The Medium REVIEW
Das Horror-Genre mag ich in all seinen Formen und Facetten. Egal ob Film oder Videospiel, das Interesse ist nie verflogen und begann schon sehr früh. Wie bei Filmen, habe ich bei Spielen meine Favoriten. Natürlich wird zumeist Silent Hill genannt, wenn man dem Mystery-Horror zugeneigt ist. Ich muss mich hier ebenfalls mit anschließen und erkenne die Reihe als Primus an. Doch ist es bekanntlich sehr ruhig um Silent Hill geworden. Nur Gerüchte halten sich hartnäckig. Auch The Evil Within 1 wie 2 konnten nicht das verlorene Gefühl eines grandiosen Horrors zurückgeben. Doch nun befüllt eine neue Genre-Hoffnung den Markt – The Medium. Vorab sei gesagt, dass der Titel, der für Win10 PC und Microsofts Xbox Series S/X verfügbar ist, vieles richtig macht und mich oftmals zufrieden stimmt.
Die zwei Welten
Schon während der Promo für das Spiel wurde nicht viel von der Story verraten, was ich gut finde. Es ist ein Genuss, immer tiefer in die Geschichte einzudringen und jedes Puzzleteil selbst zu entdecken, um daraus eine komplette Geschichte erschließen zu können. Auch ich möchte daher nicht zu viel verraten und stelle stattdessen die Hauptprotagonistin in den ersten Zeilen näher vor. Dennoch sei gesagt, lasst euch Zeit mit dem Spiel. Denn nur wer alles genau beäugt und dadurch viele Gegenstände erschließt, bekommt die gesamte Tragweite einer durchdachten Erzählung mit.
Im Mittelpunkt steht Marianne, die sich an viele Teile ihrer Kindheit nicht mehr erinnern kann. Ihre Geschichte spielt im Jahr 1999, was in vielen Schauplätzen gut eingefangen wird. Und in den ersten Szenen scheint sie noch eine normale junge Frau zu sein… Dieser Eindruck währt aber nicht lange, denn sie trägt ein besondere Geheimnis in sich. Kommt Marianne an unbefriedete Orte, spaltet sich ihr Bewusstsein und sie ist in der realen, wie Geisterwelt parallel unterwegs.
Das Medium
In der Parallelwelt, in der kein menschliches Leben existiert, werden ihr Dinge gezeigt, die sich kein Lebender vorstellen kann. Dort findet sie gleichzeitig Zugang zu Informationen und Dialogen, die sie weiterbringen. Ja, in der Geisterwelt ist sie nicht ganz alleine, wenngleich dies an einigen Orten wohl die bessere Alternative gewesen wäre. Das Spiel macht Marianne nicht selten zur Gejagten, dessen Rolle sie dann auch übernimmt. Anders als bei vielen anderen Horrorgames, ist ihre Verteidigung nicht durch Waffen gegeben. Stattdessen übernimmt sie beim Zusammenstoß mit böswilligen Mächten lieber den passiven Weg.
Sofern sie gerade nicht auf der Flucht ist, werden Gegenstände untersucht und neue Zugänge geebnet, die nur dann einen Durchgang öffnen, wenn beide Realitäten Zugang erhalten. Das heißt sehr oft, zwischen beiden Orten wechseln oder den passenden Fundus an der richtigen Stelle einsetzen. Gelegentlich bedarf es auch gelöster Rätsel, um nicht an einem Schauplatz lange zu verharren.
Reale und Geisterwelt
Um beide Welten darzustellen, bedient sich der Entwickler „Blobber Team“ einer ganz neuen und bislang unangetasteten Mechanik. Diese zeigt beide Realitäten in einem Splitscreen. Überraschenderweise funktioniert dies sehr gut und lenkt selten von Gefahren ab. So könnt ihr Marianne in der realen Welt zuschauen, wie sie mit der Leere redet, währenddessen in der Geisterwelt ein Gesprächspartner bereitsteht, der ihre gesprochenen Worte abfängt.
The Medium nutzt diese Mechanik aber nicht die gesamte Spielzeit von ca. 8 Stunden. Stattdessen findet immer ein Wechsel statt und macht euch ferner sogar noch mit einer anderen Spielfigur vertraut. Oftmals muss sie auch in der realen Welt die Geheimnisse aufdecken, um später wieder in die andere Welt zurückkehren zu können. Gerade die im Horror-Genre beliebten Spiegel spielen hier eine zentrale Rolle und lassen das Reisen getrennt beider Welten zu.
Spirituell
Zwar kommt das Medium Marianne insbesondere in der Geisterwelt in einige missliche Lagen, ganz hilflos ist sie aber nicht. Findet ihr eine Energiequelle oder macht diese in der realen Welt zugänglich, kann die junge Frau selbige absorbieren. Mit jener aufgenommenen Energie kann sie kurzzeitig ein Schutzschild erschaffen, welches viele Gefahren abwendet. Dennoch heißt es immer, so schnell wie nur möglich der Gefahrenquelle entkommen.
Des Weiteren kann Marianne ihre Geisterform für einen kurzen Intervall von ihrer wahren Gestalt trennen. Ganz ohne Eile geht es hier aber ebenso wenig. Mit jeder verstrichenen Sekunde, in der die Trennung vollzogen wird, löst sich die Geisterform auf, bis sie komplett verschwindet und das Spiel neu geladen werden muss.
Eine weitere Kraft, die Marianne in sich trägt, ist die Rekonstruktion von vergangenen Geschehnissen. Dies erinnert mich ein wenig an Batman: Arkham Knight, funktioniert aber in The Medium ebenso gut. Neben der Story treiben die zusammengesetzten Momente das Weiterkommen an und sind daher unumgänglich. Deplatziert sind sie aber keinesfalls und frischen das Gameplay weiter auf.
Endlich wieder Mystery-Horror
Wenngleich der Titel auf Waffen und andere Verteidigungs- sowie Angriffsarten verzichtet, schafft er es, etwas Verlorengegangenes wieder einzufangen. The Medium setzt den Mystery-Horror in den Fokus. In vielen Szenen wird für eine unglaubliche Spannung gesorgt, was aus meiner Sicht zuletzt Silent Hill 2 geschafft hat. Verlassene Orte, die mit seltsamen Fundstücken gepaart sind, sind dabei nur ein kleiner Teil des gesamten Bildnisses. Der Titel von „Blobber Team“ versteht es, an der richtigen Stelle anzusetzen und alles einfach noch etwas grusliger zu machen, als es ohnehin schon ist. Zwar versagen die Jumpscares grundlegend, die Atmosphäre dafür aber nie.
An dieser Stelle möchte ich den Sound erwähnen, der einen beträchtlichen Teil zum grusligen Gameplay beiträgt. Leider komme ich nicht drum herum, erneut Silent Hill zu erwähnen. Der Komponist von Silent Hill, Akira Yamaoka, hat an diesem Werk selbst mitgewirkt. Die musikalische Untermalung treibt einem nicht selten Gänsehaut über den Rücken und versteht, die Schauplätze und Situationen noch beklemmender zu machen. An einigen Stellen im Spiel klingt es fast so, als würde die Musik rückwärts abgespielt werden. Schon in der ersten Spielstunde ist klar, dass Akira Yamaoka sein Handwerk versteht und die richtige Besetzung war. Für mich ist jeder akustisch unterlegter Moment der Sinnbild des Horror-Genres.
Next-Gen-Optik?
Eigentlich ist die Funktionsweise des Gameplays so simpel wie genial, dennoch ist bereits alles Wichtige erwähnt worden. Daher ist es nun Zeit, weiter auf den technischen Bereich umzuschwenken. The Medium noch für die Xbox One auf den Markt zu werfen, wurde noch im letzten Jahr verworfen. Stattdessen rutschte der Fokus auf die aktuellen Konsolen von Microsoft sowie Win10 PCs. Und in vielerlei Hinsicht ist dies zu verstehen, denn das Spiel ist mit einigen gut inszenierten Kulissen ausgestattet. Nichtsdestotrotz spart es an bunten Nuancen und setzt dafür die Farbe rot oft ein.
Ein wahres Wunderwerk der Optik ist das Horrorspiel aber dennoch nicht. Gerade die Darstellung von Gesichtern samt ihrer Mimik hat keinen Sprung nach vorne gemacht und ist noch auf selben Niveau wie vergleichbare Titel auf Xbox One/PlayStation 4. Das führt gleichzeitig dazu, dass Marianne nicht lange im Kopf verankert bleibt, sondern sich zu unzähligen vergessenen Hauptprotagonisten im Laufe der Monate hinzugesellen wird. Das ist durchaus schade, denn damit wurde massenhaft Potenzial verschenkt.
Lokalisation
Ich gehöre nicht zu jenen, die ständig die deutsche Lokalisation verteufeln. Gerne lausche ich den deutschen Sprechern und nehme dies als Gesamtwerk wahr. Bei The Medium komme ich leider nicht in den Genuss, eine Übersetzung abseits des Textes genießen zu dürfen. Ich muss aber erstmals zugeben, dass wahrlich nichts die stimmungsvollen, englischen Dialoge wie Monologe hätte übertrumpfen können. Gerade die schrecklich schöne Stimme des Antagonisten verfolgt mich noch in meinen Gedanken und Erinnerungen. Ob die Betonung, die Verzerrung der Stimme oder all die anderen Facetten des gesprochenen Wortes – nie hat mich ein Gegner akustisch so beeindruckt!
Steuerung
Aufgrund des Verzichts von Arsenal und jedweder Kampfkunst, ist die Steuerung von The Medium sehr einfach gehalten. Bis auf ein paar Fluchtszenen, versetzt euch das Spiel kaum in Hektik. Es ist ganz gleich, ob ihr euch normal bewegt, die Luft anhaltet, um nicht bemerkt zu werden oder Energie ausstoßt – kompliziert oder überladen geht anders.
Durch die feste Kamera, die ebenfalls an die ersten Teile von Silent Hill oder Resident Evil erinnert, kommt es vielleicht versehentlich durch falsche Richtungsentscheidungen, der Steuerung ist dies aber nicht geschuldet. Letztlich ist das nur eine Sache der Eingewöhnung. Nichtsdestotrotz ist nicht jede Kameraeinstellung optimal und kann für andere Nachteile während des Spielens sorgen.
Pro & Kontra
- Gut inszenierte Atmosphäre
- Sehr spannende Story
- Interessante, neue Mechanik
- Genialer Sound und Sprachausgabe
- Manchmal ungeeignete Kameraperspektive
- Charaktermodelle auf Current-Gen. Optik