Yakuza Kiwami 2 REVIEW
Vier Spiele in nicht einmal zwei Jahren – über zu wenig Nachschub konnten sich westliche Fans von Yakuza in den vergangenen Monaten wahrlich nicht beschweren. Nachdem Segas Reihe außerhalb von Japan stets einen recht schweren Stand hatte und der japanische Publisher zeitweise gar mit dem Gedanken spielte, eine Veröffentlichung außerhalb Asiens ganz auf Eis zu legen, ist wohl spätestens mit dem bei uns im Januar 2017 erschienenen Prequel Yakuza 0 der Knoten geplatzt und das Interesse sowie die Anhängerschaft sprunghaft gestiegen. Es folgte wenig später Yakuza Kiwami, ein Remake vom PlayStation 2 Erstling, sowie im Frühjahr dieses Jahres Yakuza 6. Und nun eben auch noch das Remake von Teil 2. Ganz schön viel! Vielleicht ein bisschen zu viel?
Zurück zu den Anfängen
Yakuza Kiwami 2 ist inhaltlich – bis auf einige Details, auf die ich später zu sprechen komme – ein 1:1 Remake des 2006 erschienenen Originals. Seit den Geschehnissen des Vorgängers ist ein Jahr vergangen. Mittlerweile führen Kazuma Kiryu und seine Ziehtochter Haruka ein ruhiges Leben und haben alle Verbindungen zur Vergangenheit gekappt – zumindest glauben sie das. Denn bei einem Attentat wird Yukio Terada, der amtierende Boss des Tojo-Clans, vor den Augen von Kazuma und Haruka ermordet. Schnell ist klar, das hinter dem Komplott offenbar der Omi-Clan aus Ōsaka steckt, der seinen Einfluss nun auch auf Tōkyō ausbreiten und den Tojo-Clan ausradieren will. Die Geschehnisse von vor einem Jahr sowie interne Machtkämpfe und Intrigen haben den Tojo-Clan derweil so sehr geschwächt, das nur noch der eigentlich Außenstehende Kazuma in der Lage zu sein scheint, die Situation entspannen zu können. Pflichtbewusst reist er daher nach Ōsaka, um das schlimmste zu verhindern…
Für viele Fans – mich eingeschlossen – gilt der zweite Teil als einer der Höhepunkte der Reihe. Das hängt stark mit der Rahmenhandlung und ihrer Tonalität, die beide ein Kind ihrer Entstehungszeit sind. Die Geschichte versprüht die Aura einer frühen 2000er Crime-Story, durchsetzt von Neo-Noir und Melancholie ist. Kein späterer Teil gab sich je wieder so dark & gritty und verabschiedete sich im Rahmen seines Hauptplots so sehr von der Unbeschwertheit, mit der viele Spieler das Franchise mittlerweile verbinden. Doch auch die auftretenden Figuren tragen einen wichtigen Teil dazu bei, dass Yakuza 2 bei vielen Fans nach wie vor ein hohes Ansehen genießt. Nennenswert ist hier insbesondere Kazumas Gegenspieler Ryuji Goda, der zweifelsohne der imposanteste Antagonist der Reihe ist und jede Szene für sich vereinnahmt, in der er auftritt. Mit Kaoru Sayama erhält Kazuma außerdem eine nicht minder interessante Figur an die Seite gestellt, die viel mehr Raum, als der übliche love interest ausfüllt.
The Truth of Goro Majima
Abseits der bekannten Story hat Yakuza Kiwami 2 aber noch mehr zu bieten. So gibt es mit „The Truth of Goro Majima“ nämlich eine komplett neue Kampagne, in welcher der namensgebende Fanliebling im Fokus steht. Der zweite Modus wird nach und nach durch Progression im Hauptspiel freigeschaltet, ist aber von diesem komplett abgekapselt, was eine dramaturgisch gute Entscheidung ist. Es empfiehlt sich mit „The Truth of Goro Majima“ zu starten, sobald man den Storymodus von Kazuma beendet hat.
Zeitlich setzt Majimas Part zwischen der Handlung von Yakuza (Kiwami) und Yakuza (Kiwami) 2 an und füllt die zeitlichen Lücken aus. Nicht zuletzt der inhaltliche Schulterschluss mit Yakuza 0 ist für Fans spannend und sorgt dafür, dass auch Goro Majima mehr Tiefe und Charakter erhält. Spielerisch unterscheidet sich der neue Abschnitt nur im Detail vom Hauptspiel. So kann man Majima etwa nicht leveln, auch hat er keine nennenswerten Sidequests, was in Anbetracht der gelungenen Erzählung aber nicht negativ auffällt.
Altes raus, neues rein
Anlass zur Kritik gibt es aber an anderer Stelle. So wurde mit Shinseicho ein kompletter Bezirk aus dem originalen Spiel ersatzlos entfernt. Zur Einordnung: dieser fiktionale Bezirk von Ōsaka spielt im letzten Drittel der (originalen) Handlung eine Rolle. Die ursprünglich in Shinseicho spielenden Missionen selbst sind im Remake zwar weiterhin vorhanden, wurden aber nach Sotenbori verfrachtet. Sotenbori selbst, welches auf dem realen Stadtteil Dōtonbori basiert, wiederum besitzt ein paar weniger Straßenzüge, wie man es aus dem Original oder auch dem Prequel her kennt. Auch wurden nicht alle Minispiele und Substories aus Yakuza 2 übernommen, ein Kritikpunkt, der schon an Yakuza 6 im Vergleich zu dessen Vorgängern haftete. Das mag vor allem technische Gründe haben. Konnten die Entwickler vorher noch auf bestehende Assets zurückgreifen, musste für die in Kiwami 2 und Yakuza 6 zum Einsatz kommende Dragon-Engine alles neu gebaut werden, was wohl letztlich dazu geführt hat, das vorherige Inhalte (aus Zeitgründen?) gestrichen werden mussten. So sehr ich den fehlenden Minispielen und Shinseicho nachtrauere, so sehr muss ich das Entwicklerteam aber ansonsten loben, denn im Grunde ist die Neuauflage mit Bilderbuchcharakter.
Drache mit leichtem Schluckauf
Da wäre natürlich die Präsentation, die dank der Dragon-Engine schlichtweg fantastisch ist. Gerade wenn in Kamurocho und Sotenbori Nacht herrscht und die allgegenwärtige Neonreklame die Straßen flutet, Menschenmassen ihrem Leben nachgehen und man an jeder Straßenecke neue Details ausfindig macht, zeigt das technische Gerüst seine schier eindrucksvolle Kraft. Schön auch, das Ryu ga Gotoku Studio die Engine mittlerweile etwas besser unter Kontrolle zu haben scheint. Alles wirkt runder, satter und performanter, als noch beim ersten Einsatz der Technik.
Was Sotenbori angeht, so fallen dem geneigten Kenner dennoch einige wiederverwertete Assets auf. Gerade bei den Schildern vor Restaurants oder in Ecken, wo man in der Regel nicht so ganz genau hinguckt, lassen sich hin und wieder teils erstaunlich grob aufgelöste Texturen sehen, die wohl ein Überbleibsel aus Yakuza 0 sind. Und die Animationen in den Cutscenes sind wohl ebenfalls eine Zweitverwertung und entstammen dem PlayStation 2 Original, was man der Mimik der Figuren anmerkt. Sonderlich tragisch ist aber auch das nicht, denn die Zwischensequenzen besitzen erneut ein gutes Auge für Regie und sind dank der japanischen Sprecher gewohnt erstklassig vertont.
Heute Fotograf, morgen Golfer, übermorgen Glücksspieler
Natürlich offeriert auch Kiwami 2 wieder eine Hülle und Fülle an Nebenbeschäftigungen. Wie gehabt kann man nicht nur wieder viel Zeit abseits der Haupthandlung in die beliebten Substories stecken, auch kann man diesmal Golf spielen gehen, sich als Fotograf von Bikini-Models betätigen, sich mit starken Gegnern im Kolosseum messen, diverse westliche (Poker, Black Jack) und japanische (Mahjong, Hanfuda) Glücksspiele zocken und in Sega-Arcade Hand an eine überarbeitete Variante von Virtua Fighter 2 und dem Mecha-Brawler Virtual On legen. Ziemlich skurril ist außerdem Toylet, ein Minispiel, in welchem Kiryu auf der Toilette der Sega-Arcade seine Pinkelpause zu einem Erlebnis macht.
Auch zwei bekannte Meta-Spiele feiern ihr Comeback. Da wäre zum einen der aus Yakuza 6 bekannte Clan-Creator, der quasi ein separater Tower-Defense-Modus ist, an welchem eine eigene Storyline hängt. Diese ist durchaus spaßig, zumal auch hier wieder Goro Majima eine größere Rolle spielt. Die zum Einsatz kommenden Spielmechaniken wurden etwas angepasst, schön auch, das die Kämpfe nun etwas variabler gestaltet wurden. Dennoch bietet mir der Modus nach wie vor zu wenig taktische Vielfalt. Stattdessen braucht man eigentlich nur möglichst starke Kämpfer in den eigenen Reihen, was teilweise nur durch (wenn auch nicht sonderlich ausuferndes) Grinding funktioniert.
Wesentlich besser gefällt mir da der aus Yakuza 0 bekannte Cabaret-Club-Manager-Modus, in welchem diesmal Kazuma Manager eines entsprechenden Etablissements wird. Nach und nach wächst die Belegschaft, die man auch schminken und neu einkleiden kann. Sobald man den Club öffnet, hat man drei Minuten Zeit, um möglichst viel Geld einzunehmen. Um dies zu bewerkstelligen, muss man auf die Vorlieben der Kunden achten. Manche wollen eine Hostess, die süß und kommunikativ ist, andere wollen ein Partygirl. Hin und wieder benehmen sich die Gäste aber auch daneben, sodass man die Situation richtig lesen und entspannen muss.
Flotte Kämpfe mit vielen Möglichkeiten
Weitere Anpassungen haben die Entwickler beim Kampfsystem vorgenommen. Auch dieses musste für die Dragon-Engine komplett neu gebaut werden und fühlte sich noch bei Yakuza 6 etwas unsauber an, ein Manko, welches sich nicht wiederholt. Es gibt bekannte und neue Kombos und Heat-Actions, außerdem ist es nun wieder möglich Waffen bei sich zu tragen. Cool: lässt ein Gegner eine Waffe fallen, so kann man diese per Knopfdruck direkt ins eigene Inventar legen und später wiederverwenden.
Bis man Zugriff auf die richtig coolen (und wieder herrlich überzeichnet brutalen) Moves hat, muss man aber einige Zeit in den Fähigkeitenbaum investieren. Entsprechende Punkte bekommt man durch das Erledigen von Nebenaufgaben, wenn man sich durch die vielen Restaurants futtert oder einfach nur Kämpfe absolviert. Gerade auf dem normalen Schwierigkeitsgrad kann man sich aber sehr schnell overpowern, sodass selbst spätere Bossgegner mit mehreren Lebensleisten ein Klacks sind.