Syberia REVIEW
Das Spieljahr 2014 befindet sich in seinen letzten Tagen, die großen Kracher sind abgefrühstückt und man kann sich endlich den Titeln widmen, die in den letzten Monaten auf der Strecke geblieben sind. Oder man macht es – so wie ich – und nutzt die ruhige Zeit, um mal wieder in Erinnerungen zu schwelgen und den ein oder anderen Klassiker wieder neu zu entdecken. Da kam es mir sehr recht, als Publisher Nordic Games wie aus dem nichts ankündigte, dass der Point & Click Klassiker „Syberia“ via PSN für die Playstation 3 neu veröffentlicht wird. Also habe ich mich nicht lange bitten lassen und mich nach über zehn Jahren ein weiteres Mal auf die Reise Richtung Sibirien begeben. Und keine Minute bereut.
Die spielbare Jules Verne Fantasie
Noch heute lebt „Syberia“ von zwei tragenden Faktoren. Eine dieser Säulen ist die Handlung, in welcher wir in die Rolle der jungen New Yorker Anwältin Kate Walker schlüpfen. Diese reist im Auftrag ihrer Kanzlei in das verträumte Alpendorf Valadilène, um dort einen Kaufvertrag zwischen Anna Voralberg, Besitzerin der hiesigen Spielzeugfabrik, und einem amerikanischen Konkurrenten unter Dach und Fach zu bringen. Der eigentliche Routineauftrag gestaltet sich jedoch unerwartet kompliziert, nachdem Kate erfährt, das Frau Voralberg kürzlich verstorben ist. Beim Notar erfährt Kate schließlich, dass es noch einen Erben gibt: Hans, den seit Jahrzehnten als tot geltenden Bruder von Anna. Dessen Aufenthaltsort ist jedoch nicht bekannt, weshalb sich Kate in bester Schnüffler-Manier auf die Suche nach Hinweisen begibt, die sie zu dem verschwundenen Erben führen.
Die von dem belgischen Comic-Autor Benoît Sokal erdachte Handlung lebt von kleinen, geradezu unaufgeregten Nuancen, lässt den Spieler gleichzeitig aber in eine immer weiter ins Träumerische abgleitende Geschichte eintauchen. Über eine Spielzeit von 7-8 Stunden entspinnt sich so eine nach wie vor faszinierende Reise, welche den Spieler an ebensolche Orte bringt. Ein der Zeit und dem politischen Wandel zum Opfer gefallenes Kosmodrom in Russland, eine von altehrwürdigen Wissen geprägte Universitätsstadt samt zum tropischen Gewächshaus umfunktionierten Bahnhof und natürlich das beschauliche, in den französischen Alpen liegende Valadilène, welches geprägt ist von der dort ansässigen und für die Handlung wichtigen Fabrik, in, welcher Automaten genannte Roboter hergestellt werden, die das alltägliche Leben der Menschen prägen.
Wenn es nicht die Handlung ist, die immer wieder an das Werk von Jules Verne erinnert, dann ist es spätestens das Art-Design, welches sich wie eh und je gemeinsam mit der erzählten Geschichte als die große Stärke von „Syberia“ erweist. Dies lässt sich ohne Weiteres auch auf die nun frisch erschienene Playstation 3 Portierung übertragen. Leider hat diese aber einen großen Haken, denn obwohl die Auflösung an moderne Fernseher angepasst wurde und man sich hier und da durchaus auch der Grafik selbst angenommen hat, wirkt das Spiel mittlerweile doch recht altbacken. Vor allem der Texturqualität merkt man die zwölf Jahre, die das ursprünglich auf dem PC veröffentlichte Adventure mittlerweile zählt, deutlich an. Ein wichtiges narratives Mittel sind beispielsweise Dokumente, welche man immer wieder findet, sammelt und liest um weitere Informationen über die Spielwelt zu erhalten. Leider fallen gerade hier die oft grob aufgelösten Texturen deutlich auf und machen das Lesen mitunter mühsam.
Auch hinsichtlich der Figurenmodelle und Effekte hat sich wenig getan, so besteht beispielsweise Wasser nach wie vor aus einer einfachen Textur und beim Sprechen machen die Charaktere ihren Mund immer noch nicht auf. Hinzu kommt, dass hin und wieder kleinere Glitches, wie etwa das hängen bleiben der Spielfigur an Gegenständen, auftreten. Auch an der von starken qualitativen Schwankungen unterlegenen deutschen Sprachausgabe wurde nicht gerüttelt. Das kann man als Charmant empfinden, da so wirklich das identische Spielgefühl von einst erzeugt wird. Angesichts des derzeitigen Preises der PSN Version von 14,49 Euro kann man das aber auch kritisieren. Prinzipiell ändert es aber nichts daran, dass es das Spiel immer noch blendend versteht, in seinen Bann zu ziehen.
Nichts für Puristen
Das ist nicht zuletzt auch der Verdienst des nach wie vor stimmigen Gameplays, welches, anders als der technische Aspekt, kaum Alterserscheinungen aufweist. Seine Point & Click Wurzeln der PC-Version hat die Playstation 3 Fassung von „Syberia“ größtenteils abgelegt, denn anstatt Protagonistin Kate via Mausklicks durch die Spielwelt zu bewegen, wird sie nun per Direktsteuerung mit dem Dualshock 3 Controller gelenkt. Das geht im Großen und Ganzen auch sehr gut von der Hand, auch wenn man deutlich merkt, dass „Syberia“ nicht unbedingt für eine präzise Steuerung dieser Art ausgelegt ist. Dies wird spätestens bei den teils sehr wirren Wegbeschränkungen deutlich. Denn obwohl Wege offensichtlich frei sind, läuft Kate gerne mal gegen eine unsichtbare Wand und muss stellenweise recht kleinlich durch die Areale gelenkt werden.
Wie man es vom Genre kennt, so setzt sich der große Teil der Spielmechanik natürlich aus dem erkunden der Umgebung sowie dem Lösen von diversen Rätseln zusammen. Bei Letzteren muss man ehrlicherweise sagen, dass diese in der Regel sehr simpel sind und gerade Puristen kaum Gelegenheit bekommen werden, sich an wirkliche Kopfnüsse heranzuwagen. Stattdessen besitzen die Knobeleien in vielen Fällen einen einfachen Grundaufbau und stupsen den Spieler oft direkt auf den richtigen Lösungsweg. Schlüssel für verschlossene Türen befinden sich etwa häufig in der unmittelbaren Umgebung ihres Einsatzortes und auch andere Items, die man zum Lösen einer Aufgabe braucht, sind meist nicht in weiter Ferne.
Hier kristallisiert sich letztlich die eigentliche Intention der Entwickler heraus. Der Spieler soll auf eine Reise mitgenommen werden und eine Geschichte erleben, weniger eine Handlung im klassischen Eigenverständnis des Mediums nachspielen. Heute bündelt man Spiele mit solchen Ansätzen gerne unter der Bezeichnung der Exploration-Games. Statt knackige Rätsel, stehen also Narration und Atmosphäre im Vordergrund. Da passt es auch sehr gut in das Gesamtbild, dass das Rätseldesign in den meisten Fällen einigermaßen nachvollziehbar und nicht ganz so stark an dem Logikproblem krankt, wie es bei vielen anderen Adventures die Norm ist.
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