind auch noch mächtige Magier, die sogar ihren eigenen Dschinn kontrollieren. Lediglich der Protagonist fällt da etwas aus der Rolle, da er über keinerlei magische Fähigkeiten verfügt. Somit entschied sich unser angehender Held den Weg eines Korsaren einzuschlagen, womit das Spiel auch mit der großen Korsaren-Abschlussprüfung unter der Aufsicht seines Meisters Sinbar stattfindet. Nach erfolgreichen Abschluss der Prüfung wird er von Sinbar zurück in seine Heimatstadt Zaratan teleportiert, schließlich steht bald die Hochzeit mit der hübschen Prinzessin Kara an, der Tochter des Kalifen. Doch bevor geheiratet wird, erhalten wir von Zaratans Bürgermeister den Auftrag, den alten Familienzwist zwischen den Al-Hazrads und den Wassabs, einer konkurrierenden Adelsfamilie, zu klären. Der hierfür aufgesetzte Friedensvertrag entpuppt sich jedoch recht bald als böses Omen, denn der Dschinn der Al-Hazrads läuft kurz darauf Amok und versenkt ein Handelsschiff der Wassabs. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, diente eben dieses Schiff auch noch als Transport für den Kalifen und Prinzessin Kara. Zwar kann der Kalif von unserem tapferen Korsaren gerettet werden, doch von seiner zukünftigen Ehefrau Kara fehlt jede Spur. Obendrein verfrachtet der erboste Kalif unsere Sippe in den Kerker. Da ein Dschinn nur auf Anordnung seines Meisters agieren kann, wird geschlussfolgert, dass die Al-Hazrads für die geschilderten Schandtaten verantwortlich sind.
Lediglich der Korsar wird verschont, da er sich ehrenhaft verhalten hat und über keine Magie verfügt, wodurch er ohnehin keinerlei Kontrolle über die Taten des Dschinns hatte. Stattdessen wird er aus seiner Heimatstadt verbannt und muss nun gucken, wie er alleine und mittellos die Ehre seiner Familie wiederherstellen kann, um diese aus dem Verlies zu befreien, sowie seine Prinzessin zu retten, die hoffentlich noch am Leben ist. Also mal wieder der typische Dungeons & Dragons-Alltag auf Faerûn.
Die Handlung ist solide und bietet ausreichende Motivation zum weiterspielen. Zur Einstimmung bietet das Handbuch sogar eine 12-Seitige Prolog-Geschichte komplett mit Risszeichnungen – schade das es so etwas heutzutage kaum noch gibt. Der wirkliche Reiz von Al-Qadim liegt jedoch darin ein exotisches Land zu erforschen. Der Fluch des Dschinn ist eben nicht das hunderttausendste Abenteuer an der Schwertküste, sondern zeigt, dass Faerûn mehr zu bieten hat als Baldur’s Tor, Niewinter, Tiefwasser, das Eiswindtal und Umgebung. Stattdessen finden wir uns sozusagen in der Dungeons & Dragons-Version von 1001 Nacht wieder. Hier gibt es Dschinns statt Drachen, Wüsten statt Wiesen und eine ganz eigene Kultur, in der die eigene Ehre einen sehr hohen Stellenwert einnimmt. Die Exotik und Fremdartigkeit von Zakhara wird in diesem Spiel recht gut umgesetzt und trägt einen großen Teil zur Faszination bei. Vor allem die mächtigen Dschinns, welche einerseits gottgleiche Wesen sind, aber andererseits als Diener für mächtige Magier herhalten müssen, wurden wirklich hervorragend präsentiert. Wer also auch mal ein originelleres Setting von D&D erleben möchte, der kommt hier durchaus auf seine Kosten!
Abwechslungsreiches Abenteuer mit einigen unnötigen Schnitzern
Als Top-down Action-Adventure, welches mehr mit Konsolenspielen wie Zelda gemein hat, mangelt es Al-Qadim auf dem PC freilich an Konkurrenz. Das sagt natürlich nichts über die Qualität des Spiels an sich aus. Wie im Genre üblich, steuert man seinen Charakter aus der Vogelperspektive, verkloppt in Echtzeit diverse Gegner, redet mit NPC’s, löst diverse Rätsel-Aufgaben und bewältigt ein paar labyrinthische Dungeons.
Vor Spielbeginn gilt es erst einmal einen Namen für den Protagonisten einzutippen sowie einen von fünf Schwierigkeitsgraden auszuwählen, welche von „Sehr Einfach“ bis „Sehr Schwer“ rangieren. Auf mittlerer Schwierigkeitsstufe bin ich recht gut gefahren, auch wenn der Einstieg ziemlich schwer fällt, aber dazu später mehr. Die Steuerung in Al-Qadim ist angemessen simpel und unterstützt sowohl Tastatur, Maus als auch Controller. Letztere Variante konnte ich jedoch nicht vernünftig in Gang setzen und die Tastatur-Steuerung lässt sich leider nicht konfigurieren.
Als Dungeons & Dragons-Spiel haben natürlich auch einige RPG-Elemente ihren Weg ins Spiel gefunden. So bringen beseitigte Gegner und gelöste Quests Erfahrungspunkte ein, mit denen man auflevelt, um mehr Lebenspunkte zu erlangen. Mehr scheint eine neue Stufe jedenfalls nicht einzubringen, da die Attributspunkte immer gleich bleiben und auch durch nichts beeinflusst werden können. Ein komplexes Ausrüstungssystem oder eine umfassende Charaktererstellung vor Spielbeginn sucht man nämlich vergebens, es lassen sich lediglich einige magische Ringe aufspüren, um Verteidigungs- und Angriffskräfte permanent zu verbessern. Erreicht man die Level 4 und 6, darf man jedoch eine neue Nahkampftechnik beim Trainer in der Stadt erlernen. So bekommt man neben dem regulären Schwerthieb von oben noch einen gefächerten Schwertstreich und sogar einen Rundumschlag. Um diese Techniken zu aktivieren muss man auch lediglich den Angriffsbutton etwas länger gedrückt halten, was sich sehr gut handhaben lässt. Darüber hinaus bekommt man sehr früh im Spiel auch noch eine Steinschleuder geschenkt, welche zwar sehr schwach ist, ihre Steine aber dafür mit einer automatischen Zielerfassung abfeuert und zumindest gegen giftige Gegner wie Spinnen die erste Wahl sein sollte. Mithilfe der „Magischen Scherben“ darf sogar Magie gewirkt werden. Diese Scherben bieten jedoch nur begrenzte Ladungen, kosten viel Geld beim Händler (man kann aber auch ein paar Scherben in der Spielwelt finden) und lassen die nützliche Zielerfassung der Steinschleuder vermissen. Dementsprechend habe ich mich lieber aufs Schwert und die Steinschleuder verlassen und die Magiescherben größtenteils ignoriert.
Sollte man dennoch etwas abbekommen (und das wird häufig passieren), lassen sich freilich noch zahlreiche Heiltränke hamstern, sofern man das notwendige Gold hat sich diese zu leisten (weitere Tranksorten zur Unterstützung gibt es auch). Spezielle Plätze zur Regeneration der Lebensenergie sind zwar vorhanden, doch befinden sich diese niemals innerhalb eines kräftezehrenden Dungeons. Und vor allem zu Beginn des Spiels muss man erst mal eine bestimmte Quest erfüllen, bevor man überhaupt Zugriff auf die erste Heilquelle erhält. Gerade deswegen fällt der Einstieg ins Spiel auch unangenehm schwer aus, da die Monster in der Umgebung um Zaratan doch sehr zahlreich und erbarmungslos sind. Übersteht man diese Hürde jedoch, normalisiert sich der Schwierigkeitsgrad der Kämpfe sehr schnell und es sollte keine größeren Probleme mehr geben. Der Rätsel-Schwierigkeitsgrad von Al-Qadim bleibt hingegen durchgehend vernünftig, was dafür sorgt, dass man das Spiel auch ohne Komplettlösung schaffen kann. Die Aufgabenstellungen sind dabei angemessen abwechslungsreich. Neben gelungenen Multiple-Choice-Dialogen und Schalterrätseln, gibt es noch Dinge wie kleinere Item-Fetch-Quests, Verschieb die Kiste, geheime Durchgänge, fliegende Teppiche und andere Dinge. Besonders schön ist, dass einem das Spiel auch immer wieder verschiedene Lösungswege anbietet. So gibt es etwa ein Dorf in dem eine Blutfehde zwischen zwei verschiedenen Clans herrscht. Um voranzukommen kann man sich nun entweder für eine der beiden Seiten entscheiden oder eine friedliche, gewaltfreie Lösung herausarbeiten. Besonders an dieser Stelle erkennt man diesen wunderbaren PC-RPG-Charme, welcher bereits Spiele wie Baldur’s Gate zu einem Genuss gemacht hat. Innerhalb des ca. 12-stündigen Abenteuers wird also genügend Abwechslung und Spielspaß geboten.
Perfekt ist Al-Qadim aber nicht. Besonders gestört haben mich Backtracking-Orgien, generell einige lange Laufpassagen in denen nichts interessantes passiert, und die Bosskämpfe, welche diese Bezeichnung eigentlich gar nicht verdienen, da sie viel zu unspektakulär präsentiert werden und eher wie starke Standard-Gegner wirken. Am bemerkenswertesten war wohl jene Stelle wo mich eine Dao (ein niederrangiger Dschinn) dazu zwang regelmäßig zwischen zwei Inseln hin und her zu schippern, um ihr diverse Gegenstände zu beschaffen. Es ist mir zwar klar, dass diese Stelle im Spiel dazu dient die Boshaftigkeit einiger Dschinns darzustellen, jedoch ist dieser Spielabschnitt ein Debakel in Punkto Gamedesign. Auch der Einbruch ins Gefängnis ist solch ein Tiefpunkt. Nicht etwa wegen der dortigen Stealth-Einlage (ja, das Spiel wirft euch auch ein paar Schleichabschnitte entgegen), sondern wegen des geradezu absurd langen Geheimganges den man nicht nur ins Gefängnis hinein, sondern auch noch herauslaufen muss. Solche ätzenden Passagen fügen diesem eigentlich sehr guten Spiel nur unnötigen Schaden zu, was halt extrem schade ist. Dafür verschont uns Al-Qadim jedoch vor lästigen Bugs und die lineare Struktur sorgt dafür, dass man nicht ziellos herumirrt.
Grafik, Sound und sonstiges
Die Top-down-Grafik von Al-Qadim mag zwar etwas grobpixelig wirken, ist abgesehen davon aber sehr schön gelungen. Sie ist angenehm farbenfroh, bringt das Nahost-Fantasy-Setting gelungen herüber und bietet einige sehr schöne Sprite-Grafiken für die riesigen Dschinn-Lords. Abgesehen davon, dass sich einige Siedlungen und Höhlen zu ähnlich sehen, gibt es eigentlich nicht viel zu kritisieren. Für ein DOS-Spiel sieht Al-Qadim jedenfalls richtig hübsch aus!
Auch der Soundtrack kann mühelos überzeugen und bietet viele schöne Melodien, welche zudem sehr gut zum arabisch angehauchten Setting passen. Anders als in Entomorph gibt es hier leider keine Sprachausgabe, aber dafür verschont uns Al-Qadim vor lästigen Bugs – Cyberlores erstes Spiel wurde blitzsauber programmiert!