Disney’s Aladdin REVIEW
Im 16-bit-Zeitalter gehörten Filmumsetzungen zu den miesesten Spielen auf die man stoßen konnte. Groß war das Grauen, wenn man zu Weihnachten das Geschenkpapier abwickelte und einem ein zurechtgestutztes Filmplakat entgegenlächelte, das als Coverbild für ein Nintendo-Spiel wiederverwurstet wurde.
Doch dann trat Capcom auf den Plan, um zu zeigen, dass es auch anders geht. Ende November 1993 (bzw. Ende Januar 1994 in Europa) veröffentlichte das japanische Unternehmen nämlich ihr drittes SNES-Disney-Game, und dieses mal sollte es sich eben um eine Filmumsetzung zum Zeichentrickfilm-Kassenschlager „Aladdin“ handeln. Besagter Film wurde bei uns auch erst zwei Monate vor Veröffentlichung des Spiels ausgestrahlt, wodurch der Release der SNES-Filmumsetzung relativ gut passte. Das es sich um ein gutes Spiel handelt, habe ich ja bereits klargestellt und ist auch allgemeinhin bekannt. Ob das Spiel jedoch einfach „nur“ gut ist, oder ob es sich um einen Pflichttitel handelt, möchte ich euch im folgendem Review verraten.
Der ungeschliffene Diamant
Der bösartige Großwesir und Magier Dschafar versucht vergeblich Zugang zu einer unheimlichen Schatzhöhle zu erlangen. Sein Ziel ist eine alte Öllampe, welche einen Dschinni beherbergt, der dazu verpflichtet ist dem Besitzer der Lampe drei Wünsche zu erfüllen. Mithilfe dieser Wünsche könnte Dschafar seine Allmachtsfantasien ausleben. Dummerweise vernichtet die Höhle jeden unerlaubten Eindringling, lediglich der „ungeschliffene Diamant“ dürfe eintreten, um sich den Herausforderungen der Schatzhöhle zu stellen. Dschafar begibt sich zurück in seine Heimatstadt Agrabah, um die geforderte Person aufzuspüren.
Bei dem Gesuchten handelt es sich um den lebenslustigen, gutherzigen Dieb Aladdin, welcher zufällig auf die örtliche Prinzessin Jasmin trifft, die sich in Verkleidung unters Volk gemischt hat. Der junge Mann verliebt sich in die Prinzessin, landet jedoch durch Dschafars Machenschaften im Kerker. Ferner bringt der Großwesir Aladdin dazu, in die Schatzhöhle einzudringen, damit endlich die Wunderlampe geborgen werden kann. Doch überraschenderweise stoßen Aladdin und sein kleiner Affe Abu dort nicht nur auf die Wunderlampe, sondern auch auf neue Freunde. Mit deren Hilfe gelingt es Aladdin vielleicht doch noch das Blatt zu wenden und sich gegen den fiesen Großwesir durchzusetzen.
Es handelt sich um eine erfreulich akkurate Nacherzählung des Zeichentrickfilms. Es gibt viele Zwischensequenzen, welche die Handlung zwischen den Levels weitererzählen. Ehrensache, dass es sowohl ein Intro, als auch eine bemerkenswert befriedigende Endsequenz gibt (war damals keine Selbstverständlichkeit). Darüber hinaus erfreut der liebevolle Umgang mit den Charakteren, so ist Aladdins kleiner Affenfreund Abu ein stetiger Begleiter beim erkunden der Levels. Wirklich aktiv greift er zwar nicht ins Geschehen ein, aber es ist lustig ihn beim Herumwuseln zu beobachten. Und auch die anderen Hauptcharaktere bekommen ihren Auftritt. Es gibt einige Fluglevels mit Teppich, Dschinni verwaltet die Bonusrunde und hat seinen eigenen Level und der großmäulige Papagei Jago behindert uns in den letzten Spielabschnitten. Die charmante Handlung und die lustigen Figuren der Filmvorlage wurden wirklich gelungen in dieses SNES-Spiel transferiert!
Prince of Persia light?
Ein Blick in Aladdins Spieloptionen offenbart lediglich einen Soundtest, eine Stereo/Mono-Einstellung und die Auswahl aus vier verschiedenen Button-Belegungen für den Controller. Man kann sich also direkt ins Spiel stürzen, ohne sich groß Gedanken über Schwierigkeitsgrade und dergleichen machen zu müssen.
Wir haben es, wenig überraschend mit einem 2D-Platformer zu tun, welcher in sechs reguläre Level, einen Bonus-Level, sowie den finalen Bosslevel aufgeteilt ist. Die regulären Level sind obendrein in 2-4 Unterabschnitte aufgesplittet, die auch als Checkpoints fungieren. Das Spiel verzichtet zwar auf Zeitlimits, ist jedoch sehr kurz und sollte nach ungefähr 1-2 Stunden durchgespielt sein. Trotz dessen stellt Capcom eine umfassende Palette an Passwörtern zur Verfügung, welche den sofortigen Einstieg in jeden Level gewähren (inklusive Bonus- und Endkampf-Level). Ein Passwort besteht auch nur aus vier Symbolen, welche in Form von Konterfeis der Hauptcharaktere dargestellt werden. Es ist also kein großer Aufwand diese zu notieren und einzugeben.
Die Passwörter sind im übrigen auch der Hauptgrund, warum viele Aladdin als leichtes, einsteigerfreundliches Spiel empfinden. Ohne die Passwörter wäre Aladdin nämlich trotz vernünftiger Anzahl von Extraleben und Continues gar nicht so leicht. Es ist eines jener Spiele, bei denen es unzählige Abgründe gibt, die einem sehr schnell die Extraleben abknöpfen können, vor allem weil der allgemeine Spielfluss von Aladdin seinen eigenen Stil bietet, welcher nichts mit den ganzen 08/15-Platformern zu tun hat, die man sonst so auf dem System vorgesetzt bekommt. Vor allem die Sprungmechaniken geben Aladdin das Gefühl, als ob die Entwickler einen kleinen Hauch von Cinematic-Platformern mit ins Spiel einbinden wollten. So kann sich Aladdin an Platform-Kanten festhangeln oder an bestimmten Greifpunkten hin- und herschwingen, dafür fühlen sich seine akrobatischen Bewegungsabläufe aber auch ein klein wenig träger und unpräziser an, als die geradlinig-schnörkellosen Hüpfereien bei Nintendo-Kollegen wie Super Mario oder der Donkey Kong-Familie.
Zur Wehr setzt sich Aladdin mit dem Genre-typischen Kopfsprung aufs gegnerische Haupt, oder mit Äpfeln, die er als Wurfwaffe zweckentfremden kann. Humanoide Gegner werden von den Äpfeln jedoch lediglich temporär betäubt, der Kopfsprung bleibt also die effektivere Angriffsvariante. Abgesehen von den Äpfeln gibt es selbstverständlich noch einige weitere Sammelobjekte. Brot und gebratene Hähnchen regenerieren verbrauchte Lebensenergie, wobei das Brot nur einen Herzpunkt, und das Hähnchen sämmtliche Lebensenergie auffüllt. Aladdin startet mit drei Hitpoints, welche in Form von Herzen visualisiert werden. Man kann die Anzahl der Hitpoints im Verlauf des Spiels erhöhen, indem man entweder eines der seltenen Herz-Orbs einsackt oder 100 Edelsteine einsammelt. Grüne Edelsteine erhöhen den Edelstein-Zähler um einen Punkt, während die roten Edelsteine drei Punkte gutschreiben. Die roten Edelsteine erfüllen obendrein auch noch eine zweite Funktion. Gelingt es mindestens 50 der insgesamt 70 roten Klunker einzusacken (die roten Juwelen werden nicht durch die Passwörter erfasst, für diese Herausforderung muss man das Spiel schon in einem Rutsch knacken), bekommt man eine variierende Credits-Endsequenz als Belohnung spendiert. Ein netter Kniff, um etwas Widerspielwert aufzubauen, auch wenn es den Aufwand meines Erachtens nicht wert ist.
Dann gibt es noch die obligatorischen Extraleben in Form von Wunderlampen, sowie das Tuch, mit dessen Hilfe man aus dem Sprung heraus langsam nach unten gleiten kann – sehr hilfreich bei vielen der trickreichen Platform-Passagen! Zu guter Letzt gibt es noch den fliegenden Skarabäus. Gelingt es Letzteren einzufangen, bevor dieser wegfliegt, schaltet man für den jeweiligen Levelabschnitt eine Bonusrunde frei. In dieser darf man an Dschinnis Glücksrad drehen, um Extraleben, Continues oder die Regeneration der Lebensenergie zu gewinnen. Diese Bonusrunde ist jedoch nicht mit dem bereits erwähnten Bonuslevel zu verwechseln, welcher zwischen Stage 5 und 6 stattfindet. In diesem fliegen Aladdin und Jasmin auf Teppich durch den Nachthimmel von Agrabah und sammeln bei ihrem romantischen Flug fleißig Edelsteine ein. Im Gegensatz zum dritten Level droht hier keine Gefahr, denn schon in Level drei darf man sich mit dem träg zu steuernden Teppich in die Lüfte schwingen, um aus der kollabierenden Schatzhöhle zu türmen.
Es ist auf jeden Fall schön, dass Capcom mit den Teppich-Einlagen etwas zusätzliche Abwechslung bieten. Überraschenderweise mangelt es Aladdin nämlich an Bosskämpfen. Es gibt lediglich Bosse am Ende von Stage 1 und Stage 6, und natürlich der abschließende Bosskampf in der finalen Stage. Insgesamt gibt es also nur drei Bosse, welche unregelmäßig über das Spiel verteilt wurden. So etwas ist halt der Nachteil, wenn man sich eng an die Filmvorlage hält.
Grafik, Sound und weiteres
Der größte Pluspunkt von Aladdin ist die todschicke Pixelgrafik, deren Detailreichtum, Farben und liebevollen Animatonen den Spieldurchlauf zu einem wahren Augenschmaus werden lässt. Tatsächlich waren es ja auch die Screenshots zum Spiel, die in mir schon damals den Wunsch aufkeimen ließen, dieses Spiel irgendwann mal in Angriff zu nehmen. Und tatsächlich konnte das Spiel die hohen visuellen Erwartungen einhalten. Einziger Wermutstropfen sind die derben Slowdowns, die im finalen Bosskampf auftreten und die finale Konfrontation unnötig erschweren. Dennoch kann ich Aladdin jedem empfehlen, der auf schöne 16-bit 2D-Grafiken abfährt.
Auch der Soundtrack kann überzeugen. Die Stücke der Filmvorlage lassen sich selbst nach all den Jahren mühelos wiedererkennen und wurden von Capcom liebevoll ins Midi-Format umgewandelt. Die Soundeffekte fügen sich ebenfalls gelungen ins Gesamtbild ein und unterstützen den Spielfluss.
Abgesehen von der SNES-Version, welche Jahre später auch auf den GBA portiert wurde, gibt es übrigens noch Versionen für den Sega Mega Drive, den NES und den Game Boy Classic. Diese Ableger unterscheiden sich jedoch dermaßen stark von der SNES-Version, dass man sie als eigene Spiele betrachten muss.
Pro & Kontra
- hervorragende audiovisuelle Präsentation
- liebevoller Umgang mit der Lizenz
- großzügiges, auf vier Symbole beschränktes Passwortsystem
- kurze Spieldauer von 1-2 Stunden
- sehr heftige Slowdowns im Endkampf