Wo Long: Fallen Dynasty REVIEW

Mit Nioh und Nioh 2 haben Team Ninja nicht nur einen eigenständigen Dreh auf die Souls-Firmel gefunden, sondern auch veritable Hits gelandet. Dennoch lässt man die IP erst einmal ruhen, das grundlegende Spielgerüst hingegen wird adaptiert und in Wo Long: Fallen Dynasty gepackt. Ist der Ausflug in die Zeit der Drei Reiche letztlich nur ein Reskin oder hat die neue Marke mehr zu bieten?

Die Drei Reiche, nationale Helden und Dämonen


Bei Koei Tecmo, Publisher von Nioh und jetzt eben auch Wo Long: Fallen Dynasty, mag man das Setting der Zeit der Drei Reiche, jener Epoche (208–280 n. Chr.), in der nach dem Ende der Han-Dynastie die drei Parteien Wei im Norden, Wu im Süden und Shu Han im Westen um die Vorherrschaft des Kaiserreichs China kämpften und das Land in einen jahrzehntelang andauernden Bürgerkrieg stürzten. Schon 1985 nutzte man (damals noch ohne Tecmo) das Szenario für das Strategie-Spiel Romance of the Three Kingdoms, nicht zuletzt durch die Musou-Spiele und insbesondere Dynasty Warriors festigte der Publisher aber die Vorliebe für das alte China und seiner Kriegsherren. Wer auch nur eines der genannten Games kennt oder gar gespielt hat, wird also einige Parallelen in Wo Long: Fallen Dynasty wiederfinden, insbesondere was die Inszenierung und Narration angeht. Denn die Modelle die Figuren, die bekannten Sprecherinnen und Sprecher und der Pathos sind allgegenwärtig.

Neu ist der Fantasy-Überzug, denn in dieser Erzählung der Drei Reiche kämpfen nicht nur menschliche Armeen gegeneinander, auch düstere Gestalten und Dämonen mischen mit. Vor allem ein böser Daoist agiert in den verschiedenen Lagern und injiziert den großen Feldherren – meist gegen deren Willen – ein Elixier, welches dämonische Kräfte freisetzt. Das geht so natürlich nicht, daher Vorhang auf für den strahlenden Helden bzw. Heldin. Die Spielfigur erstellt man sich im gewohnt umfangreichen Editor, der diesmal sogar eine nicht-binäre Option bereit hält. So löblich der Editor an sich ist, so öde ist einmal mehr die Inszenierung der Hauptfigur. Diese steht nämlich reglos und vor allem wortlos in den Cutscenes neben den eigentlichen Hauptfiguren dieser Geschichte, selbst bei direkter Ansprache und in den dramatischsten Momenten ist der Mund der Spielfigur versiegelt. Das ist weder Hals- noch Beinbruch und ich weiß woher die japanische Vorliebe für stumme Protagonisten kommt, aber es wirkt in vielen Momenten nun einmal albern.

Moralisten



Sei es drum, die Story ist ohnehin nicht das, wofür man Wo Long: Fallen Dynasty spielt. Die große Bühne gehört nämlich einmal mehr dem Gameplay. Und ja, hier setzt man zunächst vor allem auf das Modell Nioh. Der Kern allen ist das Kampfsystem mit seinen drei Säulen, bestehend aus Angriffen, Ausweichmanövern und Blocken. Für die Epoche typische Waffen wie Schwert, Speer, Axt und Bogen werden durch magische Fähigkeiten ergänzt, die eine größere Rolle als in Nioh spielen und das Wegfallen der Kampfhaltungen aus eben diesem kompensieren. Das Kampfsystem ist gewohnt flott, die Steuerung der Spielfigur agil, der stetige Wechsel zwischen offensiven und defensiven Aktionen geht angenehm von der Hand. Viel haben die Entwickler an ihrer Formel nicht geändert, und sie brauchten es auch nicht. Dieses nun erweiterte Kampfsystem hatte schon beim ersten mal Hand und Fuß.

Die Neuerungen sind vor allem in Details ausfindig zu machen. Die vielleicht wichtigste Neuerung ist die Integration der Moral als Spielsystem. Zunächst einmal ist Moral ein Rang, den man in jedem Level durch das Aufstellen von Standarten nach und nach erhöht. Damit befreit man nicht nur kleinere Gebiete von direkt umliegenden Gegnern und schafft sich so einen sicheren Rücksetzpunkt, auch wirkt sich der Moralrang direkt in den Kämpfen aus. Kurzum: je höher der eigene Moralrang ist, desto weniger Schaden erleidet man. In jedem Abschnitt kann man den Moralrang auf 20 durch das Aufstellen von Standarten und Wegmarkierungen steigern, zusätzliche fünf Moralpunkte kann man noch durch das Besiegen von Gegnern ansammeln. Gerade für die Bosskämpfe in den jeweiligen Abschnitten möchte man ein möglichst prall gefülltes Moralkonto haben, da hier der Unterschied sehr deutlich ist. Bosse haben in der Regel einen Moralrang von 20, ist man in der Nähe, hat man eine gute Chance, liegt man weit drunter, dann wird der Kampf fordernder. Und auch das Wirken von magischen Effekten, wie etwa das Einhüllen der Waffen in elementare Magie oder das Nutzen von passiven Boni, ist an dem Moralrang im Level gebunden.

Timing ist alles


Ein wichtiges Detail ist außerdem das Parieren, sprich das im richtigen Timing erfolgte Abwehren eines gegnerischen Angriffes. Diesem System kommt eine größere Rolle als in den vorherigen Spielen dieser Art von Team Ninja zu, insbesondere bei den Bossen sind sie essenziell. Manche Bosse sind nämlich derart aggressiv, dass man Probleme haben wird, ein Zeitfenster zu finden, indem es für mehr als ein oder zwei Angriffe reicht. Um sich Zeit zu sparen und um die Nerven zu schonen, sollte man sich daher schnell mit dem Parieren vertraut machen. Prinzipiell kann man alle Angriffe parieren, vor allem aber die durch ein rotes Aufleuchten symbolisierten Angriffe der Gegner will man abwehren. Blocken lassen sich diese im Vergleich zu normalen Attacken nämlich nicht. Man kann ihren zwar auch einfach aus dem Weg gehen, doch pariert man im richtigen Moment, kann man schnell die Ausdauer des Gegners in den Boden rammen und einen mächtigen Gegenangriff starten.

Ich habe im Vorfeld einige Stimmen zu den vorab vor Release veröffentlichten Demos gelesen, die sich vor allem mit dem Boss der Probeversion schwer getan haben. Dieser ist auch ein ziemlicher Klotz und macht schnell Kleinholz, lernt man aber die Timings und legt den Fokus vor allem auf die Defensive, dann wendet sich das Blatt schnell. Das Zeitfenster zum parieren ist übrigens angenehm großzügig, in Nioh hatte ich diese als wesentlich knapper in Erinnerung.

Freund und Feind


Eine weitere Erleichterung stellen die Begleiterinnen und Begleiter da. In nahezu jeder Story-Mission bekommt man einen oder sogar zwei Kollegen an die Seite gestellt, mit denen man sich nicht nur durch den Level selbst kämpfen, sondern auch den Bossen stellen kann. Leider taugt die KI nicht sonderlich viel, nicht selten haben meine Begleiter nur zugeschaut, wenn ich gekämpft habe. Bei den Bossen sorgen sie immerhin für etwas Ablenkung und verschaffen schon einmal kurze Verschnaufpausen. Allerdings habe ich die Begleiter schnell auch als störend empfunden.

Das liegt aber auch an der allgemeinen Übersicht, denn diese geht vor allem in den mit viel Effektgewitter inszenierten Kämpfen gegen die Helden der chinesischen Geschichte schnell verloren. Teilweise habe ich sowenig vom Geschehen mitbekommen, dass ich mich komplett auf erlernte Timings und akustische Signale konzentriert habe, um auszuweichen oder zu parieren. Das hat mitunter auch erstaunlich gut funktioniert (ein bisschen auf die eigene Schulter darf man sich ja klopfen), Sinn der Sache ist es aber eigentlich auch nicht. Hier vermisse ich dann doch die Klarheit und gute Leserlichkeit der FromSoftware Spiele.

Auch an anderer Stelle muss man sich dem großen Konkurrenten, sofern man diesen bei Team Ninja überhaupt in FromSoftware sieht, unterordnen und schafft es nach wie vor nicht in die ganz hohen Sphären vorzudringen. Vor allem fällt mir das immer wieder beim Artdesign auf. Eigentlich sind die Monster und hier eben wieder vor allem die bereits oft erwähnten Bosse cool, sowohl visuell, als auch spielmechanisch. Es fehlt aber immer der letzte Schliff, das letzte bisschen Esprit, eine wirklich bis zum Ende gedachte Designphilosophie.

Letzteres äußert sich für mich erneut beim Loot-System, welches mehr Diablo ist als Souls. An allen Ecken und Enden findet man Waffen und Rüstungen. Schon nach zwei Stunden ist das Inventar derart voll, dass nur wenig Lust besteht, sich mit diesem auseinandersetzen. Tatsächlich habe ich das Spiel nahezu komplett mit zwei Waffen aus dem ersten Kapitel und mit zwei unterschiedlichen Rüstungen beendet und diese stets durch Upgrades den aktuellen Spielfortschritt angepasst. Dieses System Masse statt Kalsse mag seine Freunde haben, ich kann ihm aber nichts abgewinnen.

Pro & Kontra

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Pros
  • umfangreiches Kampfsystem mit vielen unterschiedlichen Waffen und Magiefähigkeiten
  • das Setting der Drei Reiche passt gut zur Spielformel
  • viele unterschiedliche Areale
  • steuert sich wunderbar, trotz umfangreicher Tastenbelegung

thumbs-up-icon

Cons
  • KI der Begleiter lässt zu wünschen übrig
  • bei den Bosskämpfen geht die Übersicht oft verloren
  • wenig Vielfalt bei den Standardgegnern
  • Loot-System setzt wie gehabt auf Masse statt Klasse

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Spiel Bewertung
Singleplayer
78
78
Okay
-
Multiplayer

FAZIT

Wo Long: Fallen Dynasty macht nicht viel anders als Nioh, die Neuerungen und Änderungen liegen im Detail. Damit kann ich aber ganz gut leben, denn ich mag die Interpretation der Souls-Formel von Team Ninja wirklich gerne, zumal man gewohnt viel Eigenständigkeit mitbringt. Der Kern des Ganzen, die Kämpfe und das damit verbundene System sind wieder der Star, insbesondere die Bosskämpfe und die Vielfältigkeit der Waffen und ihrer individuellen Angriffe haben mir viel Spaß bereitet. Zu meckern habe ich eigentlich wenig, die größten Schwächen liegen für mich vor allem in der wenigen Abwechslung bei den Standardgegnern und in den prinzipiell stets nach dem gleichen Schema ablaufenden Missionen. Auch fährt man weder bei den Leveln und ihrer Architektur selten zu kreativen Höchstleistungen auf, sondern besinnt sich auf die typischen Schauplätze jener Ära plus Dämonenglasur. Würde ich ganz gemein sein wollen, dann würde ich Team Ninja vorwerfen, sie verlassen sich etwas zu wenig auf ihre Formel, ohne dieser etwas neues hinzuzufügen. Am Ende des Tages hatte ich mit Wo Long: Fallen Dynasty aber eine gute Zeit und werde sicherlich auch in Zukunft noch ein paar Ausflüge in die Drei Reiche unternehmen.

- Von  Adrian

Team Ninja erweitern ihre Formel um weitere Details, ansonsten bleibt alles beim alten.
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USK 16 PEGI 16

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