Sniper: Ghost Warrior 3 REVIEW
Ihr habt Lust mal wieder einem Trupp finsterer Bösewichte in den digitalen Hintern zu treten? Wollt ein von Korruption und Bürgerkrieg gebeuteltes Land befrieden und nebenbei noch eine kleine Dreiecksromanze erleben? Mit durchschlagskräftigen Wummen hantieren und einem geheimen Militärbund das Handwerk legen? Dann könnte Sniper: Ghost Warrior 3 aus dem Hause CI Games eventuell die Erfüllung eurer feuchten Ballerträume sein – sofern ihr über einige Makel hinwegsehen könnt und eine Vorliebe für schlechte Action-Plots habt.
America, fuck yeah!
Ihr schlüpft in die Rolle des US-Marines Jon North, welcher gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Robert im ukrainisch-russischen Grenzgebiet Bösewichte auf´s Korn nimmt. Nachdem eine Mission aber ziemlich schief läuft und infolgedessen Jon´s Bruder von finsteren Terroristen entführt wird, verfolgt der Protagonist die Spur von Robert bis nach Georgien. Dort regieren korrupte Politiker und Clans mit Waffengewalt, zu allen Überfluss gehen Terroristen in dem kleinen Land ein und aus und versorgen sich mit modernster Kriegstechnologie aus Russland und auch ein ominöser Militärbund namens „Gesellschaft 23“ mischt mit. Für Elitesoldate Jon gibt es also genug zu tun – ganz zu schweigen von seinen Problemen mit Exfreundin Lydia, die sich auch auf dem Schlachtfeld tummelt.
Die Handlung gestaltet sich in ihren rund 12-15 Stunden Spielzeit ziemlich hanebüchen und hat die intellektuelle Sprengkraft eines Steven Seagal Filmes. Eine hohe Toleranzgrenze für Dialoge und US-amerikanische Beweihräucherung auf Michael Bay Niveau solltet ihr auf jeden Fall mitbringen, um den hier von den Storyschreibern verzapften Quark ertragen zu können. Oder aber aber ihr nehmt die aberwitzige Handlung, ihre vor Klischees nur so triefenden Figuren und die mit jeder Menge Fremdscham angereicherten Dialoge samt der verhunzten deutschen Synchronisation mit Humor und akzeptiert Sniper: Ghost Warrior 3 als spielbaren B-Movie.
Solides Grundgerüst
Anders als die zum Franchise gehörende, aber bei einem anderen Entwickler entstehende Sniper Elite Serie, sieht sich Sniper: Ghost Warrior 3 weniger als Scharfschützen-Simulation, sondern eher als klassischer Shooter. Zwar ist auch Jon´s wichtigster Ballermann sein Gewehr mit Zielfernrohr, allerdings bringt uns das Spiel auch immer wieder in Situationen, in denen wir aus unmittelbarer Distanz mit dem Gegner kämpfen müssen. Dank verschiedenster Pistolen, Maschinengewehren und Flinten sowie einer reichlichen Auswahl an Granaten, Kampfmessern und anderen Gadgets ist man aber für den Nahkampf bestens gerüstet. An einer Werkbank in Jon´s Geheimversteck kann man Schusswaffen außerdem modifizieren, sie mit besseren Zielfernrohren und Visieren, sowie Schalldämpfern und anderen Extras ausstatten und sogar – entsprechende Ressourcen vorausgesetzt – spezielle Munition basteln.
Das ist verlockend, dennoch bestraft Sniper: Ghost Warrior 3 unvorsichtige Spieler, die munter zum Feind vorpreschen. Allzu viele Schüsse verkraftet Jon nämlich nicht, ehe er in sich zusammensackt und der Todesbildschirm aufploppt. Zu allen Überfluss liegen die Checkpoints gerne weit auseinander, was zu Frust führen kann. Daher solltet ihr euer Vorgehen im Vorfeld gut überlegen. Offene Feuergefechte lassen sich zwar nicht immer vermeiden, dennoch sollte man Schutz hinter Hindernissen suchen und darauf achten, das die Gegner Jon nicht umkreisen oder unter Dauerfeuer nehmen.
Bestenfalls erledigt man die Missionen sowieso aus der Distanz und knipst die Gegner nach und nach aus. Hier müssen diverse Umwelteinflüsse, wie etwa eventueller Regen und die Windgeschwindigkeit, mit eingerechnet werden. Obwohl mir die Sniper-Parts dennoch einen Tick zu simpel gestaltet sind, hatte ich mit dieser Spielweise meinen meisten Spaß. Die klassischen Shooter-Gefechte fühlen sich hingegen etwas unsauber und träge an.
Open World, muss halt sein
CI Games schickt uns diesmal nach Georgien, einem doch noch recht unverbrauchten Setting mit allerhand alter Anlagen aus der Sowjetzeit, verfallenen Ruinen, verschlafenen Bergdörfern und viel weiter Wildnis. Viel zu bieten hat die offen gestaltete und in verschiedene Areale unterteilte Welt von Sniper: Ghost Warrior 3 abseits seiner recht ansehnlich gestalteten Story-Orte aber leider nicht. Zwar gibt es auch einige Nebenquests, diverse Sammelaufgaben und Herausforderungen, die formal dazu einladen sich mehr mit der Spielwelt auseinanderzusetzen. Wirklich packend ist das alles aber leider nicht. Einzig das Suchen und Eliminieren bestimmter Zielpersonen und das Befreien von Zivilisten aus der Gefangenschaft hat mich etwas länger motiviert.
Darüber hinaus vermittelt das nachgebaute Georgien zu keinem Moment das Gefühl einer glaubhaften Welt. NPCs stehen nur doof in der Gegend rum und kümmern sich offenbar nicht das ein an die Zähne bewaffneter US-Amerikaner durch ihr Dorf latscht und in ihren Häusern nach Munition oder Ressourcen sucht. Auch der Verhalten der Gegner ist nicht gerade das Gelbe vom Ei. Selbst wenn ich mich einem bösen Buben bis auf wenige Zentimeter genähert habe, bemerkt dieser mich nicht und ich kann ihn munter in den Schwitzkasten nehmen, um ihn zu verhören, oder ihm zu näherer Bekanntschaft mit meinem schnell gezückten Messer verhelfen. Trotzdem hat das Spiel einen angenehmen Schwierigkeitsgrad, sodass man sich dazu ermuntert fühlt Missionsgebiete zu sondieren, mit der Drohne Gegner zu scannen und nach und nach die Feinde aus dem Hinterhalt auszuschalten.
Bitte warten
Im Vorfeld der Veröffentlichung machte Sniper: Ghost Warrior 3 bereits Negativschlagzeilen, nachdem diverse Tester von den enorm langen Ladezeiten auf der PlayStation 4 berichteten. Und tatsächlich: geschlagene fünf Minuten (!!!) dauert es vom Hauptmenü ins eigentliche Spiel zu laden. Die Entwickler haben diese Problematik bereits adressiert und verweisen darauf, dass zumindest die Ladezeiten bei Neustart einer Mission, bei Verwendung der Schnellreisefunktion und beim Gebietswechsel flotter vonstattengehen würde. Das ist in der Tat so, doch selbst hier wirken die Ladezeiten einen Ticken zu lang. Vor allem wenn man bedenkt, das die auf der Cry Engine fußende Grafik im Vergleich mit anderen Open World Titeln nicht gerade der ganz große Wurf ist.
Die grafische Qualität ist gutes Mittelmaß mit ein paar Ausreißern nach unten. Die gerenderten Videos wirken aufgrund ihrer Komprimierung körnig, die Charaktermodelle samt Mimik und Gestik hölzern und unglaubwürdig, hinzu kommen einige grob aufgelöste Texturen. Die offene Spielwelt ist hingegen abwechslungsreich gestaltet, in einem Jahr, in welchen das Genre mit Ausnahmespielen wie Breathf of the Wild und Horizon: Zero Dawn neue Maßstäbe gesetzt hat, kann das virtuelle Georgien nicht mithalten. Die Bildrate ist auf der normalen PlayStation 4 einigermaßen konstant, grobe Einbrüche habe ich nicht vernommen.
Bugs und fehlender Multiplayer
Dennoch ist der Auslieferungszustand von Sniper: Ghost Warrior 3 (zumindest in der mir vorliegenden PlayStation 4 Fassung) ärgerlich. Denn es haben sich diverse Bugs und Fehler in das Vollpreisspiel geschlichen, die für sich genommen kein großes Drama darstellen, in ihrem häufigen Auftreten aber zunehmend nerviger werden. Diverse Spielabstürze und NPCs die an Objekten festhängen sind da fast noch das kleinste Übel. So trat in einer Nebenmission etwa ein Bug auf, der bereits von mir markierte Gegner urplötzlich hat verschwinden lassen. Mehrfaches Neuladen des letzten Checkpoints brachte keine Besserung, wonach ich die komplette Mission schließlich entnervt abgebrochen habe. Sehr ärgerlich ist auch die Trial & Error Mentalität mancher Missionen, in denen ich keinen Alarm auslösen darf. So reichte es schon aus, das ich mich mit meiner Drohne nur grob dem zu infiltrierenden Gebiet genähert habe, bevor der Gegner Alarm geschlagen hat und die Mission für mich somit vorbei war. Angesichts der bereits erwähnten, nicht gerade kurzen Ladezeiten kann der Frust so schnell steigen.
Eine kleine PR-Katastrophe ist hingegen das Fehlen des Mehrspieler-Parts. Wenige Wochen vor Veröffentlichung von Sniper: Ghost Warrior 3 gab man zwar bereits bekannt, das der Multiplayer-Modus erst nach Release erscheint. Nun heißt es aber, das dieser erst im dritten Quartal 2017 kommen wird. Man kann nun gerne darüber streiten, ob der nicht vorhandene Mehrspieler die ganze Aufregung wert ist (die Multiplayer-Modi der Vorgänger waren nicht viel mehr als eine nette Dreingabe), dennoch ist es eine Frechheit zahlende Kunden auf einen unbestimmten Zeitpunkt mehrere Monate nach Release zu vertrösten. Die Begründung der Entwickler, man wolle sich vollends auf die Qualitäten des Singleplayer-Modus fokussieren, könnte man ja noch schlucken, wäre dieser wenigstens entsprechend gut und fehlerfrei.