Root Film REVIEW
Wenn ich mir in Vorbereitung auf diese Kritik durchlese, mit welchen großen Worten Root Film beworben wird, frage ich mich mal wieder, wie sehr die Menschen in der Entwicklung und der PR sich im Klaren über ihr eigenes Produkt und dessen Qualität sind. Einer Gameplaymechanik etwa dichtet man an sie würde „dem Visual Novel-Genre eine ganz neue Ebene verleihen“, der für das Skript verantwortliche und gleichzeitig als Director fungierende Hifumi Kono sieht in dem Spiel gar eines seiner bisher größten Meisterwerke. Uff.
Opfer der eigenen Erwartungshaltung
Bis vor einigen Wochen habe ich mich noch ziemlich auf das Spiel gefreut. Das hat zwei Gründe. Zum einen mochte ich bereits den Vorgänger Root Letter (2016), welches eine stimmige, wenn auch nicht ganz runde Visual Novel ist und vor allem audiovisuell einen schönen Ansatz gefunden hat. Des Weiteren bin ich durchaus ein Fan von Hifumi Kono und dessen Werk, allen voran der Clock Tower Reihe, eine ebenfalls nicht perfekte, in der öffentlichen Wahrnehmung aber vollkommen zu Unrecht vernachlässigte Horror-Reihe. Das ausgerechnet Kono die Regie und das Drehbuch für den zweiten Teil der Mystery-Serie aus dem Hause Kadokawa Games übernimmt, hat also durchaus Erwartungen in mir geweckt.
Nachwuchsfilmemacher/Hobby-Detektiv
Hauptfigur ist Rintaro Yagumo, ein Mittzwanziger, der als Regisseur mit eigener Produktionsfirma richtig durchstarten will, bisher aber nur auf kleineren Festivals auf sich aufmerksam gemacht hat. Die große Chance winkt ihm schließlich zu, als ein örtlicher TV-Sender Rintaro für die Neuauflage einer Mystery-TV-Reihe verpflichten will. Vor zehn Jahren wurde die Serie eingestellt, nachdem es bei den Dreharbeiten zu einer Geistersichtung und einen unerklärlichen Mord gekommen war. Nun soll Rintaro nicht nur die Vorbereitungen für die neuen Dreharbeiten treffen, sondern gleichzeitig auch herausfinden, was sich vor einst wirklich zugetragen hat. Parallel dazu gibt es noch einen weiteren Handlungsstrang um ein junges Model namens Riho, die ebenfalls in seltsame Zwischenfälle verwickelt wird.
Letztlich finden die Geschichten zusammen. Bedauerlicherweise ist aber weder der Weg zum Ende, noch die Auflösung sonderlich spannend oder gar originell. Das von Kono selbstsicher ausgerufene Meisterwerk ist Root Film jedenfalls nicht.
Keine Zeit für ausgearbeitete Figuren und Handlungsstränge
Eines der Probleme liegt im episodischen Aufbau der Handlung. Jeder Fall ist nämlich wie eine Folge einer TV-Serie aufgemacht. Die Fälle, in denen letztlich vor allem sehr weltliche Verbrechen behandelt werden, sind selten länger als eine Stunde und haben entsprechend kaum Zeit Figuren, Motive und Story zu etablieren. Das schlägt sich übrigens auch im Writing wieder, welches verkürzt wirkt und einfach nur schnell die wichtigsten Eckpunkte abarbeiten will. Während wiederkehrende Figuren wie Rintaro und seine Assistentin Aine Magari zumindest einigermaßen Profil über Zeit gewinnen, erhält man zu den Figuren, die nur innerhalb eines Falls vorkommen, keinerlei Zugang. Entsprechend kann man auch die Motive der Verbrecher*innen nicht nachvollziehen, ganz zu schweige mit den Opfern mitfühlen.
Und überhaupt wirken sowohl die einzelnen Stränge als auch die übergreifende Handlung erstaunlich banal. Während der Vorgänger eine im Kern sehr geerdete Geschichte erzählt hat und darum eigentlich auch keinen allzu großen Hehl macht, versucht Root Film die ganze Zeit ein Mysterium aufzubauen, welches sich als ziemlich belanglos herausstellt.
Öde Wortgefechte
Damit sind die wichtigsten Elemente für das Gelingen einer Visual Novel (interessante Geschichte, gutes Writing, nahbare Figuren etc.) nicht gegeben. Und auch die anderen Mechaniken zünden nicht. Im Vorfeld habe ich immer wieder den Vergleich zu Ace Attorney und Danganronpa gelesen, aber auch hier sollte man die eigenen Erwartungen weit herunterschrauben. Zwar gibt es Adventure-ähnliche Momente, in denen man mit der Umgebung interagiert. Allerdings kann man hier nur wenige und festgelegte Hotspots anklicken. Das Aufnehmen von Gegenständen und ein Inventar gibt es nicht.
Bleiben noch die Schlüsselwörter, die man im Laufe einer Episode sammelt um diese zum Finale gegen ein Gegenüber in einem Wortgefecht zu benutzen. Vor allem von diesem Element dürfte der Vergleich mit den zuvor genannten Spielen entspringen. Einen komplexen Tiefgang haben die Wortgefechte aber nicht. Tatsächlich muss man nur drei Mal die jeweils richtige Information auswählen, um zu gewinnen, wobei man hier vom Spiel auch noch auf drei Antworten eingegrenzt wird, was die Angelegenheit noch einfacher macht als sie es ohnehin bereits ist.
Pro & Kontra
- visueller Stil durchaus ansprechend
- gute japanische Sprecher
- langweilige Story
- Figuren haben keine Möglichkeit sich zu entfalten
- Bebilderung gibt oftmals nicht die aktuelle Stimmungslage wieder