The Last of Us REVIEW
Es gibt da diesen einen, geradezu magischen Moment in The Last of Us bei welchen nicht nur die Protagonisten – Joel und Ellie – inne halten, sondern auch der Spieler selbst. Die besagte Sequenz ereignet sich relativ spät in diesem knapp 18 stündigen Werk, welches den Spieler durch eine schonungslose Reise durch ein brach liegendes Nordamerika. In diesem existieren Gesetze und gesellschaftliche Normen de facto nicht mehr, nicht, seit vor gut 20 Jahren ein Großteil der Bevölkerung durch eine von dem sogenannten Cordyceps-Pilz hervorgerufene Pandemie dahingerafft wurde. Die wenigen Menschen, die noch leben, haben sich zumeist in abgeriegelte Zonen zurück gezogen. Zonen, in denen entweder milizähnliche Söldnertruppen oder streunende Verbrecherbanden das Sagen haben. Die meisten Menschen haben gelernt sich mit der Situation zu arrangieren, denn das Leben in den abgesperrten Zonen bietet zumindest noch einen Teil Sicherheit. Sicherheit vor dem, was vor den Toren der bewachten Zonen lebt. Denn nicht alle Menschen sind durch die Pandemie gestorben, diejenigen, die Pech hatten sind stattdessen zu grausigen Wesen mutiert.
Der Überlebenskampf beginnt
Auch Joel – der die meiste Zeit vor Spieler gesteuert wird – hat sich mit diesem Leben abgefunden. Joel ist auf den ersten Blick ein recht typischer Videospiel-Antiheld. Ende 40, maskulin, ungewaschen und unrasiert, abgehärtet und ohne wirkliche moralischen Werte. Das ist zu Beginn des Spieles noch anders. Im Prolog – der 20 Jahre vor den eigentlichen Ereignissen von The Last of Us spielt – ist Joel noch ein liebender Vater, der alles für seine Tochter tun würde. In diesen knapp 30 Minuten erfährt der Spieler aber gleich, warum Joel später so ist, wie er ist. Gleichzeitig setzt der Prolog den Anfang für die eigentliche Ausgangslage von The Last of Us. Dabei ist der Spielbeginn in vielerlei Hinsicht fabelhaft: zum einen ist er dramaturgisch über jeden Zweifel erhaben, denn es gelingt Entwickler Naughty Dog (zuvor vor allem für die Uncharted und Jak and Dexter Spiele bekannt) den Spieler gleich zu Beginn einen Schlag in die Magengrube zu versetzen der noch einige Zeit nachhallt. Des weiteren merkt man bereits in diesen frühen Minuten mit was für tollen Geschichtenerzählern man es hier zu tun hat. Denn auch wenn man einige Eckpunkte erfährt, so lässt The Last of Us im Endeffekt viele Frage offen. Woher kommt der Pilz, wieso konnte er sich so schnell ausbreiten. Was ist in den 20 Jahren zwischen dem Ausbruch der Pandemie und der Gegenwart des Spieles passiert, wie hat sich die Pandemie auf anderen Kontinenten ausgewirkt? All diese Fragen lässt das Spiel unbeantwortet. Und das ist auch gut so.
Im Fokus von The Last of Us steht nämlich die Geschichte der Protagonisten. Neben Joel ist die zweite tragende Figur die 14-jährige Ellie, ein Mädchen, welches die Welt vor der Pandemie nicht kennt und welches für ihr junges Alter – zumindest auf den ersten Blick – ungewöhnlich abgehärtet und taff ist. Das Treffen der beiden ist mehr oder weniger einem Zufall geschuldet und eigentlich haben beiden vor schnell wieder getrennte Wege zu gehen. Doch wie es das Schicksal nun einmal will, sind die beiden für längere Zeit aneinander gekettet, was man zumindest zu Anfang auch durchaus wörtlich nehmen kann. Denn sympathisch sind die beiden sich nicht, vor allem Joel hat so seine Probleme mit dem jungen Mädchen. Wohl auch, weil sie ihn an seine eigene Tochter erinnert, deren Existenz er seit 20 Jahren zu verdrängen versucht.
Insgesamt erzählt The Last of Us den Handlungsspielraum von einem Jahr, eine Zeit, in der Joel und Ellie auf ihrer Reise durch die Vereinigten Staaten viele Schrecken erleben, immer wieder getrennt werden doch wieder zu einander finden. Die große erzählerische Stärke von The Last of Us ist weniger, das dem Spieler eine zuvor noch nie dagewesene Welt präsentiert wird (apokalyptische Szenarien gibt es natürlich auch in diesem Medium genug), aber die Art und Weise, wie das Spiel sein Szenario und die in diesem agierenden Charaktere präsentiert ist beinahe einmalig.
Und so ist es (neben dem Prolog und manch anderen denkwürdigen Momenten) eben jene Szene, die ich in der Einleitung angeschnitten habe, die einen ganz besonderen (Wende)Punkt in The Last of Us markiert. Sie beginnt mit der Ankunft von Joel und Ellie in Salt Lake City, dem vermeintlichen Zielort der beiden. Die zuvor erlebten Geschehnisse schlagen vor allem Ellie noch schwer auf den Magen, man kann kaum leugnen das sie noch unter Schock steht. Dies ändert sich schlagartig, als sie am Horizont etwas entdeckt. Es ist eine kleine Giraffen-Herde, welche durch die menschenleere Stadt zieht. Die Szene ist in vielerlei Hinsicht grandios (auch wenn sie niedergeschrieben vielleicht kitschig klingen mag). Zum einen, da man hier noch einmal merkt wie toll es dem Spiel gelingt wirklich menschliche Figuren zu erschaffen, deren Schicksal dem Spieler selbst sehr nahe geht. Zum anderen, weil man hier erkennt, welche Wandlung Joel, Ellie aber auch der Spieler in den vergangenen Stunden mit gemacht haben. Und so lehnt man sich (als Joel) ganz selbstverständlich neben Ellie an ein Balkongeländer und beobachtet die Tiere, welche vollkommen ungestört von ihren menschlichen Beobachtern durch die Ruinen der einstigen Großstadt dahin ziehen.
Das Drumherum
Man merkt sicherlich, das The Last of Us ein sehr Handlungs- bzw. Charakter-intensives Spiel ist. Ohne Zweifel ist es in dieser Hinsicht eines der ambitioniertesten Werke der letzten Jahre, auch wenn man ehrlich sagen muss, das es hier und da einige Schwächen im Gesamtbild gibt (so ist der Grund, warum Joel und Ellie in den Norden ziehen) etwas sehr einfach gestrickt und in diesem Setting schon des öfteren dagewesen. Trotzdem ist The Last of Us in Sachen Narration, Charakterzeichnung und Dramaturgie eines der besten Spiele, an die ich jemals Hand angelegt habe.
Was das eigentliche Spiel und seine Mechanik angeht, so ist es nicht unbedingt das beste, aber doch ein sehr gutes. Denn anders, als das ebenfalls sehr auf seine Handlung bedachte Bioshock Infinite gibt es hier zwischen Story und Gameplay keine großen Qualitätsunterschiede. The Last of Us lässt sich wohl am besten als Survival-Horror-Abenteuer bezeichnen, welches durchaus gewisse Anleihen an Spiele wie Resident Evil, Metal Gear Solid aber auch Tomb Raider besitzt. Wie schon ausgeführt, steuert man die meiste Zeit über (abgesehen vom Prolog und einem späteren Kapitel, in welchen man in die Haut von Ellie schlüpft) Joel, was aus der sogenannten „Über die Schulter“ Verfolgerperspektive geschieht. Das Spiel bietet dabei eine sehr gute Mischung aus Kämpfen und Entdeckungselementen, wobei vor allem die Kämpfe ein nicht unwichtiges Merkmal des Spieles sind. Die Gegnertypen selbst sind recht überschaubar, entweder trifft man auf den Spieler nicht wohl gesinnte Menschen (in der Regel in Form von umherziehenden Verbrecherbanden), die sich mit Waffen wehren oder eben mutierte Menschen, die es in drei verschiedenen Stufen gibt.
The Last of Us nötigt den Spieler dabei bei jedem Gegnertyp und teilweise auch bei unterschiedlichen Situationen zu je einer anderen Kampfstrategie. Zum einen, da Waffen bzw. Munition recht rar gesät sind, zum anderen da man sich meistens eine größeren Gruppe gegenüber sieht. Sehr gut gefällt vor allem die Tatsache, das die Gegner die meiste Zeit über einigermaßen intelligent agieren, sodass man auch diverse Tricks benutzen kann um diese in die Irre zu führen. So ist es bei menschlichen Gegnern etwa ratsam nicht einfach mit der Flinte um sich zu schießen, sondern zu versuchen die kleinen Gruppen durch Ablenkungsmanöver auseinander zu reißen und nach und nach einzelne Gegner zu erledigen. Trifft man auf mutierte Gegner so muss man teilweise umdenken, denn diese verhalten sich wieder vollkommen anders, als die rational denkenden Menschen.
Was die Kämpfe angeht, so geht das Spiel im übrigen nicht zimperlich zur Sache, denn egal ob man seinem Gegenüber nun mit einem gezielten Schuss aus der 9mm Pistole in den Kopf schießt, ihm eine Nagelbombe vor die Füße wirft oder gleich mit einem mit Nägeln gespickten Holzstück den Schädel zertrümmert: The Last of Us ist in seiner Gewaltdarstellung sehr drastisch, jedoch zu keinem Moment überzeichnet. Darüber hinaus würde eine harmlosere Darstellung der Gewalt wohl auch den durch die Handlung aufgebauten Kontext des Szenarios verwässern, denn in The Last of Us zieht der Spieler nun einmal durch eine von sämtlichen Gesetzen befreite Welt, in der die einzelnen Individuen nur überleben wollen und dabei alles in Kauf nehmen.
Technik
Das zweite große Element ist das erkunden, wobei dieses mehr dazu dient ein bisschen Tempo aus dem Verlauf zu nehmen und dem Spieler nach den nervenaufreibenden Kämpfen Zeit zum verschnaufen zu geben und die Welt, in der er sich befindet, zu erkunden. Denn diese ist aufgrund ihrer grandiosen Gestaltung etwas mehr, als nur eine einfache Kulisse. Stattdessen erzählen die verlassen Städte, in denen die Natur längst wieder die Herrschaft an sich gerissen hat und sich in Form von Pflanzen und Tieren entfaltet, wo sie nur kann, eben auch ihre eigene Geschichte.
Neben der Geschichte gehört das Art-Design des Spieles für mich zu der zweiten ganz großen Stärke, denn eine solch wunderschön gestaltetes apokalyptisches Szenario habe ich bisher noch in keinem anderen Spiel erlebt. Da stört es mich auch nicht großartig das hier und da die Levelabgrenzungen etwas sehr unschön gesetzt wurden, es immer mal wieder matschige Texturen gibt und sich gerade die mutierten Gegner oftmals ähneln. Überhaupt ist The Last of Us ein grafisch absolut brillantes Spiel, das ausgerechnet zum eigentlichen Ende der Playstation 3 Ära noch einmal die tollen Qualitäten von Sonys Konsole heraufbeschwört. Selbiges gilt im übrigen nahtlos auch für den Ton des Spieles. Neben der grandiosen Synchronisation (insbesondere der Protagonisten) ist es vor allem die eigentlich sehr ruhige Musik von Gustavo Santaolalla, der noch einmal einen dicken Batzen Atmosphäre transportiert.