Siren: Blood Curse REVIEW
Wenn Videospieler von Survival-Horror sprechen, dann haben sie fast immer eine von zwei großen Serien im Kopf: Resident Evil und/oder Silent Hill. Denn kaum ein anderes Videospiel-Genre zieht seinen Ruhm so stark aus eigentlich nur zwei großen Reihen, wie das des Survival-Horror. Dabei gibt es auch Abseits der zwei großen Namen viele ambitionierte Spiele und Reihen, welche das Genre maßgeblich geprägt und ihm eine andere Ausrichtung verliehen haben. Zu einer der interessantesten, da die Genre Grundprinzipien um einige außergewöhnliche Ideen erweiterten Reihen gehören sicher die „Siren“ Spiele von dem Sony eigenen Entwicklerstudio SCE Japan Studio. Insgesamt hat es die Reihe bisher auf drei Ableger gebracht, zwei davon für die PS2 und eine Art Remake – oder wie es die Entwickler nennen: Re-Imagination – für die PS3. Diese Siren: Blood Curse genannte Neuinterpretation aus dem Jahre 2008 ist gleichzeitig der rundeste, wenn auch nach wie vor mit so manchen Macken behaftete Ableger der Serie und bietet sich für den Einstieg in die Reihe auch heute noch am ehesten an.
Das Dorf der Verdammten
Schauplatz der Handlung ist ein Dorf namens Hanuda, welches irgendwo abgelegen in den Bergen Japans liegt. Oder zumindest liegen sollte, denn vor über dreißig Jahren ist das Dorf samt seiner Bewohner von einen Tag auf den anderen verschwunden. Darüber hinaus existieren Legenden das Dorf und seine Bewohner betreffend, die von einem geheimen Kult und okkulten Ritualen sprechen, welche in der Zeit des Verschwindens von Hanuda stattgefunden haben sollen. Eben jene Gerüchte sind es, die ein US-amerikanisches Fernseh-Team anzieht und zu einer Reportage über das verschwundene Dorf Hanuda bewegt. In den Örtlichkeiten, wo das Dorf einst lag, angekommen macht das Team bald eine seltsame Entdeckung, die sich schnell als Opfer-Zeremonie herausstellt. Kurz darauf werden die einzelnen Mitglieder getrennt und von den (un)toten Bewohnern Hanudas gejagt…
Wie Eingangs geschrieben, ist Siren: Blood Curse eine Neuinterpretation, welche sich vor allem an Story-Elementen und Schauplätzen aus dem ersten Teil, sowie Gameplay-Elementen des zweiten Teils bedient und diese zu einem neuen Spiel zusammen wirft. Ausschlaggebend für die Entwicklung des Remakes war vor allem der Umstand das die sehr auf das japanische Publikum zugeschnittenen Erstlinge auf dem westlichen Markt nicht sonderlich erfolgreich waren und Sony das Potential des Konzepts noch einmal in überarbeiteter Form für die zum Release-Zeitpunkt von Siren: Blood Curse (2008) noch junge PS3 haben wollte. Diese Entscheidung ist vor allem für Genre-Fans und Quereinsteiger eine glückliche Fügung, denn so empfehlenswert die PS2-Originale aus meiner Sicht auch sind, so besitzt die die Reihe doch einige Eigenheiten, die es für westliche Konsumenten nicht unbedingt leicht macht den Anschluss zu finden.
Dazu gehörte sicherlich auch der Umstand der Charakter-Identifikation, welche wohl bei vielen westlichen Spielern aufgrund der japanischen Figuren der ersten beiden Teile nicht stattfinden konnte. Daher wurden die Figuren für Siren: Blood Cursegrößtenteils ausgetauscht und durch amerikanische Charaktere ersetzt, lediglich mit dem kurze Zeit spielbaren Saigo und der für die Story relevanten Miyako sind zwei Figuren aus dem Original verblieben. Die an den westlichen Markt ausgerichtete Neuinterpretation hat letztlich auch Folgen für den Plot und seine Präsentation, was sich aber glücklicherweise nicht als verwässerter Totalschaden herausstellt. Denn dadurch, das man vornehmlich westliche Figuren spielt, welche die japanische Kultur und Sprache wenig bis gar nicht kennen, wirken die eingestreuten Expositionen im Spielverlauf einigermaßen unaufdringlich. Allerdings behält sich das Spiel bereits in Sachen Plot und Inszenierung doch noch sehr viele Eigenheiten bei. Eine davon ist der stilistische Kniff das gesamte Spiel in zwölf Kapitel zu unterteilen, welche wie eine Art TV-Serie präsentiert werden. Die Entscheidung zu einer solchen Art der Story-Präsentation hat sicherlich auch damit zu tun, das „Siren: Blood Curse“ ursprünglich nur Häppchen-weise als Download angeboten wurde. Insofern gibt es nach dem Ende jeder Episode auch eine kleine Vorschau auf die nächste bzw. zu Beginn eines jeden neuen Kapitels einen kurzen Rückblick auf die zuvor stattgefundenen Ereignisse. Mag dies bei der Downloadversion durchaus Sinn ergeben, wirkt dieses Element in der Retail-Fassung aber eher unnötig.
Abwechslung durch Charakter-Tausch
Zu dem TV-Format der Inszenierung passt, das jedes der zwölf Kapitel eine Spielzeit von plus minus einer Stunde besitzt, wobei die tatsächliche Spielzeit sich natürlich danach richtet, wie zügig man durch die jeweiligen Abschnitte kommt bzw. wie viel Zeit man sich beim spielen lässt. In jedem Kapitel schlüpft man in eine andere Figur, denn so gut wie jeder Charakter aus dem TV-Team, sowie den zur Handlung stoßenden Studenten Howard und den erwähnten Saigo, einem Arzt aus der Gegend, ist im Verlaufe von „Siren: Blood Curse“ (mehrmals) spielbar. Dies ist nicht nur für die Handlung, sondern vor allem spielerisch interessant, denn jeder Charakter spielt sich aufgrund individueller Fähigkeiten anders, was einerseits für Abwechslung sorgt und der Stimmung des Spieles sehr gut tut. Letztere ist im übrigen eine der ganz großen Stärken des Spieles, was für ein im Survival-Horror angesiedeltes Spiel fast existentiell ist.
Einen Großteil der Stimmung zieht der Titel dabei vor allem aus der audiovisuellen Präsentation. Die Grafikqualität hat über die Jahre natürlich etwas gelitten, vor allem in Hinsicht auf die Texturen wirkt Siren: Blood Curse stellenweise arg antiquiert. Selbiges gilt für das sehr schlauchige Leveldesign. Zwar ist es prinzipiell immer möglich sich vom Zielpfad zu entfernen (ja, es ist teilweise gar vom Spiel erwünscht alternative Routen zu suchen), allerdings ist die Architektur der einzelnen Abschnitte doch so gestaltet, das man stets durch den Level – mehr oder weniger – gelotst wird. Dafür überzeugt aber das von Monster-Filmen inspirierte Art-Design, sowie das stimmungsvoll in Szene gesetzte Setting. Egal ob schwülstig anmutende Reisfelder, heruntergekommene Wohnungen, mit okkulten und religiösen Symboliken versehenen Katakomben: alleine die Kulissen bereiten bereits ein solch unwohliges Gefühl, dass man als Spieler absolut nachvollziehen kann, das die Protagonisten diesen Ort lieber gestern als heute verlassen hätten. Zu der allgemein sehr bedrückenden Stimmung passt der Grafikfilter, der die Szenerie meist in grau-braun Töne legt, hier und da aber immer wieder mit prägnanten Farben spielt und damit sehr atmosphärische Momente erzeugt. Dazu passt der wirklich grandiose Score des Spieles, der sich aus traditioneller japanischer Musik, religiösen Einflüssen und vertrackten Horror-Klängen zusammensetzt und einen schaudererregenden Klangteppich ausbreitet.
So toll die Stimmung aber auch ist, desto anstrengender ist teilweise die narrative Darstellung. Nicht nur schaltet das Spiel in den einzelnen Episoden zwischen den Figuren hin und her, auch werden immer wieder die Zeitebenen verschoben, gerne auch mal um mehrere Jahrzehnte. Vor allem gegen Ende hin wird es dann ganz wirr, sodass man schon sehr aufmerksam sein muss um nicht vollends den Faden zu verlieren (was aber eigentlich unabwendbar ist). Ob dies nun Kritik würdig ist oder nicht, ist sicherlich Ansichtssache. Diejenigen Spieler, die es gerne mal etwas vertrackt haben und sich auch gerne nach dem Abspann noch etwas weiter mit der Handlung auseinandersetzen (so wie ich) dürften aber ihren Spaß an dem ganzen haben.
Ich sehe was, das du siehst
Spielerisch ist Siren: Blood Curse noch am ehesten mit den frühen Silent Hill Spielen zu vergleichen, sprich der eigentliche Gameplay Aufbau ist einigermaßen unaufgeregt. Statt also ein eher auf Action ausgelegtes Spielkonzept von der Leine zu lassen, bekommt man ein Spiel geboten, welches an den richtigen Stellen auf Reduzierung setzt und damit dem eigentlichen Hintergrundgedanken des Survival-Horror doch sehr nahe kommt. Denn man spielt eben keine ausgebildeten Soldaten, für die der Gebrauch von Waffen etwas normales ist, sondern schlüpft in die Rollen von Allerwelts-Typen, für die selbst in einer Extremsituation der offene Kampf und der Einsatz von Waffen nicht unbedingt die klügste Option ist. Zwar findet man in Siren: Blood Curse allerhand Waffen, darunter wenige Schusswaffen, sondern vor allem als Kampfobjekte missbrauchte Alltagsgegenstände wie Küchenmesser und Sägeblätter. Allerdings bedeutet die Fülle an möglichen Waffen nicht, das man unbedingt die Konfrontation mit den Zombie ähnlichen Untoten suchen sollte, zumal sich die Waffen und ihre Träger sehr realistisch verhalten. Denn das eine schmächtige Frau eine Spitzhacke nicht mal so einfach mir nichts dir nichts um sich schwingt und damit untote Köpfe zum einkrachen bringt ist ebenso selbstverständlich wie der Umstand, das ein kleines Mädchen (welches man ebenfalls in einigen Abschnitten lenkt) überhaupt nicht Gebrauch von Waffen macht. Insofern ist es also nicht unbedingt ratsam trotz Waffe in der Hand gleich auf die Gegner los zu gehen, zumal die Untoten nach einiger Zeit sowieso wieder aufstehen und quasi gar nicht tot zu kriegen sind.
Statt also von den Waffen allzu viel Gebrauch zu machen, ist es eher die Regel das man versucht möglichst nicht von den Gegnern gesehen zu werden und der Kampf eher die letzte Alternative ist. Dazu passt, dass das Gameplay sehr stark auf die vorhandene Schleich-Komponente ausgelegt ist und die Umgebung immer wieder die Möglichkeiten offen lässt entsprechend zu interagieren. Wird man etwa in einem Haus von einen oder mehreren Gegner verfolgt, ist es durchaus ratsam sich in einem Schrank zu verstecken und dort solange auszuharren bis die Luft wieder rein ist. Auch kann man seine Gegner durch Rufe und andere kleine Tricks ablenken und in die Irre führen. Insofern ist es durchaus möglich einen Großteil des Spieles ohne Feindkontakt zu meistern, zumindest wenn man die entsprechende Geduld mitbringt. Das sich von anderen Survival-Horror Spielen absetzende Markenzeichen der Siren Reihe ist beim sich vor den Gegnern verstecken ebenfalls sehr praktisch: nämlich die sogenannte Gegner-Sicht. Diese wird von so gut wie allen Figuren beherrscht und ermöglicht es den Spieler durch die Augen seiner Feinde zu sehen. Aktiviert man die Gegner-Sicht teilt sich der Bildschirm quasi in zwei Blickwinkel, einmal der normalen Third-Person-Sicht der eigenen Figur, sowie einer Ego-Perspektive aus dem Blickfeld des ausgewählten Gegners heraus. Leider hat dieses eigentlich spannende Element aber so seine Tücken, vor allem in technischer Hinsicht sorgt es doch dafür, das die Framerate einbricht und das Spiel zu ruckeln beginnt, weshalb die Nutzung dieses Features eher stört, als das es hilft.
Überhaupt besitzt Siren: Blood Curse auch in der überarbeiteten Neuinterpretation noch so einige seiner bereits aus den Vorgängern bekannten seltsamen Eigenheiten, die das gesamte Spiel teilweise zur Geduldsprobe werden lassen. Dazu gehört beispielsweise der Umstand, dass das Bild oftmals so Dunkel ist, das man überhaupt nichts erkennt. Dies hat weder etwas mit der Helligkeitseinstellung des Fernsehers, noch des Spieles zu tun, sondern ist von den Entwicklern offensichtlich so gewollt (?!). Auf der einen Seite ist dies natürlich sehr konsequent und passt zu dem allgemein recht realistischen Touch des Gameplays, denn wenn man nachts durch einen Wald läuft dann gibt es eben nicht sehr viel mehr Lichtquellen, als den Mond am Himmel. Für Survival-Horror Puristiker schön und gut, aber sicherlich wäre es der Akzeptanz des Spieles erträglicher könnte man zumindest optional die Helligkeit vernünftig nach oben korrigieren ohne dass das gesamte Bild zu hell wird.
Auch besitzt das Spiel gerade im letzten Drittel einige Längen, die negativ verstärkt werden durch Schauplatz-Recycling und frustrierenden Zwangskämpfen, auf welche die hakelige Kampfsteuerung einfach nicht ausgelegt ist. Die meiste Zeit über gelingt es „Siren: Blood Curse“ eigentlich ganz gut zu kaschieren, das trotz der abwechslungsreichen Spielweise durch die einzelnen Figuren das restliche Gameplay doch sehr linear gehalten ist. So läuft so gut wie jedes Level darauf hinaus, das man entweder diverse Gegenstände zu finden hat, einen Schalter umlegen muss oder ein anderes wenig kreatives Missionsziel erfüllt. An solchen Momenten merkt man, das dem Spiel (wie seinen Vorgängern auch) der nötige Feinschliff fehlt, der aus einzelnen sehr guten Elementen auch ein sehr gutes Gesamtes ergibt.