Metaphor: ReFantazio REVIEW

Wenn Atlus (Shin Megami Tensei, Persona, Catherine) nach mehr als einem Jahrzehnt nicht nur eine neue IP etablieren will, sondern dafür den kreativen Köpfen hinter den modernen Persona-Spielen auch noch intern ein neues Studio bereitstellt, dann wird man als Rollenspiel-Fan natürlich hellhörig. Die Erwartungen an das Erstlingswerk des 2016 gegründeten Studio Zero sind über die Jahre gewachsen und auch die Aufmerksamkeit auf den Titel ist seit dem Welterfolg von Persona 5 immens. Ganz schön viel Druck der da von Außen auf Director Katsura Hashino, Musiker Shoji Meguro und Charakter-Designer Shigenori Soejima sowie dem restlichen Team in den letzten Jahren eingeprasselt sein dürfte und auch ich gehörte quasi seit der Ankündigung zu jenen, die es kaum erwarten konnten, in das „Fantasy-Persona“ einzutauchen. Denn genau das ist Metaphor: ReFantazio am Ende geworden. Und obwohl das genau mein Ding ist, bin ich vom finalen Spiel ziemlich ernüchtert.

Mehr als Persona mit Fantasy-Anstrich?


Das moderne Japan-Setting samt High-School wird gegen High-Fantasy ausgetauscht. Visuell und im Worldbuilding steckt viel drin, was man als Fantasy-Fan sowie Manga- und Anime-Kenner wiedererkennen dürfte. Beim Anblick von Schurke Louis fühlte ich mich nicht von ungefähr an Griff aus Berserk erinnert, auch der riesige Steinkopf, der über die Städte des Königreichs Euchronia schwebt, könnte aus dem Lebenswerk von Kentaro Miura stammen. Andere Elemente weisen Ähnlichkeiten zu Attack on Titan auf, einige Gegner-Designs wirken wie aus einem Alptraum von Hieronymus Bosch und klar, auch an den Japanern ist Game of Thrones nicht vorbeigegangen. Und trotz all dieser erkennbaren Muster, Formen und Themen, steckt in Metaphor: ReFantazio auch noch ziemlich viel eigenes.

Einmal mehr schlüpft man in die Rolle eines namenlosen Protagonisten. Dieser wird gemeinsam mit der Fee Gallica zu Beginn auf eine geheime Mission in die Hauptstadt entsendet. Grund dafür ist die Ermordung des Königs sowie das daraus entstandene Machtvakuum. Die Staats-Kirche will einen eigenen Kandidaten auf den Thron setzen, der bereits erwähnte Louis – ein geübter Militär und Taktiker – kocht sein eigenes Süppchen. Und auch andere Fraktionen wollen die Chance nutzen, um Macht zu erlangen. Was niemand weiß: der tot geglaubte Prinz und Sohn des Königs ist gar nicht tot, sondern liegt benommen von einem Fluch im ewigen Schlaf. Um diesen zu brechen und den rechtmäßigen Nachfolger auf den Thron zu setzen, muss man fortan also um die Gunst des Volkes buhlen.

Um nämlich einen aufkommenden Bürgerkrieg zu verhindern, hat der König seine Macht genutzt und Spielregeln festgelegt, an die sich alle halten müssen. Das Volk soll aus sich heraus entscheiden – unerhört! Findet jedenfalls die Kirche, muss aber wie alle andere Kandidatinnen und Kandidaten mitspielen. Doch wo es Regeln gibt, gibt es auch jede Menge Möglichkeiten, diese zu brechen…

Wettlauf gegen die Zeit


Viele Elemente, die man aus Persona kennt, finden sich in identischer oder abgewandelter Form in Metaphor: ReFantazio wieder. Das Rennen um den Thronfolger wird beispielsweise in einem mehrere Monate dauernden Wettkampf ausgetragen, in welchem sich die Bewerberinnen und Bewerber um die Krone beweisen müssen. So auch der Protagonist, der inkognito eigentlich für seinen Freund, den jungen Prinzen antritt. Die Entwickler nutzen den Wettlauf gegen die Zeit für das bekannte Kalendersystem. Für die Hauptquest und auch einige Nebenaufgaben, gibt es ein gewisses Zeitlimit. In der Regel sollte man keine Probleme haben die Story relevanten Aufgaben in einen oder zwei, maximal drei Ingame-Tagen zu lösen. An die jeweiligen Missionen ist stets das Durchqueren eines Dungeons sowie das Besiegen eines Boss-Gegners gebunden. Ich bin hier so vorgegangen, wie ich es kenne und habe nach dem Freischalten sofort die Haupt-Mission angegangen und abgeschlossen und mich anschließend um den Nebenkram gekümmert.

Auch hier verlassen sich die Entwickler auf bekannte Elemente. Die Social-Links aus Persona heißen jetzt Follower und funktionieren nach dem gleichen Schema. Im Laufe der Geschichte sammelt man einen Trupp mit Mitstreitern um sich. Jede Figur hat eine eigene Nebenhandlung, in der man mehr über sie erfährt. Auch einige nicht der eigenen Party zugehörigen Personen kann man in der Freizeit treffen und mit dieser Zeit verbringen. Das bringt nicht nur mehr Infos zur jeweiligen Figur und mehr Spielzeit, sondern vor allem relevante Features und Verbesserungen mit sich.

Welcher Archetyp bist du


Vor allem für das Kampfsystem hat der Fortschritt bei den einzelnen Followern einen großen Einfluss. Jede Figur bringt nämlich eine neue Klasse mit, die man im Kampf nutzen kann. Was vorher Personas oder Dämonen (Shin Megami Tensei) waren, sind jetzt die Archetypen. Insgesamt gibt es von diesen 40 unterschiedliche Typen, darunter Genre-typische Varianten Magier, Heiler, Schwertkämpfer aber auch auf den ersten Blick eher ungewöhnlichen Faker oder Masked Dancer. Jede Start-Klasse lässt sich weiter ausbauen, wobei man hier verschiedene und teilweise recht knackige Voraussetzungen erfüllen muss.

Mir gefällt das Job-System (was anderes ist es letztlich nicht) ziemlich gut, denn es gibt allen Figuren die Möglichkeit zu mehr Varianz. In den meisten anderen Rollenspielen aus dem Hause Atlus, ist meist nur der Protagonist fähig sich universal aufzustellen, während alle anderen Figuren meist an eine bestimmte Klasse gebunden sind. In Metaphor: ReFantazio kann ich jeder Figur jeden Archetypen geben und mich dadurch taktisch ziemlich breit aufstellen. Vielleicht schon ein bisschen zu breit. Denn auch wenn der Zähler der Ingame-Tage nicht so sehr auf die Tube drückt, wie man vielleicht vermuten möchte, so ist man dennoch eingeschränkt in der vollen Entfaltung.

Um die finalen Stufen eines Archetypen zu erhalten, muss man nämlich nicht nur beim entsprechenden Follower die höchste Stufe erhalten haben, sondern oftmals auch Archetypen aus anderen Klassen auf einen bestimmten Level gebracht haben. Selbst mit den vielen Erleichterungen, die einem geboten wird, wie etwa Level-Items, hatte ich meine Probleme, die finalen Stufen zu erhalten. Das ist weniger eine Kritik, als eine Feststellung, denn ich tue gerne etwas für eine coole Belohnung. Und genau das sind die besten Archetypen mitunter auch: lohnenswerte Belohnungen, für die man aber etwas tun muss.

Evolution, keine Revolution


Seit Persona 3 hat sich das sogenannte Press-Turn-Kampfsystem mit jedem Spiel des Kernteams sowie der vielen Spin-Offs weiterentwickelt, so auch in Metaphor: ReFantazio. In nahezu allen Bausteinen setzt man auf das nicht nur ziemlich dynamische, sondern auch noch nach Dutzenden Spielstunden launige Fundament von Persona 5, reichert es hier und da aber mit neuen Elementen an. So kann man nicht nur Aktionen von einzelnen Figuren nutzen, sondern auch Duo-Aktionen ausführen. Erstere verbrauchen einen Aktionspunkt, gebündelte Züge hingegen zwei. Geht ein Angriff daneben, verbraucht man ebenfalls auf einen Schlag zwei Aktionspunkte. Es gibt auch Fertigkeiten, mit denen man das Glück anrufen und zusätzliche Aktionspunkte gewinnen kann. All das geht wie gehabt auch für die Gegner, was die Kämpfe zu großen Teilen fair macht. Für die Bosse gelten zwar per se die gleichen Regeln, aber wie immer sind diese etwas immuner gegen anhaltende Status-Mali und auch das unsichtbare Würfelglück ist einem Louis wesentlich wohler gesonnen, als einem Troll im finsteren Kerker.

Sei es drum, die Kämpfe haben mir wieder viel Spaß gemacht, die kleinen Neuerungen bringen genügend Frische mit. Auch in anderen Punkten haben die Entwickler gut nachgedacht und lassen erstaunlich viel Quality-of-life springen. Am besten gefällt mir die Möglichkeit, per Knopfdruck einen laufenden Kampf von Anfang an zu starten. So kann man beispielsweise bei neuen Gegnern rumprobieren und die elementare Schwäche ausfindig machen und mit diesem Wissen noch einmal neu anfangen. Oder man startet einen langwierigen Bosskampf, der ohnehin verloren ist, rechtzeitig neu und erspart sich so das Laden des vorherigen Spielstandes. Schön wäre gewesen, wenn man direkt nach dem Bildschirmtod die Möglichkeit hätte, den Kampf von vorne zu beginnen. Aber dafür braucht es entweder eine sicherlich in einigen Monaten kommende Royal_Edition oder mal ein Gespräch mit den Kollegen von Entwickler Falcom (Ys, The Legend of Heroes). Diese machen das nämlich schon seit vielen Jahren und warum auch nicht?

Anyway, Atlus, Metaphor: ReFantazio, sinnige Verbesserungen. Dazu zählt auch die Möglichkeit Gegner, die einen niedrigeren Level als man selbst hat, vor Eintritt in den Rundendkampf mit Echtzeitangriffen zu besiegen. Dafür gibt es ebenfalls noch EXP, Geld und Items und es erspart Zeit und Mühe. Auch das automatische Ablaufen lassen eines Kampfes funktioniert mittlerweile richtig gut. Perfekt um man schnell auf die Toilette zu gehen oder das Getränk der Wahl aufzufüllen.

Das Salz in der Suppe


Der geneigte Leser und die geneigte Leserin werden sich jetzt sicherlich denken: Klingt ja alles ziemlich gut, wenn ich Persona und Shin Megami Tensei mag, dann werden ich hier sicherlich auch meine Freude haben. Oder? Sicherlich, die Chancen dafür stehen sehr, sehr gut und ich verstehe absolut, wenn man Metaphor: ReFantazio sogar als Game of the Year 2024 anführt. Nur hatte ich für meinen Teil nicht den Spaß, den ich so sicher erwartet habe. Und dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Am Gameplay liegt es wirklich nicht. Trotz erkennbarer Muster macht mir das alles immer noch viel Spaß, insbesondere das Kampfsystem und das Experimentieren mit den verschiedenen Archetypen empfinde ich als ungemein motivierend und befriedigend. Mein Problem gilt dem Rest. Aber wo fange ich da an? Vielleicht am für mich zweitwichtigsten Element eines Rollenspiels, der Handlung und seinen Figuren. Ich sage es einfach mal hart heraus: die Story hat mich zutiefst angeödet.

Für sich genommen ist der Plot interessant. Die Entscheidung für ein Fantasy-Setting ist spannend und Atlus stellt gerade zu Beginn ein paar spannende Fragen auf. Ist Louis einfach nur ein durchgeknallter Usurpator, oder hat er einen größeren Plan? Was genau führt eigentlich die Kirche in Schilde? Und warum werden die bizarren Gegner, die einem immer wieder begegnet, Menschen genannt? Auch macht man früh durchaus deutlich, das man es ernst mit der härteren Gangart meint und das auch prominente Figuren keine sie alles schützende Plot Armor besitzen. Letztlich verlaufen viele der guten Ansätze im Sande oder werden zu spät wieder aufgegriffen. Ich verstehe das man für das letzte Drittel ein oder zwei Asse in der Hinterhand haben möchte und diese allein aus dramaturgischen Gründen auch benötigt. Durch die vielen halbgaren Verläufe in den ersten 40, 50 Stunden sorgte diese Entscheidung aber bei mir für Langeweile. Und für genervtes Raunen meinerseits, denn die Dialoge sind mitunter an Belanglosigkeit erschreckend.

Ein weiteres Problem ist die Party und andere Figuren. Ich weiß nicht, ob es an mir und meiner Erfahrung im Genre liegt, aber ich bin mit den wie gehabt auf gängigen Klischees basierenden Figuren nicht warm geworden. Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass es nur zwei Figuren aus der Party gibt, die ich einigermaßen interessant finde. Zusätzlich noch eine Nebenfigur, die man im Rahmen des Follower-Systems treffen und mit der ich auch wirklich gerne Zeit verbracht habe. Alle anderen Personen waren mir herzlich egal. So egal, dass ich so häufig wie noch in keinem anderen Atlus-RPG die Skip-Taste während Dialogen in Anspruch genommen habe. Und das ist absolut fatal für ein Spiel, welches derart viel Wert auf Geschichte und Figuren legt, wie Metaphor: ReFantazio.

Auf Shoji Meguro ist Verlass


Wesentlich eher ist der Funke beim Artstyle übergesprungen. Hier setzt man den seit Persona 5 etablierten Ansatz für starke Kontrase und geradezu überbordend stilsichere Menüs fort. Insbesondere in der Inszenierung der Spielwelt und ihrer Kulturen hat man sich in kreativer Hinsicht in neue Sphären ausgetobt und jede Menge unterschiedliche Einflüsse eingebracht. Das Ergebnis ist nahezu immer cool anzusehen. In seinen besten Momenten hinterlässt der Artstyle durchaus einen Wow-Effekt, vor allem wenn bombastische Setpieces aufgefahren werden oder man einfach mit bizarren Designs um die Ecke kommt. So toll der visuelle Stil auch ist, so rückständig ist zuweilen der technische Unterbau. Das Ergebnis: teilweise leidet das Artstyle unter der mitunter horrenden Grafikqualität. Insbesondere die Spielwelt, allen voran Dungeons und die großen Städte, leiden stark unter den technischen Einschränkungen.

Wer hingegen einmal mehr komplett abliefert, ist Shoji Meguro. Bisher ist der Komponist vor allem durch poppige Klänge mit starken Jazz- und J-Rock-Einflüssen in Erscheinung getreten, für Metaphor: ReFantazio hätte das wohl nicht mehr funktioniert (auch wenn ich durchaus gerne gehört hätte, wie Meguro seinen bisherigen Stil hier umgesetzt hätte!). Entsprechend setzt der Hof- und Haus-Musiker von Atlus jetzt auf orchestrale Klänge und Chöre, um für Stimmung zu sorgen. Und meine Güte, liefert der Mann hier ein paar Kracher ab! Meguro beweist endgültig, das er zu den Besten seines Faches gehört.

Pro & Kontra

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Pros
  • dynamisches Kampfsystem mit viel Tiefgang
  • Archetypen sorgen für viel Motivation zum herumexperimentieren
  • interessantes Fantasy-Setting mit Wiedererkennungswert
  • sinnige Quality-of-Life-Verbesserungen
  • toller Artstyle
  • grandioser Soundtrack

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Cons
  • Story braucht sehr lange, um aus bekannten Konventionen auszubrechen und interessant zu werden
  • Großteil der Figuren und Party-Mitglieder ist uninteressant
  • technische Unzulänglichkeiten und unsaubere Grafikqualität

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Spiel Bewertung
Singleplayer
83
83
Gut
-
Multiplayer

FAZIT

Gemessen an den hohen Erwartungen, ist Metaphor: ReFantazio die für mich größte Enttäuschung des Spiele-Jahres. Was eigentlich absurd ist, insbesondere in spielerischen Belangen ist es nämlich das vielleicht beste Spiel, welches bisher von Atlus gekommen ist. Das Kampfsystem ist eine tolle Evolution des bekannten Press-Turn-Systems der modernen Persona-Titel. Außerdem hat man endlich ein Einsehen mit unsinnig verkomplizierten Stolpersteinen gehabt vorangegangener Spiele gehabt und sinnige Quality-of-life Features eingebaut. Dass man einen Kampf per Knopfdruck neu starten kann, ist ebenso willkommen, wie das in Echtzeit ausradieren von niedrig leveligen Gegnern. Das Artdesign ist über jeden Zweifel erhaben und der stilistische Wechsel von Jazz/Hip-Hop/Pop hin zu orchestralen Klängen zeigt was für ein unfassbar begnadeter Musiker Shoji Meguro ist. Und dennoch hat mich dieses Rollenspiel, auf welches ich seit der Ankündigung entgegengefiebert habe, erschreckend kaltgelassen. Bis auf zwei Ausnahmen waren mir bis zum Schluss sämtliche Figuren egal. Die anfänglich noch interessante Handlung mit ihren bekannten und frischen Fantasy-Elementen hat mich mit zunehmender Laufzeit gelangweilt. Die immerhin interessanten Twists setzen zu spät ein, haben mich im dritten Akt aber zunehmend versöhnt. Dennoch gab es Stunden, in denen ich mich wirklich quälen musste, weiterzuspielen. Wäre dies nicht das neue große Spiel von Atlus, würde mein Fanherz nicht so sehr an den vorherigen Werken der Macher hängen und hätte ich nicht den Anspruch, für eine Review ein Spiel bis zum Ende durchzudringen, hätte ich wohl nach 25 Stunden aufgehört zu spielen. Hätte ich das mit dem Wissen den guten letzten Drittels bereut? Vielleicht. Dennoch hat Metaphor: ReFantazio nicht so gezündet, wie ich das im Vorfeld erwartet und gehofft habe.

- Von  Adrian

Metaphor: ReFantazio ist ein tolles JRPG, eine spielmechansich bravouröse Evolution der Persona-Formel, langweilt aber mit einer für Dutzende Stunden mäßig spannenden Story und blassen Figuren.
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Metaphor: ReFantazio REVIEW

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